Schattenwanderer von Winterseele ================================================================================ Prolog: Feuer ------------- Niemand hatte den Sturm vorausgesehen. Niemand hätte es gekonnt. Keiner war für die Zerstörung die die schwarzen Windböen in dem kleinen Dorf hinterlassen hatten, verantwortlich. Niemand hätte es wissen können. Nicht der alte Mann, der in seinem Haus in der Mitte des Dorfes saß und seiner eigenen Aussage nach ein unfehlbares Gespür für anstehende Gefahren hatte. Nicht die Bettler und Heimatlosen, die in den Gassen und Winkeln des Dorfes saßen und mit ihren klappernden Bechern um eine Spende für sich und ihre Familie baten. Und schon gar nicht Mary. Sie hätte es am wenigsten wissen können. Als Leiterin des Waisenhauses war sie genug damit beschäftigt, sich um die Menge an ungewollter und abgelegter Kinder zu kümmern. Woher hätte sie es auch wissen sollen. An dem Morgen, als der Wachposten sein Horn blies und mit rudernden Armen auf den Hügel, der an das Dorf grenzte, deutete, gab es schon keine Chance mehr dem Sturm zu entfliehen. Sie alle rannten. Mary rannte. Nicht davon. Zielstrebig rannte sie durch die Gänge des Hauses um alle Kinder in einen einzigem Raum zu verschanzen. Sie wäre nicht davongelaufen, nicht wenn die Kinder nicht in Sicherheit sind. Sie legte Säugling für Säugling sachte auf dem Boden des Speisesaals ab und sprach den älteren Kindern Mut zu. Von weitem war der Sturm zu hören, wie er mit rasselnden Schwertern und auf klappernden Hufen durch das Dorf stürmte. Es gab kein Entrinnen, das wusste Mary, aber sie konnte sich nicht retten, die Kinder, sie brauchten jemanden der bei ihnen war. Und wenn es ihren Tod bedeutete, Mary blieb. Der schwarze Wind blies unerbittlich durch jede einzelne Gasse des Dorfes, betrat jedes Haus und ließ die Gemäuer brennend zurück. Mary hörte die Stimmen, die von draußen drangen und nach Hilfe riefen. Sie schrien. Kinderstimmen schrien. Mary nahm ihre Hände und legte sie an die Ohren eines der Jungen die neben ihr standen. Im nächsten Moment ein Flackern und Mary wusste es. Das Waisenhaus stand in unbändigen Flammen. Die tapfere Frau nahm einen Schlüssel der mit einem Lederband um ihren Hals befestigt war ab und legte sich zu Boden, fand eine Öffnung und benutzte den Schlüssel um eine Falltüre zu öffnen. Sie befahl allen Älteren die Jüngeren dort hinein zu bringen und sich selbst dort zu verstecken. Die Hufschläge wurden wilder, als die Pferde vor dem Waisenhaus im Lichte der Flammen tänzelten und die Männer auf ihnen ihre Schwerter mit lautem Rufen zum Himmel streckten. Mary ging als Letztes hinunter, vielmehr sie wollte, als ihre Augen einen Säugling erblickten, den sie vergessen hatten mit hinunter zu nehmen. Sie stieg die zwei Stufen des unterirdischen Ganges wieder nach oben, nahm den Schlüssel und verschloss die Falltüre. Einmal. Zweimal. Mary lief, stolperte und rannte weiter, der Rauch in ihrer Lunge brannte bei jedem Atemzug den sie tat. Sie packte das weiße Bündel am Boden und der Junge in ihren Armen schaute sie ruhig an. Er weinte nicht. Er lag einfach nur da. Lebendig. Und doch im Angesicht des Todes so teilnahmslos. Mary befand es für besser in einem späteren Moment darüber nachzudenken. Sie schritt zu der Falltüre, wollte den Schlüssel benutzen um sie zu öffnen. Dann, der Schlag, das Feuer hatte das Kupferschloss zusammenschmelzen lassen. Mary hatte sich selbst ausgesperrt. Sie warf den Schlüssel beiseite, nahm ein Stück ihrer langen, kleiderähnlichen, schwarzen Kleidung vor das Gesicht des Kindes und rannte. Rannte durch die peitschenden Flammen, den Ausgang suchend, den schwarzen Gestank des Todes im Nacken. Sie würde es nicht schaffen, dachte sie sich. Sie würde es einfach nicht schaffen, dachte sie noch ein letztes Mal, bevor sie gedrückt durch den schweren, schwarzen Schmutz in ihrer Lunge zu Boden fiel und die grauen Wolken über sie hinweg zogen wie auf einem Trauermarsch. Ihre trüben Augen richteten ihren letzten Blick auf den Junge, der aus seinem weißen Wickeltuch gefallen war und auf dem glühenden Boden lag. Die kristallklaren, blauen Augen funkelten im Takte der um ihn schlagenden Flammen und die einzige Stimme die durch das Dorf drang, war die eines Kindes, das stimmlich mit dem Feuer um die Wette eiferte und in seinem Geschrei ankündigte, was er später einmal fordern würde: Rache. Kapitel 1: Der einsame Junge ---------------------------- Hunter war ein ausgezeichneter Schwertkämpfer. Zumindestens dachte er das von sich. Für einen Posten in der Vereinigung reichte es aber wohl nicht aus, musste der blauhaarige Junge feststellen, als er schon nach wenigen Minuten des Schaukampfes die kalte unbarmherzige Klinge an seinem Hals spürte, die sein Gegenüber ihm mit einem hämischen Grinsen hinhielt. Die Handvoll Menschen um ihn herum klatschten, nur nicht für ihn, sondern für den Sieger dieses Kampfes. In alter Rittermanier gab Hunter den Anderen die Hand und nahm sein Schwert, welches er schleifend hinter sich her zog, als er den Platz verließ. Das war es also. Er würde nie wieder den Versuch bekommen in die Vereinigung zum Schutze der Stadt aufgenommen zu werden. Wer es nicht bei erstem Versuch schaffte, bekam diese Chance nie wieder in seinem Leben. Hunter bekam sie nie wieder. Er hatte damit seine letzte Chance auf etwas verpasst, das seinem Leben einen Sinn geben würde. Nun hatte er nichts mehr. Bevor er denn Entschluss fasste, sich der Vereinigung anzuschließen hatte er nichts. Aber nun erschien sich der Begriff „Nichts“ noch weiter zu erstrecken, soweit, das Hunter nicht einmal wusste, das sich das Wort so tief in den Schatten ausweiten konnte, so unendlich viel Nichts besaß sein Leben in diesem Moment. Rastlos wanderte er durch die Straßen der alten Stadt, dorthin wo er die letzten Jahre seines Lebens verbracht hatte, einem alten, verlassenen Anwesen, in dessen Hinterhof das Gras fast so hoch wie die Mauer gewachsen war und sich niemand darum kümmerte was mit dem Haus geschah. Und Hunter kümmerte es schon gar nicht. Er hatte hier ein Dach über dem Kopf, das reichte ihm für den Moment, als der Regen über ihm ausbrach, aus. Seufzend kletterte er durch ein Loch in der Backsteinmauer am vorderen teil des Hauses, trat durch die morsche Türe ohne darauf zu achten, wie viele Holzteile er diesmal dabei abriss. Der Junge setzte sich auf den trockenen aber eben so heruntergekommen Boden, legte sein Schwert ab und starrte einen Moment lang auf die Klinge, die sein Gesicht im fahlen Licht der verbarrikadierten Fenster spiegelte. In diesem Moment realisierte er das er nun wirklich nichts mehr hatte. In die Vereinigung einzutreten war für ihn schon lange ein großer Traum gewesen. Und ein Ausweg aus dem Straßenleben. Hunter stellte sich das Leben in der Vereinigung wahnsinnig spannend vor, immerhin waren diese Leute es, die dafür sorgten das Ordnung in den Städten herrschte. Der Junge stellte sich vor wie es war, auf einem edlen Ross von Stadt zu Stadt zu reisen, Bedürftigen zu helfen und die Schwachen zu schützen. Schwache, so wie er es war. Heimatlos. Und ohne nennenswerte Zukunft. Er hätte die Welt sehen können. Und nun war das einzige was er bestaunen konnte, die vier Wände die ihn umgaben und der Schmutz, der gelegentlich von der Decke rieselte und im Licht aussah wie kleine Insekten, die im Licht tanzten. Manchmal, wenn er alleine in dem Raum saß stellte er sich vor, sie würden nur für ihn tanzen. Vielleicht würden sie es heute Abend auch wieder tun. Immerhin hatte er heute Geburtstag. Nicht das er fand, das es ein Tag des Feiern sei. Es war eher der Drang danach, sich zu erinnern, wie viele Jahre er schon ungeachtet genutzt hatte, ohne, das es jemandem auffiel. Immerhin waren es schon, ab morgen früh genau, achtzehn Jahre die er damit verbrachte, auf etwas zu warten, was wahrscheinlich niemals kommen würde. Vielleicht hatte er sogar wieder vergessen worauf er eigentlich wartete, dachte er sich, ließ sich nach hinten fallen und landete mit dem Rücken auf dem Fußboden. Seine blauen, kurzen Haare strichen sanft über den staubigen Boden und Hunter ließ seinen Blick nach oben durch das Loch im Dach schweifen und sah, wie ein braun getupfter Falke sich unter dem blauen Himmel auf Beutejagd machte. Und Hunter fiel ein, das auch er langsam Hunger bekam. Kapitel 2: Und wieder ein Jahr vergangen ---------------------------------------- Der Weg zum Marktplatz war nicht weit. Aber mit knurrendem Magen und dem Wissen, keine einzige Münze in der Tasche zu haben, empfand Hunter den Weg wie eine unendlich lange Reise, an dessen Ende ihn nichts erwarten würde. Er hatte nur die Möglichkeit nach Nahrung zu betteln oder, wie er es auch manchmal tat, sich an den Waren einfach zu bedienen und dann zu fliehen, so schnell ihn seinen Beine tragen konnten. Das Schwert, das er auf seinem Rücken trug, ließ ihn nicht wie ein Straßenjunge erscheinen, genauso wenig wie seine Kleidung, abgesehen davon das sie täglich ein wenig schmutziger wurde. Ganz im Gegenteil, der Blauhaarige trug Kleidung, die aus gutem Hause stammte. Wüsste er es nicht besser, könnte er fast selbst glauben er wäre ein reicher Kämpfer der durchs Land streifte. Behutsam streifte er sich den Staub von seinem weißen Oberteil, das mit schwarzem, langen Stoff verhüllt war und sich bis über seine Hüften zog, ab und warf seinen braunroten Schal einmal mehr um seinen Hals. Er prüfte ob alles richtig saß, rückte sein Schwert zurecht und betrat den großen Marktplatz. Wenigstens hier wollte er sich so fühlen, als wäre er jemand. Jemand, der ein paar Goldstücke in seiner hellbraunen Ledertasche mit sich trug. Hunter schlängelte sich langsam durch die Menschenmassen auf dem großen Platz. Ihm stieg der Geruch von frisch gebratenem Fisch in die Nase. Was würde er nur dafür geben einen davon zu bekommen. Er folgte dem fischigen Geruch ein paar Marktstände weiter, soweit das seine blauen Augen durch das Licht des offenen Feuers, über dem die Tiere hingen, funkeln konnten. Der Junge konnte spüren, wie ihm das Wasser im Mund zusammen lief und er musste sich zurück halten direkt den ganzen Strang zu bestellen. Der Verkäufer beäugte ihn argwöhnisch, wollte fragen ob er ihm etwas geben kann, doch in dem Moment war Hunter wieder verschwunden. Hechelnd lief er die Straße wieder zurück, sprang über einen Zaun, hinunter zu einem der Abwasserkanäle. Keuchend drückte er sich mit dem Rücken gegen die Wand, lauschte ob jemand ihm folgte. Da war nichts, keine Pferdehufen, keine Menschenstimmen die riefen. Er war ihnen entkommen, entkommen bevor sie ihn überhaupt entdeckt hatten. Leise knurrte sein Magen. Etwas Essbares hatte er nicht ergattern können und es ärgerte ihn. Er war so kurz davor. Aber während sich seine Zieheltern auf dem Marktplatz befanden, konnte er sich dort nicht aufhalten. Immerhin hatte er es ihnen nicht gerade auf die freundlichste Art gedankt, das sie ihn als Säugling aufnahmen und ihn in guten Verhältnissen aufwachsen ließen. Hunter hatte ihnen mit sechzehn das genommen was dem Adelspärchen das wichtigste war: sich selbst und das Familienschwert, das, wie sein Ziehvater ihm oft erzählt hatte, schon seit hunderten von Generationen weiter gegeben wurde. Seufzend ließ er sich an der Wand entlang nach unten gleiten, saß auf dem kalten nassen Boden und seufzte erneut. Hunter fragte sich, warum er davon gelaufen war. Warum er nicht einfach in diesem spießigen Leben seine Tage verbrachte hätte. Dann hätte er nun wenigstens eine gesicherte Mahlzeit zu sich nehmen können. Nur weil er so stur war, weil es sein Traum war, ein Kämpfer für das Recht zu werden. Deswegen war er gegangen, weil es ihm nicht erlaubt war. Er, als Adoptivsohn einer hoch angesehenen Adelsfamilie. Er konnte kein Kämpfer in einer „schmutzigen Vereinigung“ werden, waren die Worte seines Adoptivvaters. Nur, weil sich die Vereinigung auch schon gegen ihn gerichtet hatte. Aber jetzt, wo Hunter auf dem Boden des Abwasserkanals hockte, dachte er einen Moment lang darüber nach wieder zurück zu kehren. Sich entdecken zu lassen und einfach zurück zu gehen. Der Junge schlug den Kopf auf seine angewinkelten Beine. Er hatte sowieso keine Chance mehr, der Vereinigung beizutreten, er hatte alles verspielt. Und nun würde er auch noch seinen Tag der Geburt in einem übel riechenden, schleimigen und schmutzigen Kanal verbringen, in dem es nicht einmal die Ratten interessierten, das er dort war. Es vergingen Stunden die er dösend in der Dunkelheit verbrachte, als er die Stadtglocken zur Mitternacht schlagen hörte und er geweckt vom zwölften Schlag der Bronzeglocke erwachte. Hunter nahm eine kleine, ziemlich abgebrannte Kerze aus seiner seitlich angebrachten, kleinen Ledertasche und holte nach einigen Sekunden des Suchens noch ein intaktes Streichholz hervor. Einige Male brauchte er, bis er das Stäbchen an der nassen Wand durch Reibung zum Entzünden bringen konnte, dann führte der Blauhaarige das Holz zum verknickten Docht der Kerze und ließ das schwarze Bändchen entzünden. Behutsam hielt er das Wachs zwischen seinen Händen und flüsterte, wie jedes Jahr zu diesem Tag: „Alles Gute zum Geburtstag...“ Kapitel 3: Ein neuer Tag ------------------------ Er wusste nicht wie lange er dort unten gesessen hatte. Er wusste nur das die Kerze abgebrannt neben ihm lag und es kalt wurde. Bitterkalt. Hunter fühlte sich wie eine Katze im Sack, der man alle Öffnungen verschnürt hatte und sie ins kalte Flusswasser wirft. Ohne Gnade, ohne Reue. Der Junge schüttelte leicht den Kopf. Es war nicht so, das ihm jemand Anderes das alles beschert hatte. Er war derjenige der die Katze in den Fluss geworfen hatte. Er hatte sich selbst in seinem Leben das er führte ertränkt. Hunter war die Katze. Und er war nicht imstande etwas daran zu ändern. Der Junge hätte es, bevor er sich selbst den Sack genäht und zugeschnürt hatte. Bevor er diese verdammte Entscheidung traf, zu gehen. Sein Schädel dröhnte bei all den Dingen die ihm durch den Kopf gingen. Er brauchte Luft, frische Luft, nicht diese die ihm hier unter entgegenströmte. Frische Nachtluft sollte seine Lungen füllen, als er wieder nach oben stieg um zu atmen, doch er musste feststellen das es mittlerweile schon früher Morgen war. Er machte sich nichts daraus. Eine weitere Nacht zog vorüber und es würden noch viele folgen. Hunter nahm einen kräftigen Zug Frischluft, bevor er seine Hände in die Hüfte stemmte und sich überlegte, was er heute tun sollte. Vielleicht würde er auch gehen. Weg von der Stadt, weg von dem Leben das er führte. Wenn er Glück hatte würden Händler ihn mitnehmen. Oder er würde sich hinein schmuggeln. Es gab sowieso niemanden der ihn hier vermissen würde. Als die frühe Morgensonne einige Zentimeter höher über den Horizont kroch, hatte Hunter eine Entscheidung getroffen: er würde noch heute aufbrechen. Egal wohin ihn sein Weg führte. Überall war es besser als hier. Der Blauhaarige war sich sicher, das es so war. Hunter überlegte ob er noch etwas in dem alten Anwesen zurückgelassen hatte das er mitnehmen wollte, doch ihm fiel nichts nennenswertes ein, außer ein paar selbst geschnitzte Holzfiguren, die er aus purer Langeweile angefertigt hatte. Er sah, das es nicht einmal da etwas gab, das ihn hier halten würde. Der Junge schaute nach oben über die Dächer zu der großen Glockenuhr, die über die Häuser der Stadt ragte. Hunter sah die Uhrzeit und wusste, das die Händler in einer guten Stunde kommen würden. Und wenn sie ihre Rückreise antraten, würde Hunter mit ihnen gehen. Er kann arbeiten, würde er ihnen sagen. Oder auch als Schutzmann dienen. Hauptsache sie brachten ihn von hier fort. Eine Stunde noch, dann wäre er frei. Hunter wusste nicht womit er die Zeit des Wartens verbringen sollte, also ging er in Richtung Marktplatz und begab sich auf das Dach eines Hauses von wo aus er zu der einen Seite das Stadttor und zu der anderen Seite den Marktplatz beobachten konnte. Hier war der ideale Ort um zu warten. Die altertümliche Stadt erstrahlte in ihrem prächtigsten Glanz als die Sonne so hoch gestiegen war, das sie durch die Gassen der Häuser fiel und auch die Ladengassen mit Licht erfüllte. Ein Ladenbesitzer nach dem anderen öffnete in den nächsten Minuten seine Türen. Er war an der Zeit für die Stadt zu erwachen. Der Junge betrachtete seelenruhig das bunte Treiben, wie die ansässigen Händler ihre Waren auslegten, in Körben verteilten und einige davon trugen ihre Dinge hinüber zum Marktplatz, der schon in ein paar Stunden erdrückend voll sein würde. Hunter fragte sich, ob das Treiben wohl in jeder Stadt zur selben Uhrzeit geschah. Er schmunzelte. Bald würde er es wissen. Der Gedanke daran die Stadtmauern zu verlassen brachte in ihm eine ungeahnt starke Abenteuerlust hervor. Seinen Körper war die Anspannung und die Freude anzumerken. Um sich zu beruhigen lehnte er sich auf dem Schieferdach zurück und genoss die warme Sonne in seinem Gesicht. Wie gut sie doch tat, wenn man wusste, das einem das Leben bald einfacher fallen würde. Im nächsten Moment hörte Hunter einen gellen Schrei. Eine Frau in einer Gasse hinter ihm ließ erschrocken einen Tontopf fallen und rannte in Richtung Marktplatz davon. Neugierig schaute Hunter sich um. Er dachte sich nicht viel dabei, wahrscheinlich war die Arme über eine Spinne oder vielleicht auch eine Schlange gestolpert. Frauen waren da ja empfindlich gegen. Aber er irrte sich. Es war kein Reptil und kein Insekt vor dem sie davon lief. Es war ein junger Mann, der wie ein Irrer durch die Gasse rannte und sich verhielt als würde er verfolgt, wahrscheinlich gehörte er zu den Reichen der Stadt und ein flinker Taschendieb wolle sich seiner Schätze bemächtigen. Hunter zog sein Schwert hervor. Vielleicht konnte er an seinem letzten Tag doch noch etwas für die Gerechtigkeit tun. Der Blauhaarige rutschte vom Dach, hangelte sich wie ein Akrobat an einer de Regenrinne hinunter und setzte wenige Meter neben dem Andern auf dem Boden auf. Der junge Mann bremste seinen Schritt ab. Erst jetzt sah Hunter, das auch er ein Schwert mit sich trug. Angriffsbereit schaute der Blauhaarige sich um, doch das einzige was er sah, war Nichts. Kein Angreifer weit und breit, vor dem der Andere hätte weglaufen sollen. Er schaute zu dem Braunhaarigen Mann hinter ihm, der, anstatt mit ihm zu reden, nur seinen rechten Zeigefinger auf seinen Mund legte. Hunter nickte und umklammerte sein Schwert mit beiden Hände. Dann hörte er es. Das Geräusch von Hufen. Vier. Hunter dachte an Reiter, aber es war nur ein einziges Tier zu hören. Die Reiter kamen niemals alleine. Dann war es mit einem Mal still. Zu still fand der Junge. Im nächsten Moment spürte er, wie sich etwas regte. Unsicher von welcher Seite es kam, drehte er seinen Körper nach links. Ein Fehler. In der nächsten Sekunde spürte er, wie etwas kaltes, spitzes seinen Körper durchfuhr, ihn regelrecht durchbohrte und ihn zu Boden riss. Kapitel 4: Aras --------------- In der Ferne konnte Hunter den Schrei eines Falken hören. Oder auch den eines Raben. In seinem Traum versuchte er den Vogel zu erspähen, doch er sah nichts. Seine Augen waren getrübt und auf ein Gehör alleine hätte er sich nicht verlassen können. Hunter konnte Umrisse von Steinen und Felsen erkennen. Mit seiner Hand taste er um sich herum alles ab und musste feststellen, das es sich tatsächlich um Stein handelte. Ihm wurde kalt und er roch den Geruch von Feuchtigkeit. Ihm wurde übel und in diesem Moment erkannte er, das sich sein Erlebnis zu echt anfühlte. Er träumte nicht. Der Blauhaarige wollte sich aufsetzen, als er merkte, das seine Hände mit einem festen, geflochtenen Seil verbunden waren und es ihm so unmöglich machten, sich ohne umzukippen auszurichten. Er erschrak, als er merkte wie sein Körper sich haltlos wieder nach vorne bewegte und er mit dem Gesicht vor den Schuhen einer weiteren Person landete. „Du lebst ja doch noch. Dachte schon es hätte sich erwischt.“ Sein Gesicht aus dem Dreck des felsigen Bodens hervorhebend schaute Hunter nach oben und sah einen älteren Mann, Mitte Dreißig, mit einem leichten Bart in der Kinnregion. Er hatte diese Augen, die Hunter anschauten und ihn innerlich belachten, aber nach außen hin kühl und sicher wirkten. Der Braunhaarige war kein Freund von Leuten die nicht zum Ausdruck bringen was sie wirklich denken. „Du bist ein komischer Kauz.“ kam es aus dem Fremden hervor, der den Jungen immer noch beäugte, als wäre er ein Tier. „Pfff..“ kam es aus Hunter hervor und er versuchte noch einmal sich aufzurichten. Der Man neben ihm stand auf und griff mit der Hand an einen Teil des Shirts am Rücken des Jungen. Scheinbar waren seine Hände nicht so wie die von Hunter hinter seinem Rücken verknotet. Aus seiner Hosentasche holte er ein Taschenmesser hervor und schnitt ihm das feste Seil mit ein paar gekonnten Zügen durch. Als er fertig war ließ er den Blauhaarigen unsanft zu Boden fallen, klappte sein Messer ein und verstaute es wieder sicher in seiner Tasche. „Danke.“ knurrte der Junge, während er sich seine Handgelenke rieb und zum ersten Mal die Möglichkeit hatte sich seine Umgebung genauer anzuschauen. „Wo sind wir hier?“, fragte er, aber seine Frage beantwortete sich von selbst, als er sich genauer umschaute und feststellte, das es sich um eine Höhle handelte. Der Junge starrte in die Dunkelheit und war sich sicher, am Ende des Ganges ein schwaches Licht erkennen zu können. Der Raum in dem er und der Man sich befanden war im Vergleich zum Gang hell ausgeleuchtet, denn sein Mitgefangener, und Hunter ging davon aus das sie gefangen genommen wurden, hatte eine Laterne dabei die halb abgebrannt neben seinen braunen Lederstiefeln stand und deren Flamme hemmungslos flackerte. „Wie sind wir hergekommen?“, schoss Hunter als nächstes durch den Kopf. Der Mann drehte seine Schuhe ein paar Mal auf dem staubigen Boden herum bevor er antwortete. „Man hat uns hergebracht, ich vermute es waren Zentauren. Aber er scheint alleine zu sein, was sehr ungewöhnlich ist. Normalerweise attackieren sie auch keine Seelenlose. Ich habe mich im Übrigen um deine Wunde gekümmert.“, sagte der Ältere knapp und deutete auf Hunters Bauchregion, um die ein weißer Verband gebunden war. Es roch nach Minze und anderen Kräutern. Was auch immer er ihm dort drauf getan hatte, es schien Wunder zu wirken. „Danke.“, sagte Hunter schüchtern. „Nichts zu danken.“, sagte der Mann mit rauer Stimme. „Und nun steh auf, wir müssen einen Weg hier raus finden, bevor der Zentaur zurück kommt. Wie heißt du, Junge?“, wollte er schließlich wissen. „Hunter.“, antwortete der Blauhaarige und stellte dem Mann die selbe Frage. „Aras.“, gab er ihm als Antwort und Hunter nickte, das er ihn sich gemerkt hatte. Langsam schlich Aras nach vorne, drückte sich an die Wand und lugte, ohne ein Geräusch von sich zu geben, um die Kurve, die zum schwachen Licht führte. Leichtfüßig wie ein Luchs schritt er nach und nach weiter nach vorne. Hunter war bei weitem nicht so geübt wie Aras es anscheinend war, aber auch er hatte Erfahrungen damit, sich leise zu bewegen und sich in Gebäude rein oder raus zu schleichen. Plötzlich blieb Aras stehen, drückte Hunter kraftvoll mit seinem linken Arm zurück an die Wand hinter ihm. Atemlos blieb der Junge stehen. „Er kommt zurück.“, stellte Aras fest, als die beiden schon den langezogenen Schatten an der gegenüberliegenden Wand erkennen konnten. Angespannt drückte sich Hunter immer weiter an die Felswand, als würde er, wenn er nur feste genug drückt, in der Wand verschwinden können. „Wenn ich nur mein Schwert hätte...“, murmelte der Mann, dann schaute er Hunter an und der Blauhaarige konnte einen Plan in seinen braunen Augen lesen. Unbewusst ließ sich Hunter von ihm ziehen, so, als wenn er Aras schon ewig kennen würde und ihm voll und ganz vertrauen würde. Zumindestens hätte er ihm gerne vertraut, aber gerade in dem Moment als er dachte, das Aras ihn hier sicher raus bringen würde, stürmte der Braunhaarige mit ihm zusammen los. Und ausgerechnet in die Richtung, aus der der Zentaur kam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)