Tarth erkunden von elfogadunk ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Hey, holde Maid!“ Brienne ließ beinahe ihre Einkaufstüten fallen. Es gab nur einen Menschen auf der Welt, der sie so nannte. Sie drehte sich langsam um, und dort war er: Jaime Lannister. Sein goldenes Haar glänzte in der Sonne und ein breites Grinsen zierte sein Gesicht, als er auf sie zukam. Ihr Mund klappte auf, als sie ihn ungläubig anstarrte. „Was …? Warum …? Wie …?“, stammelte sie, unfähig den einfachsten Satz zu bilden. Jaimes Grinsen wurde breiter. „Wie kommt es, dass ich hier bin?“, bot er an. „Tja, ich wusste nicht, wo ich meine Ferien verbringen sollte, und da ich nur Gutes über Tarth mit seinen Bergen, Seen und Wiesen gehört habe, dachte ich, ich versuch’s mal. Wo doch Sansa und Margaery in Dorne sind, hätte ich nie erwartet, dich hier zu treffen.“ So, wie er den letzten Satz betonte, war klar, dass ihm absolut bewusst war, dass Brienne ihre beiden Freundinnen nicht zu einem Partyurlaub nach Dorne begleiten würde. Selbst wenn er sie nicht gekannt hätte, war es mit ihrem schlichten Aussehen nur allzu offensichtlich, dass sie kein Partygirl war. Stattdessen liebte sie es, nach Hause nach Tarth zu kommen und ihren Vater zu besuchen. Die kleine Insel bedeutete für sie Sicherheit, Behaglichkeit und mit ihr selbst im Einklang zu sein. All das, was sie nicht fühlte, wenn sie in King’s Landing war. Der Ort, an dem sie studierte und den eingebildeten Jaime Lannister kennengelernt hatte. „Hm … Und was treibst du so?“, fragte Jaime und schob seine Hände in die Taschen seiner Jeans. „Ähm … Nur ein paar Einkäufe erledigen …“, erwiderte sie, während sie weiterhin versuchte, den Sinn seiner Anwesenheit hier zu entdecken. „Wie lange hast du vor zu bleiben?“, platzte sie heraus. Sie hatte nur drei Wochen auf Tarth und sie hatte keine Lust darauf, dass sie sich ständig unwohl fühlte und Angst haben musste, ihn zufällig irgendwo zu treffen. „Eine Woche“, antwortete er. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Aber weil ich allein hier bin und keine Ahnung habe, was man hier so machen kann, würde ich es schätzen, wenn du meine Reiseführerin spielen würdest. Ich bin sicher, Tarth hat ein paar tolle Orte, von denen nur Einheimische wissen. Ich interessiere mich nicht besonders für die typischen Touristenattraktionen.“ Brienne starrte ihn an, während die Bedeutung seiner Worte einsank. Fragte er gerade wirklich nach ihrer Gesellschaft? Das machte nicht einmal ansatzweise Sinn. „Hör auf mich so anzustarren. Ich würde sagen, wir treffen uns morgen früh um zehn genau hier. Und du hast dann hoffentlich eine ordentliche Tour parat, meine holde Maid.“ Er zwinkerte ihr zu und setzte an zu gehen, doch er hielt in seiner Bewegung inne. „Das Outfit steht dir übrigens gut. Du solltest öfter sowas tragen.“ Ein freches Grinsen erschien auf seinem Gesicht und er musterte sie ausgiebig von oben bis unten. Dann ging er. Briennes Gesicht glühte. Es war Sommer und es war heiß und da sie zu Hause war, trug sie nur Flipflops, eine Jeansshorts und ein flatteriges Top, das einen Teil ihrer linken Schulter und damit den dünnen Träger ihres schwarzen Badeanzuges, den sie darunter trug, offenbarte. Im Vergleich zu der stets weiten und langen Kleidung, die sie zur Uni trug, konnte man das möglicherweise als freizügig bezeichnen, aber hatte er wirklich darauf aufmerksam machen müssen? Sie wäre am liebsten im Erdboden versunken, wenn sie daran dachte, wie sein Blick an ihren nackten Beinen, von den Zehen bis zu den Schenkeln, entlang gewandert war. ~~~~~~~ Als Brienne am Abend im Bett lag, spukte ihr nur eine Frage durch den Kopf: Sollte sie morgen Jaimes Reiseführerin spielen oder nicht? Es gab wirklich nicht einen einzigen Grund, der dafür sprach. Oder? Sie musste zugeben, dass er in den letzten Wochen des Semesters merklich netter geworden war. Seine früher verletzenden Sprüche waren deutlich scherzhafter geworden und sein sonst so arrogantes Lächeln wirkte mittlerweile richtiggehend ehrlich. Wenn sie genauer darüber nachdachte, hatte sich sein Verhalten ihr gegenüber begonnen zu ändern, als sie den Studienanfänger Podrick gegen zwei ältere Unruhestifter vor den Augen des halben Campus‘ verteidigt hatte. Pod war lieb und gut erzogen, allerdings auch sehr schüchtern und unsicher. Brienne kannte ihn vom Schwimmclub und sie hatte ihm ab und zu Nachhilfe gegeben. Sie hasste Ungerechtigkeit; daher war es für sie selbstverständlich gewesen, für ihn einzustehen, als diese beiden Ärsche ihn auf dem Campus herumgeschubst hatten. Sie lachten sie aus und beschimpften sie, als sie sich vor Pod stellte, doch ihre Worte machten ihr nichts aus. Sie hatte über die Jahre gelernt, solche Beleidigungen zu ignorieren. Die zwei Kerle versuchten, Streit mit ihr anzufangen, doch da Brienne gute zehn Zentimeter größer und dazu noch weitaus muskulöser war als die beiden, musste sie sich nur ordentlich vor ihnen aufbauen, sie drohend anstarren, und schon waren sie in die Flucht geschlagen. Als es vorbei war, bemerkte sie, dass sich eine ziemliche Traube um sie herum gebildet hatte, um das Spektakel zu beobachten. Als sie ihren Blick über ihre Mitstudenten schweifen ließ, war es Jaimes Gesicht, an dem sie hängen blieb. Sie schauten sich einen Moment direkt in die Augen, bevor er ihr ein kurzes aber ehrliches Lächeln schenkte und dann ging. Danach hatte Brienne in ihren gemeinsamen Kursen oft das Gefühl, Jaimes Blick auf sich zu spüren. Immer öfter kam er zu ihr mit Dingen, die er nicht verstanden hatte. Da er ihr gegenüber stets ein eingebildeter Arsch gewesen war, wies sie ihn anfangs immer wieder ab. Allerdings hatte sie ein schlechtes Gewissen, wenn sie Leute, die um ihre Hilfe baten, abwies. Also gab sie am Ende schließlich nach. Jaime machte weiterhin Späße auf ihre Kosten, doch sie waren nicht länger verletzend. Als sie anfingen, immer mehr Zeit miteinander zu verbringen, stellte Brienne fest, dass er sehr leidenschaftlich sein konnte, wenn es um Dinge ging, die er mochte oder die er als wichtig erachtete. In dieser Hinsicht waren sie sich sehr ähnlich. Ihre Diskussionen waren angeregt und hitzig und konnten mehrere Stunden dauern. Jaime war sehr amüsiert, als er herausfand, dass sie sich für das Mittelalter, vor allem für mittelalterlichen Schwertkampf, interessierte. Er entschied umgehend, dass „holde Maid“ der perfekte Spitzname für sie war. Natürlich versuchte sie, es ihm wieder auszureden, doch da er stur wie ein Esel sein konnte, gab sie bald auf und ertrug es seit dem. Irgendwann in dieser Zeit realisierte sie, dass Jaime vielleicht, vielleicht, doch nicht so ein furchtbarer Kerl war, wie sie ursprünglich dachte. Aber dass er auf Tarth auftauchte und wollte, dass sie ihm die Insel zeigte, war etwas, womit sie niemals gerechnet hätte. Sie fühlte sich wie in einem seltsamen Paralleluniversum; ein Ort, an dem der Himmel grün war und der Regen nach Erdbeeren schmeckte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)