Additional Cause for Sorrow von -aftermath- ================================================================================ Kapitel 1: ----------- An alles was er im Moment denken konnte war, wie er an diesen trostlosen, fast schon toten Ort gekommen war. Eine Behandlungspritsche aus rostigem Metal, ein alter klappriger Rollstuhl und diese Tür, die aus schwerem Eisenstahl gefertigt zu sein schien konnte er hier sehen. Mehr war hier nicht zu erblicken. Und dann war da noch diese sperrliche Deckenbeleuchtung, die alles in ein gelbliches Licht tauchte und die Schatten von Pritsche und Rollstuhl in monströse Gestalten verwandelte. Was war hier nur los? Irgendwie kam er sich so vor, als ob er in einem Leichenkeller zu Kriegszeiten war. Aber das kann nicht sein oder? Sonst würde er sich in dem 20 m² großen Raum nicht so frei bewegen können oder? Geister und Zombies gab es doch nur im Film. Ein leises Lachen entkam seinem Mund und hallte von den mintgrünen Wänden wieder, ließ die Atmosphäre noch gespenstischer wirken. Aber wenn das hier wirklich so etwas wie eine Leichenhalle war, dann würde irgendjemand schon hier vorbei kommen und dann würde sich auch alles aufklären. Er hätte die Chance dieser Trostlosigkeit zu entkommen und ein bisschen frische Luft zu schnappen. Hier war es ungemein stickig und es roch nach modriger Kellerluft und Verwesung. Unter leisem Knarren ließ er sich auf dem alten Rollstuhl, dessen Metallstreben rosteten und der schwarze Ledersitz schon recht spröde war, nieder und warf ein Blick nach oben zur Deckenlampe. Langsam rollte er immer wieder ein Stück nach vorn und zurück, in dem er seine Beine immer wieder nach vorn und nach hinten ausstreckte. Wie viel Zeit wohl vergangen war, seid er hier erwacht war? Eine Stunde? Vielleicht zwei? Er hatte kein Zeitgefühl mehr. Er starrte auf die weißen Hemdsärmel. Aber nicht nur sein Hemd war unschuldig weiß, nein auch die leichte Baumwollhose war schneeweiß. Ob er immer so etwas feierliches trug? Vielleicht war er ja auf einer Beerdigung gewesen oder einer Trauerfeier? Doch so sehr er sich auch bemühte, an nichts schien er sich erinnern zu können. Weder an seinen Namen, noch sein Alter oder seinen Wohnort und schon gar nicht wie er hier her gekommen war. Wenn er seinen Zustand hätte beschreiben sollen, so hätte er wohl geantwortet, dass es sich so anfühlte, als ob er vor einer dicken Wand aus weißem Nebel stünde und durch die er nicht zu dringen vermochte, auch wenn er sich noch so sehr anstrengte. Er konnte nicht einmal mehr das Jahr benennen und die Tages- und Jahreszeit schon gar nicht. In diesem Kellerloch gab es kein einziges Fenster. Die geheimnisvolle Tür schien der einzige Ausweg nach Draußen zu sein. Wenigstens hatte er keinerlei Schmerzen. Er fühlte sich weder gut noch schlecht. Im Grunde fühlte er nichts, nichts außer einer Leere, für die er keine passenden Worte fand, mit denen er sie hätte beschreiben können. Sie war nicht schlimm, aber auch nicht sonderlich angenehm. Er platzierte seine Hände auf seinem Bauch und wippte weiterhin etwas vor und zurück auf seinem Gefährt. Seine Haut schimmerte leicht bläulich, aber ihm war nicht kalt. Vorsichtig erhob er sich wieder und blickte auf seine Füße, die gerade so unter der langen Hose hervorlugten. Eigentlich müssten die doch kalt sein. Immerhin stand er auf blankem Steinboden. Doch nichts. Langsam drehte er sich wieder zu der Eisentür um. Sie war um einige Nuancen dunkler als die Wandfarbe. Er konnte hier nicht ewig bleiben. Mit wenigen Schritten hatte er die Metallpritsche umrundet und stand vor der großen Tür. Holprig ertastete er das kühle Metall unter seinen schlanken Händen. Dann endlich entdeckte er die Klinke. Bedachtsam drückte er sie nach unten und zog mit seiner ganzen Kraft an der Tür. Und tatsächlich sprang sie mit lautem Knarren auf und gab den Blick auf einen anderen Raum frei. Auch dieser war spärlich eingerichtet, noch spärlicher als der in dem er sich jetzt befand. Ein einziger großer Spiegel befand sich an der Wand. Wandfarbe, Ausleuchtung so wie Boden waren genau gleich. Argwöhnisch betrat er das Zimmer, darauf gefasst, dass hier doch noch etwas lauern könnte. Sein Herz schlug bis zum Anschlag. Hart schluckte er als er sich weiter vor wagte. Aber auch hier schien niemand außer ihm zu sein. Allmählich fühlte er sich verlassen und einsam. Schweigend sah er sich noch einmaln um und sein Blick blieb an dem Spiegel hängen. Jetzt hatte er die Gelegenheit sich in Gänze zu sehen. Und da von dem Raum keine Gefahr aus zugehen schien, stellte er sich vor den mannshohen Spiegel. Er hatte einige blinde Flecken, doch man konnte sich selbst noch gut erkennen. Sein eigener Anblick ließ ihn erschrecken. Pechschwarzes schulterlanges Haar, leichenblasse Haut, leicht blaugefärbte Lippen und schwarze Augen unter denen sich dunkle Augenringe abzeichneten. Er sah aus wie tot und anscheinend war ihm wohl doch kälter als er sich eigentlich fühlte. Zögerlich betastete er seine Lippen. Sie fühlten sich aber nicht kalt an. Ob der Rest seiner Haut auch so aussah? Und da er keine Antwort bekommen würde ohne sich dafür auszuziehen, fing er an jeden Knopf von oben nach unten zu öffnen. Behände strich er sich das Stück Stoff von seinen Schultern. Fassungslos starrte er auf die 6 Löcher auf seinem Bauch. Es waren eindeutig Einschusslöcher. Um die Löcher war verbranntes und wulstiges Fleisch zu erkennen. Aber kein Anzeichen von Blut. Plötzliche Bilder durchzuckten seine Gedanken. Gleißendes Licht, Feuer, ein lauter Knall, Schreie, Rauchschwaden. Fahrig fuhr er mit seinen Händen darüber. Er konnte es gar nicht fassen. Woher hatte er sie? Warum taten sie nicht weh? Was waren das eben für Bilder in seinem Kopf gewesen? Die Gedanken rasten in seinem Kopf nur so hin und her und seinen Puls konnte er fest unter seiner Haut schlagen fühlen. Was war hier nur los? Panisch sprintete er zur nächsten Tür, strauchelte dabei und fiel der Länge nach mit einem dumpfen Knall auf den Boden. Er fing an sich zu krümmen und zu schreien. Die Schreie glichen denen eines verzweifelten Tieres, das um sein Leben rang. Er verstand nichts mehr. Tränen der Angst sammelten sich in seinen Augenwinkeln. Mühsam rappelte er sich wieder auf und er stolperte zur Tür hinüber. Auch hier versuchte er wieder die Klinke runter zudrücken. Doch egal wie sehr er auch zog und schob. Die schwere Eisentür rührte sich keinen Zentimeter. Schreiend rutschte er an der Tür hinab während sich seine Fingernägel in die Metalltür krallten. Er spürte, wie die Nägel rissen, je weiter er nach unten sank. Die Tränen rannen über sein Gesicht und hinterließen feuchte Spuren auf seinen Wangen. Kniend saß er nun vor der Tür und hämmerte mit all seiner Kraft dagegen. "Ist hier denn niemand?", gellte er verzweifelt. "Mach doch bitte die Tür auf! Ich will hier raus!", fügte er flehend an. "Bitte..." Ein hoffnungsloses Schluchzen verließ seine Kehle. Doch offenbar war er hier wohl niemand mehr, der ihn hören konnte. Schluchzend brach er vor der Tür zusammen und schlug noch ein letztes Mal mit der blanken Faust gegen die massive Tür. Das Geräusch halte unangenehm in seinen Ohren nach. Leise wimmerte er und schielte durch seinen Pony zur Tür hinauf. 'Ich will hier wieder raus!!', schrie es in seinem Kopf. Er fing an am ganzen Leib zu zittern. In Zeitlupe ließ er sich zurück auf seinen Hintern fallen und richtete seinen Blick wieder auf die Tür. Es war mucksmäuschenstill und er horchte auf Geräusche, die vielleicht von der anderen Seite der Tür kommen könnten. Eine Weile lauschte er, jedoch war kein einziger Laut zu vernehmen. Nur sein eigener gleichmäßiger Atem war zu hören. Warum war hier nur niemand? Hatte ihn hier irgendjemand abladen wollen? Er war ganz eindeutig Opfer eines Verbrechens geworden. Nur warum? Warum? Benommen rutschte er von der Tür weg. Sein Blick fiel dabei auf seine Füße. Bis eben waren sie fast gänzlich von der Hose bedeckt gewesen, aber jetzt war sie ein gutes Stück hochgezogen. Ein kleiner Zettel war an seinem rechten grossen Zeh mit Bindfaden befestigt. Er war ihm vorher noch gar nicht aufgefallen. Wieder schluckte er und sein Inneres zog sich krampfhaft zusammen. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen drehte er den Zettel ein Stück um. 'Männlich 30 Jahre Mako...' Mehr konnte er nicht lesen. Kraftlos ließ er sich nach hinten auf den harten Steinboden fallen. Für einen Moment starrte er noch in das gelbliche Licht, das immer greller wurde und ihn so sehr blendete, dass er seine Augen schließen musste. Dann stürzte er in dieses grelle Licht, es rauschte in seinen Ohren und dann war es still. Angenehm still und warm, kein kalter Steinboden mehr und auch keine kahlen Wände. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)