Family Bonds von cu123 (~ Sequel zu Close Distance ~) ================================================================================ Kapitel 40: "Wenn du häufiger bei mir bist, werden wir das sicher herausfinden" ------------------------------------------------------------------------------- Sie waren beim Rinderfilet angelangt, als Schneider seine Ausführungen zu den Neuzugängen auf Rosenkreuz abschloss. "Am interessantesten von allen bleibt allerdings dieses Mädchen, das ihr uns verschafft habt. Auch wenn sie kein richtiges Talent aufweist, haben wir andererseits auch noch kein anderes Talent gefunden, dass sie aktiv beeinflussen kann, wenn sie es nicht will." "Hm, ich kann mich erinnern, dass Nagi seine Probleme mit ihr hatte. Doch Schuldig konnte sie ausschalten." Er runzelte flüchtig die Stirn, doch als er sich wieder seinem Essen zuwandte, war das vergessen. Es war wirklich lange her, dass er so etwas Gutes serviert bekommen hatte und das galt für alle bisherigen Gänge. "Ja, die Trüffelsauce ist ausgezeichnet", wurde zunächst sein nicht ausgesprochener Gedanke kommentiert, bevor sich Schneider seiner Frage zuwandte. "Und Nanami hat einiges dazugelernt, seit sie bei uns ist. Das heißt, nachdem wir ihre Persönlichkeitsstörung unter Kontrolle gebracht hatten." Der Deutsche verzog das Gesicht, ein wirklich ungewohnter Anblick. Aber dann wiederum nicht verwunderlich, wenn er bedachte, wie seltsam sich das Mädchen verhalten hatte, wenn es nicht gerade für Schreiend darum ging, Schwarz auszuschalten. Und bis sie sie in der Anstalt hatten, gab es Phasen, in denen das Mädchen völlig zu vergessen schien, wer sie waren und sich ziemlich hirnlos aufführte, aufgedreht wie eine Dreijährige mit Zuckerschock. Schneider verfolgte ohne Probleme seine Gedanken und zeigte nun ein Lächeln, das etwas seltsam ausfiel. "Mental war sie die meiste Zeit tatsächlich auf dieses Alter beschränkt, in Wirklichkeit ist sie jedoch älter als Nagi. Im selben Alter wie der junge Takatori." Ihm rutschte eine Augenbraue hoch. "Das war ihr nun wirklich nicht anzumerken." Jetzt erst wurde ihm bewusst, dass Schneider einen Namen genannt hatte und er verstand etwas besser. "Schuldig meinte, er hätte nicht viel in ihrem Kopf vorgefunden. Sie hat sich also wieder erinnert?" "An ihre Vergangenheit, ja. Aber wir haben dafür gesorgt, dass dafür alles nach dem Persönlichkeitsbruch verschwindet. Was sie gelernt hat in der Zeit danach ist immer noch da und daher für uns nützlich, doch es wäre kontraproduktiv gewesen, wenn sie noch Schreiend und vor allem diesem Takatori nachtrauern würde." "Was ist mit ihr überhaupt passiert?" Sie hatten schon einige Talente auf Rosenkreuz gehabt, die aufgrund der Erfahrungen mit ihren Fähigkeiten einen… Knacks weghatten. Doch das Mädchen sollte diese Probleme nicht gehabt haben. Die eisblauen Augen wurden kühl, als Schneider ihm antwortete. "Nein, es hatte rein gar nichts mit so etwas zu tun, ganz im Gegenteil. Es war ein viel zu alltägliches Problem. Nanami hatte anscheinend eine sehr glückliche Kindheit, ihr Vater hat ihr jeden Wunsch erfüllt. Von daher war es für sie umso schwerer zu verkraften, als er... etwas zu liebevoll wurde." Dieses Mal war es an ihm, das Gesicht zu verziehen. Er hatte nie verstehen können, warum jemand so etwas tat und innerhalb der eigenen Familie… Natürlich hatte Nanami das verdrängt und war in ihrem Kopf in eine bessere Zeit zurückgereist. "Und jetzt weiß sie das auch wieder?" "Ja und sie hält uns für ihre Retter. Weswegen sie gerne mit uns zusammenarbeitet. Durch ihre Arbeit mit Schreiend ist sie an Labore gewöhnt und sie macht sich bei unseren Wissenschaftlern nützlich, während diese gleichzeitig Nutzen aus ihrer Fähigkeit ziehen." Er unterdrückte ein Schnauben, als er das hörte. Es war so typisch für Rosenkreuz, auf diese Weise Nutzen aus einer persönlichen Tragödie zu ziehen, doch zugleich konnte er nicht abstreiten, dass das Mädchen jetzt besser dran war. Weswegen er dies zugunsten der anderen Information beiseite schob. "Funktioniert ihre Gabe so wie ein Screamer?" Schneider schüttelte den Kopf. "Es gibt zwar Ähnlichkeiten, doch bei ihr funktioniert es umfassender. Sie kann nicht nur die eher mentalen Talente wie Telepathen und Empathen zuverlässig blocken, sondern auch die Kineten, solange die sie direkt beeinflussen wollen. Unsere Wissenschaftler meinen, dass die Screamer unmittelbar auf die zuständigen Bereiche im Gehirn einwirken, aber nur, solange sie verwandt genug sind. Daher können wir schlecht voraussagen, bei wem genau Screamer anschlagen." Schneider stützte wieder das Kinn auf einer Hand ab und schenkte ihm ein schmales Lächeln. "Bei dir zum Beispiel waren wir erfolgreich, während andere Precogs von einem Screamer völlig unbeeinflusst blieben." Das ließ ihn zwinkern, weil er bisher noch nie etwas davon gehört hatte. Und dann hielt er sich mit Mühe davon ab, die Augen zu verdrehen. "Natürlich verraten Sie das normalerweise niemandem, nicht wahr?" "Need-to-know", wurde ihm bestätigt. Und er hätte schwören können, dass der Deutsche kurz grinste. "Und warum genau scheine ich in letzter Zeit so viel mehr wissen zu müssen als früher?", gab er etwas trocken zurück. "Hm, nicht so sehr müssen als vielmehr können", wurde er korrigiert. Immer noch mit Belustigung in den eisblauen Augen. Was ihn kaum hörbar seufzen ließ. "Sie sind sich meiner sehr sicher, was?" "Aus gutem Grund, wie ich meine." Und ohne sich vorher umsehen zu müssen, um sicherzugehen, dass es keine Zeugen gab, griff Schneider nach seiner Hand, um einen Kuss auf seine Fingerspitzen zu platzieren. Es war, als wäre ein Feuer entfacht worden, dass sich von seinen Fingern ausgehend seinen Arm entlangwand und dann in einem plötzlichen Schub seinen gesamten Körper erfasste. Scharf einatmend fielen ihm für einen Moment die Augen zu und er spürte einfach nur den Empfindungen noch. Doch dann fiel ihm wieder ein, wo sie sich befanden und er schüttelte den Einfluss so gut es ging ab, blitzte dann Schneider an. "Sie mussten nicht auch noch den Beweis dafür antreten", machte er den Deutschen wenig amüsiert aufmerksam. Der lediglich lächelte und dann dorthin blickte, wo seine Hand immer noch in Schneiders ruhte. Da er sie nicht zurückgezogen hatte. Mit einem Seufzen gab er sich geschlagen und holte dann endlich nach, was er versäumt hatte. Und bevor Schneider ihn weiter aufziehen konnte, lenkte er das Gespräch auf das ursprüngliche Thema zurück. "Wie funktioniert dann das Talent – oder von mir aus auch Nicht-Talent – des Mädchens?" Für ein paar lange Sekunden ruhten die eisblauen Augen auf ihm, als müsste Schneider erst entscheiden, ob er ihn so einfach davonkommen lassen sollte, doch dann griff der Ältere zu seiner Erleichterung wieder zum Besteck, um weiterzuessen. Er folgte mit einem leichten Lächeln dem Beispiel des anderen Mannes und stellte innerlich fest, dass es auch schade gewesen wäre, das Essen kalt werden zu lassen. Von Schneider ging ein Hauch von Amüsement aus, bevor dieser auf seine Frage einging. "Nanami kann irgendwie ein Feld aufbauen, das die Manipulation anderer Talente unterbricht." Er nickte verstehend. "Deswegen meinten Sie aber auch, dass es sich um eine direkte Beeinflussung handeln muss, nicht wahr? Wenn außerhalb des Feldes zum Beispiel ein Telekinet etwas auf sie herunterfallen lassen würde, könnte sie nichts dagegen tun, oder?" Schneiders Mundwinkel kurvten nach oben. "Außer natürlich zur Seite zu treten, ja." Er lächelte unwillkürlich ebenfalls, schüttelte belustigt den Kopf. Und dann kam ihm ein anderer Gedanke. "Aber das heißt doch, dass mein Talent vor ihr sicher ist." Schneider neigte den Kopf leicht zur Seite. "Größtenteils. Ihr Radius beträgt maximal einen Meter, außerhalb davon kann sie dich nicht stören. Damit könntest du problemlos Visionen haben, die auch sie einbeziehen. Nicht, dass du ein besonderes Interesse daran haben solltest." Er stieß ein Schnauben aus. "Ja, mir wäre es auch lieber, wenn es andersherum wäre. Wir haben immerhin um einiges mehr Screamer." "Noch", gab sich Schneider geheimnisvoll und tat dann plötzlich so, als wäre der Teller vor ihm das Interessanteste auf der Welt. Sein Stirnrunzeln blieb daher unbemerkt, aber er hatte nicht vor, zu schnell einzuknicken und machte sich selbst daran, seinen Teller zu leeren. Leider beanspruchte diese Aufgabe nicht allzu viel Zeit, so dass er sich kurz darauf dabei ertappte, Schneider zu mustern. Denn natürlich wollte er wissen, was diese Bemerkung zu bedeuten hatte. Und Schneider wollte ihn nur auf die Folter spannen, sonst hätte der gar nicht erst davon angefangen. Schließlich hatte er genug davon ignoriert zu werden und auch wenn es kindisch sein mochte, stieß seine Schuhspitze gegen Schneiders Schienbein. Immerhin war der Deutsche auch nicht viel besser. Der jetzt endlich seinen Blick erwiderte und die Frechheit besaß zu grinsen. "Willst du jetzt auch ein paar Spuren auf mir hinterlassen?" Das kam aus heiterem Himmel, genauso wie seine Reaktion darauf, und dieser Hitzeschub schien ohne jeden Einfluss von Schneiders Talent auszukommen. Er biss sich innen auf die Lippe und schaffte es so, völlig gleichmäßig zu antworten. "Vielleicht möchte ich das ja." Braune Augen verengten sich leicht. "Doch zunächst möchte ich wissen, was Sie mit 'noch' meinten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir auf einmal in der Lage sind, Leute mit dieser Art des Talents so einfach zu entdecken. Schließlich ist es etwas, das sich nur im Zusammenwirken mit anderen Talenten zeigt." Schneider hatte gelächelt, als der seine erste Antwort hörte, wurde dann aber endlich etwas ernster. "Hm, da sie uns tatsächlich nur zufällig in die Hände gefallen ist, arbeiten wir an einer technischen Lösung. Mit einem entsprechenden Radius könnte so ein Null-Feld-Generator sowohl für die Suchteams als auch für die Ex ein wichtiges Hilfsmittel werden." "Null-Feld-Generator?" "So haben unsere Wissenschaftler das Gerät getauft. Auch wenn sie es noch nicht einmal im Prototyp-Stadium haben." "Ist das so…", hörte er sich selbst murmeln und wurde für einen Moment dadurch abgelenkt, dass Schneider einen Kellner herbeiwinkte. Gleich darauf hatten sie ihren Nachtisch vor sich stehen, ein Stück Tiramisu, das beinahe eine eigenständige Mahlzeit darstellte. Er beäugte das Ungetüm, etwas unsicher, ob sein Magen dabei mitspielen würde. Dann aber schweifte sein Blick weiter zu Schneider und er nickte innerlich. Der Telepath konnte die Kalorien auf jeden Fall gebrauchen und notfalls konnte Schneider auch seinen Anteil aufessen. "Meinst du nicht, dass ich mehr als genug Erfahrung habe, um meinen Energiehaushalt selbst zu steuern? Und nein, ich habe gerade nicht mein Talent einsetzen müssen, um genau zu wissen, was du denkst." Mit sanfter Ironie. Er gab sich unbeeindruckt, schließlich machte es keinen Unterschied. Schneider schien sich heutzutage kaum noch aus seinem Kopf herauszuhalten, was brachte es da schon, seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten... Also richtete er ganz einfach die Zacken seiner Kuchengabel auf den Älteren und schenkte ihm einen auffordernden Blick. "Beweisen Sie es mir." Der andere Mann schien für einen Augenblick aufrichtig verblüfft, folgte seiner Aufforderung dann aber ohne Widerspruch. Auf einer anderen Ebene jedoch wurde er für ein paar endlose Sekunden regelrecht in Energie gebadet, wonach er eine Weile brauchte, bis er wieder gleichmäßig atmete. Schneider wartete ab, bis er wieder die Welt um sich herum wahrnehmen konnte, bevor dieser eine weitere Frage stellte. "Und, willst du mich immer noch unmittelbar schlafen schicken, sobald wir mit dem Essen fertig sind?" Mit einer Unschuldsmiene, die er noch nie zuvor bei Schneider gesehen, geschweige denn ihm zugetraut hätte. Was sollte er dazu bitte schön sagen, während seine Erektion gegen die jetzt sehr viel unbequemere Hose presste? Sein Schweigen war beredt genug und Schneider lächelte schon wieder. "Komm, iss auf, Crawford. Ich möchte auch ins Bett kommen. Und genauso wenig wie du zum Schlafen." Das erinnerte ihn daran, dass tatsächlich das Tiramisu immer noch unangerührt vor ihm stand, während Schneider schon ein ganzes Stück vorangekommen war. Er nahm einen ersten Bissen, bevor er sich wieder dem Älteren zuwandte. "Können Sie mich nicht ein Mal gewinnen lassen?" Schneider sah ihn an, eher nachdenklich als amüsiert, zuckte schließlich mit den Schultern. "Da bin ich mir selbst nicht so sicher. Aber wenn du häufiger bei mir bist, werden wir das sicher herausfinden." Da Schneider das ernst gemeint zu haben schien, aß er ruhig weiter, während die Worte aus irgendeinem Grund weiter durch seinen Kopf kreisten. Bis er endlich darauf kam, was ihn hatte stutzen lassen. Schneider hatte 'wenn' gesagt und nicht 'falls'. Für einen Moment wollte er schon wieder anfangen, an dem Älteren zu zweifeln. Doch nachdem ihm erst vor so kurzer Zeit vor Augen geführt worden war, dass hier seine eigene Art von Schwäche am Werk war, hatte er nicht vor, sich das durchgehen zu lassen. Und da er auch aus einem ganz anderen Grund Ablenkung benötigte, wandte er sich innerlich wieder ihrem ursprünglichen Thema zu. Und war selbst überrascht von dem Gedanken, der ihm gleich darauf durch den Kopf schoss. Was ihn nicht daran hinderte ihn auszusprechen. "Zero." Er spürte den Blick eisblauer Augen, bevor er ihn erwiderte und dieses Mal zuckte er mit den Schultern. "Es ist mir gerade eingefallen", erwiderte auf Schneiders stumme Frage. "Wegen dieses Geräts. Sie könnten ihre Art des Talents Zero nennen. Auch wenn sie vielleicht die einzige dieser Art unter unserer Schirmherrschaft bleiben wird, werden sich unsere Bürokraten bestimmt freuen, wenn sie das Mädchen fein säuberlich in eine Schublade stecken können." "Hm, und ich dachte, dein Gehirn hätte im Moment nicht ausreichend Sauerstoff übrig, um noch denken zu können." Schneider schien sich einen Spaß daraus zu machen, ihn als erstes aufzuziehen und lenkte seine Gedanken damit natürlich genau dorthin zurück, wo er sie gerade nicht haben wollte. Auf seinen gar nicht amüsierten Blick daraufhin gab der Ältere aber nach und nickte. "Deine Idee gefällt mir. Ich werde dafür sorgen, dass sie umgesetzt wird." Belustigung erfüllte ihn plötzlich. Es musste in solchen Fällen ausgesprochen nützlich sein, Schneider zu sein. ~TBC~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)