Family Bonds von cu123 (~ Sequel zu Close Distance ~) ================================================================================ Kapitel 25: "Will dir wieder jemand an die Wäsche?" --------------------------------------------------- "Ich hatte nicht erwartet, dass wir uns noch einmal begegnen." Er seufzte innerlich, denn irgendwie hatte er gehofft, jetzt seine Ruhe zu haben, nachdem er eine besonders hartnäckige Dame endlich losgeworden war. Nach außen hin spiegelte sich nichts von dieser Überlegung wider, vor allem nicht auf seinem Gesicht, das ein höfliches Lächeln zeigte, als er sich dem Neuankömmling zuwandte. Braune Augen weiteten sich kaum merklich, als er den anderen wiedererkannte, doch er verbarg diese unwillkürliche Reaktion, indem er leicht den Kopf in Erwiderung neigte. "Das ist wirklich ein interessanter Zufall…" Aus mehr als einem Grund antwortete er auf Japanisch, ließ den Satz in einer stummen Frage ausklingen. Der ältere Mann hatte keine Schwierigkeiten damit, ihm in der gleichen Sprache zu antworten. "Mein Name ist Richard Walter." Ihm wurde eine Hand hingehalten und ohne zu zögern ergriff er sie. "Crawford. Erfreut, dieses Mal wirklich Ihre Bekanntschaft zu machen." Das begleitende Lächeln war echter als das zuvor und seine Worte beinahe aufrichtig gemeint. Denn wenn er mit seiner damaligen Einschätzung richtig gelegen hatte, hatte er hier jemanden vor sich, der für sein Geld arbeitete. Was mehr war als man von den meisten behaupten konnte, die heute bereits das Gespräch mit ihm gesucht hatten. In den blauen Augen seines Gegenübers blitzte Amüsement auf, das von Verstehen getragen wurde. "Es scheint so, als würden Sie einen gewissen Unterhaltungswert während des bisherigen Small Talks vermissen." Wieder neigte er den Kopf, dieses Mal als Eingeständnis, ohne es aussprechen zu müssen. "Ich nehme an, dass es Ihnen nicht anders geht." Denn sonst hätte Herr Walter sicher nicht so leicht erkennen können, was gerade in ihm vorging. Er erntete keinen Widerspruch, was nur eine andere Form von Zustimmung war. "Ich muss zugeben, dass Ihre Person zumindest etwas unerwartete Abwechslung mit sich gebracht hat. Bei Veranstaltungen wie dieser hier begegnet man häufig denselben vertrauten Gesichtern. Wozu Sie ganz sicher nicht zählen. Kein Wunder, dass ich zuvor keine Chance hatte, bis zu Ihnen vorzudringen." Der Kopf wurde leicht zur Seite geneigt. "Was aber nicht heißt, dass nicht auch ein paar Informationen bis zur mir vorgedrungen sind." Wieder mit einem Lächeln. "Sie haben also unseren Gastgeber in Japan kennengelernt?" "Ich habe dort gearbeitet, während er mit seiner Familie seinen Urlaub dort verbracht hat. Die Einladung habe ich aber nur der Tatsache zu verdanken, dass wir uns vor ein paar Tagen in der Mall über den Weg gelaufen sind. Ansonsten haben wir nichts weiter miteinander zu tun." Es fiel ihm nicht schwer, die reine Wahrheit zu sagen und das Wichtige gleichzeitig zu verschweigen. "Ah, ich hatte mich für einen Moment schon gefragt, ob Sie vielleicht seinetwegen Ihren Urlaub hier verbringen." Der Ältere bemerkte zum Glück nicht, wie er für einen Moment erstarrte, sondern sprach unmittelbar weiter. "Werden Sie nach Ihrem Urlaub nach Japan zurückkehren? Vielleicht lohnt es sich, in Kontakt zu bleiben. Es ist schließlich nicht so einfach, dort Geschäfte zu machen. Und vielleicht können wir uns mal gegenseitig helfen." Das Angebot fiel nicht völlig aus dem Rahmen, aber ungewöhnlich war es schon. Auf der anderen Seite… vielleicht war er Herrn Walter ganz einfach auf den ersten Blick so sympathisch gewesen, wie es umgekehrt der Fall war. So etwas passierte nicht häufig, aber es kam vor. "Mm, die Idee wäre grundsätzlich nicht schlecht, allerdings habe ich beschlossen, vorläufig hier in den USA zu bleiben." Aus irgendeinem Grund geriet der Blick der grau-grünen Augen für einen Moment besonders durchdringend, dann aber fand Herr Walter zu einem Lächeln zurück. "In dem Fall… falls Sie einen neuen Job suchen, können Sie sich gerne bei mir melden", kam die überraschende Erwiderung, bevor ihm der Ältere eine Visitenkarte überreichte. Mit einer hochrutschenden Augenbraue nahm er sie an. "Verteilen Sie Jobangebote häufiger, obwohl Sie gar nicht wissen, was Ihr Gegenüber bisher geleistet hat?" Der Andere ließ sich von seiner leicht ironischen Frage nicht irritieren. "Nicht häufig, aber gelegentlich. Und bisher hat mich meine Menschenkenntnis nicht im Stich gelassen." Mit einem feinen Lächeln, hinter dem noch etwas zu stehen schien, das er nicht entziffern konnte. In dieser Situation wäre Schuldig ganz nützlich gewesen – doch der hatte gerade Wichtigeres zu tun. Also deutete er lediglich eine leichte Verbeugung an. "Vielen Dank für Ihr Vertrauen. Ich werde Ihr Angebot im Hinterkopf behalten." Während dieser Auskunft war er sehr genau beobachtet worden, anscheinend wollte Herr Walter wissen, wie ernst er das meinte, was ein Hinweis darauf war, dass dieser ihm das Angebot nicht nur aus einer Laune heraus unterbreitet hatte. Eine Vermutung, die noch dadurch bestärkt wurde, dass der Ältere ihm anschließend höflich aber dennoch zielgenau Fragen zu seinen bisherigen Tätigkeiten zu stellen begann. Er hielt seine Anworten oberflächlich, ohne dass das offensichtlich wurde, hielt sich dabei an die offizielle Geschichte. Auch in solchen Fällen half es, dass sie tatsächlich echte Verträge mit den jeweiligen Büros hatten. Herr Walter gab sich zum Glück bald zufrieden oder er war ganz einfach wohlerzogen genug, um zu wissen, wann man bei solchen Anlässen seinen Gesprächspartner wieder freigeben sollte. Jedenfalls dauerte es nicht mehr lange, bis sie sich voneinander verabschiedeten. Anschließend schien schon wieder jemand in den Startlöchern zu stehen, um ein Gespräch mit ihm zu suchen, doch dieses Mal ließ er sich nicht darauf ein, wobei half, dass Schuldig im rechten Moment auftauchte und eine bequeme Entschuldigung für seinen schnellen Abschied bot. Der Deutsche empfing ihm mit einem Grinsen, das für dessen Verhältnisse als subtil eingeordnet werden konnte. "Was findest du so amüsant?", erkundigte er sich, während sie auf Ran und den Rest von Schwarz zusteuerten. Grüne Augen blitzten kurz zu ihm herüber. "Ich habe dich noch nie mit einem deutschen Akzent sprechen hören", wurde dann erklärt. Er unterdrückte ein leises Schnauben. "Es ist immer wieder faszinierend, worin du Humor finden kannst." "Ha, ha." Schuldig wurde etwas ernster. "Ist diesem Typen eigentlich nichts aufgefallen? Der hat dich damals im Hotel gehört." "Das war der Grund, warum ich mich mit ihm auf Japanisch unterhalten habe. Ganz davon abgesehen, dass ich mehr Neugierige abschrecken wollte…" Er verdrehte _nicht_ die Augen, bevor er eine Gegenfrage stellte. "Du warst bereits zurück?" Der Telepath zuckte mit den Schultern. "Nur zum Ende hin. Es war nicht schwer, ihn wiederzuerkennen. Er hat einen sehr disziplinierten Verstand." Das wunderte ihn nicht wirklich, was sein leichtes Nicken widerspiegelte. "Falls du die Gelegenheit hast, versuche heute noch mehr über ihn in Erfahrung zu bringen." "Natürlich, Boss", kam es automatisch, bevor ihm ein langer Blick zugeworfen wurde. "Gibt es einen Grund für Misstrauen?" "Nein, das nicht. Er hatte nur ungewöhnlich viel Interesse an mir. Also kann es nicht schaden, auch etwas Interesse an ihm zu zeigen." Schuldig setzte daraufhin ein Grinsen auf, das nichts Gutes versprach. "Will dir wieder jemand an die Wäsche?" Wurde dann gefragt, zweifellos absichtlich so getimt, dass Ran ihn hören konnte. Prompt richteten sich violette Augen auf ihn und in Rans Blick konnte er eine Mischung von Unsicherheit und Besitzanspruch lesen. Nun, letzteres zumindest war ein Fortschritt nicht wahr? Er schüttelte leicht den Kopf in Richtung des Rotschopfs, sah Schuldig dann strafend an. "Versuch deinen fragwürdigen Humor bitte besser unter Kontrolle zu halten." Als Dank erhielt er einen unschuldigen Gesichtsausdruck zurück, aber gut dahinter verborgen brannte etwas anderes, das ihn daran erinnerte, dass Schuldig nie aufgehört hatte, ein gewisses Interesse an ihm zu zeigen. "Ich kann mich noch erinnern, wie du mir früher mal erzählt hast, dass du bei solchen Veranstaltungen warst. Und du sowohl von Männlein als auch von Weiblein Angebote bekommen hast. Außerdem kannst du nicht abstreiten, dass sich heute viele Leute um deine Aufmerksamkeit bemüht haben." Ran fand sich auf einmal an seiner Seite ein, ein Streifen von Wärme, so nahe stand er. "Du klingst so, als würdest du auch mehr Aufmerksamkeit haben wollen." Schuldig stutzte, schüttelte dann mit einem schiefen Grinsen den Kopf. "Von diesen Normalos hier? Nein, danke. Mit denen soll sich lieber Crawford langweilen." Kaum dass es ausgesprochen war, weiteten sich die grünen Augen kaum merklich. Und er musste wieder ein Schnauben zurückhalten. Anscheinend hatte Ran nicht nur verstanden, woher Schuldigs Tirade gekommen war, sondern hatte ihm auch mühelos vor Augen geführt, wieso diese vollkommen unnötig war. Farfarello lachte auf, zog gleichzeitig an den orangefarbenen Strähnen, um Schuldig von weiteren Dummheiten abzuhalten. Was nicht unbedingt der… wirksamste… Weg war, doch der Telepath wandte sich daraufhin seinem Freund zu und damit war das Ziel erreicht. Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende geführt, musste ihm Schuldig das Gegenteil beweisen, denn der Orangehaarige streckte mit einem Mal einen Finger aus und deutete auf Ran, der unverändert neben ihm stand. "Wenn die nicht annehmen würden, dass du kaum Englisch kannst, wärst du auch schon überfallen worden. Nicht nur eine der Anwesenden hier hat innerlich angemerkt, dass du auf exotische Weise schön aussiehst." Dieses Mal war es nicht nur Farfarello, der das lustig fand, auch Nagi wirkte sichtlich amüsiert. Ran hingegen wurde erst blass dann rot, bevor ihn ein hilfesuchender Blick traf. Worauf er nur mit einem angedeuteten Schulterzucken reagierte. Schließlich war Ran alt genug, um mit Schuldigs Art von Scherzen klarzukommen. Die wortlose Antwort wurde sehr wohl verstanden, denn der Rothaarige verschränkte prompt die Arme vor der Brust, schenkte erst ihm einen unamüsierten Blick, bevor Schuldig mit einem sauren Funkeln bedacht wurde. Der hob in gespielter Abwehr beide Hände. "Ich kann ja nun wirklich nichts für die Gedanken anderer Leute." "Das vielleicht nicht", gab Ran ohne zu zögern zurück. "Allerdings kannst du etwas dafür, wenn sie ohne Not ausgesprochen werden." Da hatte er ihn. Doch Schuldig hatte für dieses Argument nur ein weiteres Grinsen übrig. "Hab dich nicht so, Ran-chan." Und ohne ihm eine Chance zum Widerspruch zu lassen, wurde Ran gepackt und hinter Schuldig hergeschleift. Oder zumindest wäre es so geschehen, wenn dieser nicht freiwillig gefolgt wäre. Ihm war bereits klar, was Schuldig aufgefallen war, nämlich, dass der Uhrzeiger sich Mitternacht näherte. Also nickte er den anderen knapp zu, woraufhin sie sich den beiden anschlossen. Wobei Farfarello natürlich nichts Besseres zu tun hatte, als sie mit ein paar schnellen Schritten einzuholen und sich seinerseits an Ran zu hängen. "Du weißt, dass Ran Recht hatte. Schuldig könnte tatsächlich mal lernen, seinen Mund zu halten." Nagi lief seelenruhig neben ihm her. "Ich denke, das ist niemanden von uns neu." Seine Mundwinkel kurvten leicht nach oben. "Allerdings muss ich in diesem Fall an Schuldigs Lernfähigkeit zweifeln." "Lernwilligkeit meinst du wohl." Der Jüngere wirkte auf einmal ausgesprochen amüsiert. "Sieh mich als berichtigt an." Weitere Worte waren an dieser Stelle beim besten Willen nicht nötig, weswegen sie den Rest des Weges schweigend zurücklegten. Es war eine für die Jahreszeit angenehm laue Nacht, deren Luft sie umfing, als sie nach draußen traten. Was auch gut so war, denn selbst das schönste Feuerwerk verlor an Anziehungskraft, wenn man mehr mit erfrierenden Gliedmaßen als allem anderen beschäftigt war. "Wollt ihr dort Wurzeln schlagen?" Die Frage kam von Schuldig, der mit den anderen bereits einen beträchtlichen Vorsprung gewonnen hatte. Nagi seufzte tief und gekonnt, bevor dieser nach einem kurzen Blickkontakt mit ihm die Stufen der weitgeschwungenen Treppe hinunterschritt. Er schloss sich ihm ohne zu zögern an, während braune Augen sich zum ersten Mal die Zeit nahmen, etwas mehr von seiner Umgebung aufzunehmen. Trotz der Tatsache, dass es Nacht war, erleuchteten die großzügig verteilten Laternen den Garten ausreichend, um zu sehen, wie gepflegt dieser war. Bei ihrem ersten Besuch hier hatte er nicht darauf geachtet, seine Gedanken waren da anderweitig beschäftigt, doch nun schaffte es der Anblick, wieder Erinnerungen wachzurufen. Es war damals ganz sicher kein bewusster Teil seiner Entscheidung gewesen, doch wahrscheinlich hatte er auch dem hier entkommen wollen. Dieser perfekten Fassade seiner Kindheit. Ein Stück Selbsterkenntnis, das er verarbeitete und dann ruhen ließ. Denn alles andere wäre auch kontraproduktiv gewesen… Mit einem trockenen Lächeln kam er neben Ran zu stehen, der seine Freiheit zurückerlangt zu haben zu schien. Und die neu gewonnene Freiheit wurde gleich dazu genutzt, sein Handgelenk mit einem eisernen Griff zu umschließen. Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah er nach unten, suchte dann Rans Blick. "Trennungsängste?" Überraschenderweise wurde Ran weder verlegen noch unsicher, sondern zog seinerseits eine Augenbraue hoch. "Ich gehe lieber auf Nummer sicher. Jetzt hat Schuldig wenigstens keine Chance, mich wieder zu verschleppen." Der Orangehaarige hatte natürlich gelauscht und verschränkte in gespielter Empörung die Arme vor der Brust. "Da will man jemandem einen Gefallen tun und erntet nichts als Klagen." "Was daran liegen könnte, dass deine Art von Gefallen in der Regel nur deinem Amüsement dienen und die glücklichen Empfänger sich selten besonders glücklich darüber fühlen." Nagis kühle Stimme schnitt wie ein Eiszapfen in Schuldigs Herz – wenn man dessen theatralischen Reaktion Glauben schenken wollte. Selbst Farfarello hatte für diese schauspielerische Leistung nur ein Schnauben übrig. Für ein paar Sekunden noch tat der Deutsche beleidigt, dann aber grinste er und deutete nach oben. "Ich habe uns den besten Platz ausgesucht, jedenfalls wenn man der Meinung der Experten glauben darf, die für den Aufbau zuständig waren." Und als wäre sie dem Fingerzeig gefolgt, erklomm die erste Rakete den Himmel. Das neue Jahr hatte begonnen. Er lächelte flüchtig, bevor er sich zu Ran herunterlehnte und ihn küsste. ~TBC~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)