Family Bonds von cu123 (~ Sequel zu Close Distance ~) ================================================================================ Kapitel 20: "Du scheinst das gelassen aufzunehmen" -------------------------------------------------- "Verlobte? Du willst mich auf den Arm nehmen, oder?" Natürlich hatte Schuldig es keine Sekunde länger ausgehalten, nachdem Stan mit Kathy und dem Jungen verschwunden war. Der Telepath hatte sein Talent genutzt, um einen Flecken zu finden, der etwas bot, was als Privatsphäre durchgehen konnte. Und war dann in die entsprechende Richtung gestürmt, ohne sich zu vergewissern, ob sie ihm auch folgten. Was sie natürlich getan hatten und Schuldigs erste Frage hatte wenig überraschend seiner Beziehung zu den beiden gegolten. Seine Antwort schien bloß nicht auf viel Glauben zu stoßen. Ruhig begegnete er den funkelnden grünen Augen und erlaubte sich ein schmales Lächeln in Reaktion auf Schuldig Ausruf. In Schuldigs Gesicht begann es daraufhin zur arbeiten, beschäftigt damit, diese neue Information, die wohl oder übel als wahr eingestuft werden musste, in sein Bild von ihm zu integrieren. Womit er genug Zeit hatte, die Reaktionen seines restlichen Teams aufzunehmen. Zunächst Nagi, der sich größte Mühe gab, sein Gesicht in eine Maske zu verwandeln und gleichzeitig beinahe kindlichen Unglauben ausstrahlte. Es war selten genug, dass er ihren Jüngsten so erlebte, weswegen erneut ein Lächeln seine Lippen kurvte, dieses hier allerdings ließ er warm ausfallen. Der Telekinet kniff leicht die Augen zusammen, wandte sich dann halbwegs ab, nicht ohne ein leichte Schulterzucken anzudeuten. Was dann wohl heißen sollte, dass es Nagi alles in allem egal sein konnte. Farfarello schien mehr mit Schuldig als mit der Neuigkeit beschäftigt, was so typisch war, dass es seine Belustigung nur noch vertiefte. Vielleicht war das, die mögliche Reaktion von Schwarz, ein Grund gewesen, der ihn zurückgehalten hatte. Doch wie er jetzt erkennen konnte, wie er von Anfang an hätte wissen sollen, würde sich die Dynamik nicht ändern. Er stieß innerlich ein Schnauben aus. Und warum sollte es auch etwas ändern? Sie alle hatten ihr altes Leben zurückgelassen, als sie zu Rosenkreuz kamen. In der Vergangenheit mochte bei jedem von ihnen noch das eine oder andere überraschende Detail stecken, aber das würde niemals das Gerüst verändern, das sich in all den Jahren zwischen ihnen gebildet hatte. Mit dieser Selbstberuhigung, die nicht einmal ansatzweise hohl war, kehrte sein Blick zu Schuldig zurück. Der inzwischen überlegend den Kopf geneigt hatte. "Was hast du eigentlich mit einer Verlobten angefangen? Ich kann mich ja irren, aber alles in allem ist dein Kontakt zu Frauen doch normalerweise eher platonischer Natur." Noch bevor er auch nur in Gedanken eine Antwort formulieren konnte, gab Schuldig sich diese auch schon selbst. Und irgendwie entspannte sich der Orangehaarige, grinste ihn gleichzeitig an. "Total vergessen, aber du warst schon immer ein Musterknabe, was? Schon damals. Also hattest du dir natürlich die perfekte Freundin gesucht." Eine wegwerfende Handbewegung folgte, als Schuldigs Weltbild wieder in Ordnung war. Dann aber suchten die grünen Augen abrupt nach Ran, der unter der plötzlichen Aufmerksamkeit leicht zusammenzuckte. "Was mich jetzt mehr interessiert ist die Frage, warum Ran anscheinend bereits Bescheid wusste, ich aber nicht." Er legte eine Hand auf Rans Schulter, zog gleichzeitig eine Augenbraue hoch, unbeeindruckt. "Keine Sorge, er hat es auch erst vor ein paar Tagen erfahren. Und was den zweiten Teil angeht: Ich kann schlecht für dein Talent sprechen, nicht wahr? Anscheinend war Rans Training mit dir erfolgreicher als du angenommen hattest." Schuldig schien mit dieser Auskunft halbwegs zufrieden, denn der Orangehaarige wandte sich wieder ihm zu, mit einem erneuerten Grinsen. "Wie auch immer, ich kann es mir jetzt direkt vorstellen. Karriere mit der perfekten Ehefrau an der Seite, eine schöne Villa nebst obligatorischem Vierbeiner – wobei das bei dir wohl eher ein Pferd als ein Hund geworden wäre – und später zweieinhalb intelligente und wohlerzogene Kinder. Du hättest das glatt durchgezogen, was?" Dass er sich durch irgendetwas verraten haben musste, wurde deutlich, als Schuldig plötzlich erstarrte und sich die grünen Augen ungläubig weiteten. Und dieses Mal enthielt dieser Unglauben ganz andere Untertöne. Energie streifte seine Schilde entlang, als Schuldig mentalen Kontakt suchte, denn die nächste Frage war eine, die besser nicht laut gestellt wurde, auch wenn sie hier kein Unbefugter hören können sollte. Er ließ die Verbindung zu, denn sie hatte noch die nützliche Nebenwirkung, dass sich der Telepath automatisch entspannte, als kühle Stille dessen Verstand umhüllte. >Der Kleine, Bradley, er ist dein Sohn?< >Ich weiß es nicht mit absoluter Sicherheit, aber sowohl Aussehen als auch Name deuten darauf hin, nicht wahr?< Seine Erwiderung geriet trocken, ohne dass es ihn viel Mühe kostete. Nachdem er es laut ausgesprochen hatte, sozusagen, konnte er sich vor der Wahrheit nicht mehr länger verstecken, doch überraschenderweise schien es ihn nicht wirklich zu berühren. Nicht wie damals, als er von seinem Bruder erfahren hatte. Diese Erkenntnis krampfte seinen Magen zusammen, denn es gab schon einmal solche Situationen, über die er viel zu leicht hatte hinweggehen können. Er _wusste_, dass er auf bestimmter Ebene enttäuscht war, vielleicht auch etwas wütend. Aber er fühlte es nicht. >Du scheinst das gelassen aufzunehmen<, stellte auch Schuldig fest. >Obwohl du anscheinend bis zu der Begegnung vorhin nicht die leiseste Ahnung hattest…< >Der Junge gehört zu Stan und Kathy<, gab er nach einem Moment der Überlegung eine passende Antwort, auch wenn es nicht unbedingt der Grund für seinen Mangel an Reaktion sein musste. Schuldig akzeptierte es erstmal, bevor er spüren konnte, wie sich dessen Gedanken einem Gespräch zuwandten, das sie vor Jahren geführt hatte. Und die nächsten Worte waren von einem Gefühl der Übelkeit begleitet. >Wirst du Herrn Schneider davon berichten?< >Was lässt dich annehmen, dass er es nicht bereits weiß?< Nicht bitter, ganz und gar nicht. >Er hat mich damals persönlich rekrutiert und zweifellos eine ganze Weile noch ein Auge auf die hiesigen Entwicklungen gehabt, nur um sicher zu gehen, dass niemand etwas davon ahnte, dass ich noch am Leben war.< Das mentale Schnauben von Schuldig mochte sich merkwürdig anhören, doch es transportierte problemlos die Botschaft, dass ihm der Telepath in diesem Punkt ganz sicher nicht zu widersprechen gedachte. Dann zögerte Schuldig merklich, bevor schließlich doch die nächste Frage gestellt wurde. >Glaubst du, er hat auch ein Talent?< >Ich… ich bezweifle es. Es passiert zu selten, dass ein Talent vererbt wird. Außerdem – hast du etwas von ihm aufgefangen, dass darauf hindeuten würde?< Schuldigs Verneinung kam mit Erleichterung verratender Schnelligkeit. >Kein bisschen.< Es rief willkommene Belustigung in ihm wach. >In dem Fall wollen wir erst anfangen, uns darüber Gedanken zu machen, wenn es wirklich einen Anhaltspunkt gibt.< Ihm wurde nur zu gern zugestimmt und dann zog sich der Telepath wieder zurück. Auch wenn auf dieser Ebene sehr viel weniger Zeit verging als bei einer Unterhaltung in der physischen Welt, so wollten sie beide kein Risiko eingehen. Erst nachdem er sich wieder ganz auf das konzentrierte, was um ihn herum vor sich ging, merkte er, wie nahe Ran jetzt bei ihm stand. Auf dessen besorgten Blick reagierte er mit einem leichten Lächeln, was dem Japaner schon zu reichen schien. Sein Lächeln wurde erwidert, dann legten sich Finger an seinen Puls, nur eine sanfte Berührung. Anscheinend hatte es der Rothaarige nicht gewagt, solange dieser sich seiner Aufmerksamkeit nicht sicher war. Gewiss eine Lektion aus dem Training mit Schuldig. Niemand, der auf Rosenkreuz trainiert worden ist, ließ sich gerne überraschen. Und in der Regel blieb es nicht ungestraft. "Habt ihr es euch anders überlegt?", war es Nagi, der als Erster das Wort ergriff. Er schüttelte den Kopf. "Nein, es bleibt dabei. Wir werden die Einladung annehmen. Wenn du es wünschst, kannst du natürlich auch ins Hotel zurückkehren statt mitzukommen." Für diesen Vorschlag hatte Nagi nicht einmal ein Augenverdrehen übrig, was seine Mundwinkel erneut nach oben kurven ließ. "In diesem Fall sollten wir die verbleibende Zeit noch nutzen, nicht wahr?" Schuldig zwinkerte zunächt, zeigte dann ein breites Grinsen. "Ganz genau! Ich bin schließlich noch gar nicht zum Geldausgeben gekommen." Damit übernahm der Orangehaarige erneut die Führung. Anscheinend hatte er völlig vergessen, dass es ihm eigentlich viel zu voll für eine Einkaufstour war. Ein Hauch von Ironie durchzog ihn. Oder Schuldig hatte nach dem erstbesten Weg gegriffen, um sich etwas abzulenken. Jemand zupfte an seinem Ärmel und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf Ran. Der einen leicht verlegenen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. "Hast du dich darüber mit Schuldig unterhalten? Ist Bradley… ist er wirklich-?" Er antwortete, bevor Ran die Frage zu Ende stellen konnte. "Ich kann dir nur sagen, was ich auch Schuldig gesagt habe. Ich _weiß_ es nicht, doch die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, nicht wahr?" Ein leichtes Nicken, bevor ein Lächeln über Rans Gesicht flog. "Du hast früher also wirklich so ausgesehen?" "Mm, ich denke schon. Auch wenn es eine Weile her ist, dass ich mich so im Spiegel gesehen habe… und Fotos von damals besitze ich nicht." Die Finger schlossen sich kurz um sein Handgelenk, bevor Ran den Kontakt wieder trennte, eingedenk der Tatsache, dass sie sich hier in aller Öffentlichkeit befanden. "Ich bin froh, dass er eine gute Familie zu haben scheint, auch wenn du nicht da warst." Das… war er auch, identifizierte er die Emotion, die sich bei diesen Worten in ihm meldete. Immer noch mit einer ungewohnten Distanz, aber dieses Mal war es leichter. Und so lächelte er. Rans Gestalt entspannte sich etwas, lehnte sich unbewusst in seine Richtung, bevor der Jüngere merkte, was er da tat, die Reaktion unter Kontrolle brachte und sie dann zu überspielen versuchte. "Meinst du, wir können ein Foto machen? Ich wette, Aya-chan würde ihn auch gerne mal sehen." Hm, irgendwie wurde er den Verdacht nicht los, dass Ran so ein Foto auch für sich selbst haben wollte. Doch wie auch immer, er musste ablehnen. "Wir vermeiden solche Dokumente, man weiß schließlich nie, wem sie in die Hände fallen könnten." Der Rothaarige zeigte flüchtige Enttäuschung, schien aber zu schnell zu verstehen, um weiter zu bitten. In dessen kleinen Gesten hielt sich lediglich die Aufgeregtheit, die Ran auch schon zuvor gezeigt hatte. Weswegen dieses Mal er selbst es war, der das Handgelenk des Anderen in einer besänftigen Geste umschloss. Es war sowieso jeder um sie herum zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um auf sie zu achten. In stiller Übereinstimmung wandten sie ihre Aufmerksamkeit Schuldig zu, der genug Ablenkung für sie alle mit sich brachte. Der Telepath hatte anscheinend beschlossen, dass ein eigener Kaufrausch das beste Mittel gegen die Hektik war, die die Leute hier verbreiteten, ganz zu schweigen davon ließ sich die Zeit bestens damit totschlagen. Rans strahlte fassungsloses Erstaunen aus, als dieser zusah, wie Schuldig nicht nur für sich selbst begann immer mehr Kleidungsstücke auszuwählen, sondern zunächst auch Farfarello und dann den Rothaarigen mit Vorschlägen beglückte. Bei Nagi versuchte er es genau einmal, zog sich auf den drohenden Blick aus dunkelblauen Augen hin aber schnell wieder zurück, nicht ohne ihrem Jüngsten ein Grinsen zuzuwerfen. Dann war da der Moment, wo sich Grün taxierend auf ihn selbst richtete, doch mit einem betonten Augenverdrehen wurde von dieser Möglichkeit abgelassen, noch bevor er eine Ablehnung formulieren konnte. Ran verwandelte einen Laut, der gefährlich nah an einem Kichern vorbeischrammte, hastig in ein Husten um, doch das Funkeln in den violetten Augen verriet ihn. Und als der Jüngere sich ertappt sah, wurde er offen angelächelt. "Ich glaube, Schuldig weiß zu genau, dass er deinen Geschmack nicht treffen kann. Dafür seid ihr in solchen Belangen zu unterschiedlich." "Was nichts Negatives sein muss", gab er scheinbar ernst, aber mit einem amüsierten Unterton, zurück. "Nein, natürlich nicht." Ein Grinsen folgte, bevor Ran einen Blick auf die Uhr warf, um dann wieder seinen Blick zu suchen. "Ich denke, es ist Zeit." Überraschung kämpfte mit etwas, das er nicht ganz identifizieren konnte. Nervosität vielleicht. Warum allerdings ausgerechnet Ran nervös sein sollte, wollte ihm nicht so ganz einleuchten. Nichtsdestotrotz schenkte er ihm ein beruhigendes Lächeln, bevor er mit einer knappen Kopfbewegung Schuldig zu sich rief. So beschäftigt der Telepath auch gewirkt hatte, so würde dieser ihn niemals wirklich aus den Augen verlieren. "Wir sollten die Sachen ins Auto schaffen, bevor wir uns mit Stans Familie treffen", teilte er dem Orangehaarigen mit, während braune Augen schon nach dem Jüngsten in der Runde suchten. "Nagi kann dir beim Transport helfen, damit der Weg nur ein Mal zurückgelegt werden muss." Der Telekinet schien von dem Auftrag nicht unbedingt begeistert, erlaubte seiner Meinung aber nicht, sich auf dessen Gesicht abzuzeichnen. Vielmehr erhielt er eine angedeutete Verbeugung von dem Japaner, der sich augenblicklich in Bewegung setzte. Schuldig tat es ihm gezwungenerweise nach, da sich die ganzen Tüten ebenfalls zu bewegen begannen und die Illusion aufrechterhalten werden musste, dass der Orangehaarige sie trug. Farfarello beobachtete das Manöver für einen Moment amüsiert, bevor der Ire ihn musterte und offenbar zu dem Ergebnis kam, dass ihnen unverändert keine Gefahr drohte. Wonach sich Farfarello natürlich dessen Freund anschloss. Denn das hatte sich nicht geändert, auch nachdem das Verhalten des Jüngeren sich gebessert hatte. Er wurde nicht gerne von Schuldig alleingelassen, auch wenn es nur ein paar Minuten sein würden. ~TBC~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)