The Place Beyond The Fire von Elvea (Dank dir bin ich stärker denn je) ================================================================================ Kapitel 3: Let it be -------------------- Mechanisch bürstete Nala immer wieder durch ihre Haare, ohne darauf zu achten, was sie überhaupt tat. Sie konzentrierte sich zwar penibel darauf, ihre Hände mit irgendetwas zu beschäftigen, um nicht in Versuchung zu kommen, wertvolle Einrichtungsgegenstände in ihre Kleinteile zu zerschlagen, auf mehr aber auch nicht. Statt darüber nachzudenken, wie sie am besten vor das – beziehungsweise jetzt ihr – Volk trat und möglichst vertrauenserweckend und kompetent wirkte, ließ sie die Begegnung mit dem Ninja aus Konoha Revue passieren. Ein Dienstmädchen, das schon seit ihrer Kindheit für die frühere Königstochter zuständig war, hatte ihr zugeraunt, dass sein Name Kakashi Hatake lautete. Sein Name war Nala noch nie zuvor zu Ohren gekommen, im Gegensatz zu dem Ort Konoha, den sie mal besucht hatte, als sie gerade erst laufen konnte. Schließlich warf sie die Bürste beiseite und schlug die Hände vor ihr Gesicht. Die Wut half ihr, die Trauer aufgrund des Todes ihrer Mutter zu verdrängen, doch sie wusste nicht, wie lang das anhalten würde. Außerdem ärgerte sie sich auch über sich selbst, da sie sich gegenüber einem erwachsenen Mann nicht gerade wie eine würdige Thronfolgerin verhalten hatte. Ihr war das Ganze unfassbar peinlich, aber Scham gehörte eigentlich nicht zu ihrem Gefühlsspektrum – sie war so erzogen worden, dass sie immer zu dem stand, was sie tat. Im Grunde war sie an die Anwesenheit älterer Männer gewöhnt und brachte ihnen den nötigen Respekt entgegen. Zwar konnte ihre Aufregung um das Verschwinden ihrer Mutter eine gute Entschuldigung darstellen, dennoch gab es ihr nicht das Recht, so mit einem Gast umzugehen. Allerdings war es auch nicht die feine englische Art von diesem Kakashi gewesen, sich so an sie heranzuschleichen. Wie konnte sie es nur ohne ihre Mutter schaffen, dieses Land zu regieren, ohne dabei zusammenzubrechen? Was hatte sie dazu gebracht, aus Liebe ihre eigene Tochter zu vernachlässigen? Dabei war der Mann, dem sie wie ein verliebter Teenanger nachgelaufen war, nicht einmal ihr rechtmäßiger Gatte und Nalas Vater! Der unglückliche Unfalltod des Königs verpflichtete sie eigentlich dazu, sich um das Land zu kümmern und nicht an erster Stelle um ihr eigenes Leben und ihre Liebschaften. Nalas Entschlossenheit, besser für das Land und vor allem ihren Heimatort, Kusagakure, zu sorgen, funkelte in ihren Augen, während sie die achtlos beiseite geworfene Bürste langsam aufhob und auf ihre Schlafzimmerkommode legte. Sie rief ihr Dienstmädchen, das ihr dabei helfen sollte, in das schwere, alte Gewand ihrer Mutter zu schlüpfen, das in den Farben des Frühlings gehalten war und das Wappen des Landes auf dem Rücken trug. „Sind Sie wirklich bereit?“, fragte die Frau und musterte Nala besorgt, doch diese winkte nur ab. „Habe ich eine andere Wahl?“. Ihr Gegenüber setzte zu einer Erwiderung an, doch Nala legte ihren Zeigefinger auf die Lippen. „Kein Wort mehr jetzt. Ich muss mich konzentrieren“. Mit einer tiefen Verbeugung zog sich die Zofe zurück und ließ die frischgebackene Königin mit ihren Ängsten allein. Die steile Falte auf ihrer Stirn verriet die Anstrengung, die sie das Nachdenken über die Situation kostete. Das Licht, das durch das hohe Fenster ihres Zimmers hereinfiel, deutete an, dass es noch eine Weile dauern würde, bis die Sonne unterginge. Auf dem Marktplatz musste reges Treiben herrschen, von daher bot sich ihr die ideale Gelegenheit, möglichst viele Menschen mit einer Ansprache zu erreichen. Ihr Blick fiel auf die Kette, die auf ihrem Bett lag, und dort unschuldig vor sich hin schimmerte. Mit einem tiefen Seufzer griff sie danach und legte sie sich um den Hals. Der Anhänger ruhte schwer und kalt in der Mulde in ihrem Hals und fühlte sich wie eine zusätzliche Belastung an. „Es wird Zeit. Vor sich herschieben nützt auch nichts mehr“, murmelte Nala vor sich und klopfte mit den Fingerspitzen an ihre Wangen, um etwas Röte in das ansonsten blutleere Gesicht zu treiben. Gemessenen Schrittes verließ sie anschließend den Raum, um mit aufrechtem Gang und gerecktem Rücken auf den Vorhang, der den Balkon vom Rest des Saales trennte, zuzumaschieren. Mit einem Kopf, der sich wie leer gefegt anfühlte, schob sie den roten Satinstoff beseite und trat hinaus ins Licht, um sich ihrer Verantwortung zu stellen. Nala strich sich mit ihrer zitternden Hand die Haare aus dem Gesicht, als sie kurz von der Sonne geblendet wurde. Danach suchte sie Halt an der Brüstung und nickte dem Glöckner zu, der sich im gegenüberliegenden Turm in Sichtweite befand, damit er an dem Tau zog, das die Glocke in Bewegung setzte. Dieser sah gerade auf das Treiben auf dem Marktplatz hinunter, fing jedoch ihren Blick auf und machte sich sogleich an die Arbeit. Da das Geläut seit jeher eine königliche Botschaft ankündigte, strömten kurz darauf immer mehr Menschen zu dem Fuße des Palastes, um sich anzuhören, was ihr Oberhaupt zu sagen hatte. Nalas Hals fühlte sich so trocken an wie die Wüste Sahara, als sie die riesige Menge sah, und sie wünschte sich, vorher noch etwas zu trinken mitgenommen zu haben. Allerdings war es jetzt wichtig, eine würdevolle Haltung zu bewahren, weswegen sie sich zusammenriss und ihren Blick über die Köpfe schweifen ließ, um etwas zu finden, womit sie sich ablenken konnte, bevor die Glocke verstummte. Instinktiv hielt sie nach Kakashi Ausschau, konnte ihn jedoch nirgendwo entdecken. „Auch egal“, sagte sie sich. „Da muss ich sowieso alleine durch. Auf andere kann man sich sowieso nicht verlassen." Schließlich schwang die Glocke ein letztes Mal hin und her. Der letzte Ton hallte in Nalas Kopf nach, doch endlich fand sie die Worte, die sie an ihr Volk richten wollte. „Liebe Einwohner Kusagakures“, begann die neue Königin mit belegter Stimme und räusperte sich, während sie den Gedanken daran, wie albern sie sicher aussah, zu verdrängen versuchte. „Leider habe ich euch hier zusammenkommen lassen, um euch zuallererst eine traurige Mitteilung zu machen. Unsere vorangegangene Königin, meine Mutter Rike, die schon seit einer halben Woche das Dorf offensichtlich verlassen hatte, wurde von Ninjas aus einem anderen Dorf tot aufgefunden. Natürlich erfüllt mich diese Nachricht selbst mit außerordentlich großer Trauer, jedoch besteht meine Pflicht als ihre Nachfolgerin darin, ihre Regierungsgeschäfte ungeachtet meiner Gefühle in die Hand zu nehmen“. An dieser Stelle holte Nala tief Luft, um neue Kraft zu schöpfen. Sie spürte, dass die Blicke aller Menschen auf sie gerichtet waren, manche bestimmt voller Tränen aufgrund des Verlustes. Ihre Mutter war trotz der Tatsache, dass sie ihr Volk im Grunde im Stich gelassen hatte, sehr beliebt gewesen. „Es werden Boten zu den anderen, kleineren Dörfer von Kusa no Kuni gesendet, welche die Neuigkeit verbreiten sollen. Ich werde mein Bestes tun, dass dieses Land weiterhin blüht und die Einwohner das Glück, hier zu wohnen, genießen. Verlasst euch ruhig auf mich. Ich bedanke mich für euer Vertrauen!“. Ihr Abgang wirkte eher wie eine Flucht, als sie mit wehendem Gewand in das Innere des Palastes verschwand, dennoch wurde er mit aufbrandendem Applaus und Jubel begleitet. Das Mädchen schniefte vor Rührung bei dem Gedanken daran, wie sehr die Menschen ihrem Oberhaupt die Treue hielten, doch als sie sich mit der Hand über die Augen wischte, rannte sie direkt gegen einen Widerstand. „Hey, immer langsam“, sagte jemand und hielt sie fest, damit sie nicht stürzte. „Kakashi Hatake!“, rief Nala überrascht, als sie den hochgewachsenen Mann erkannte und sprang vor Schreck einen Schritt zurück, wobei sie sich aus seinem Griff befreite. „Exakt“, antworte er und reckte den Daumen in die Höhe. „Kurze, aber gute Rede“. In den paar Sekunden hatte sich die blutjunge Königin wieder gesammelt und sah ihn von oben herab an. „Ich weiß. Schließlich kann ich es mir nicht leisten, mich zu blamieren“. Sie zog ein bisschen an ihrem Gewand, damit es Falten an den richtigen Stellen warf, und marschierte direkt an Kakashi vorbei. Als sie schon fast den Raum verlassen hatte und sich noch einmal umdrehte, merkte sie, dass er ihr nachsah. „Ich habe dem Dienstmädchen bereits befohlen, dir ein Zimmer herzurichten!“, teilte sie ihm kühl mit, während sie Halt an dem Türrahmen suchte. Kakashi bedankte sich höflich und wandte sich ebenfalls zum Gehen. „Warum folgst du mir?“, fragte sie entrüstet, als sie beide einträchtig nebeneinander durch den langen Flur liefen. Der Mann sah sie mit hochgezogener Augenbraue an und erwiderte: „Das ist meine Pflicht. Ich bin schließlich hier, um zu helfen“. „Danke für das Angebot, aber ich benötige keine Hilfe“, sagte Nala und beschleunigte ihre Schritte. „Ich habe mich gefangen und kann mit den Ereignissen umgehen. Du bist mein Gast und darfst mich besuchen, wenn du eine Frage hast, aber jetzt brauche ich meine Ruhe!“. Sie wollte ihm geradewegs die Tür des Arbeitszimmers, das nun ebenfalls ihr gehörte, vor der Nase zuschlagen, doch er schob schnell einen Fuß dazwischen. „Nicht so schnell. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dir halbwegs gut geht. Schließlich hast du deine Mutter verloren“. „Woher willst du wissen, dass ich mich verstelle?“, fragte das Mädchen grimmig. „Du weißt nämlich gar nicht, wie unser Verhältnis gewesen ist“. Entschlossen schob Kakashi Nala ins Zimmer und schloss die Tür hinter ihnen. „Hey, wie kannst du es wagen, mich herumzuschubsen? Ich bin die Regentin dieses Landes!“. „Und ich bin jemand, der eine Frage hat, und dich deswegen besuchen darf, wie du gerade selbst gesagt hast“, antwortete Kakashi und sah sich im Raum um. Er war in einem schlichten Beige gestrichen und der dunkle Holzfußboden knarrte jedes Mal, wenn man darauf trat. Ansonsten rahmten die Wände nichts ein bis auf einen Schreibtisch, zwei Stühle und mehrere Regale, in denen sich sorgfältig beschriftete Ordner aneinanderreihten. Kakashi trat ans Fenster und stellte fest, dass man von hier einen schönen Ausblick über die Bambushaine hatte und sogar Berge am Horizont erkennen konnte. „Was meinst du damit?“, riss ihn Nala aus seinen Gedanken, als sie sich mit verschränkten Armen auf dem Stuhl hinter dem Schreibtisch niederließ und wahllos nach ein paar Dokumenten griff, die darauf lagen. Sie begann darin zu lesen, wurde jedoch abgelenkt, als sich Kakashi ihr gegenüber niederließ. „Warum hast du so wenig Respekt vor deiner Mutter?“, fragte er nach ein paar Minuten angespannten Schweigens. „Das habe ich dir doch schon gesagt!“, reagierte sie brüsk. „Ich kann nicht verstehen, wie man seine eigene Tochter und die Pflichten des Regierens für einen Mann, der nichts als ein schändlicher Verbrecher ist, vernachlässigen kann“. „Bist du dir denn sicher, dass sie dich wirklich vernachlässigt hat und nicht andere Gründe sie zu dazu bewogen haben?“. Mit einem lauten Knall ließ das Mädchen den Papierstapel auf den Tisch fallen und zischte: „Was denn sonst? Sie ist schließlich nicht hier, um mir einen anderen Grund zu liefern!“. „Ich kann verstehen, dass es leichter ist, wütend als traurig zu sein“, meinte Kakashi, unbeeindruckt von ihrem Verhalten, und schlug die Beine übereinander. „Ist es nicht trotzdem besser, seine Gefühle zuzulassen, um sie irgendwann überwinden zu können?“. „Jetzt hör mir mal gut zu! Du weißt nichts, überhaupt gar nichts über meine Mutter und mich und wagst es, dich hier einzumischen? Sind alle Ninjas in Konoha so ungehobelt?“. Nala hatte sich von ihrem Stuhl erhoben und stemmte die Hände in die Hüften. In ihr brodelte es und es kostete sie viel Mühe, sich zu zügeln. „Beruhige dich. Ich behaupte ja gar nicht, alles zu wissen, deshalb frage ich dich ja. Warum bist du so außer dir?“. Er sah ihr unbeirrt in die Augen und langsam ließ sie sich wieder auf ihren Platz sinken, ohne ihrerseits den Blick abzuwenden. Doch danach legte sie ihre Arme auf den Schreibtisch und bettete ihren Kopf darauf, der sich nach diesem anstrengenden Tag unangenehm schwer anfühlte. Hinter ihrer Stirn pochte der Schmerz und sie spürte, wie sich etwas in ihrem Körper ausbreitete, das sie am liebsten verdrängen würde. Ehe sie sich versah, tropften Tränen erst langsam und dann immer schneller auf ihre Schreibtischunterlage. Nala wischte sie nicht weg, sondern schaute nur mit verzerrten Gesichtszügen, die den Kampf in ihr veranschaulichten, an die Wand. Kakashi streckte lediglich einen Arm aus, um ihr die Hand auf die Schulter zu legen. „Es ist okay. Lass es zu“, sagte er. „Lass mich einfach allein“, bat sie mit brüchiger Stimme und er gehorchte ihr. Das warme Gewicht auf ihrer Schulter verschwand und sie hörte die Tür ins Schloss fallen. Erst dann konnte sie ungehemmt ihrer Trauer freien Lauf lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)