Family Bonds von cu123 (~ Sequel zu Close Distance ~) ================================================================================ Kapitel 4: "Ich kann vieles von Rosenkreuz behaupten, aber sicher nicht, dass die Ausbildung unzureichend war" -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Stille herrschte im Wohnzimmer, nur ab und zu durchbrach ein leises Rascheln die Ruhe, wenn er die Zeitung weiterblätterte. Hin und wieder griff er nach seiner Kaffeetasse und nahm einen tiefen Schluck von dem heißen Getränk. Erst als Schritte zu hören waren, die die Treppe herunterkamen, änderte sich etwas an der Routine und für einen Moment neigte er lauschend den Kopf. Seine Mundwinkel kurvten nach oben, als er hörte, wie die Schritte in der Küche verschwanden, denn damit war es ganz einfach zu erraten, wer der Frühaufsteher war. Und tatsächlich kam kurz darauf Schuldig ins Zimmer, die Hände um eine eigene Tasse gewölbt. Der Orangehaarige ließ sich in einen der Sessel sinken, die Beine angezogen, grinste ihn dann über den Rand der Tasse an. "Morgen, großer Meister." "Guten Morgen, Schuldig", erwiderte er amüsiert. "Was hat dich denn um diese Zeit aus dem Bett getrieben?" Ein Schulterzucken antwortete ihm, bevor der Andere einen sehr vorsichtigen ersten Schluck vom Kaffee nahm. "Ich bin aufgewacht und dachte mir, ich könnte dir ein wenig Gesellschaft leisten", wurde die wenig aussagekräftige Geste dann ergänzt. "Und mein Kaffee war ja da, nicht wahr?" Grüne Augen blitzten ihn kurz an, dann schien wieder die Tasse von größtem Interesse zu sein. Hm, es stimmte schon, dass er in den letzten Tagen vor allem Ran seine Zeit gewidmet hatte. Aber er hatte erwartet, dass Schuldig inzwischen über dieses Verhalten hinweg war. Dann wiederum hatte Schuldig in diesem Punkt schon immer gerne an alten Gewohnheiten festgehalten... Er lächelte, wenn auch nur innerlich. Es gab Schlimmeres, aber das würde er niemals offen sagen. Weswegen er auch jetzt das Gespräch in eine sinnvollere Richtung lenkte. "Dann hoffe ich mal, dass der Kaffee auch schnell Wirkung zeigt. Ich hätte nämlich gerne einen Zwischenstand zu Rans Training." Schuldig verdrehte sichtlich die Augen, schien aber nicht wirklich abgeneigt. "Die telepathische Unterstützung hat ihm zu merklichen Fortschritten verholfen, was die Sprache angeht. Aber ich nehme an, dass du seine Schilde meinst?" Die Worte hoben sich zum Ende hin zu einer Frage. Auf sein Nicken hin fuhr Schuldig fort. "Es sind keine Schilde, wie wir sie von Rosenkreuz kennen. Aber Farfarellos Lektion scheint gefruchtet zu haben und zwar so sehr, dass Ran den Trick jetzt auch unterbewusst anwendet. Ein oberflächlicher Scan zeigt in der Regel, dass er sich mit ganz normalen Dingen beschäftigt. Vorzugsweise mit seinem Training." Ein Grinsen folgte und die nächsten Worte verrieten, woher diese Reaktion rührte. "Überraschenderweise stehst du dabei nicht einmal im Mittelpunkt, sondern eher seine Kata." Schuldig mochte das einfach nur lustig finden, aber er verstand. Diese Übungen konnten schließlich beinahe meditativen Charakter haben und Ran beschäftigte sich schon seit Jahren damit. Der Orangehaarige merkte, dass er sich nicht ärgern ließ, sprach daher mit einem Schulterzucken weiter. "Alles in allem ist es wirkungsvoller als Persers Schilde und die waren für einen Talentlosen schon ganz gut. Aber eine echte Barriere wie wir wird er wohl nie errichten können. Ich habe mit ihm die Visualisierungsübungen ausprobiert, die du mir damals als erstes beigebracht hast, doch er hat einfach nicht das Talent dafür, solche Schilde aufzubauen. Wenn es irgendwann hart auf hart kommen sollte, werde ich für einen Block sorgen müssen. Aber ehrlich, wer sollte uns hier schon in die Quere kommen? Es sei denn natürlich, Stephan und seine Kumpane haben ihren Job nicht richtig erledigt und jemand hat sich hierher abgesetzt." Seine Mundwinkel zuckten unwillkürlich nach oben. "Ich denke, Herr Schneider hätte uns vorgewarnt, wenn so etwas passiert wäre." Schuldig verzog das Gesicht, wie so oft, wenn der Name des Direktors fiel und beschloss, nicht weiter darauf einzugehen. "Sein Training in waffenlosem Kampf steckt noch in den Anfängen, aber er lernt sehr schnell. Kein Wunder, bei seiner Vorbildung…" Eine kurze Pause. "Ich hoffe trotzdem, du hast bald etwas anderes für mich zu tun, als nur den Trainer für Ran zu spielen." Amüsement blitzte in braunen Augen auf. "Du musst nicht befürchten, arbeitslos zu werden. Aber in der nächsten Zeit wirst du mit Kopfarbeit vorlieb nehmen müssen." Der Andere nahm einen tiefen Schluck, ließ den Kaffee für einen Moment im Mund verweilen, als wollte er den Geschmack auskosten, bevor er herunterschluckte. Aber auch anschließend wurde nichts gesagt, sondern nur eine auffordernde Augenbraue hochgezogen. "Ich möchte, dass du die Angestellten der Schule überprüfst. Da es eine Privateinrichtung ist, haben sie natürlich gründlich aussieben können, aber das heißt nur, dass die Leute auf dem Papier gut aussehen. Was Nagi übrigens bereits bestätigt hat." Nun ließ sich Schuldig doch zu einem Kommentar herab. "Ich nehme nicht an, dass du dir um den Jungen Sorgen machst. Nagi kann auf sich selbst aufpassen." Das bedurfte keiner Antwort. Egal, was Ran in den letzten Wochen Japan erlebt hatte, letztendlich war er in vielen Dingen noch sehr unschuldig. Und er wollte nicht, dass er an die falschen Leute geriet. Schuldig reagierte auf sein schmales Lächeln mit einem Grinsen. "Kein Problem, Boss. In anderer Leute Köpfe herumzustöbern ist sowieso mein Hobby." "Das freut mich zu hören", erwiderte er trocken. "Denn wenn du mit der Schule fertig bist, kannst du dich weiter darin üben." "Kopfarbeit, wirklich…", murmelte der Telepath wenig beeindruckt, schien dann zu seufzen. "Und wen genau gilt es danach auszuhorchen?" "Herr Schneider hat hier schon ein paar Kontakte geknüpft, die es uns später leichter machen sollten, unbehelligt die gewünschte Schwesterschule zu gründen. Wie du weißt, bin ich vorläufig anderweitig beschäftigt, also bleibt dir genug Gelegenheit, den Leuten einen unauffälligen Besuch abzustatten, bevor ich offiziell mit ihnen in Verbindung trete." "Ah ja, du willst Material haben, falls sie sich aus irgendeinem Grund weniger kooperativ als erwartet erweisen. Und wir wollen sie ausnutzen und nicht umgekehrt, nicht wahr?" Mit wenigen Worten auf den Punkt gebracht, während Schuldigs Miene ganz lässige Überlegenheit ausdrückte. "Klingt ganz so, als würdest du keine weiteren Anweisungen benötigen." "Nun, ich kann vieles von Rosenkreuz behaupten, aber sicher nicht, dass die Ausbildung unzureichend war." Dieses Grinsen enthielt eine gewisse Schärfe. "Der Job klingt ganz gut, so komme ich endlich mal aus diesem Nest heraus. Hier gibt es wirklich nichts Interessantes mehr herauszufinden." Das Grinsen wandelte sich und nun schien echte Belustigung in den grünen Augen. "Ran-chan hat übrigens ganz Recht, aus den Intrigen und Familiengeheimnissen hier kann man ein Drehbuch für eine ganze Serie zusammenschreiben." "Hat er so etwas gesagt?", erkundigte er sich, unwillkürlich belustigt. "Nun, er hat es zumindest gedacht." Was für Schuldig noch nie einen großen Unterschied gemacht hatte. Er schüttelte leicht den Kopf, kam dann auf das Geschäftliche zurück. "Lass dir von Nagi die Daten geben, er hat natürlich auch bei diesen Leuten bereits einen Check durchgeführt. Mach einen Vorschlag zur Reiseroute, ich werde sie mir dann angucken." Schuldig nickte fleißig, stockte dann aber. "Was ist mit Farf, kann der mitkommen?" "Das solltest du mit ihm ausmachen. Wer weiß, ob er Ran die ganze Zeit allein lassen will. Da du zwischendurch sicher hierher zurückkehren wirst, kannst du ihn ja auch nur für Teile des Auftrags mitnehmen." Der Orangehaarige schnitt eine nicht ganz ernst gemeinte Grimasse. "Irgendetwas stimmt doch nicht, wenn es darauf Rücksicht zu nehmen gilt, oder?" Seine Mundwinkel kurvten wieder nach oben. "Das mag sein. Aber das ist auch etwas, das du mit Farfarello ausmachen musst." Das brachte ihm ein entnervtes Seufzen von dem Jüngeren ein, dann schien das aber auch schon wieder vergessen, abgetan mit einer wegwerfenden Handbewegung. "Ich werde mich um alles kümmern", wurde ihm versprochen. Und Schuldig hatte sein Versprechen gehalten, ging es ihm durch den Kopf, als er sich vor dem Spiegel den Krawattenknoten richtete. Heute war sein erster Arbeitstag und er wollte keinen falschen Eindruck hinterlassen. Und Schuldig würde in Kürze auch durchstarten können. Sie waren sich lediglich einig gewesen, dass sie den Start der Schule noch abwarten würden. Die Überprüfung des Personals war ohne Auffälligkeiten verlaufen, nun blieb nur noch, auch einen Blick auf die Schüler zu werfen. Etwas, das Schuldig von sich aus angesprochen hatte. Anscheinend traute der Telepath den "reichen Schnöseln" nicht ganz über den Weg. Zitat Schuldig. Belustigung blitzte in braunen Augen auf und Ran, der ihn auf dem Wannenrand sitzend beobachtet hatte, wurde aufmerksam. "Was ist?", erkundigte sich der Rothaarige, während ein Fuß einen gleichmäßigen Rhythmus auf die Fliesen klopfte. Der junge Japaner war vor seinem Start heute eindeutig nervös und gab sich nicht viel Mühe, das zu verbergen. Er antwortete ihm bereitwillig. "Mir ist gerade durch den Kopf gegangen, dass Schuldig sich Sorgen macht, du könntest zu sehr von oben herab behandelt werden." Ran runzelte die Stirn, als dieser über seine Worte nachdachte und Fuß stoppte für den Moment. "Und du findest das lustig, weil?" "Weil du meiner Meinung nach genug Rückgrat haben solltest, um dich von so etwas nicht beeindrucken zu lassen." Der Jüngere sagte zuerst gar nichts, lachte dann auf. "Eigentlich hast du Recht." Schließlich habe ich euch, wie sollte mich da noch jemand anderer beeindrucken?, blieb dahinter unausgesprochen. "Aber es wäre trotzdem schön, wenn ich ein paar Freunde finde. Schließlich dauert es mindestens ein Jahr, ehe ich meinen Abschluss machen kann." Violette Augen blickten kurz nach unten und Ran sprach etwas leiser weiter. "Am leichtesten würde es über den Club sein, aber es wäre wirklich zu viel verlangt gewesen, wenn sie hier Kendo anbieten würden." Bevor er darauf antworten konnte, mischte sich eine andere Stimme in ihre Unterhaltung ein. "Kopf hoch, Ran. Du hast du etwas viel Besseres als einen Kendo-Club, nämlich deinen eigenen Privattrainer in Crawford hier." Schuldig, der sich gegen den Türrahmen gelehnt hatte, die Arme vor der Brust verschränkt. Rans Kopf ruckte in Schuldigs Richtung, überrascht von der plötzlichen Anwesenheit des Orangehaarigen. Doch die Überraschung hielt nicht lange vor, als die Worte verarbeitet wurden und schließlich lächelte der Jüngere. Zuerst zu Schuldig, dann aber kehrten die violetten Augen zurück zu ihm. "Das würde ich natürlich für nichts eintauschen wollen." Trotz des Lächelns vollkommen ernsthaft. Er lächelte ebenfalls, trat näher an Ran heran und beugte sich zu ihm herunter, um ihn zu küssen."Dann denk daran", forderte er ihn anschließend leise auf. Ran nickte, etwas benommen, schien gar nicht mitzubekommen, dass sich seine Aufmerksamkeit für den Moment Schuldig zuwandte. "Wolltest du etwas?" "Nur darauf aufmerksam machen, dass es Zeit für euch wird", kam die unbekümmerte Antwort. "Du willst doch an deinem ersten richtigen Arbeitstag nicht zu spät kommen, großer Meister." Letzteres mit einem Grinsen. Anscheinend genoss es Schuldig, solche Worte mal an ihn richten zu können. Er quittierte das nur mit einer hochgezogenen Augenbraue, ein stummes 'Glaubst du wirklich, mir würde so ein ein Faux Pax unterlaufen?'. Das Grinsen wurde breiter, als seine Mimik richtig interpretiert wurde und der Orangehaarige zeigte eine schwungvolle Verbeugung. "Wie konnte ich auch nur für eine Sekunde an deiner Perfektion zweifeln." Damit machte Schuldig auf der Ferse kehrt und ließ sie beide allein zurück. Ran, der sich inzwischen wieder erholt hatte, schüttelte den Kopf. "Warum ist er so aufgedreht?" Eine kurze Pause. "Ich meine mehr als normalerweise." Das Lächeln erschien von ganz alleine. "Ich denke, er sieht seinem eigenen Job entgegen, der in ein paar Tagen startet." Der Jüngere strich sich überlegend ein paar Strähnen aus der Stirn, zuckte schließlich mit den Schultern. "Also ich bleibe lieber bei dir", wurde dann mit Überzeugung und nur einem Hauch von Röte auf den Wangen gesagt. Das überraschte ihn nicht, genauso wenig wie die Finger, die sich gleich darauf um sein Handgelenk schlossen. Violette Augen sahen forschend zu ihm auf. "Was ist mit der Schule, werde ich dich dort auch sehen?" Inzwischen wusste natürlich auch Ran, wohin ihn sein erster Auftrag hier führen würde. Er neigte leicht den Kopf. "Ich bin nicht als Lehrer dort, sondern um die administrative Seite einer Schule hier kennenzulernen. Von daher wirst du mich keinen Unterricht geben sehen." Es war nicht schwer zu erkennen, dass Ran innerlich mit sich rang, ob er an dieser Stelle eher Erleichterung oder Enttäuschung verspüren sollte. Und es blieb bei einem Unentschieden, wie er mit leichter Belustigung feststellte, bevor er fortfuhr. "Aber das sollte mich nicht davon abhalten, dir ab und zu zufällig über den Weg zu laufen." Daraufhin grinste Ran erst, lachte dann auf. "Aber nur ganz zufällig, ja?" Humor funkelte in den violetten Augen auf. Und sein im Gegenzug sehr ernstes Nicken brachte ihm noch ein Auflachen ein. Der Jüngere sprang als nächstes auf, offensichtlich mit sich selbst im Reinen und endlich bereit aufzubrechen. Nagi hatte diese Bedenkminuten nicht benötigt und mit der für ihn typischen Unbeteiligtheit im Wohnzimmer auf ihr Erscheinen gewartet, schloss sich ihnen jetzt an. Und auch wenn der Junge so tat, als wäre dies nicht erforderlich, legte er ihm für einen Moment die Hand auf die Schulter. Ran war gerade sowieso durch Farfarello abgelenkt, der wie ein Gewicht an dem Rothaarigen hing und ihn nicht mehr loslassen wollte. So konnte er ungestört einen langen Blick mit dem jungen Telekineten austauschen, der mit einem knappen Nicken und einem winzigen Lächeln erwidert wurde. Schuldig kam Ran zur Hilfe, so dass sie anschließend aufbrechen konnten. Natürlich konnte sich der Orangehaarige einen letzten Kommentar zu Ran nicht verkneifen. "Macht's gut, Cutie Pie. Und lass dich von den bösen Schülern nicht ärgern." Ran brauchte einen Moment, um die Anrede zu übersetzen, reagierte statt mit Empörung dann aber mit einem resignierten Schulterzucken. "Du kannst es einfach nicht lassen, was?" Ein zufriedenes Grinsen war die Antwort. "Ich dachte nur, du müsstest dich mehr an die hiesige Kultur gewöhnen. Und es klingt doch fast so gut wie Ran-chan, nicht wahr?" Ran verdrehte daraufhin nur die Augen und verweigerte eine Antwort. ~TBC~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)