Family Bonds von cu123 (~ Sequel zu Close Distance ~) ================================================================================ Kapitel 51: "Es hat etwas mit Herrn Schneider zu tun. Er hat es sich anders überlegt" ------------------------------------------------------------------------------------- Ran legte das Katana ausgesprochen vorsichtig beiseite, bevor er sich einfach auf die Matte plumpsen ließ. Den Kopf gesenkt, versuchte der Rothaarige zu Atem zu kommen, während Schweiß langsam zu Boden tropfte. Sein Lächeln blieb daher unbemerkt, doch der Anflug von Humor gewann eine selbstironische Note, als er sich eingestand, ebenfalls erschöpft zu sein. Langsam räumte er sein eigenes Katana beiseite, griff stattdessen nach den bereitliegenden Handtüchern und Wasserflaschen. Nachdem er sich das Gesicht abgewischt hatte, hielt er eine der gekühlten Flaschen gegen seine Stirn und seufzte zufrieden. Er konnte sich nicht erinnern, dass Ran bei einem Training zuvor so viel Ausdauer gezeigt hatte. Anscheinend war auch das ein Resultat der Übungen mit Farfarello. Der Ire hatte sich schon immer schwer damit getan, die eigenen Grenzen zu erkennen und Ran hatte sich das wohl bei ihm abgeschaut. Etwas, das der Japaner sich besser wieder abgewöhnen sollte. Er ließ das zweite Handtuch über Rans Nacken fallen, der daraufhin aufsah und ihm ein dankbares Lächeln schenkte. Als das Wasser erspäht wurde, gewann das Lächeln an Ausdruck und im nächsten Augenblick war er nicht nur die Flasche los, sondern Ran hatte sie in ein paar hastigen Schlucken zur Hälfte geleert. Bedeutend zurückhaltender nahm er selbst auch ein paar Schlucke, bevor er sich neben Ran niederließ. "Du solltest dich etwas mehr zurückhalten", mahnte er leise. "Das Training ist nicht dafür da, dich völlig kaputtzumachen." Er legte eine kurze Pause ein, um sicherzugehen, dass der Jüngere ihm auch zuhörte. "Außerdem hast du es dann nicht nötig, so schnell Flüssigkeit in dich hineinzuschütten. Das ist nämlich auch nicht besonders gesund", fügte er dann hinzu. Violette Augen musterten ihn kurz, dann war Ran überzeugt, dass er es zwar ernst meinte, aber nicht sauer war, weswegen er gleich darauf ein weiteres Lächeln erhielt. "Wenn du häufiger mit mir trainieren würdest, hätte ich vielleicht nicht das Bedürfnis, jede Minute so gut ich kann auszunutzen", erlaubte sich Ran einzuwenden. Seine Mundwinkel kurvten aus eigenem Antrieb nach oben. "Aber das Training mit Schuldig – und selbst das mit Farfarello – ist viel sinnvoller. Schließlich läufst du nicht ständig mit einem Katana herum. Oder auch nur mit einem Shinai." Ran sah nicht besonders überzeugt aus, stellte die Flasche für den Moment beiseite, um sich mit dem Handtuch übers Gesicht zu fahren. Als er wieder angesehen wurde, hatte er irgendwie den Eindruck, dass ihm der Jüngere am liebsten die Zunge rausgestreckt hätte oder sonst eine kindische Geste gezeigt, um den nachfolgenden Worten mehr Nachdruck zu verleihen. "Du weißt ganz genau, dass mir das völlig egal ist." Da er dem schlecht widersprechen konnte, nickte er langsam, woraufhin Ran das Thema sichtlich ad acta legte, sich stattdessen zu ihm vorlehnte. "Wenn du vorhin mit Schuldig geredet hast, heißt das, dass du wirklich gleich wieder abreisen musst?" Rans Gesichtsausdruck war so neutral, dass er schon wieder verräterisch war. "Nach aktuellem Stand sieht es ganz so aus", gab er nach nur minimalem Zögern zurück. Zwar bestand die Chance, dass sie Parks noch kurzfristig einfangen würden, doch er hielt es nicht für besonders wahrscheinlich. Und er wollte Ran keine falschen Hoffnungen machen. Der biss sich jetzt auf die Unterlippe. "Was ist mit den Anderen?", wurde dann nachgehakt. "Sie bleiben hier. Du musst dir keine Sorgen machen, dass du ganz allein zurückbleibst." Sein Versuch von Humor wurde aufgegriffen, auch wenn Ran sich etwas schwertat damit. "Wenn dann wäre ich mitgekommen. Ich hätte mich bei Stan einquartieren können, der würde sich über einen Besuch garantiert freuen." Dass da noch ein Onkel und eine Tante waren, zu denen Ran hätte gehen können, wurde nicht einmal angedeutet. "Es wird sich bestimmt noch eine andere Gelegenheit ergeben", versicherte er Ran mit einem leichten Lächeln, das sich aber nicht lange hielt. Schließlich gab es da noch einen ganz anderen Punkt zu klären. Und es jetzt anzusprechen würde nicht nur Ran mehr Zeit geben. Es würde ihn automatisch dazu zwingen, selbst darüber nachzudenken. Etwas, das er gerne von sich schob, wie Schneider schon festgestellt hatte. Ran bemerkte den Wandel in seiner Miene und dessen Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten, wo sie immer noch das Handtuch hielten. Doch es wurde nichts weiter gesagt, sondern mehr oder wenig geduldig abgewartet, was noch kommen würde. Nur der Schatten, der in den violetten Augen Einzug gehalten hatte, verriet den Jüngeren. "Das Schuljahr hier ist fast vorüber. Und wie es aussieht, solltest du den Abschluss schaffen", leitete er langsam ein und der Schatten zog sich zu Gunsten von Verwirrung zurück. Er sprach weiter, als hätte er es nicht bemerkt. "Hast du schon darüber nachgedacht, was du danach machen möchtest?" Ran schwieg sehr lange und er konnte regelrecht sehen, welche Gedanken dem Rothaarigen durch den Kopf gingen, denn sie spiegelten sich auf dessen Gesicht wider. Um schließlich bei Entschlossenheit zu enden. "Das ist mir egal, wenn ich bei euch bleiben kann." Und das kam nicht wirklich unerwartet, wie er zugeben musste. "Das ist kein Plan", erwiderte er dennoch, ruhig. "Du bist nicht auf den Kopf gefallen, du solltest studieren gehen." Der Rothaarige reagierte nicht auf das, was er sagte, sondern ganz auf das, was dahinter steckte. "Es ist kein Zufall, dass du ausgerechnet heute danach fragst, nicht wahr?" Eine Hand löste sich von dem Stoff, tastete nach seinem Handgelenk, um sich darum zu schließen. "Es hat etwas mit Herrn Schneider zu tun. Er hat es sich anders überlegt." Keine Frage. Und keine Überraschung. "Es ist meine Entscheidung", stellte er klar. "Und sie ist noch nicht gefallen." Rans Blick war wieder dunkler geworden und eine seltsame Distanz stand plötzlich darin. "Aber es ist Herr Schneider. Es war nur eine Frage der Zeit. Und da du jetzt ernsthaft darüber nachdenkst, wirst du am Ende ja sagen." So knapp die Aussagen ausfielen, so sicher schien sich Ran seiner Sache zu sein. Weil dieser anders als er selbst es schon längst getan hätte. Sein Gedankengang wurde unterbrochen, als sich Rans Griff verstärkte. "Willst du, dass ich verschwinde, will er es?" Die innerliche Distanz wurde größer. Und das gefiel ihm nicht. Denn in dieser Beziehung hatte er noch nie gerne mit anderen gespielt. Also lehnte er sich vor und küsste Ran, der nur für einen winzigen Moment wie erstarrt war, dann gegen ihn fiel. Nachdem sie sich wieder voneinander getrennt hatten, kurvte unwillkürlich ein Lächeln seine Mundwinkel, er wusste nur nicht so ganz, ob es überhaupt an Ran gerichtet war. "Ich muss zugeben, dass Herr Schneider unter keinerlei Anfällen von Unsicherheit leidet. Er würde nicht verlangen, dass du gehst." Rans Stirn ruhte an seiner Schulter. "Ich glaube, das hätte ich auch nicht ausgehalten", wurde dann absolut sachlich festgestellt. "Du solltest dich nicht so sehr von uns abhängig machen", mahnte er leise. "Aber hoffentlich wird sich in Zukunft von ganz allein die Möglichkeit ergeben, dass du mehr Abstand gewinnst." Etwas blitzte in den violetten Augen auf. "Vielleicht will ich das gar nicht." Natürlich. Doch es blieb abzuwarten. Vielleicht würde Ran es schaffen, zu einem normalen Leben zurückzufinden. Ein Studium konnte da hilfreich sein. Und wenn nicht… dann konnten sie sich Rans Loyalität sicher sein. Und mit dessen Schwester hatten sie ein ausreichendes Druckmittel in der Hand, dass die Voraussetzungen erfüllt waren, ihn nahe der Schule einzusetzen und nicht nur in einem entfernten Zweig von SZ. Er könnte mit beiden Varianten leben, weswegen er auf Rans Ausbruch nur mit einem Lächeln reagierte. "Komm, wir sollten duschen gehen und uns umziehen, bevor wir uns noch verkühlen." Ein Stirnrunzeln war die erste Reaktion darauf, doch dann gab der Jüngere nach. Und versuchte zumindest, auf die Beine zu kommen. Rans Gesichtsausdruck, als dieser wieder auf dem Hosenboden landete, ließ ihn beinahe auflachen. Was ihm angesehen wurde. Violette Augen verengten sich, dann aber erhielt er ein flüchtiges Grinsen und der ernste Unterton ihrer Unterhaltung zuvor schien vergessen. "Mach es besser", wurde er aufgefordert. Er zog eine Augenbraue hoch, bevor er aufstand. Die Bewegung mochte mehr Kontrolle als sonst erfordern, doch das war ihm nicht anzumerken. Als nächstes hielt er Ran eine Hand hin, die zunächst beäugt wurde, als wäre das Angebot nicht ernst gemeint, dann aber griff der Jüngere danach. Der Schwung oder auch die zittrigen Beine sorgten dafür, dass Ran gleich darauf gegen ihn lehnte und dessen leise Frage verdrängte den Humor wieder, machte klar, dass sich der Rothaarige nicht so einfach ablenken ließ. "Ich müsste auch studieren, wenn ich für euch arbeiten will, nicht wahr?" "Hm", gab er mit einem Brummen zurück. "Wir rekrutieren Externe in der Regel nur, wenn sie uns nützlich sind. Deine Herkunft allein wäre für das Japan-Geschäft schon mal hilfreich. Aber natürlich benötigst du die entsprechende Ausbildung." Ran suchte seinen Blick, unter halb geschlossenen Lidern hervor. "Und Deutsch sollte ich auch lernen, was? Ein Studium in Deutschland wäre da hilfreich." Wie es aussah, hatte sich Ran schon längst zusammengereimt, was seine Entscheidung bedeuten würde. Und hatte seine Mahnung so ausgelegt, wie es ihm gefiel. Der Gedanke ließ seine Mundwinkel zucken und von Ran kam darauf ein Laut, der beinahe nach Zufriedenheit klang. Und er selbst war es auch. Unverändert war er sich nicht sicher, was die beste Lösung für den Jüngeren war. Aber auf diese Weise hätte Ran ein klares Ziel, würde nicht versuchen, die ganze Zeit bei ihm zu bleiben. Außerdem… war auch Aya in Deutschland. Wenn es eine Chance gab, dass Ran sich wieder dem zuwandte, was als Normalität durchging, dann über dessen Schwester. Es war schon seltsam, dass sich der Gedanke an Rans Zukunft nicht als Hindernis herausgestellt hatte, sondern Schneider sogar in die Hände spielte. Er zögerte innerlich. Oder er legte sich ganz einfach alles so zurecht, wie ein Teil von ihm es von Anfang an hatte haben wollen. Damit es keinen Grund gab, Schneiders Angebot auszuschlagen. Ein Anflug selbstbezogener Ironie glitt durch braune Augen, unbemerkt von Ran, der sich wieder ganz gegen ihn gelehnt hatte. "Komm", murmelte er, seine Überlegungen beiseite schiebend. Mal wieder. Weil es im Moment am einfachsten so war. Ran benötigte ein paar Sekunden, um zu reagieren, löste sich mit leichtem Widerwillen von ihm. Für einen Moment wurde er dann noch gemustert und es so aus, als wollte der Rothaarige eine Frage stellen, doch der Mund wurde wieder geschlossen, ohne dass ein Wort gefallen war. Als er das Bad verließ, fühlte er sich um einiges besser. Es hatte gut getan, seine Muskeln mal wieder richtig zu beanspruchen und bei dieser Feststellung drifteten seine Gedanken wieder in eine ganz bestimmte Richtung ab. Als hätten sie einen neues Schwerkraftzentrum gefunden, dem sie sich nicht entziehen konnten. Also erlaubte er sich festzustellen, dass er zurück auf Rosenkreuz ohne Probleme sein Training mit Schneider wieder aufnehmen könnte, hakte den Punkt damit aber ab. Vor seinen Schrank tretend, trocknete er sich die Haare, musterte für einen Augenblick den Inhalt, bevor er nach Hemd und Hose griff. Weste und Krawatte blieben zurück, schließlich war es bald schon Abend und er hatte nicht vor, noch zu arbeiten. Da Ran sich noch nicht eingefunden hatte, als er angezogen war, verließ er sein Zimmer in Richtung Nagi. Wie erwartet fand er ihren Jüngsten vor dem Computer vor und wenig überraschend schien Nagi nach einer elektronischen Spur von Parks zu suchen. "Woher weißt du das eigentlich schon? Ich habe noch nicht einmal einen Bericht geschrieben." Nagi wandte sich erst zu ihm um, als er sprach, auch wenn der Jüngere sein Eintreffen garantiert schon früher wahrgenommen hatte. Dunkelblaue Augen hefteten sich auf ihn und dann erhielt er ein schmales Lächeln. "Herr Schneider hat mich angerufen. Er meinte, ich wäre der Beste für diese Aufgabe, der gleichzeitig Japanisch kann. Und sie gehen davon aus, dass Parks sich noch in Japan befindet." Natürlich. Wenn er selbst so etwas wie einen Heimvorteil hatte, dann traf das auf Nagi erst recht zu. Dann kam ihm ein anderer Gedanke. "Hat er dich gefragt, ob du von Japan aus daran arbeiten willst?" Das Lächeln wurde deutlicher, bevor Nagis Miene die gewohnte Neutralität zurückgewann. "Er hat die Möglichkeit angedeutet. Mit dem Hinweis, dass du wahrscheinlich auch dort sein wirst." Die Augen verengten sich leicht. "Bist du es?" Unwillkürlich stieg Belustigung in ihm auf. "Ist das denn von Belang für dich?" Nagi verschränkte die Arme vor der Brust, antwortete aber. "Wenn du rüberfliegst, werde ich natürlich mitkommen. Ich kann dich schließlich nicht nur mit lauter Unbekannten zusammenarbeiten lassen." "Unbekannt vielleicht. Aber immerhin haben wir alle das gleiche Training." "Manche mehr, manche weniger", erinnerte Nagi ihn daran, dass er nicht so lange wie ein typischer Schüler auf Rosenkreuz gewesen war. Und Nagi war überhaupt nicht dort gewesen. Wie immer war der Telekinet nicht auf den Kopf gefallen. Er gestand ihm den Punkt mit einem angedeuteten Schulterzucken zu. "Wenn sie ihn nicht bis morgen haben – und vielleicht schaffen sie es dank dir sogar – dann werde ich die Leitung übernehmen." Nagi nickte langsam. "In dem Fall werde ich schon mal zwei Tickets buchen. Der Typ hat sich bisher nämlich als ausgesprochen schwer greifbar erwiesen." Und wenn Nagi das sagte, bedeutete das etwas. Dieses Mal war er selbst es, der nickte. ~TBC~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)