Family Bonds von cu123 (~ Sequel zu Close Distance ~) ================================================================================ Kapitel 16: "Wie du siehst, hat Nagi vor, den Schiefen Turm von Pisa nachzubauen" --------------------------------------------------------------------------------- Schneider lachte, nachdem er dem Deutschen von seinen Plänen erzählt hatte. "Ich habe dir doch bereits gesagt, dass es mir egal ist. Du musst mich nicht um Erlaubnis bitten." Ja, natürlich erinnerte er sich noch an ihre Unterhaltung damals, aber es gab Dinge, da riskierte er lieber nichts. Und so nachsichtig Schneider bei ihm in der Regel war, würde er ganz sicher nichts tun, was nach einem Griff in Richtung Selbständigkeit aussehen könnte. Was er ganz ehrlich sagte. "Ich möchte mir in dieser Hinsicht keinen Ärger einhandeln. Also frage ich lieber einmal zu viel." Dieses Mal seufzte Schneider, klang aber immer noch belustigt, als er darauf antwortete. "Gut, dann gebe ich dir hiermit ganz offiziell die Erlaubnis. Und von mir aus kannst du auch geradewegs bei deinem alten Domizil vorbeischauen. Oder auch bei deinen alten Freunden." Etwas stockte in ihm, bevor er den Kopf schüttelte, auch wenn es der Andere nicht sehen konnte. Aber irgendwie schien Schneider seine Reaktion trotzdem mitbekommen zu haben. "Nein? Willst du tatsächlich dem Schicksal die Entscheidung überlassen?" Schneiders Stimme verlor an Amüsement, wurde gleichzeitig sanfter. "Ich muss zugeben, dass ich nicht unbedingt erwartet habe, dass du deinem früheren Leben ein wenig nachtrauerst. Und noch ungewohnter ist, dass du nicht selbst die Entscheidung treffen willst." "Ich-" Sein Protest erstarb, bevor er ausformuliert werden konnte. Denn er war sich über seine Motive selbst nicht ganz im Klaren, was auch der Grund für seine fehlende Entscheidungsfreudigkeit war. Schneider wartete ein paar lange Sekunden, interpretierte das Schweigen dann richtig. "Schon gut. Nur weil du ein Precog bist, musst du ja nicht immer für alles einen Plan haben, hm?" Und dann war der Deutsche so freundlich, nicht mehr auf diesen Punkt zurückzukommen. "Wie verkaufst du eigentlich den Anderen dieses Vorhaben?" Ein Hauch von Erleichterung kurvte seine Mundwinkel nach oben. "Ich werde ihnen die Wahrheit sagen. Dass ich ganz einfach mal ein bisschen von der Umgebung sehen will, in der ich aufgewachsen bin." "Hm, ich verstehe. Farfarello mag das egal sein, aber sowohl Ran als auch Schuldig würden sofort darauf anspringen. Und Nagi würde es zwar niemals zugeben, wäre aber zweifellos ebenso neugierig." "Genau das." Er war nicht weiter verwundert, dass Schneider die Reaktionen so gut einschätzen konnte, auch wenn er zu Nagi und Ran kaum Kontakt gehabt hatte. Dafür war der Deutsche schließlich Telepath. "In dem Fall wünsche ich euch viel Spaß bei eurem Ausflug." Eine kurze Pause folgte, bevor Schneider noch etwas hinzufügte. "Viel Erfolg wünsche ich dir besser nicht, schließlich bist du dir selbst nicht sicher, ob du den überhaupt haben willst…" "Ha…", atmete er dazu einen Laut, der vielleicht ein wenig Belustigung in sich trug. Schneider hatte es doch nicht bleiben lassen können. Er konnte das Lächeln vom anderen Ende der Verbindung regelrecht hören, doch dann wurde der Ältere ernst. "Wir haben bisher zwar keine weiteren Aktivitäten dieser geheimnisvollen Talente aufdecken können, vor allem nicht in eurer Nähe, aber ich möchte, dass du trotzdem weiterhin vorsichtig bleibst." "Natürlich, Herr Schneider", gab er ebenso ernst zurück. Inzwischen hatte er sich an die Situation fast gewöhnt, so wie der Rest von Schwarz, aber Gefallen hatten sie trotzdem nicht daran gefunden. Wenigstens deutete der Mangel an weiteren Kontaktaufnahmen darauf hin, dass sich die anderen doch nicht so überlegen fühlten. "Gut, und vergiss nicht mir Bescheid zu geben, egal, wie es ausgeht. Ich muss schließlich wissen, ob ich dich daran erinnern muss, dass es dir bei uns viel besser gefällt." Er zwinkerte, als er die Worte verdaute, verzog dann das Gesicht. "Das ist nicht lustig", teilte er dem Älteren schließlich ein bisschen unwirsch mit. Und Schneider hatte nichts Besseres zu tun, als wieder zu lachen. "Das sehe ich anders, Crawford. Also dann, bis bald." Damit wurde er ohne Chance auf eine weitere Erwiderung sitzen gelassen. Es war beinahe schon Tradition, dass er Ran erspähte, sobald er sich vom Anblick seines stummen Handy trennen konnte. Der Jüngere hatte gerötete Wangen und trotz der Kälte draußen war er leicht verschwitzt. "Wie ist die Schneeballschlacht ausgegangen?", erkundigte er sich, ohne seine Belustigung zu verbergen. Ran grinste, fasste seine Frage als Einladung auf hereinzukommen. Die beiden mitgeführten Tassen wurden auf dem Glastisch abgestellt, bevor sich der Rothaarige mit einem übertriebenen Laut der Erschöpfung neben ihm auf die Couch plumpsen ließ. "Da Nagi sein Talent nicht einsetzen durfte, würde ich auf unentschieden tippen. Nicht, dass wir alle Treffer haben zählen können, dazu waren es einfach zu viele." "Hm, das überrascht mich nicht. Überraschender finde ich vielmehr, dass du Nagi überhaupt überzeugen konntest, mitzumachen." Ein ausdrucksvolles Lächeln war die Antwort darauf. "Ich kann eben Überzeugungskraft entwickeln, wenn ich will", wurde voller Selbstsicherheit kundgetan, bevor ein Funken in violetten Augen aufblitzte. "Und das nächste Mal überrede ich dich auch!" "Wirst du das…" Er drückte einen Kuss auf die immer noch kalten Lippen, woraufhin Ran leise seufzte, dann beide Arme um ihn schlang, um den Kuss zu vertiefen. Anschließend war jeder Gedanke an künftige Schneeballschlachten vergessen und während der Jüngere zu Atem zu kommen versuchte, griff er nach der Tasse, die offensichtlich für ihn bestimmt war. Eine Augenbraue rutschte hoch, als er feststellte, dass sie Kakao statt des erwarteten Kaffees enthielt, doch nach einem ersten Schluck musste er zugeben, dass die Wahl gar nicht so schlecht gewesen war. Ran starrte ihn erwartungsvoll an, als sich ihre Blicke schließlich wieder begegneten. "Magst du ihn? Mama hat ihn früher immer für Aya und mich gemacht. Es ist ein bisschen Zimt und Honig dran." Die Informationen kamen ohne jedes Stocken oder Eintrüben der Stimmung. Was mehr der Grund für sein erneutes Lächeln war als Rans leichte Aufgedrehtheit an sich. "Mm, es ist eine interessante Mischung." Mit dieser Auskunft zufrieden griff Ran nun nach seiner eigenen Tasse, um ihn dann über deren Rand hinweg wieder zu mustern. "Was ist, Ran?" Der Jüngere zögerte nur für einen Moment, bevor er seine Frage stellte und damit eingestand, zumindest zum Ende hin das Telefonat mit Schneider belauscht zu haben. "Werden wir wirklich dorthin fahren, wo du aufgewachsen bist?" Seine Miene erstarrte für einen Atemzug, dann aber schüttelte er innerlich über sich selbst den Kopf und entspannte sich wieder. Denn für die Reise an sich hatte er sich doch längst entschieden, nicht wahr? "Nun, es wird wohl eher ein Flug statt einer Fahrt, aber ja, ich hatte so etwas vor." Rans Reaktion war subtil, sie lag in der leichten Bewegung, mit der sich der Jüngere näher zu ihm lehnte, dem Lächeln, das mehr in den violetten Augen stand als sich auf Rans Gesicht abzuzeichnen. "Ich würde mich freuen, deine Heimat kennenzulernen." Ein kurzer Seitenblick, wie um seinen Gesichtsausdruck abzuschätzen. "Du kannst mir zeigen, wo du früher reiten warst." "Solange du nicht von mir verlangst, Brauner mitzunehmen… Das sollte sich etwas schwierig gestalten." Ran setzte sich unwillkürlich etwas aufrechter hin. "Glaubst du, dein erstes Pferd ist noch dort?" Seine Stirn legte sich in leichte Falten, als sich weitere Erinnerungen in den Vordergrund drängten. Er schob sie beiseite und entschied sich bewusst dafür, mit seiner Antwort weitere Fragen aufzuwerfen. "Nun, rein vom Alter her wäre es möglich. Allerdings kann ich nicht sagen, ob Kathy den Besitz beisammen gehalten hat." Für ein paar lange Sekunden herrschte neben ihm nur Schweigen, als Ran sich offensichtlich den Kopf darüber zerbrach, ob er diesen Namen schon einmal gehört hatte. Am Ende blieb der Jüngere jedoch ergebnislos und suchte wieder seinen Blick. "Gehört sie zu deiner Familie?" Ein schmales Lächeln war seine erste Reaktion darauf. "Nun, 'nicht mehr' ist hier wohl der richtige Ausdruck. Sie war damals meine Verlobte und da ich keine weitere Familie hatte, habe ich ihr alles vermacht." Jedenfalls alles, was es offiziell noch gab. Ran hatte es die Sprache verschlagen, dessen Lippen formten lediglich stumm das Wort, um das sich alles drehte. Ihm entkam ein leises Auflachen, bevor er es zurückhalten konnte. Was die violetten Augen zurück zu ihm holte. "Du musst nicht befürchten, dass ich zur ihr zurückkehre, wenn sich aus irgendeinem Grund die Möglichkeit ergeben würde. Es war einfach so, dass es damals von mir erwartet wurde und Kathy war es nicht schwergefallen, Aufmerksamkeit zu erregen. Dieser Lebensentwurf war aber in dem Moment vorbei, in dem Herr Schneider auf dem Plan auftauchte." In mehr als einer Hinsicht. Was er nicht aussprechen musste. Ran verstand auch so die Ebenen von Bedeutung. Was ihn nicht überraschte. Er hatte sowieso das dumme Gefühl, dass seine Beziehung zu Schneider etwas war, das Ran vor ihm verstanden hatte. Eine Hand hatte sich zu seinem Handgelenk geschlichen und es sanft umfasst, drückte jetzt etwas fester zu. "Und du vermisst es nicht?" Die Frage… war nicht wirklich eine. Denn unverändert ging Ran davon aus, dass es nur eine Person gab, zu der Crawford stets zurückkehren wollte. Mit Bravour ignorierte er die leise Stimme, die der Meinung war, dass Ran allen Grund für diese Annahme hatte. Sein Kopfschütteln nahm die Antwort vorweg. "Ich hätte niemals mein Talent wirklich verstanden, wenn ich nicht nach Rosenkreuz gegangen wäre. Und wer weiß, mit welchem Job ich mich jetzt Tag für Tag abgeben müsste." "Schwarz ist viel besser", schloss der Jüngere mit einem Lächeln, in dem Zufriedenheit lag. Denn Ran hatte sich damit arrangiert, was ihn seine Begegnung mit Schwarz gekostet hatte. Für den Rothaarigen zählte nur noch, dass er hier sein konnte. Ohne lange darüber nachzudenken, küsste er ihn ein weiteres Mal. Wenn er es so wie Ran halten könnte, wäre manches einfacher. Doch dann wäre er jetzt nicht hier, sondern in Deutschland, nicht wahr? Und er würde nicht nur Schwarz vermissen. Ein Anflug von Ironie zeigte sich in braunen Augen, als er sich wieder zurücklehnte, doch Ran bekam davon nichts mit. Der Rothaarige hatte genug damit zu tun, seine Tasse festzuhalten. Doch nachdem Ran sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, sowohl äußerlich als auch innerlich, erhielt er einen schiefen Blick zugeworfen, den sich der Japaner bei Schuldig abgeguckt haben musste. Der Deutsche war eindeutig ein schlechter Einfluss… Das Zucken seines linken Mundwinkels ließ den Blick noch etwas intensiver werden, bevor Ran mit dem Zeigefinger auf ihn deutete. "Wenn das nächste Mal das Getränk über deine helle Couch verteilt wird, kannst du dich nur bei dir selbst beschweren." Dem folgte überraschend ein Grinsen. "Und jetzt gehe ich den anderen erzählen, dass wir in den Weihnachtsferien verreisen." Damit wurde die Tasse abgestellt und der eben noch so sorgsam gerettete Inhalt schmählich vergessen. Für einen Moment sah er der verschwindenden Gestalt hinterher, schüttelte dann leicht den Kopf, ehe er noch etwas vom Kakao trank, bevor sich seine Tasse zu der von Ran gesellte. Er würde dem Rothaarigen lieber folgen. Wer wusste schon, was sich Schuldig sonst für Dinge ausmalen würde, die sich später nicht erfüllten. Und ein unnötig enttäuschter Schuldig war niemals eine gute Idee. Denn in der Regel ließ er dann bei anderen Dampf ab. Und er mochte die ruhige Nachbarschaft. Ran war nicht weit gekommen, als er in einen warmen Mantel gehüllt hinaus in die klare Kälte eines frostigen Tages trat. Die Sonne blendete regelrecht über den gefallenen Schnee hinweg, hatte aber keine Chance, ihn zu schmelzen. Die Schneeballschlacht hatte deutliche Spuren hinterlassen, dennoch war mehr als genug Schnee für das Projekt übrig, dem sich Nagi anscheinend als nächstes verschrieben hatte. Es war zweifellos der Anblick dieses… ambitionierten Gebildes, welches vor ihnen in die Höhe wuchs, das Ran vorerst ausgebremst hatte. "Was…?" Die unartikulierte Frage ließ Schuldig grinsen. "Wie du siehst, hat Nagi vor, den Schiefen Turm von Pisa nachzubauen." Nagi zeigte sich unbeeindruckt. "Er ist nicht schief. Und wenn dann ist es der Tokio Tower." Schuldig wurde ein Blick von oben herab zugeworfen, was bemerkenswert war, da der Junge bedeutend kleiner als der Deutsche war. "Ganz davon abgesehen trainiere ich lediglich mein Talent." "Na sicher doch", kam es gedehnt und betont ungläubig von Schuldig. Doch bevor Nagi etwas nachdrücklicher seine Meinung vertreten konnte, unterbrach die beiden ein überraschter Ausruf von Ran. Ihrer aller Blicke richteten sich auf den Rotschopf, dessen Haarfarbe jetzt nahezu unter Schnee begraben war, da Farfarello ihn geradewegs in die weiße, kalte Masse hineindrückte. Nachdem er Ran mit seinem Körpergewicht in einem plötzlichen Überfall zu Boden geworfen hatte. "Runter von mir, Farfarello!", protestierte Ran, versuchte vergebens, sich zu befreien. Der Ire grinste nur manisch und beugte sich ganz konträr nur noch tiefer über den Gleichaltrigen. "Und was ist, wenn ich nicht will?" Ran wurde für einen Moment sehr still, schien sich dann zu entspannen. "Dann werde ich dir nicht erzählen, was ich von Crawford erfahren habe." Ein bernsteinfarbenes Auge begegnete seinem amüsierten Blick, wanderte dann weiter zu Schuldig, der lediglich den Kopf schüttelte. "Keine Chance, er denkt nur daran, wie kalt der Schnee ist. Das Training zahlt sich eindeutig aus." Das mochte wahr sein oder nicht, jedenfalls schien der Telepath nicht vorzuhaben, tiefer zu graben. Woraufhin Farfarello regelrecht _schmollte_. Doch bevor der Ire eine Entscheidung traf, wurde ihm diese auch schon von Nagi abgenommen, als ihr Jüngster kurzerhand beide hochhob und auf die Beine stellte, ohne einen Finger dafür rühren zu müssen. Woraufhin Ran sich den Schnee abklopfte und dann keinen Grund mehr hatte, mit den Neuigkeiten hinterm Berg zu halten. ~TBC~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)