Family Bonds von cu123 (~ Sequel zu Close Distance ~) ================================================================================ Kapitel 45: "Alles in allem war es eine Reihe seltsamer Zufälle, die meine Aufmerksamkeit darauf lenkte, dass es überhaupt Leute wie Sie gibt" ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Erst als sie wieder unter sich waren, warf er dem anderen Mann einen auffordernden Blick zu und Herr Walter hatte kein Problem damit, ihn korrekt zu interpretieren. Für einen Moment schien der Ältere sich nicht entscheiden zu können, ob er sich ein weiteres Lächeln abringen konnte, schließlich beließ es Herr Walter aber bei einem kaum wahrnehmbaren Seufzen. "Wie schon gesagt, Sie kennen die Wahrheit bereits. Ich wollte Sie für die Idee gewinnen, künftig für mich zu arbeiten." Er wusste nicht, ob er das so ganz glauben konnte und stellte daher die erste Frage, die ihm durch den Kopf schoss. "Warum sind Ihre Leute nicht direkt zu mir gekommen und warum haben Sie ausgerechnet Herrn Franklin mitgeschickt, wenn der so schlecht auf mich zu sprechen war?" Herr Walter musterte ihn für einen langen Augenblick, antwortete dann aber, zuerst auf den zweiten Teil. Und den grau-grünen Augen schien sogar der leiseste Anflug von Humor zu stehen. "Er ist einer meiner besten Telepathen und ist mit den entsprechenden Schilden ausgestattet. Wir wollten versuchen, mehr über Ihre Gruppe zu erfahren und gleichzeitig verhindern, dass Sie den Spieß umdrehen. Natürlich habe ich unterlassen, ihm zu verraten, dass mein Ziel war, Sie zu rekrutieren. Falls es sich als machbar erweisen sollte, heißt das. Herr Franklin stand unter dem Eindruck, dass es lediglich um Sicherheitsbedenken ging." Wieder wurde er gemustert, doch jetzt war da nur noch Ernst. "Und warum wir es zuerst bei Ihren Kollegen versucht haben? Nun, es schien das geringste Risiko, so vorzugehen. Immerhin wussten wir, dass Sie Ihre Gruppe leiten." Er tauschte unwillkürlich einen Blick mit Herrn Rieger aus, der knapp nickte. Anscheinend war Herr Walter aufrichtig mit ihnen. Dem entging die Geste nicht und bevor er eine weitere Frage stellen konnte, sprach der Deutsche wieder. "Reicht das erstmal, um Herrn Franklin zurück zu bekommen?" Herr Walter blieb unbeirrbar höflich, Herr Long hingegen runzelte finster die Stirn und schien sich nicht besonders wohl zu fühlen mit seiner aktuellen Hilflosigkeit. Seine Augen verengten sich kurz, als er dem Blick von Herrn Walters Begleiter begegnete, doch er erlaubte seiner Miene nicht, auf die stille Herausforderung in dessen Blick zu reagieren. Stattdessen konzentrierte er sich wieder auf Herrn Walter. "Sie müssen verstehen, dass das im Moment noch nicht möglich ist, aber Herr Franklin wird zu Ihnen stoßen, wenn wir uns heute voneinander verabschieden." Es hätte vielleicht ein 'falls' sein können, doch nachdem Herr Walter bisher so offen gewesen war, würde dieser sich sicher nicht plötzlich querstellen. Und damit würden sie das zusätzliche Druckmittel nicht mehr benötigen. Etwas flackerte in den grau-grünen Augen, Besorgnis womöglich, er konnte es nicht so schnell identifizieren. Und das war etwas, wo er Abhilfe schaffen konnte. Zumindest für den Moment. Er holte sein Handy hervor und wählte Stephans Nummer, sprach kurz mit dem Tracer. Und dann reichte er das Handy an Herrn Walter weiter. Dieser zögerte nicht lange das Angebot anzunehmen und vergewisserte sich nicht nur, dass er wirklich Herrn Franklin am Apparat hatte, sondern auch, dass dieser im Moment ausreichend freien Willen besaß, um ihm ein paar Fragen zu beantworten. "Überzeugt?", erkundigte er sich, als er sein Handy wieder weggesteckte. "Für den Augenblick, gewiss." Und Herr Walter erlaubte sich einen Hauch von Ironie in seine Worte zu legen. Er konnte es ihm nicht wirklich verübeln, aber nur weil er Herrn Walters Reaktion verstehen konnte, hieß das noch lange nicht, dass er seinen Vorteil jetzt schon aus der Hand geben würde. Und ein paar Fragen waren unverändert offen. Herrn Walters Miene hatte etwas Resigniertes, als dieser sich nun zurücklehnte und ihn mit einem Nicken dazu aufforderte, genau diese Fragen zu stellen. Es war schon etwas seltsam, dass der Ältere ihn so gut lesen konnte, doch er schob diesen Gedanken schnell wieder beiseite. Immerhin gab er sich auch nicht besonders viel Mühe, seine Überlegungen zu verbergen. Dann galt es erst einmal abzuwarten, bis ihre Getränke verteilt waren, doch anschließend hielt ihn nichts weiter zurück. "Wir haben bereits von Herrn Franklin erfahren, dass eine Ihrer Mitarbeiterinnen mir in Japan persönlich begegnet ist. Was wir jetzt gerne wissen möchten, ist, warum sie überhaupt dort war, in unserem Büro. Und warum sind Sie auf die Idee gekommen mich anzusprechen, wenn Sie bereits wussten, dass ich für jemand anderen arbeite?" Herrn Walter schienen die Frage nicht besonders zu überraschen und kurz zuckten sogar dessen Mundwinkel. "Ich würde an dieser Stelle ja anmerken, dass ich mich allmählich wie in einem Verhör fühle – aber das wäre unnötig, nicht wahr? Schließlich bin ich genau deswegen hier." Er hatte nicht den Eindruck, dass der Ältere ihn ablenken wollte, sondern die Bemerkung ganz einfach der ungewöhnlichen Situation geschuldet war. Weswegen er sich ein leichtes Lächeln erlaubte, ohne die Ironie zurückzuhalten. "Ich hoffe, dass zumindest das Ambiente angenehmer ist, als man es sonst unter solchen Umständen erwarten könnte." Herr Long verzog das Gesicht, doch Herr Walter lächelte ebenfalls, wenn auch etwas widerwillig. "Das kann ich nicht abstreiten." Eine kurze Pause, die Herr Walter nutzte, um einen Schluck von dessen Wasser zu nehmen. "Dann sollte ich wohl besser auf Ihre Fragen eingehen, bevor Sie das Ganze woanders hin verlegen…" Ein weiterer Schluck und dann blieben die grau-grünen Augen fest auf ihn gerichtet. "Ich denke, Ihre zweite Frage ist schneller zu beantworten. Wir waren ganz einfach – fälschlicherweise – davon ausgegangen, dass Sie Ihre Zusammenarbeit mit dem Büro beendet hätten. Es war erst Anfang des Jahres, dass wir von unseren Leuten aus Japan die Information erhielten, dass das nicht der Fall ist. Weswegen ich Sie auch nicht noch einmal kontaktiert habe." Er nickte verstehend und nur innerlich seufzte er, während er irgendwo im Hintergrund ein Lachen zu vernehmen glaubte. Die ganze Arbeit, die sie sich gemacht hatten, um den Grund für das geheimnisvolle Zusammentreffen mit Schuldig herauszufinden. Ihre Befürchtungen, dass jemand sie beobachtete. Und dann steckte nur ein ganz simples Jobangebot dahinter… Es wäre beinahe nicht mehr als eine Ressourcenverschwendung, aber- >Ja, genau<, mischte sich Schneider an dieser Stelle ein. >Ohne das Ganze wüssten wir nicht, dass wir in Japan unter Beobachtung stehen. Und die Zwillinge hätten wir wahrscheinlich auch nicht in die Hände bekommen. Alles in allem finde ich, hat sich der Aufwand bereits gelohnt.< Herr Walter bekam von diesem Moment der Ablenkung nichts mit, sondern fuhr fort, nachdem dieser seine Gedanken kurz gesammelt hatte. "Was Japan angeht… muss ich wohl etwas weiter ausholen." Herr Long verschränkte die Arme vor der Brust und zog mit dieser Geste für einen Augenblick die Aufmerksamkeit des Deutschen auf sich. Was der andere Mann dafür nutzte, seinen Widerspruch auch laut zu äußern. "Willst du das wirklich tun?" "Ob ich es will, spielt hier überhaupt keine Rolle, Patrick." Herr Walter blieb ruhig, auch wenn da eine Unterströmung von Frust wahrzunehmen war. Und gerade das war es wahrscheinlich, was Herrn Long wieder in Schweigen verfallen ließ, wenn auch mit zusammengepressten Lippen. Die grau-grünen Augen kehrten zu ihm zurück und noch bevor der Ältere etwas sagen konnte, setzte er sich unwillkürlich aufrechter hin. Es war eine Reaktion auf die mentale Berührung von Schneider, ein Aufgepasst, das ganz ohne Worte auskam. Anscheinend hatte der Telepath bereits einen Teil von dem aufgefangen, was Herr Walter zu berichten hatte und die Information hatte echte Überraschung ausgelöst. "Frau Kato war dort, um ein Auge auf Herrn Schneider zu haben. Ganz einfach weil er unser einziger Anhaltspunkt war, was die Aktivitäten Ihrer Gruppe angeht." Er zwinkerte, nun ebenfalls überrascht. Natürlich war Schneider der Leiter des Japan-Büros gewesen und war in dieser Funktion auch in der Geschäftswelt bekannt gewesen. Aber wie ein Außenstehender auf die Idee kommen konnte, es mit einem Talent zu tun zu haben, war ihm vollkommen unklar. Umso interessierter lauschte er in der Folge den weiteren Ausführungen von Herrn Walter, der gar nicht erst versuchte, ihn auf die Folter zu spannen. "Alles in allem war es eine Reihe seltsamer Zufälle, die meine Aufmerksamkeit darauf lenkte, dass es überhaupt Leute wie Sie gibt. Und natürlich… das Interesse meines Vaters an etwas ungewöhnlichen Forschungsfeldern…" Herr Walter verzog flüchtig das Gesicht, schien dann innerlich etwas abzuschütteln. "Er war immer auf der Suche nach zukunftsträchtigen Investitionsmöglichkeiten und als eine Gruppe von Wissenschaftlern mit einer Idee an ihn herantrat, für die andere sie nur ausgelacht hätten, ging er das Risiko ein. Da abzusehen war, dass einige Methoden der Forscher eher fragwürdiger Natur sein würden, vor allem da Kinder involviert waren", an dieser Stelle wurde klar, warum der andere Mann zuvor wenig Begeisterung gezeigt hatte, "hielt sich mein Vater als Geldgeber natürlich im Hintergrund. Die Forschergruppe hatte bald Erfolg bei ihrer Suche nach Kindern mit besonderen Fähigkeiten und mit den Jahren wurden sie größer. Bis das Institut anscheinend die Aufmerksamkeit der falschen Leute auf sich zog." Ein vielsagender Blick in seine Richtung folgte, was er mit einem schmalen Lächeln quittierte. Und nichts an seiner ansonsten unbewegten Miene verriet, wie seine Gedanken rasten, als eine Verbindung hergestellt wurde, an die er noch nicht so ganz zu glauben vermochte. Seltsame Zufälle, wirklich… "Ich hatte zu der Zeit hier in Amerika studiert und keine Ahnung von diesen Vorgängen", zog Herrn Walters Stimme wieder seine Aufmerksamkeit auf sich. "Auch nachdem das Institut ausgeschaltet worden war, erfuhr ich nichts. Mein Vater begann mich lediglich in seine offiziellen Geschäfte einzubinden und ich war dabei, eine Niederlassung hier aufzubauen, als er starb." Eine kurze Pause folgte, bevor der Ältere weitersprach. "Es hätte alles ganz einfach so weitergehen können, ich hatte ausreichend Erfahrung gesammelt, um die Geschäfte nicht nur weiterzuführen, sondern auch ausbauen zu können. Vielleicht wäre die Geschichte, auf die Sie gestoßen sind, als Sie Erkundigungen über mich eingezogen haben, die einzige und volle Wahrheit geblieben." Eine gewisse Ironie lag in diesen letzten Worten, doch Herr Walter hielt sich nicht lange damit auf. "Aber es kam anders, da eines Tages einer der Wissenschaftler in meinem Büro auftauchte und um ein Gespräch bat." Eine Bewegung lenkte seine Aufmerksamkeit für einen Moment von Herrn Walter weg, hin zu Herrn Long, der seltsamerweise zur Seite geblickt hatte, ins Restaurant hinein, als würde dort plötzlich etwas sehr Interessantes passieren. Der Deutsche folgte seinem Blick, runzelte die Stirn, bevor dieser eine Hand auf den Unterarm seines Assistenten legte. Und diese Geste war genug, um Herrn Long zurückzuholen, von wohin auch immer dessen Gedanken abgedriftet waren. Bevor er auf die Idee kommen konnte, nachzuhaken, was da gerade geschehen war, schob sich Schneiders Stimme in seine Gedanken. >Es sieht ganz so aus, als hätte dieser Wissenschaftler nicht mehr lange gelebt, nach diesem Gespräch. Herr Walter war von dessen Ideen wenig begeistert und noch weniger von manchen der Unterlagen, die der Mann dabei hatte. Als dieser drohte, sich einen anderen Geldgeber zu suchen, beschloss Herr Long die Sache in die Hand zu nehmen und dies zu verhindern.< Schneider schwieg für ein paar lange Sekunden. >Die beiden haben nie darüber geredet, doch Herr Walter ahnt natürlich, was geschehen ist.< Hm… das hätte er keinen von beiden zugetraut. Herrn Long nicht die Tat und Herrn Walter nicht, dass dieser so einfach darüber hinwegging. Aber alles in allem… schien es jetzt wahrscheinlicher, dass Herr Walter künftig für sie tätig werden konnte. Ohne dass es zu viele Widerstände geben sollte. Denn auch wenn Schneider zweifellos dafür sorgen konnte, dass dieser seinen Willen bekam, machte es ein etwas flexibleres Gewissen Herrn Walter sicher leichter. >Ist dir wichtig, was er davon hält?< Der Telepath klang aufrichtig interessiert. Und er ertappte sich dabei, wieder Herrn Walter zu mustern, bevor er innerlich nickte. Das war es ihm tatsächlich. Er konnte Herrn Walters Arbeit respektieren und damit wünschte er ihm natürlich nicht den Kontrollverlust, dem dieser jetzt entgegensah. Dem anderen Mann war seine Musterung nicht entgangen und Herr Walter wollte gerade den Mund öffnen, um etwas zu sagen, als es mal wieder der Kellner war, der sie alle schweigen ließ. Nachdem vor jedem von ihnen ein Teller stand, schloss Herr Walter für einen Moment die Augen und dessen Gesicht nahm flüchtig einen verloren wirkenden Ausdruck an. Als hätte ihn die Normalität, die für die paar Minuten über sie hereingebrochen war, aus dem Gleichgewicht gebracht. Das Essen wurde gemustert, als würde es Antworten auf ungestellte Fragen in sich bergen, aber das tat es natürlich nicht. Wahrscheinlich waren sie alle froh, als Herr Rieger das Schweigen brach und einen guten Appetit wünschte, jedenfalls spürte er selbst, wie seine Lippen in ein leichtes Lächeln kurvten, auch wenn er in dieser Situation wohl genauso wenig Humor fand wie Herr Walter. Dessen grau-grüne Augen hatten sich wieder auf ihn gerichtet und statt Herrn Rieger zu antworten, waren die nächsten Worte an ihn gerichtet. "Ich bin mir nicht sicher, ob ich Hunger habe." "Es macht nichts besser, wenn Sie nicht essen", gab er zurück, vollkommen logisch, auch wenn das in dieser Situation nicht unbedingt hilfreich war. Zumindest schien Herr Walter seiner Antwort ein wenig Belustigung abringen zu können, bevor dieser den Kopf senkte und sich daran machte, den Teller zu leeren. Mit mehr Pflichtbewusstsein als Begeisterung, aber selbst er hatte den Eindruck, als wäre die Mahlzeit seltsam fade, wie musste es da erst Herrn Walter gehen. >Du solltest es mit dem Mitgefühl nicht übertreiben. Du kennst ihn doch kaum.< Schneiders Bemerkung war nicht weniger logisch als seine eigene zuvor. Und sie war nicht wirklich hilfreicher. ~TBC~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)