Fremde Welten Spezial: Es gibt keine Zufälle (#3 1/2) von Purple_Moon (oder: "Fremde Welten" kommt auf den Hund!) ================================================================================ Kapitel 2: Bewusstseinsstörung ------------------------------ Nur zur Vorsicht hatte Yami kein Deck in die Dueldisk gelegt, sondern schaltete sie erst einmal einfach ein. „Ich teste es einmal,“ verkündete er und legte die Karte Erfahrener Dunkler Magier auf eins der Monsterfelder. Die holografische Bilderzeugung war im Wohnzimmer nicht optimal, da die Möbel im Weg standen, aber der Magier wurde ausreichend dargestellt. Kuro verzog das Gesicht. „Ah, hör auf damit… das ist gruselig, gleichzeitig hier und da zu sein.“ „Du meinst, ein Bild von dir selbst zu sehen,“ meinte Yami. „Nein, ich meine es, wie ich es sage,“ bekräftigte Kuro seine vorigen Worte. „Wenn wir Duelle bestreiten, bei denen ein hingebungsvoller Duellant wie du beteiligt ist, bekommen wir es mehr oder weniger bewusst mit. Mit viel Übung kann das Duell im Hinterkopf ablaufen, während derjenige was anderes macht. Dark kann das, er ist dann bestenfalls leicht unkonzentriert, aber im Prinzip merkt man es ihm kaum an. Ich dagegen muss normalerweise unterbrechen, was ich gerade tue.“ Sein holografisches Bild nickte bestätigend. Yami fand das sehr interessant. Klar, Yugi hatte ihm schon berichtet, was er bei seinem ersten Abenteuer zu dem Thema erfahren hatte, und er hatte sich bei seinem eigenen Urlaub im Reich der Schatten auch mal mit jemandem darüber unterhalten, aber nun hatte er direkt ein Anschauungsbeispiel. „Kannst du aus seinen Augen sehen?“ fragte Yami neugierig und deutete auf das Hologramm. „Ja, ein Teil meines Bewusstseins ist in ihm. Es ist, als hätte ich einen Tagtraum,“ erklärte der Finsternismagier. Yami nickte verstehend und nahm die Karte von der Disk. Er gab sie Kuro, der nichts dagegen hatte, sondern sie sich interessiert ansah. „Mein Gesicht ist nicht zu sehen, das ist vielleicht besser so,“ lachte er. Joey traute sich leise hinter Sugorokus Sessel hervor und legte winselnd eine Pfote auf Kuros Knie. Kuro streichelte den Hund und zeigte ihm die Karte. Als Joey das Bild mit der Spitze seiner Zunge ableckte, lachte er und tat so, als wäre es sein Gesicht. „Hört auf rumzualbern, Wheeler beschädigt die Karte ja!“ mischte Seto sich ein. Er hatte das Smartphone am Ohr. „Warte kurz, Yami, bevor du weiter machst.“ „Aber ich kann es wirklich ein bisschen spüren, wenn Joey das macht,“ sagte Kuro. „Er ist eben auch ein großer Duellant.“ Seto warf ihm einen mörderischen Blick zu, den der Ältere ungerührt erwiderte. Vielleicht war es Glück, dass in diesem Moment der Anruf angenommen wurde. „Ich bin’s. Ja, genau. Mhm… Was?!“ Seto bekam einen verärgerten Gesichtsausdruck. „Wie konnte das passieren? Aber die anderen sind in Ordnung? Aha… Ja, versuch das.“ Einige Sekunden vergingen in Schweigen, während Yami mit der nächsten Karte in der Hand untätig dastand. Niemand wagte es, Seto zu stören. „In Ordnung, danke… wir probieren die Karte aus, beobachte das weiter, ja?“ Seto legte auf und wandte sich der Gruppe zu. „Die Karten Erfahrener Dunkler Magier und Gandora, Drache der Zerstörung, sind in Ordnung… Allerdings hatte Chaoshexer einen Datenfehler, dessen Ursache nicht feststeht. Mokuba lässt derzeit das System auf Viren und Fremdverschulden prüfen und hat die Daten neu eingegeben.“ „Übertreibst du nicht etwas? Vielleicht ist es nur eine reguläre Datenpanne, sowas passiert doch manchmal,“ gab Yugi zu bedenken. „Aber dann sehen die übrig gebliebenen Daten anders aus und normalerweise werden nur die Werte falsch angezeigt oder so,“ beharrte Seto. „Außerdem glaube ich nicht an einen Zufall, wenn der Betreffende bewusstlos auf dem Sofa liegt, wo er eigentlich nicht hingehört.“ „Da ist vielleicht was dran,“ musste Yugi zugeben. „Aber impliziert das nicht, dass dein System anfällig gegen Magie ist?“ Setos presste die Lippen zusammen und atmete hörbar ein. Joey gab ein Geräusch von sich, das irgendwie amüsiert klang. Yami verdrehte die Augen und legte einfach die Karte auf die Disk, schließlich hatte Mokuba die Daten ja repariert, nicht wahr? Das Gerät reagierte wie immer mit einem leisen Geräusch, als das Hologramm erstellt wurde. Alle starrten gebannt auf die Stelle, wo die Gestalt des Chaoshexers erschien. Am Anfang sah alles normal aus, aber dann flackerte das Bild wie bei einem fehlerhaften Film. Streifen durchzuckten es und es schien sich in Pixel auflösen zu wollen. Trotz der undeutlichen Darstellung war aber eins zu erkennen: Die Gestalt wand und krümmte sich unter Qualen. Yami musste an jemanden denken, der von einem schmerzhaften Energiestrahl gefangen gehalten wurde. Gandora knurrte bedrohlich. Kuro sprang von seinem Platz auf. „Bitte aufhören!“ Die Entscheidung wurde Yami abgenommen, denn seine Disk fiel aus. Es roch nach Elektronik, dann nach kokelnder Elektronik. Er beeilte sich, das Ding vom Arm zu nehmen, jedoch nicht, bevor er die Karte in Sicherheit gebracht hatte. „Aua, ich hab einen gewischt gekriegt…“ Etwas weißer Qualm stieg in einem feinen Band auf, doch nur kurz. Joey bellte aufgeregt, aber falls seine Botschaft telepathisch bei Kuro ankam, beachtete dieser ihn im Moment nicht. Der Magier trat auf Yami zu. „Bitte gib die Karte mir.“ Er streckte drängend die Hand aus. Yami reichte sie ihm verwundert und beobachtete, dass Kuro wohl eine Idee gehabt haben musste: Er hielt die Karte in beiden Händen und schloss konzentriert die Augen. Setos Smartphone vibrierte. „Ja, Mokuba?“ Seto lauschte angestrengt. Yami konnte am Gesichtsausdruck seines Partners erkennen, dass es ein nicht sofort lösbares Problem gab. Er kannte den jungen Mann mittlerweile gut genug, um zu wissen, wie sehr er es hasste, wenn er etwas nicht gleich erledigen konnte. Noch schlimmer war es, wenn er es später auch nicht lösen konnte, weil ihm schlicht und einfach das nötige Hintergrundwissen fehlte. Dann konnte Seto wirklich unausstehlich werden. Yami tauschte einen Blick mit Yugi aus und vermutete, dass auch dieser die Tragweite des Problems erkannt hatte. „Die Daten sind schon wieder hin!“ teilte Seto den Anwesenden mit. „Keiner weiß, warum!“ Sugoroku rieb sich den Bart. „Vielleicht solltest du dir keine Sorgen deswegen machen, die Karte aber bis auf Weiteres aus dem System nehmen. Bestimmt hat das einfach einen magischen Grund.“ „Holographische Technologie hat keinen magischen Grund!“ protestierte Seto heftig. „Du würdest dich wundern,“ murmelte Kuro, ging aber nicht näher auf das Thema ein. Seine linke Hand bewegte sich mit geöffneten Fingern in Soachs Richtung, wobei er etwas in einer unbekannten Sprache sagte. Es war, als hätte er Soach mit etwas getroffen, denn im nächsten Moment riss dieser die Augen auf wie jemand, der aus einem Alptraum erwacht. Er schien sich hinsetzen zu wollen, sank dann aber zitternd zurück auf das Sofa und schloss die Augen wieder, doch er war jetzt bei Bewusstsein. „Gebt ihm einen Moment,“ kommentierte Kuro. „Sein Bewusstsein war im wahrsten Sinne des Wortes verloren gegangen, aber durch die Karte wurde es hierher gezogen und ich konnte es in seinen Körper übertragen.“ „Wie kann denn sowas passieren?“ wollte Yugi wissen. „Soach ist doch auch kein Anfänger mehr… er war sogar schon einmal in dieser Welt!“ „Damals war es aber ein richtiges Portal, nicht irgendeine Anomalie.“ Kuro lächelte entschuldigend. „Sowas passiert schonmal, selbst Leuten mit Erfahrung. Die meisten Betroffenen finden ihren Körper früher oder später einfach wieder und niemand erfährt je davon, aber bei einem Weltensprung ist das was anderes.“ Gandora gurrte langgezogen und wirkte erfreut, nachdem sein menschlicher Freund wieder zu sich gekommen war. Er war direkt süß durch sein Benehmen. Yami wunderte sich, weil Kuro die Sache so einfach abtat. Verschwieg er etwas? Vielleicht wollte er seine Freunde nur nicht beunruhigen. Er schätzte ihn als verantwortungsbewussten Mann ein, daher ging er davon aus, dass er sie vor einer Gefahr warnen würde, wenn er davon wüsste. Wenigstens schien er sich inzwischen besser mit Soach zu verstehen, denn er warf diesem ab und zu einen besorgten Blick zu. Soach war selten so froh gewesen, in seiner Haut zu stecken, im wahrsten Sinne des Wortes. Als losgelöstes Bewusstsein umherzuirren war eine beängstigende Erfahrung für jemanden, der gerne alles unter Kontrolle hat. Vor allem störte ihn die Hilflosigkeit. Natürlich war er vernünftig genug, Hilfe anzunehmen, aber er hasste es, davon abhängig zu sein und sich nicht selber helfen zu können. Seine Effektmonsterkarte auf einer Duel Disk konnte sein Bewusstsein einfangen – wenn auch mit einigen unangenehmen Problemen. Und Kuro war glücklicherweise ein kompetenter Magier. Allerdings war es wahrscheinlich generell seine Karte in einer Duel Disk, die seine kleine Gruppe in diese Schwierigkeiten gebracht hatte. Zu seiner Schande wusste Soach im Moment kaum, wo genau er sich befand, insofern war er dankbar, dass Kuro ihm noch Gelegenheit verschaffte, sich kurz zu akklimatisieren. Seine Fähigkeit, auf jede Situation gelassen zu reagieren, war derzeit etwas limitiert. Wenn er das richtig verstand, befand er sich nicht nur in der Welt des Blauen Lichts, sondern bei Yugi und Yami... eventuell in deren Haus. Feindliches Gelände also. Alle Freunde der beiden hatten ihn wahrscheinlich noch auf dem Kieker. Normalerweise hätte er das verkraftet, aber unter den gegebenen Umständen wünschte er sich woanders hin. Die letzten Wochen und Monate hatten ihn deutlich verändert. Er hoffte nur, dass es niemand so sehr merkte wie er selbst, denn er fand es nicht unbedingt positiv. Er glaubte, dass er schwächer geworden war, trotz seiner Entschlossenheit, mit allem fertig zu werden. Die wankte nämlich zuweilen auch. Positiv denken. Hatte er nicht in letzter Zeit neue Erfolge erzielt? Doch dieser Abstecher in die Welt des Blauen Lichts kam da denkbar ungelegen. Soach zog es vor, nicht zu lange weit von Schloss Lotusblüte entfernt zu sein. Eigentlich hatte er sich auf seine Rückkehr gefreut. Bevor er weiter in Selbstmitleid versank, öffnete er lieber die Augen und stellte sich der Situation. Konfrontation war für ihn schon immer ein gutes Mittel gewesen, die eigenen Ängste zu überwinden. Schon peinlich, dass er überhaupt welche hatte, andererseits gehörte das wohl zu seinem menschlichen Wesen. Das erste, was er sah, war ein befelltes Gesicht. Sein Gehirn brauchte eine Weile, um es als zu einem Hund gehörig zu erkennen. Dieser stand mit den Vorderpfoten auf seiner Liege und schaute auf ihn herab. Er hatte nicht die richtige Aura für einen Hund. Und Soach wusste, dass die hiesigen Hunde sich diesbezüglich nicht sehr von denen des Schattenreichs unterschieden. Die Schnauze näherte sich ihm mit schnüffelnden Geräuschen. Soach beeilte sich, in eine sitzende Position zu kommen, bevor er sich einen haarigen Kuss gefallen lassen musste. Dabei identifizierte er die Liege als ein frei im Raum stehende Sofa und entdeckte Gandora hinter der Lehne. Den erkannte er gleich, obwohl er ihn noch nie so gesehen hatte. Trotz der Gestaltveränderung griff er aus Gewohnheit nach oben, worauf Gandora den Kopf senkte und sich am Unterkiefer streicheln ließ, wo er die Berührung gern hatte. Den Hund hingegen fasste er nicht an – der Blick aus den braunen Augen war wachsam, aber nicht einladend. „Anscheinend geht es dir besser,“ stellte Yami fest und reichte ihm ein Glas Saft. Soach nickte dankbar und trank schnell aus. Während des Vorgangs fiel ihm erst auf, dass seine Kehle ganz trocken war. „Hervorragend,“ meldete sich Seto vom Tisch. „Dann kann er uns ja jetzt erklären, was hier los ist.“ Soach war versucht, den Braunhaarigen auf die Existenz besserer Umgangsformen hinzuweisen – das hatte er sich während seiner Zeit auf Schloss Lotusblüte angewöhnt. Aber er war nur Gast hier, und das wahrscheinlich nicht gerade auf freundschaftlicher Basis, auch wenn er mit Yami und Yugi zuletzt ganz gut zurechtgekommen war. Allerdings sah er es nicht ein, die Worte als Aufforderung zu interpretieren, schließlich hatte Seto ihn nicht persönlich angesprochen. Er sah sich zunächst einmal genauer um und entdeckte außer den jungen Leuten und Kuro noch einen alten, breit lächelnden Mann, den Großvater von Yugi. Ihn hatte er nur während des Duells gesehen, das er und Malice gegen Marik und Blacky bestritten hatten. Sugoroku Motou, wenn er sich recht erinnerte. Lord Genesis hatte ihn ab und zu erwähnt. „Hör nicht auf Seto,“ winkte der Großvater ab. „Nimm dir soviel Zeit, wie du brauchst, Soach.“ Der Blauhäutige neigte höflich den Kopf vor ihm. Er war froh, dass der Ältere zuerst das Wort ergriffen hatte, denn so konnte er passend reagieren. „Danke, Sugoroku,“ sagte er. „Ich bitte um Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten.“ „Ach was, ich freue mich über das Wiedersehen, wenn wir es mal so nennen wollten,“ entgegnete der alte Herr gut gelaunt. Soach setzte ein Lächeln auf, das er aber nicht empfand. Das letzte Mal, als er Sugoroku gesehen hatte, war Yami in seiner und Malices Gewalt gewesen, eine Geisel in einem Schattenduell voller grausamer Regeln. Malice hatte es wirklich ein bisschen übertrieben, und doch hatte Soach ihn unterstützt, bis zum letzten Spielzug. Danach war für Soach die Zusammenarbeit beendet gewesen, das Unternehmen gescheitert. Er wusste, wann er sich geschlagen geben musste, Malice weniger. Zum Glück waren die meisten Personen, mit denen Soach seither zu tun gehabt hatte, nicht besonders nachtragend. Bei Sugoroku war er noch nicht ganz sicher, wie er ihn einschätzen sollte. Der Mann gab sich heiter, aber er war offenbar das Familienoberhaupt. So jemand mochte durchaus einen Groll hegen, den er vor den jüngeren Familienmitgliedern nicht zeigte. Der merkwürdige Hund starrte ihn an, als hätte das auch für ihn Gültigkeit. Er machte glatt den Eindruck, als wartete er nur auf einen Grund zum Zubeißen. Soach rührte sich vorsichtshalber nicht vom Fleck. „Ihr habt mir nie gesagt, dass ihr einen Hund habt,“ sagte er in Yamis und Yugis Richtung. Die beiden kicherten, was dem Hund ein leidendes Jaulen entlockte. „Ich erklär es dir,“ bot Kuro an und berichtete von den bisherigen Vorkommnissen. Die telepathische Verbindung schien ein bisschen gelitten zu haben, aber Kuro gefiel es ohnehin nicht, mit ihm in solchem Kontakt zu stehen. Er hatte eine stärkere geistige Abwehr als früher, so dass Soach nicht mehr einfach daran vorbeikam. Soach respektierte das und war dazu übergegangen, sich zu erkennen zu geben, wenn er sich einschleichen wollte. Zuletzt hatte er über Gandora die Verbindung mit dem Magier hergestellt und so auch direkt mit ihm kommunizieren können, denn er konnte sich in jedes unachtsame Gehirn mogeln, mit dem er über irgendwelche Ecken verbunden war. Inzwischen kam Kuro in seinem Bericht zu dem Teil mit Joey. Soach starrte entgeistert den Hund an. Dieser kniff die Augen zusammen und bellte einmal. Es war, als würde er lachen. Aber nun war auch geklärt, warum er keine hundetypische Aura hatte. „Du hast mich also in deinem Deck gehabt,“ stellte der Schwarzhaarige fest. „Wie kommst du denn dazu? Das hätte ich von Yugi oder Yami erwartet, aber spielst du nicht eigentlich Drachen und Krieger?“ Joey schaute von ihm zu Gandora und wieder zurück. Auch Soach sah sich zu seinem Drachen um. War etwas mit ihm? „Kannst du Gandora nicht hören?“ fragte Kuro. „Er übermittelt dir Joeys Antwort.“ „Ich, äh…“ Soach versuchte es. Vermutlich versuchte Gandora seinerseits, ihn zu erreichen. „Nein… ich höre nichts…“ „Mach keinen Mist!“ beschwerte Kuro sich. „Ich hab erwartet, dass du mir was von der Gedankenarbeit abnehmen kannst!“ Soach sprang auf und ging um das Sofa herum, um beide Hände auf Gandoras Brust zu legen, welche sich vor seinem Gesicht befand. Die plötzliche Bewegung ließ ihn ein wenig schwindeln, aber er ignorierte das. Angespannt blickte er nach oben in die glühenden Reptilienaugen und schickte seinen Geist zu ihm aus. Gandoras Stirn legte sich in Falten. Der Hühne hob eine Hand, um mit dem Zeigefinger Soachs Kinn und den Kieferknochen zu streicheln. Er lächelte. „Er sagt, dass er endlich den Gefallen erwidern kann, weil er klein genug ist,“ leitete Kuro die Nachricht weiter. „Er freut sich darüber.“ Im Hintergrund schnaubte Seto verächtlich. „Ein Drache, der sich freut, wenn er so erniedrigt wird?“ „Du meinst, wenn er in eine Gestalt gezwungen wird, die deiner ähnelt?“ entgegnete Kuro. Gandora hatte sein Gesicht mit einem herausfordernden Grinsen, das all seine Zähne zeigte, Seto zugewandt, daher nahm Soach an, dass der Spruch von ihm kam. Kuro bestätigte das, indem er kurz auf den Drachenmann deutete. „Und ja, er freut sich, weil er den Wert einer jahrelangen Freundschaft zu schätzen weiß.“ Soach war gerührt. Er kannte den Drachen schon ewig… eigentlich seit seiner frühesten Kindheit, seit er sich erinnern konnte. Für Gandora, der ja viel länger lebte als ein Mensch, war er im Prinzip nur so etwas wie ein Haustier, ein Zeitvertreib, aber er hatte es nie so empfunden. Soach war es gewohnt, die Stimme des mächtigen Drachen in seinem Geist hören zu können – es war nie anders gewesen. Doch jetzt war da nur eine ohrenbetäubende Stille. Zum ersten Mal in seinem ganzen Leben war er völlig alleine mit seinen Gedanken. Andere mochten das befreiend finden, er aber war entsetzt und hatte alle Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Yugis Großvater erhob sich von seinem Sessel. „Kinder, ich wette, ihr habt Hunger,“ sagte er in die Runde. Joey fing aufgeregt an zu bellen und rannte schwanzwedelnd zu dem alten Mann. „Ja, du auch, Joey… wir überlegen uns was für dich. Aber ich glaube, wir haben gar nicht genug Lebensmittel im Haus. Seto, Yami und Yugi, wie wäre es, wenn ihr was holt? Ich nehme an, wir werden rohes Fleisch brauchen… viel davon. Und Reis, Nudeln, Curry… ah, ich mach euch einen Zettel. Am besten fahrt ihr mit dem Auto…“ Es sah ganz so aus, als wollte Sugoroku die Bande für einen Moment loswerden. Soach war das ganz recht, denn er rang um seine Fassung. Angestrengt versuchte er, an etwas anderes zu denken. Bestimmt war das Problem nur temporär, bedingt durch den Weltensprung, durch seine Entfernung vom Schloss, gewisse noch nicht lange genug zurückliegende Ereignisse und die Tatsache, dass sein Bewusstsein eben noch umhergeirrt war. Er war in diesem momentanen Zustand nicht er selbst. Ein Stimmchen in seinem Hinterkopf, das nichts mit Telepathie zu tun hatte, gab zu bedenken, dass es vielleicht nicht daran lag und sich auch nicht bessern würde, wenn er wieder zu Hause war. Als die jungen Leute sich um Sugoroku scharten, um seine Anweisungen entgegen zu nehmen, wovon zumindest Seto sehr unbegeistert war, gesellte sich Kuro zu den beiden anderen. „Gandora macht sich Sorgen... alles in Ordnung?“ Soach schüttelte den Kopf. Aber er traute seiner Stimme momentan nicht, daher schwieg er, und diese Tatsache allein versetzte Kuro schon geringfügig in Alarmbereitschaft, wenn er den Gesichtsausdruck richtig deutete. Nun ja... der Finsternismagier hatte sich sicherlich Hilfe von ihm erhofft, die er jetzt nicht bekam. Wie erbärmlich. „Entschuldigt, ich muss mich ein bisschen zusammenreißen. Ich möchte die Telepathie nicht auch noch verlieren,“ murmelte er schließlich. „Aber das wird doch alles, du darfst jetzt nicht aufgeben, nur wegen eines kleinen Rückschlages,“ erinnerte Kuro ihn. „Soach, du bist einer der charakterstärksten Männer, die ich kenne, enttäusch mich ja nicht.“ Soach runzelte überrascht die Stirn. „Wirklich? Das hast du mir noch nie gesagt.“ „Bilde dir nichts darauf ein.“ Gandora machte dieses gurrende Geräusch, dass bei ihm Freude ausdrückte, und Soach straffte die Schultern. Seine Mutter wäre entrüstet, wenn sie wüsste, dass er sich so gehen ließ. Er konnte sich Lady Charoselles strenges, aber liebevolles Gesicht lebhaft vorstellen. Sie hatte ihn nicht zu einem Luschen erzogen. Niemals zweifeln. Alles geschieht aus einem bestimmten Grund, rief er sich seine eigenen Grundsätze in Erinnerung. Wenn das Schicksal dich vor einen Abgrund stellt, will es dir das Fliegen beibringen. Der Prinz der Eisigen Inseln schaffte ein Lächeln und gab seinem Gesicht dann den neutralen, beherrschten Ausdruck, den er stets zur Schau trug. „Besser. So kenne ich dich doch schon eher,“ kommentierte Kuro. „Erinnere mich daran, wenn es wieder nötig werden sollte,“ bat Soach. Und er beschloss einfach, dass alles wieder in Ordnung kommen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)