Crazy for you von Cookie-Hunter ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Für Die konnte es im Moment fast nicht besser laufen. Mehr oder minder glücklich mit der jetzigen Situation stieg er unter die Dusche. Unter Kaorus Dusche. Seit einer Woche war er schon hier, hatte bisher jedoch noch nicht einmal einen Blick in die Zeitung geworfen, ob eventuell eine Wohnung dabei war, die seinen Wünschen entsprach. Warum auch? Er konnte bei seinem heimlichen Objekt der Begierde sein. Rund um die Uhr. Mit ihm reden, Blödsinn machen oder ihn einfach nur beobachten. Und so lange dieser ihn nicht rausschmiss, machte er es sich einfach bequem. Nach zehn Minuten stieg er auch schon wieder aus der Dusche, trocknete sich ab und wickelte sich anschließend das Handtuch um die Hüften. So leicht bekleidet verließ er das Bad und betrat das Wohnzimmer, wo er Kaoru immer noch auf der Couch sitzend vorfand. Dieser hatte sich seit langem mal wieder ein Buch aus dem Regal geholt. Normalerweise war für so etwas ja nie Zeit. Ständig war irgendetwas wegen der Band oder er war an einem freien Tag so mit Nichtstun beschäftigt, dass er zu nichts anderem mehr kam. Er steckte mitten in der Auflösung eines Thrillers, als Die sich von hinten an ihn heran schlich. „Mhh, Kao. Hunger“, schnurrte der Rotschopf in das Ohr des Älteren. Sicherlich klang es zweideutig, so wie vieles, was er in der letzten Zeit zu dem anderen gesagt hatte. Denn auch wenn er wirklich Hunger hatte, sein Appetit auf den anderen Gitarristen war mit Abstand größer. „Du wirst immer mehr zur Katze, weißt du das eigentlich?“ Kaoru legte einen Zettel in das Buch, um bei Gelegenheit weiter lesen zu können, dann klappte er es zu und legte es auf den Tisch. „Du könntest den ganzen Tag in der Sonne liegen, schnurren und fressen, nicht wahr?“, zog er den Rothaarigen auf. „Wenn du dich bereit erklärst mir dann immer das Essen zu bringen, werde ich gerne zur Katze“, meinte Die grinsend. Den ganzen Tag in der Sonne liegen, schnurren und fressen hörte sich doch gut an. Am besten wäre es jedoch, wenn Kaoru neben ihm stände und mit Weintrauben fütterte und dann auch schön eincremte. Ach ja, träume waren etwas Schönes, aber so langsam sollte er damit wirklich aufhören, ansonsten fiel er dem anderen womöglich noch um den Hals und das wollte er ja nicht. Na ja, doch, wollte er schon, aber so offensichtlich wollte er seine merkwürdige Gefühlswelt nicht vor seinem Leader offenbaren. Zumal sich all seine Gefühle um diesen drehten. Kaoru warf einen Blick auf die Uhr. „Doch schon so spät? Dann werde ich mich mal in die Küche begeben.“ Sich streckend erhob er sich von der Couch. Durch das lange Liegen war er etwas verspannt. Auf seinem Weg in die Küche rief er dem anderen noch zu: Zieh dir besser Mal was an. Ich heize zwar, aber einen kranken Mitbewohner kann ich beim besten Willen nicht gebrauchen.“ Grinsend folgte Die dem Weg des anderen, lehnte sich entspannt an den Türrahmen. „Was ist denn für dich schlimmer? Ein kranker oder ein nackter Mitbewohner?“, feixte er, verschwand aber, ohne eine Antwort abzuwarten, Richtung Schlafzimmer, wo er sich ein Shirt und eine Shorts überstreifte. Denn wie Kaoru ja gesagt hatte, war die Heizung an und es dementsprechend warm in der Wohnung, als dass er noch mehr hätte anziehen müssen. So gekleidet ging er zurück ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch, wo er sich entspannt zurück lehnte. Kaoru schüttelte derweil grinsend den Kopf. Er war solche Späße von dem anderen gewohnt. Neugierig darauf mit was ihn sein Kühlschrank heute überraschen würde, warf er einen Blick in selbigen. Allerdings fand er nicht viel. Um genau zu sein eher Reste der Vortage. „Hm, rosige Aussichten“, murmelte er. Dann machte es 'klick' in seinem Kopf. Ein weiterer Blick in einen der Küchenschränke und er wusste, was es zu Essen geben würde. „Die! Antanzen! Du hilfst mir heute“, rief er durch die Wohnung, während er sich bereits alles zum Kochen zusammensuchte. So ein bisschen konnte der Rotschopf ja auch helfen, wenn er außer Tisch decken und futtern sonst nicht groß half. Selbiger schreckte aus seinen Tagträumen, bei denen Kaoru einfach mal mit unter die Dusche kam, auf, als er seinen Namen hörte. Helfen? Aber nur zu gerne... Wobei es sich sicherlich nicht um etwas handelte, was ihm gerade durch den Kopf schoss. Zumal es sich um ähnliche Gedanken wie bei der Dusche handelte. Das wurde ihm vor allem bewusst, als ihm wieder einfiel, dass der Leader ihnen ja gerade etwas zu essen zaubern wollte. In seinen nicht vorhandenen Bart grummelnd, stand er auf und ging zu seinem Objekt der Begierde in die Küche. „Wie kann ich Euch behilflich sein, Kaoru-sama?“, fragte er mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen, jederzeit bereit sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen. Kaoru sah Die an und hielt ihm ein großes Küchenmesser entgegen. „Ich hab deine Schokolade nicht aufgegessen. Ich schwörs. Ich war's nicht.“, meinte der Rotschopf. „Das war nicht gemeint. Du kannst mir behilflich sein, in dem du das Gemüse und das Fleisch hier ein bisschen kleiner machst. Heute gibt es Gyoza mit buntem Inhalt. Oder Reste essen, wenn du so willst. Für was Vernünftiges müssen wir zwei uns morgen wohl oder übel aus dem Haus begeben und einkaufen. Und du bist mein Packesel.“ Kaoru entnahm seinem Messerblock ein zweites Messer und machte sich daran ein paar Frühlingszwiebeln, die zwar schon ein wenig welk, aber noch immer essbar waren, klein zu schneiden, nachdem er die äußeren Schichten entfernt hatte. Die legte den Kopf ein wenig schief. „Irgendwie ist deine Rollenverteilung in Sachen Haushalt nicht wirklich gelungen, das musst du zugeben.“ Grinsend nahm er das Messer entgegen, dachte sich, dass er wirklich mal was beitragen konnte. So fing er dann auch an das Gemüse, in aller Seelenruhe, klein zu schneiden. „Beeil dich, sonst musst dein Magen noch eine Weile länger hungrig bleiben“, stänkerte Kaoru scherzhaft und piekte den Roten mit dem Ellenbogen in die Seite. „Jaja, bin doch schon dabei“, gab dieser, noch immer grinsend, zurück. Mit einem Auge immer Dies Handlungen beobachtend, schnitt Kaoru ein paar Möhren auf. Alles, was er bereits geschnitten hatte, landete in einer Schüssel. Das hier und das, was Die hatte, würde später in die Gyoza kommen. Jetzt musste er noch den Teig herstellen. „Wie hast du es eigentlich geschafft bis jetzt zu überleben? So langsam, wie du schnibbelst müsstest du eigentlich verhungert sein.“ Grinsend schüttelte er den Kopf. „Hey, ich habe zwei gesunde Hände, um mir eine Pizza in den Ofen zu schieben, das Telefon zu bedienen oder ein Auto, um zum nächsten Schnellimbiss zu fahren“, meinte er daraufhin schon fast stolz. „Aber wenn du möchtest, kann ich natürlich auch gerne schneller schneiden, gar kein Problem.“ Selbst in der Küche kam der Leader-sama-Sklaventreiber in dem anderen durch, aber irgendwie fand er selbst das niedlich. Er hatte nur wirklich keine Übung im Kochen. Er nahm die Steckrübe, von der er fand, dass sie absolut nicht sein musste, in die Hand nehmen sollen, um sie so zu schneiden, wie er es früher immer bei seiner Mutter gesehen hatte, wenn sie etwas direkt über dem Kochtopf zerkleinert und das Geschnittene dann gleich hatte hineinfallen lassen. Hätte er es mal nicht getan, denn es dauerte keine zwei Minuten, da war es passiert. Er war mit der Klinge abgerutscht und hatte sie sich in den Daumenballen gerammt. Wenige Sekunden später lief auch bereits das Blut über das Gemüse, dass er so mühevoll klein geschnitten hatte. Hätte er sich doch bloß mehr auf seine Aufgabe konzentriert und nicht immer wieder zu Kaoru geschielt. Dies lautes Fluchen brachte Kaoru wieder dazu, zu seinem Freund zu sehen. Erst hatte er gedacht, dass der Rotschopf über seine Arbeit am meckern war, doch als er das Blut entdeckte, änderte er seine Meinung ganz schnell wieder. Schnell ergriff er das Handgelenk des Anderen und wickelte die verletzte Hand in ein Geschirrtuch. „Beweg dich nicht vom Fleck. Ich bin gleich wieder da.“ Damit eilte er ins Badezimmer zu seinem Medizinschrank. Die fing allmählich an zu realisieren was passiert war und der Schmerz machte sich langsam bemerkbar, weswegen er die Zähne zusammenbiss. Er war schließlich ein Mann. Als solcher ließ man sich ja nicht anmerken, wenn etwas weh tat. Durch sein Wohnung stolpernd eilte Kaoru in die Küche und breitete das mitgebrachte Verbandszeug auf seinem Küchentisch aus. Er schnappte sich ein sauberes Handtuch, zog Dies Hand zu sich und wischte damit das Blut weg, das sich über die Hand verteilt hatte. „Setz dich bitte“, sagte er und dirigierte den Verletzten zu einem der Stühle, der sich auch brav niederließ, dann besah er sich den Schnitt genauer. „Glück gehabt“, seufzte er erleichtert. „Es ist nicht allzu tief. Brauch also nicht genäht werden.“ Er lächelte missglückt. Details waren Daisuke allerdings egal. Er spürte nur das Pochen in seiner Hand, das ihm sagt, dass da eine Verletzung war. „Hey, Unkraut vergeht nicht. Mich wirst du so schnell nicht wieder los“, scherzte er locker, um sich abzulenken. Kaoru lächelte schief und nahm sich die Heilsalbe und ein paar Wattestäbchen. Vorsichtig trug er die weiße Salbe auf der Wunde auf, denn er wollte dem anderen nicht noch mehr weh tun. „Ouh, autsch. Kao...“, maulte der Rothaarige und verzog das Gesicht, als er ein leichtes brennen spürte. „Wenn du schon an mir herumdoktorn darfst, kannst du dann nicht wenigstens etwas liebevoller sein?“ Eigentlich fand er es schon ziemlich süß, dass Kaoru sich überhaupt so um ihn kümmerte. Leicht lachend klebte Kaoru abschließend ein großes, wasserdichtes Pflaster auf den Schnitt, damit sie es nicht so häufig wechseln mussten. „Fertig“, verkündete er und fing an alles wieder einzusammeln. „Sieht doch gut aus.“ Grinsend hob er seine Hand, versuchte eine Faust zu machen, verzog dann aber auf halbem Wege das Gesicht. Nein, das sollte er für die nächsten Tage lassen. „Du bleibst jetzt hier sitzen. Ich bring nur schnell das Zeug hier weg und den Rest“, er sah auf die Arbeitsplatte, wo ihr unfertiges Abendessen stand, „den Rest schaffe ich auch alleine.“ „Okay.“ Sich auf der Unterlippe herum beißend ging Kaoru zurück ins Badezimmer, merkte aber, wie ihm die Tränen in die Augen schossen. Wenn Daisuke nicht so ein verdammter Glückspilz wäre, dann hätte das eben noch weitaus schlimmer enden können. Und das nur, weil er wieder einmal keine Geduld hatte. Ohne dass er es gemerkt hatte, war Die ihm gefolgt, weil er das Bedürfnis verspürt hatte, die Toilette aufzusuchen. War jedoch verwundert, als er ein Schniefen von dem anderen vernahm. „Hey, Kao? Alles okay?“ „Ja, alles okay“, bestätigte er mit belegter Stimme und räumte die Erste-Hilfe-Sachen in den Schrank zurück. „So, meinst du?“, fragte er skeptisch und trat einen Schritt näher an den guten Freund heran. „Hey, so schlimm ist es nicht. Ich kann immer noch helfen. Irgendwie.“ Ein schlechtes Gewissen hatte er ja schon, weil er sich hier nach Strich und Faden verwöhnen ließ. Aber nur ein klitzekleines. Kaoru lachte kurz auf: „Lass mal. Am Ende schaffst du es noch dir die Finger abzuschneiden.“ Noch immer hatte er dem anderen den Rücken zugewandt und den Kopf gesenkt, damit Daisuke nicht sah, wie er sich gerade wirklich fühlte. „Und was ist schon ein Gitarrist ohne Finger?“ Die Haare ins Gesicht fallen lassend, schob er sich an Die vorbei aus dem Bad, um wieder in die Küche zu gehen. „Aha, es geht dir also gar nicht um deinen liebenswerten Mitbewohner, sondern nur um die Band.“ Es kam scherzhaft rüber, aber insgeheim machte er sich Sorgen. Zwar mochte er ein liebestoller, fauler Kater sein, aber noch lange nicht blind. Dass mit dem anderen etwas nicht stimmte hatte er bemerkt. Es sorgte ihn so sehr, dass er ganz vergessen hatte, dass er eigentlich auf die Toilette hatte gehen wollen. Kaoru, inzwischen in der Küche angekommen, stützte sich auf der Arbeitsplatte ab, ließ seinen Blick darüber schweifen. Das, was Die gesagt hatte, ließ ihn aufseufzen. Dass der andere hinter ihm stand hatte er wohl bemerkt. „Ja... Ich meine, nein... Ich... Es tut mir Leid. Ich wollte nicht, dass du dich schneidest.“ Um seine Gedanken wieder zu ordnen, rieb er sich über die Stirn. Was hatte er gleich noch mal fürs Abendessen geplant? Gyoza. Und was musste er jetzt in welcher Reihenfolge machen? „Tut mir Leid, was ich eben gesagt habe. Bin wohl doch ein Arbeitstier. Jemand, der nur an seinen verdammten Job denkt.“ Wütend auf sich selbst schlug er mit der rechten Faust auf die Arbeitsplatte. Tief durchatmend wandte er sich Dies Arbeitsplatz zu, um dessen Aufgabe zu übernehmen. „Du brauchst mir wirklich nicht helfen. Würde mit deiner Hand doch auch sicherlich weh tun.“ Die war in der Tür stehen geblieben und hatte den anderen beobachtet und dabei erneut festgestellt, wie sehr er diesen doch begehrte. Und wie. Deswegen bemerkte er auch gleich, dass der Andere das gerade geschehen nicht so einfach wegsteckte, wie er ihn glauben lassen wollte. Gut, so wie sich Kaoru verhielt würde das sogar ein Blinder noch mit Leichtigkeit erkennen, aber Die war so verliebt, dass er hin und wieder blind für Zwei sein konnte. Seufzend und den Kopf schüttelnd ging er zu seinem Freund hinüber, schlang die Arme um dessen Bauch und schmiegte sich an ihn. „Was wird denn das?“, fragte Kaoru leise, weil er Angst hatte, dass seine Stimme seinen Gemütszustand verriet. Dabei verstand er nicht einmal selbst, weshalb es ihn so sehr mitnahm. „Ich hab einfach gedacht, dass du das jetzt brauchst.“ Und woher wusste Daisuke das? Vorsichtshalber legte Kaoru das Messer weg. Er wollte weitere Unglücke am heutigen Abend vermeiden. „Du bist nicht Schuld“, flüsterte der Rothaarige. Es stimmte doch auch. Hätte er sich auf seine Aufgabe konzentriert, dann wäre nichts passiert. „Doch, ist es.“ Kaoru seufzte. „Ich sollte meine Mitmenschen nicht so... tyrannisieren. Ich hätte dich einfach machen lassen sollen.“ Zweifelnd lachte er auf. „Wie haltet ihr das bloß bei der Arbeit mit mir aus? Wie hältst du das aus mit mir unter einem Dach zu leben?“ Die Wärme Kaorus genießend und das Gefühl jenen in den Armen halten zu dürfen machte Die mehr als nur glücklich in diesem Augenblick. „So schlimm bist du gar nicht“, erklärte er lächelnd, verstärkte seinen Griff noch ein wenig, damit ihm der Gitarrist nicht doch noch vor Selbstzweifeln zerfloss. „Außerdem ist das Zusammenleben mit dir toll.“ „Und warum ist es so toll?“ „Vielleicht, weil... ich dich liebe.“ Kapitel 2: ----------- Kaoru zog die Stirn kraus, lachte kurz darauf. „Du musst wirklich am verhungern sein, Daisuke, wenn du schon falsche Wörter verwendest.“ „Huh? Wieso?“, fragte der andere Gitarrist unschuldig, innerlich froh darüber, dass Kaoru es falsch aufgefasst hatte. Obwohl da der kleine Stich in seinem Herzen war, weil seine große Liebe die Gefühle nicht erwiderte. „Na ja, sollte das denn nicht heißen 'weil ich dein Essen so liebe'?“ Noch immer lachend drehte er sich zu dem Freund um. Kurz tat Die so, als müsse er sich daran erinnern, was er denn gesagt hatte, dann grinste er verlegen. „Stimmt. Du hast recht. Das sollte es eigentlich bedeuten. Aber du kochst wirklich gut. Zumindest besser als ich.“ Der Rothaarige lachte, damit der Kleinere nichts von dem Schmerz in seinem Inneren bemerkte. „Und überhaupt. Du bist ein guter Freund und da, wenn man dich braucht. Das ist es doch, was zählt. Bei der Arbeit bist du nur so streng, weil du willst, dass wir unser Bestes geben. Damit wir zufrieden und stolz auf uns sein können, wenn ein neuer Song fertig ist.“ Mit einem Lächeln legte er eine Hand auf die Schulter seines Freundes. „Weißt du jetzt, warum ich... wir dich so gerne haben?“ „Ja, jetzt weiß ich es wieder. Danke.“ Kaoru lächelte und fühlte, wie ihm sogar ein wenig warm ums Herz wurde. Die Worte seines guten Freundes taten wirklich gut, nachdem er sich gerade so mies gefühlt hatte. „Demô... das mit deiner Hand tut mir trotzdem Leid. Ich wollte nicht, dass du dich verletzt.“ „Das sind Dinge, die nun einmal passieren. Außerdem sind meine Finger doch auch nur an der Gitarre geschickt. Es hätte also auch passieren können, wenn ich dir freiwillig geholfen hätte.“ Was nun wirklich nicht allzu häufig vorkam, da er immerhin keine Ahnung vom Kochen hatte, wie er selbst gerne sagte. Kaoru lächelte noch einmal kurz, ehe er seinen Freund mit einem Seufzen zu dem kleinen Esstisch dirigierte und dort auf einen Stuhl drückte. „Bleib du hier. Ich mache den Rest allein. Wäre reichlich schade, wenn du am Ende wirklich noch ein paar Finger verlierst.“ Nein, das könnte er nicht verantworten. Es würde nicht nur den Traum von Die, sondern auch den einiger anderer Menschen gefährden. Seinen eigenen eingeschlossen. Zumal er diesen eh nur mit diesen vier Freunden erreichen wollte. Kaoru wandte sich wieder der Arbeitsplatte zu. Sie wollten ja heute noch etwas essen. „Sicher, dass ich dir nicht doch irgendwie helfen kann? Irgendwas kann ich doch bestimmt tun.“ Besorgt sah Die zu dem Älteren. Sein schlechtes Gewissen meldete sich. „Ich decke schon mal den Tisch.“ Und schon war er wieder aufgestanden und auf den Schrank mit dem Geschirr zu gegangen. „Demô... Das Essen dauert noch eine Weile. Jetzt den Tisch zu decken, lohnt sich doch noch gar nicht.“ „Dann mach ich halt langsam“, kam es grinsend von dem Rothaarigen. So trug er Teil für Teil zu dem kleinen Esstisch, während Kaoru weiter den Teig vorbereitete, welchen er im Anschluss in kleine Portionen aufteilte. Die war schnell fertig mit seiner selbst gewählten Aufgabe, weswegen er sich darum kümmerte, dass der Dampfgarer in Schwung kam. So konnte sein Kaoru die fertigen Teilchen direkt hinein legen. Und sie schneller Essen. „Wenn du es dir zutraust, kannst du die Portionen hier schon mal ein wenig plätten. Dann kann ich die gleich mit Füllung belegen und in Form bringen.“ „Hm... okay.“ Jetzt half er doch mit beim Essen. Derart großen Einfluss hatte Kaoru auf ihn. Er gab sich auch Mühe dabei, ordentlich zu arbeiten, um zu verhindern, dass sein Freund doppelte Mühe hatte. Natürlich besserte jener alles noch einmal nach, bevor er etwas von der Füllung darauf gab. Daisuke schmunzelte. Es war einfach eine Macke des Anderen, die er ebenso liebenswert fand, wie alles andere. Er musste sich schon sehr zusammenreißen, um nicht diese eine Strähne wieder hinters Ohr des Älteren zu schieben, die ihn im Gesicht kitzelte und etwas die Sicht nahm. Dabei versuchte es der Andere immer wieder sie mit pusten aus dem Weg zu räumen. „Vielleicht solltest du mal zu einem Friseur.“ „Hm? Warum?“, kam die Gegenfrage von dem Älteren, der sich besagte Strähne mit dem Handrücken zur Seite schob. Lachend schüttelte der Rothaarige den Kopf. „Das fragst du noch.“ Er deutete auf die nervende Haarsträhne. „Na, um die da zu kürzen. Damit sie dich nicht mehr stören kann.“ „So sehr stört die doch gar nicht.“ Und schon hing sie ihm wieder in den Augen. „Sturschädel“, murmelte Die amüsiert, widmete sich dann aber wieder seiner Aufgabe. Doch auch das liebte er an ihm. Kapitel 3: ----------- Nach und nach bekam jeder Teigling seine Füllung und seine fertige Form. Jetzt mussten sie nur noch gedämpft werden. Womit sich ihr Essen noch um einige Minuten verschob. Mit einem Stift und einem Zettel bewaffnet stand Kaoru nun vor dem Kühlschrank und notierte fleißig, was fehlte. „Da kommt ja einiges zusammen“, konnte man ihn murmeln hören, als er sich seinen Küchenschränken zu wandte. „Dann schreib doch nicht so viel auf. Immerhin müssen wir den ganzen Kram ja auch noch schleppen“, murrte der andere Gitarrist. „Denk dran, dass ich erst einmal nur mit einer Hand tragen kann.“ Ein wenig überrascht drehte sich der Ältere um. War ihm ganz offensichtlich für einen Moment entfallen. Nachdenklich glitt sein Blick über die Liste. „Dann wird es schwierig mit Getränken.“ Den Stift an die Lippen gelegt, suchte Kaoru nach einer Lösung für ihr Problem. „Bier ist somit schon mal gestrichen.“ „Nein!“ Verständnislos wurde er von dem Rothaarigen angestarrt. „Jetzt guck nicht so, als ob man dich kastrieren will. Egal, wie ich es drehe und wende. Niemals werden wir alles auf einmal besorgen können. Und es ist bis jetzt nur das Notwendigste darauf.“ Nachdenklich begutachtete er die Liste. Wenn er zwei daraus machen würde? Dann würde er gleich noch los gehen und die Erste abarbeiten. Zusammen mit Die dann morgen die Zweite. Kaoru setzte sich zu seinem Kumpel an den Tisch. Der oberste Zettel wurde abgerissen und einige Sachen durchgestrichen, die auf dem neuen Zettel notiert wurden. „Was wird das?“ „Das ist alles, was wir für das Frühstück morgen brauchen werden. Das will ich gleich noch besorgen. Oder willst du ohne Essen den Großeinkauf machen?“ „Natürlich nicht.“ Aber selbst gesättigt hatte er keine Lust auf die Schlepperei. „Wie machst du das mit dem Einkauf eigentlich normalerweise?“ Die konnte sich nicht vorstellen, dass Kaoru sich regelmäßig einen Wolf schleppte. „Normalerweise“, begann Kaoru und legte den Stift nieder, um nach ihrem Essen zu sehen. „muss ich nur Lebensmittel für einen besorgen. Außerdem zögere ich es dann auch nicht so lange raus.“ „Jetzt bin ich also Schuld?“ Schmollend verschränkte der Rothaarige die Arme vor der Brust. „Ein wenig“, gab er Schulter zuckend zu. „Arsch“, grummelte der andere Gitarrist immer noch schmollend, konnte es sich aber nicht verkneifen genau dieses Körperteil an dem Älteren etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. An den würde er furchtbar gerne Hand anlegen. „Sieht gut aus“, schnurrte er. „Da muss ich dir recht geben.“ Ertappt riss Daisuke seinen Kopf hoch, stellte aber erleichtert fest, dass sich der Ältere auf den Inhalt des Topfes bezogen hatte. „Ich denke, wir können essen.“ Kurz darauf stellte Kaoru den Herd aus und servierte die gefüllten Knödel. „Greif zu“, forderte er auf, was sich der Andere dann auch nicht zwei Mal sagen ließ. Kapitel 4: ----------- Den vollen Rucksack geschultert und einen Sixpack Bier -ohne hätte er den Laden einfach nicht verlassen- in der gesunden Hand, schlenderte Die neben Kaoru her, der einen 5 Kilo-Sack Reis auf seiner Schulter trug. Dazu ebenfalls einen vollen Rucksack. „Und du bist dir sicher, dass das nicht zu viel ist für morgen Früh?“ War immerhin schon eine Menge. „Für ein ordentliches Frühstück ist das alles nötig, du Vogel. Aber ja: Es sind auch noch ein paar andere Teile dabei. Damit wir die für morgen nicht mehr auf der Liste haben. Wieso? Ist dir die Tasche zu schwer?“, stichelte der Ältere. „Niemals!“, protestierte der Rothaarige. „Ich würde locker das Doppelte schaffen!“ „Angeber“, lachte Kaoru und kramte schon mal nach seinem Schlüsselbund, um ihnen aufschließen zu können, war das Gebäude mit seiner Wohnung doch schon in Sichtweite. „Das kannst du morgen dann ja unter Beweis stellen.“ Der Jüngere grummelte. Wie er sich da schon drauf freute. Wie immer ließ er dem Freund den Vortritt, begutachtete, was sich unter dieser dummen, weiten Jeans verbarg. Was fand Kaoru nur an denen? Wie gut, dass er den Anderen schon öfter hatte knien oder hocken sehen, sodass er wirklich gut ahnen konnte, was unter dem Stoff verborgen war. „Womit wollen wir uns denn den Abend versüßen?“, fragte er, um sich irgendwie abzulenken. Dennoch haftete sein Blick unentwegt an dem verlängerten Rücken. „Hm“, überlegte der Ältere und schob die Tür auf. „Da hab ich mir noch keine Gedanken drum gemacht.“ „Dann lass uns die Konsole entstauben, die da im Wohnzimmer steht.“ „Eh?“ Erstaunt drehte der Schwarzhaarige sich um. „Du willst spielen? Mit der Hand? Eine blöde Idee.“ „Ey! Jetzt mach das doch nicht gleich nieder. Das kann schon klappen.“ Kaoru rollte mit den Augen. Dieses trotzige Kleinkind. „Du wirst den Controller keine fünf Minuten halten können. Außerdem schadet es der Wunde.“ Stöhnend verdrehte der Rothaarige die Augen, während er seinem Freund ins Haus folgte. „So schlimm ist es doch jetzt auch nicht. Das ist ein nur ein Kratzer und keine Fleischwunde.“ „Falsch“, dementierte Kaoru und drückte den Knopf für den Aufzug. „Es ist ein Schnitt. Was schon schmerzhafter als ein Kratzer ist. Und empfindlicher.“ „Ja, aber an meiner Hand“, betonte der Größere. „Da werde ich doch wohl wissen, wie viel ich mir zutrauen kann.“ „Aber mein Eigentum. Und an dem will ich dein Blut nicht kleben haben!“ Die schluckte. „So wie du das sagst, klingt es so, als hätte ich was ansteckendes.“ Es machte 'Ping' und die Türen des Fahrstuhls öffneten sich. „Was?“ Verwundert drehte sich der Ältere um. „Ach, Daisuke. So war es doch nicht gemeint.“ Seufzend betrat Kaoru den kleinen Raum, zog den Rothaarigen am Handgelenk zu sich, als dieser, mit einem wirklich verletzten Blick, nicht zusteigen wollte. „Ich will doch nur nicht, dass du Schmerzen hast und sich die Genesung verzögert.“ Er drückte die Taste für ihr Stockwerk und rückte den schweren Reissack auf seiner Schulter zurecht. „Du hältst mich jetzt sicherlich wieder für einen Spielverderber, aber ich möchte einfach nur, dass du deinem Körper ein paar Tage Zeit gibst sich um die Wunde zu kümmern. Okay?“ Um ein ganzes Stück erleichterter nickte Die. „Okay.“ Wie hatte er auch nur einen Moment glauben können, dass Kaoru so von ihm dachte? Vielleicht irgendwann mal, wenn Daisukes größtes Geheimnis -seine größte Begierde- kein Geheimnis mehr war. Dann würde Kaoru vielleicht anders über ihn und sein Blut denken. Sie erreichten ihr Stockwerk und traten auf den Gang. „Ist wirklich alles okay?“, hakte Kaoru nach, spürte er doch immer noch eine gedrückte Stimmung von seinem guten Freund ausgehen. Jener fing an übers ganze Gesicht zu Grinsen. „Ja, alles okay. Auch, wenn ich es immer noch übertrieben von dir finde.“ Nicht ganz überzeugt stieg Kaoru in das Grinsen mit ein. „Ich halte dich nur davon ab Dummheiten zu machen, wegen denen du anschließend jammerst. Und einer muss ja auf dich aufpassen.“ Obwohl er selbst ja schon mit Schuld an der Verletzung hatte. „Den Job würde ich niemandem lieber überlassen.“ Der Kleinere, welcher sich bereits zwei Schritte Richtung Wohnung gegangen war, blieb stehen und drehte sich verwundert und fragend um. „Eh?“ Ertappt zuckte der Rothaarige zusammen. Wieder etwas, dass er ungewollt laut gesagt hatte. „Naja... Weil du so eine Aufgabe dann ja auch ernst nimmst. Wo wäre ich besser aufgehoben?“ „Ah, verstehe.“ Schmunzelnd drehte der Schwarzhaarige sich wieder um. Der Sack auf seiner Schulter wurde gefühlt immer schwerer. Er wollte ihn endlich in seine Küche bringen. Mit einem kleinen Seufzen sah Die ihm noch einen Moment hinterher. Wenn Kaoru doch nur wirklich verstehen würde... Kapitel 5: ----------- Gelangweilt lag Die auf dem Sofa,zappte sich mit wenig Begeisterung durch das TV-Programm. Nix, was sein Interesse irgendwie einfing. Auf dem Tisch vor ihm lagen einige DVDs, welcher er aus Kaorus Sammlung herausgesucht hatte. Er wartete jetzt nur noch darauf, dass der Ältere aus der Dusche kam und sich zu ihm gesellte. Die Gedanken des Rothaarigen schweiften ab. Kaoru unter der Dusche... Ohne einen Streifen Stoff am Körper. Wasser, welches in kleinen Rinnsälen über die Haut floss. Hände, welche über jeden Zentimeter Kaoru strichen. Aber bedauerlicherweise nicht seine waren. Daisuke stöhnte genervt auf. Seit er letzte Woche hier eingezogen war, häuften sich solche Vorstellungen immer mehr. War vielleicht doch keine so gute Idee gewesen, den Wasserrohrbruch vorzutäuschen und sich hier einzuquartieren. Aus der Küche konnte er plötzlich das Öffnen eines Kühlschranks hören, gefolgt von dem typischen Geräusch, welches ein Kronkorken machte, den man entfernte. Das einzige, auf das diese Kombination von gekühlt und diesem Verschluss zutraf, war das Bier von vorhin. „Ich will auch eins!“ Immerhin hatte er darauf bestanden es zu kaufen. Und er hatte es hierher getragen. Amüsiertes Lachen drang an sein Ohr. Beleidigt schnappte er nach Luft. Was lachte der denn jetzt? Eine braune Bierflasche erschien vor seiner Nase. „Oh?“ „Nun nimm schon“, sagte Kaoru versöhnlich und ging an dem Jüngeren vorbei, um dessen Beine vom Sofa zu scheuchen und sich selbst darauf nieder zu lassen. „Hast du ernsthaft geglaubt, ich würde jetzt alleine was trinken?“ Grinsend sah er zu seinem temporären Mitbewohner. „Idiot.“ Selbigem war das Bier von einer Sekunde auf die andere völlig egal geworden. Auch sein Ärger war verraucht. Zusammen mit allen anderen Gedanken in seinem Kopf. Kein Wunder. Schließlich war zu wenig Blut zum Denken im Gehirn. Das wanderte gerade gefährlich weit runter. Musste Kaoru sich hier auch ohne Shirt neben ihn setzen? Echt jetzt? Das war doch sonst nicht seine Art. Und das Handtuch um dessen Hals tat auch nicht ganz, was es sollte, tropfte es doch vereinzelt von den langen Strähnen auf die freie Brust. Scheiße, sah das verboten aus. Dem Schwarzhaarigen verging sein Grinsen wieder, als sein Kumpel keinerlei Reaktion zeigte. Wobei. Genau genommen war das ausbleiben einer Reaktion auch eine... Jener starrte ihn nur abwesend an. „Die?“ Hatte er ihn wieder versehentlich verletzt? So wie vorhin? „Die? Sag was.“ „Ich will dich.“ „Hä?“ Jetzt guckte er aber blöd aus der Wäsche. „Du willst was?“ In dem Moment schien der Rothaarige zurück in die Gegenwart zu finden. „Uhm... Dich am Liebsten Durchkitzeln, dafür, dass du erst kein Bier kaufen wolltest, aber der Erste am Kühlschrank bist!“ So gut es ging, guckte er seinen Gegenüber böse an. Schallend fing der Ältere an zu Lachen, legte sogar den Kopf in den Nacken, was in dem anderen Gitarristen den Wunsch erwachen ließ mit seinen Lippen und seiner Zunge über dessen Hals fahren zu wollen. „Lass das lieber. Dabei wird nur Bier verschüttet.“ Kurz noch schüttelte er sacht den Kopf. Die hatte vielleicht Ideen. Kaoru hob seine Flasche an und dem Mann neben sich entgegen, wollte mit ihm anstoßen. „Auf...“ Ja, worauf stießen sie denn jetzt an? „Auf uns Zwei?“, versuchte es Daisuke. „Und unsere Freundschaft?“ Konnte sich ein Wort wirklich so anfühlen, als würde es nur aus Nadeln bestehen, welche sich beim Aussprechen überall hinein bohrten? „Also gut. Auf uns Zwei. Kanpai.“ Klirrend trafen die Flaschen aufeinander und nach einem kräftigen Schluck besah sich Kaoru die Auswahl auf dem Tisch. Jeden von ihnen hatte er mindestens ein Mal gesehen. Er schob die Hülle ganz rechts nach oben weg. Den wollte er sich auf keinen Fall ein weiteres Mal antun. „Ich bin für den“, verkündete er nach einigen Augenblicken und hielt Die seine Wahl hin. „Einverstanden?“ „Klar. Sonst hätte ich ihn da ja nicht mit hingelegt.“ „Hätte ja sein können, dass dir einer der anderen doch mehr zusagt.“ „Nein, nein. Der ist okay.“ Der Rothaarige nahm seinem Gastgeber die DVD ab. „Ich leg ein und du ziehst dir in der Zwischenzeit ein Shirt an.“ „Hä? Warum denn das?“ Weil Daisuke sich sonst nicht die Bohne auf den Film würde konzentrieren können. „Weil du sonst auskühlst. Immerhin tropft dir immer noch Wasser aus den Haaren. Und was passiert, wenn du auskühlst? Richtig. Du holst dir eine Erkältung.“ Erklärend war er aufgestanden und zu dem DVD-Spieler gegangen. „Wer soll sich denn um mich kümmern und das Essen kochen, wenn du krank im Bett liegst?“ Kaoru musste lachen. „Ach, jetzt bin ich schon dein Butler? Du fauler Kater, du.“ Dennoch stellte er sein Getränk auf den Tisch und erhob sich. Ihm war wirklich ein wenig kalt geworden. „Dann bis gleich.“ Aus dem Augenwinkel heraus, sah ihm der Jüngere nach, atmete erleichtert auf. Die Nähe seines Freundes brachte ihn an sich schon dazu jenen anzuschmachten und die unmöglichsten Fantasien zu haben. Aber in dem Aufzug wären sie bestimmt in die FSK 18 Varianten abgerutscht. Absolut unvorteilhaft, wenn ihm die Fantasie durchgehen würde, wenn Kaoru neben ihm saß. Er hatte seine Zunge heute schon zwei Mal nicht unter Kontrolle gehabt. Was, wenn er ungewollt weiter machte? Misstrauisch beäugte er sein Bier. Ein bisschen was vertrug er, aber... Nach der einen Flasche sollte für heute dann auch Schluss sein. Die DVD landete im entsprechenden Gerät, welches auch gleich begann zu arbeiten. Ein paar Knopfdrücke auf der Fernbedienung für den Fernseher später sah man dann auch, was auf der DVD war. Noch während sich der Rothaarige wieder auf dem Sofa nieder ließ, tauchte auf dem Bildschirm auch schon das Menü auf. „Kommst du?“, rief er quer durch die Wohnung. Alleine anfangen wollte er dann ja auch nicht. Vor allem wollte er trotz seiner Gewissensbisse nicht auf Kaorus Wärme und Nähe verzichten. „Bin ja schon unterwegs.“ Der Ältere zog sein Shirt noch zurecht, ehe er sich neben seinen Freund fallen ließ. „Können loslegen.“ „Alles klar.“ Kapitel 6: ----------- Scheiße. Verdammte Scheiße. Verfluchte Scheiße. Schöne Scheiße? Erst schlief Kaoru, an seine Schulter gelehnt, ein und als er dann versuchte ihn, zur eigenen Sicherheit, zur anderen Seite zu schubsen, rutschte ihm der Ältere auf den Schoß. Jetzt lag der hier halb auf ihm und er bekam ihn nicht wach. Ihn von sich runter bewegen war schwierig mit der verletzten Hand. Den Schmerz konnte er nicht lange aushalten. „Was mach ich denn jetzt?“, seufzend und verzweifelt legte er den Kopf in den Nacken. Nach ein paar Sekunden jedoch sah er wieder zu dem anderen Mann, dem er behutsam über die Wange strich. „Schlafend siehst du wirklich entspannt aus.“ Wieder ein Seufzen. „Und wunderschön.“ Trotzdem brachte er ihn gerade echt in Schwierigkeiten. Im Sitzen zu schlafen war nicht wirklich bequem. Zudecken konnte man sich auch nicht. Und er konnte auch nicht dafür garantieren, dass sein Körper ihm heute noch gehorchte. Geplagt von einem schlechten Gewissen, rüttelte er also erneut an Kaorus Schulter, versuchte ihn endlich wach zu bekommen. „Kaoru? Kaoru? Aufwachen. Die Probe fängt in fünf Minuten an. Du hast verschlafen.“ Eine kleine Regung, unverständliches Gemurmel, aber er schlief weiter. Dann drastischere Maßnahmen. „Toshiya hat deine Ganesa in der Hand.“ „Toshiya.... Aus...“ Hey, das zeigte Wirkung. „Oh nein! Jetzt dreht er an den Wirbeln. Er verstimmt sie. Er-“ „HARA TOSHIMASA, DU-!“ Geschafft. Sein Kumpel war wieder hellwach und saß aufrecht. „Huh? Wo steckt der? Wo-?“ „Keine Angst. Er hat sie nicht mal angeguckt. Aber du wolltest einfach nicht aufwachen.“ „Aufwachen?“ Verdutzt sah sich Kaoru um, merkte erst jetzt den Schlafsand in seinen Augen. Ganz zu schweigen davon, dass der Film ein ganzes Stück weiter war, als eben noch. „Bin ich eingeschlafen?“ „Oh ja. Auf mir.“ „Auf dir?“ Ein wenig rot wurde das Gesicht des Schwarzhaarigen. „Wie peinlich.“ „Schon okay.“ Freundschaftlich legte ihm Daisuke eine Hand auf die Schulter. „Geh ins Bett. Wenn du so müde bist, dass du hier im sitzen einpennst, dann hat es keinen Sinn den Film weiter zu gucken.“ Gähnend streckte er sich. „Na gut. Ist wohl besser so. Wobei ich mir gar nicht erklären kann, weshalb ich so müde bin.“ Eine Hand legte sich auf die Stirn des Älteren. „Wirst du vielleicht doch krank?“ Eingehend betrachtete Daisuke seine Hand, als ob er die Temperatur daran ablesen könnte. „Hm, fühlt sich normal an.“ Seine Augen suchten die des Anderen und schlagartig war es wieder einmal um ihn geschehen. Wunderschön dieses warme Braun. Erst eine Hand, die ihm sacht übers Gesicht fuhr, holte ihn wieder aus seiner Starre. Dafür konnte er Kaoru lachen sehen, welcher sich die Hand aus seinem nahm. „Du scheinst auch sehr müde zu sein. So oft, wie du heute schon mit offenen Augen am Träumen warst.“ Müde rieb er sich über seine Augen und erhob sich. „Dann sage ich schon mal gute Nacht. Wir sehen uns morgen früh.“ „Ist zu befürchten“, kam es neckisch zurück, wofür dem Rothaarigen durch seine Mähne gewuschelt wurde. Leicht sehnsüchtig sah er dem Freund hinterher, als jener den Raum verließ, ihm erneut eine 'Gute Nacht' gewünscht wurde, die er dieses Mal erwiderte. In seinem Herzen hörte er eine Stimme schreien: „Geh ihm hinterher! Leg dich zu ihm! Lass mich ihn die ganze Nacht in den Armen halten!“ Sie war sogar kurz davor seine Beine dazu zu bringen, ihr zu gehorchen. Super peinlich, wenn die das tun würden. Tief durchatmend, drehte er sich auf den Rücken und starrte die Zimmerdecke an. Vielleicht wäre es besser und er täuschte in den nächsten ein oder zwei Tagen einen Anruf von seinem Vermieter vor, der ihm mitteilte, dass der Schaden behoben wäre und er in seine Wohnung zurück kehren konnte. Viele der hervorragenden Vorteile wären dann weg, aber er liefe so auch nicht ständig Gefahr sich zu outen. Wie es heute schon mehrfach beinahe geschehen war. Zusehends verlor er die Kontrolle. Scheinbar täglich mehr. Was würde das dann nächste Woche werden? Nein, dafür war ihm die Freundschaft zu Kaoru auch einfach zu wichtig. Und ihre Band. Betroffen hob er seine rechte Hand, starrte auf seine verbundene Handfläche. Mit spielen war es für ein paar Tage jetzt nichts mehr. Dennoch hing er einfach auch sehr an Dir en Grey. Zu sehr, um es mit seinen Gefühlen und einem einzigen, unangenehmen Ausrutscher zu versauen. So niedergeschlagen ließ er die Hand sinken, richtete sich wieder auf, um den Film zu stoppen. Anschließend stand er auf, um die Geräte auszuschalten. Alleine mochte er den Film auch nicht zu Ende sehen. Nach dem normalen Fernsehprogramm war ihm aber auch nicht. Daisuke verließ das Wohnzimmer und ging in das für Gäste, wo er vorübergehend ein bisschen was von seinem Kram untergebracht hatte und auch schlief. Noch während er sich umzog, hörte er, wie der Andere aus dem Bad kam, an seiner Tür vorbei und in sein Schlafzimmer ging, welches nebenan lag. Seufzend legte er eine Hand an die Wand, welche die beiden Räume voneinander trennte. So nah und doch so fern. In Momenten wie diesen wurde er sich wieder einmal über den Schmerz in diesen Worten bewusst. Kapitel 7: ----------- Noch leicht verschlafen trat Die aus dem Gästezimmer, rieb sich noch etwas von dem Schlafsand aus den Augen. Irgendwie fühlte er sich gerädert. Er hatte aber auch nicht wirklich gut geschlafen. So ein schmerzendes Herz machte es einem nicht leicht. Der Geruch von Frühstück drang ihm in die Nase. Sein Angebeteter war wohl schon wach. Gähnend folgte er dem Geruch in die Küche, wo er Kaoru dabei entdeckte, wie jener zwei Schüsseln mit Reis auf den Tisch stellte. „Ah, Guten Morgen.“ „Morgen“, nuschelte der Rothaarige und trat näher. „Du kommst genau richtig. Das Frühstück ist fertig.“ „Ich seh's.“ Die nahm Platz und auch Kaoru ließ ich nieder. „Wie lange bist du denn schon wach?“ „Lange genug, um zu kochen“, grinste der Ältere. „Bin eben ein Frühaufsteher, das weißt du doch. Deswegen hatte ich mit Kochen angefangen. Mich wundert auch eigentlich mehr, dass du schon wach bist. Gibt es dafür einen Grund?“ „Ist einfach so passiert.“ Schulterzuckend nahm sich der Rothaarige die bereit gelegten Essstäbchen. Er faltete die Hände. „Itadakimasu.“ Sein Gegenüber tat es ihm gleich. „Lass es dir schmecken.“ „Immer doch.“ Schließlich hatte es sein Kaoru gekocht. Der konnte das. Etwas, was sich einen Bissen später wieder einmal bewahrheitete. „Lecker.“ Berührt von dem Kompliment senkte der Ältere den Kopf. Seit sein guter Freund hier war, hörte das jetzt nicht zum ersten Mal, ungewohnt war es dennoch. War ja keine Sterneküche, was er da auf den Tisch brachte, sondern ganz einfache Gerichte. „Freut mich. Wie herrlich süß das aussah, wenn sein Schwarm ein wenig Farbe im Gesicht hatte. Wenn ihm doch nur eine Methode einfiel, um das öfter zu verursachen, ohne dass es auffällig wirkte. „Uhm, wir wollten heute noch mal einkaufen, hab ich das richtig in Erinnerung?“ „Ja, hast du.“ Kaoru nahm einen Schluck von seinem Tee, um den Bissen besser hinunter zu bekommen. „Wir haben gestern ja nicht alles mit bekommen. Dazu ist morgen Sonntag. Da hab ich meist recht wenig Lust groß was für den Haushalt zu tun.“ Lachend lehnte Kaoru sich etwas zurück. Das war ein kleines Geheimnis, welches er bisher kaum einem erzählt hatte. „Oh? Der große Leader-sama kann privat auch mal was anderes als ein Arbeitstier sein?“, hakte sein Gegenüber gleich nach. So lange kannten sie sich schon, aber das war ihm auch noch nie aufgefallen. Trafen sie sich doch auch an den Wochenenden zum Proben oder sie traten auf. „Nur, wenn es um den Haushalt geht. Ich mag es zwar ordentlich, aber an den Sonntagen pausiere ich in dem Bereich.“ Staub war schließlich geduldig und am nächsten Tag auch noch da. Seine Prioritäten lagen an dem Tag eben auch anders. „Ein bisschen Entspannung muss doch auch sein.“ „Ja, muss.“ Wobei er selbst einige sehr schöne Vorstellungen von Entspannung hatte. „Aber wenn wir schon mal dabei sind. Lass uns doch heute Abend irgendwo hin gehen. Eine Bar oder einen Club. Raus aus der Bude. Ein bisschen Spaß haben.“ Lachend warf Kaoru den Kopf in den Nacken. „So lange du nicht vor hast was aufzureißen, einverstanden. Ich werde dir nämlich nicht erlauben, jemanden mit her zu bringen.“ „Tsk, als ob ich jemanden mit zu mir nehmen würde. Wäre verdammt bescheuert von mir, wenn ich jemanden wissen lasse, wo ich wohne, meinst du nicht?“ Es war sowieso nicht unbedingt einfach was für eine Nacht zu organisieren. Schließlich war es ein Geheimnis, dass er am Liebsten mit Männern das Bett teilte. Männern, die Ähnlichkeit mit Kaoru hatten. Aber Kopien blieben schlichtweg Kopien. Sie hatten in ihm nie die Gefühle hervorrufen können, wie die Nähe zum Original. Selbst jetzt, wo sie sich einfach nur gegenüber saßen, was aßen und alberten, spürte er ein wohliges Kribbeln. Ein schüchternes Flattern kleiner Schmetterlinge. „Keine Angst. Ich will niemanden aufreißen.“ 'Außer dir.' „Einfach nur raus gehen. Ich zahl auch“, fügte er hinzu, um seinen Freund endlich zu überzeugen. Kaoru nahm einen Bissen Reis, überlegte. „Könnte wirklich nicht schaden, ein wenig raus zu gehen.“ Zwischen den Touren und Proben den ganzen Tag zu Hause zu sitzen war dann ja auch nicht ganz das Wahre. „Gut, lass uns heute Abend irgendwo was Trinken gehen.“ Dai stieß einen Jubelschrei aus, grinste breit, was Kaoru ebenfalls dazu veranlasste. „Ah“, wurde der Ältere dann wieder ernst. „Wie geht es eigentlich deiner Hand?“ „Meiner Hand?“ Nachdenklich betrachtete der Rothaarige seine einbandagierte Linke. „Es... pocht noch ein wenig und ziept. Aber es ist nicht schlimm.“ „Würde vorschlagen, dass ich da gleich noch mal etwas Salbe drauf schmiere. Dann bleibt die Wunde weich und geschmeidig.“ Krankenschwester Kaoru. „Von mir aus gerne.“ So konnte er problemlos ein paar Zärtlichkeiten von seinem Angebeteten einheimsen. In Ruhe aßen sie ihre Mahlzeit, überlegten noch ein bisschen hin und her, was noch zu den Dingen auf ihrer Einkaufsliste geschrieben werden musste. Wirklich was einfallen wollte ihnen aber nicht. Was gut war, so mussten sie weniger tragen. Mit dem Essen fertig, stellten sie das benutzte Geschirr in die Spüle. Abwasch wurde gemacht, wenn sie wieder zurück waren. „Zieh du dich an, ich hole eben die Salbe und einen neuen Verband“, ordnete der Ältere an. „Jawohl, Chef.“ Schmunzelnd ging Die aus der Küche, ließ einen kopfschüttelnden Kaoru zurück, welcher sich ein Grinsen verkniff. In seinem Zimmer entledigte er sich auch gleich seines Schlafshirts und suchte sich frische Wäsche raus. Nicht so einfach, wollte er doch gut aussehen. „Was denke ich hier eigentlich?“, schimpfte er mit sich selbst. Wenn er sich jetzt schon so raus putzte, was sollte er dann heute Abend anziehen? „Also, casual.“ Eine dunkle Jeans, ein weißes Shirt und eine schwarze, lange Weste. So konnte er sich doch gleich beim Einkaufen zeigen. Als nächstes wollte er ins Bad. Morgentoilette betreiben. Von dort kam gerade sein Mitbewohner auf, der schon mal alles für die Wundversorgung besorgt hatte. „Gib mir noch fünf Minuten, okay?“ „Natürlich.“ Sprach ja nichts dagegen. Kaoru brachte alles in die Küche, legte es auf den Tisch dort. Damit nichts antrocknete, ließ er Wasser in die Spüle laufen, goss sich in seine Tasse aber noch mal etwas Tee ein. An die Arbeitsplatte gelehnt, streckte er sich einmal kräftig. Sein Körper war noch nicht ganz wach oder in Schwung. Ach ja, noch ein Mal so fit sein, wie mit siebzehn. Mit seiner Tasse nahm er an dem Tisch Platz, studierte noch einmal die Einkaufsliste, die an der Seite gelegen hatte. „Hm“, machte er und notierte noch 'Tageszeitung' auf dem Zettel. So hätte er nachher noch ein bisschen was zu lesen, ehe sie los zogen. War doch nie verkehrt sich ein wenig zu informieren. Und manchmal hielt er einfach lieber etwas in der Hand, als vor einem Display zu sitzen. Eine Bewegung zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Nur einen Moment später ließ Die sich ihm gegenüber nieder. Seine Mähne war nicht mehr ganz so wild und dem Älteren kam ein leichter Pfefferminzgeruch entgegen. „Dann zeig mir mal deine Hand.“ Ohne zu zögern hielt ihm der Andere selbige hin. Recht vorsichtig legte er die Wunde frei, begutachtete sie. „Alles dunkelrot in der Kruste. Das ist gut. Heißt, dass kein Dreck mehr drin war, weswegen sich das entzünden konnte.“ Ein guter Start zur Heilung. Er griff die Tube mit der Salbe, schraubte den Deckel ab und tat etwas von dem Inhalt auf ein Wattestäbchen. Vorsichtig tupfte er die weiße Creme auf die Verletzung, damit Dies Körper weitere Unterstützung zur Schließung hatte und alles ein wenig geschmeidiger wurde, um es angenehmer zu machen. Leicht zuckten die Fingerspitzen des Anderen. War wohl nicht ganz schmerzfrei für ihn. Jetzt bedauerte er sein Verhalten von gestern noch mehr. Als nächstes holte er seine Küchenschere, schnitt damit ein passendes Stück Gaze ab, um es auf die Handfläche zu legen. Abschließend wickelte Kaoru noch einen neuen Verband um alles. „Fertig.“ Er war sogar recht zufrieden mit seinem Werk. Als er aufsah, bemerkte er, wie sein Freund abwesend auf seine behandelte Hand starrte, dabei ein kleines Lächeln zeigte. Was war denn los? „Die? Alles in Ordnung?“ Hatte der sich an irgendwelchen Tabletten aus seinem Schrank bedient? Nein, nicht möglich. Da war nichts dabei, was so ein Verhalten auslösen würde. Fragend, leicht besorgt, aber vor allem verwirrt, wedelte er dem Gegenüber vor dem Gesicht herum. Mit Erfolg. Nur Augenblicke später kam dieser wieder ins Hier und Jetzt zurück. „Alles in Ordnung?“, fragte der Ältere erneut nach. „Uhm, ja. Ja, ist es.“ „Der Verband ist nicht zu fest?“ „Nein, alles gut.“ Der Rothaarige betrachtete seine Hand, begutachtete das Werk seines Freundes. „Sitzt gut.“ „Und warum warst du dann so weggetreten?“ Er zuckte mit den Schultern. „Noch nicht ganz wach.“ „Wenn du das sagst.“ Auf jeden Fall träumte sein Kumpel noch mit offenen Augen. „Ich räume das hier mal eben weg und danach können wir los gehen. Den Rest besorgen.“ „Okay.“ Die sah dem Älteren noch nach, sah dann wieder seufzend auf seine Hand. Sie kribbelte immer noch. Kaoru hatte ja keine Ahnung, was er in ihm auslösen konnte. Vor allem dann, wenn er so fürsorglich war. Es fühlte sich so schön an. Hinterließ aber einen bittersüßen Schmerz, der ihn in den Wahnsinn trieb. Er sollte bald wieder ausziehen. So sehr ihm dieser Gedanke auch missfiel und sich wie ein Dolch in sein Herz bohrte. Kapitel 8: ----------- Drei Stationen mit der U-Bahn und weitere fünf Minuten zu Fuß später, präsentierte Die seine Wahl für den heutigen Abend. Ein ungewöhnlich dezentes Schild neben der Tür war der einzige Hinweis darauf, dass sich hier eine Kneipe befand. Kaoru besah sich sowohl Schild, als auch Fassade etwas genauer, um sich schon mal einen Eindruck zu verschaffen, wurde jedoch Sekunden später schon von seinem Freund lachend durch die Tür geschoben. Drinnen herrschte eine entspannte Atmosphäre. Musik, die nicht zu laut war, ein Fernseher, der derzeit ein Baseballspiel übertrug und viele Tische in kleinen Nischen, damit man ein wenig unter sich sein konnte, wenn man es wünschte. Angenehmes Licht und eine gut gelungene Mischung aus hellen und dunklen Farben, machten zusammen mit der etwas altmodischen Einrichtung einen gemütlichen Eindruck. Aus dem hinteren Bereich, wo ein weiterer Raum zu sein schien, hörte man Spielautomaten und Leute, die Tischfußball zu spielen schienen. Ja, hier würden sie sicherlich einen sehr angenehmen Abend verbringen können. „Die erste Runde geht auf mich“, verkündete Kaoru, noch während sie sich an der Theke nieder ließen. „Da habe ich nichts gegen“, grinste sein Sitznachbar und schon wurden die ersten beiden Bier bestellt. „Womit hab ich das verdient?“ Kaoru nickte zu der verbundenen Hand. „Als kleine Entschuldigung dafür.“ Die winkte ab. Mit der verletzten Hand, was ihn kurz das Gesicht in Schmerz verziehen ließ. „Lass gut sein. Dafür kümmerst du dich ja jetzt auch darum, dass es wieder gut verheilt.“ Der Barmann stellte jedem ein Glas und eine Flasche Bier hin und Kaoru bekam beide auf seinem Deckel angeschrieben. „Auf uns?“ „Auf uns!“, stimmte der Rothaarige mit ein und sie stießen an. „Tut gut mal wieder raus zu kommen. Nur wir zwei.“ „Wir sehen uns ja auch so wenig in den letzten Tagen“, scherzte der Ältere, nahm einen weiteren Schluck. „Aber es ist schon besser, als die ganze Zeit daheim zu sitzen.“ Bewundernd sah er sich in dem Raum um. In der einen Ecke hing eine Dartscheibe, in der anderen Stand ein Billiard-Tisch. Einige Tische waren im restlichen Bereich verteilt und boten Platz für bis zu vier Leuten. „Ein wirklich schöner Ort. Woher kennst du den?“ „Zufall. Hatte vor ein paar Monaten mal ein bisschen im Internet geguckt. Die Kneipe, in die ich bisher so gerne gegangen bin, hat zu gemacht vor ein paar Monaten. Und die hier hatte ein paar gute Bewertungen und sah ganz nett aus auf den Fotos, die ich so gefunden hab. War auch schon ein, zwei mal hier.“ Hier hatte er sogar mal jemanden aufgerissen, aber für mehr als nur eine Nacht hatte es nicht gereicht. Nicht einmal für eine vernünftige Ablenkung, waren seine Gedanken doch auch dann immer nur bei einem gewesen: bei dem Mann, welcher jetzt neben ihm saß. „Hier sollten wir öfter hin kommen“, grinste Kaoru seinen Sitznachbarn an. „Hab ich nichts gegen.“ Die nahm einen weiteren Schluck von seinem Bier. „Wollen wir eine Runde Darts spielen?“ „Meinst du, dass das eine so gute Idee ist?“, warf der Ältere ein. Immerhin war sein Freund Rechtshänder und genau die war ja verletzt. „So ungeschickt bin ich mit der Linken ja nun auch nicht.“ Der Rothaarige zuckte mit den Schultern. „Ich würde es zumindest versuchen wollen.“ Auf keinen Fall wollte er den Abend hier auf dem Hocker verbringen. „Na gut“, gab Kaoru sich geschlagen. „Aber heul nachher nicht rum, weil es nicht so läuft, wie du willst.“ Die nahm einen kräftigen Schluck von seinem Bier. „Einverstanden. Wenn du dafür aufhörst dich wie ein Lehrer anzuhören.“ Nicht jeder Wurf war ein Volltreffer, aber so ganz übel spielte Daisuke trotz seines Handicaps nicht. Was sich mit jedem weiteren Bier auch wieder in Luft auflöste. „Die?“, versuchte Kaoru es ruhig und legte seine Hand über die Öffnung der nächsten Flasche, die sein Freund gerade ansetzen wollte. „Es reicht für heute Abend.“ Er würde nicht besser treffen, wenn er noch mehr trank. „Aber ich hab doch noch gar nicht gewonnen“, maulte der Rothaarige. Kaoru seufzte. „Wirst du in dem Zustand heute auch nicht mehr. Und jetzt komm. Ab nach Hause.“ „Ich will nicht nach Hause. Da bin ich allein.“ „Deswegen gehen wir ja auch zu mir.“ Wobei es den Älteren schon ein wenig stutzig machte, dass das Daisukes einzige Sorge war. „Zu dir?“ Helle Freude erstrahlte auf dem Gesicht des Rothaarigen. „Ja, zu mir.“ Da hatte wohl jemand eindeutig eine Flasche Bier zu viel gehabt. Im nächsten Augenblick hatte er das betrunkene Kleinkind an sich hängen. „Ich darf mit zu Kao.“ Jener wandte sich, Kopf schüttelnd, an den Barkeeper und beglich die noch ausstehende Rechnung. Ein wenig mitleidig, aber auch wissend wurde er von dem Mann angesehen, während er das Wechselgeld aushändigte. Solche Situationen waren sicherlich Alltag für ihn. Um den angetrunkenen Gitarristen nicht in die Bahn schleifen zu müssen, winkte er ein Taxi heran. War teurer, aber die stressfreiere Variante. „Ich darf mit zu Kao“, hörte man den Rothaarigen fröhlich summen. „Ja ja“, seufzte 'Kao'. „Und dort stecke ich dich sofort in dein Bett“, fügte er murmelnd und der Fensterscheibe zugewandt hinzu. „Was machen wir denn bei dir, Kao?“ Fragend hängte sich Die wieder an seinen guten Freund. „Sag, was machen wir?“ „Das überlegen wir, wenn wir da sind.“ „Nein, sag schon. Was machen wir?“ Jetzt wurde er ein wenig maulig. „Aussteigen.“ Denn dort vorne war ihr Ziel. Der Fahrer wurde bezahlt und sein Begleiter aus dem Wagen bugsiert. Ihn dann ins Gebäude zu kommen und hoch zur Wohnungstür zu bekommen, war ungewöhnlich einfach. Im Flur zog Kaoru sich Schuhe und Jacke aus, merkte dann, wie der Rothaarige gegen die Wand gelehnt kurz vorm Einschlafen war. „Die? Noch nicht einschlafen. Du musst deine Schuhe noch ausziehen.“ „Ausziehen?“ „Ja.“ Ein Schnurren von dem Jüngeren. „Ausziehen klingt gut.“ Mit einem anzüglichen Grinsen zog er Kaoru an sich heran, ließ seine Hände zielstrebig unter dessen Shirt gleiten. „Fangen wir doch hiermit an.“ „Was wird das?“ Irgendwie war dem Kleineren ein wenig mulmig. „Ich helfe dir beim Ausziehen. Wie du wolltest.“ „Nein. So war das doch gar nicht gemeint. Du solltest-“ Mitten im Satz wurde er mundtot gemacht, als sich die Lippen seines Kumpels auf seine legten. Die Hände verstärkten ihren Griff und pressten den anderen Körper fest an den, zu dem sie gehörten. So schmeckte sein Schwarm also. Dazu das warme Gefühl unter seinen Fingern. Überall kribbelte es, wo der Andere ihn berührte. Eine kleine Drehung und Kaoru war zwischen Wand und Daisuke. Er wollte gar nicht mehr aufhören ihn zu küssen, während eine Hand dessen Shirt nach oben schob. Mit der Anderen versuchte er unter den Hosenbund zu kommen. Er wollte immer mehr von dem Älteren spüren, wenn er schon mal die Chance hatte. Kurz trennten sich ihre Lippen. Seine Stimme war rau, fordernd, als er sagte: „Ich will dich.“ Fordernd küsste er den Kleineren, presste ihn an die Wand, presste sich an ihn. Ihm war richtig schwindelig vor Glück. Kaoru löste den Kuss, drehte seinen Kopf zur Seite. Eigentlich in Abneigung, aber Daisuke nutzte sofort die Gelegenheit, um den Hals seines Schwarms zu liebkosen. „Die...“ Jenem lief ein wohliger Schauer über den Rücken, der sich in Erregung umwandelte und in seinen Lenden manifestierte. „Mehr“, hauchte er. Weiter unten gelang es ihm endlich seine Hand unter den Stoff zu bekommen. Fest griff er in das Sitzfleisch. „Ich will dich. Schon so lange.“ Ihm Nahe sein, ihn fühlen. Ja, auch mit ihm schlafen. „Ich träume schon so lange hiervon.“ Kräftige Hände legten sich auf seine Schultern. Jetzt stieg Kaoru echt mit ein? „Daisuke...“ Oh, das war noch viel schöner. Wenn der Andere sich doch nur nicht verbieten würde zu zeigen, dass ihm gefiel, was man mit ihm machte. Dabei könnte er hören, wie der Kleinere sein Stöhnen unterdrückte. „Halt dich nicht zurück. Vor mir brauchst du dich nicht schämen.“ Küssend näherte er sich wieder den anderen Lippen, die fest aufeinander gepresst waren. „Ich liebe dich, Kaoru.“ Erschrocken riss der Ältere die Augen auf und den Kopf herum. Ein Fehler, denn im nächsten Augenblick spürte er schon wieder, wie er geküsst wurde. Die Hand an seinem Hintern hatte ihn immer noch fest im Griff, während die andere warm zwischen seinen Schulterblättern lag und an den größeren Körper drückte. So blieb ihm nicht viel Spielraum, um sich frei zu kämpfen. Aber das hier musste enden. Seine eigenen Hände gingen höher, packten den Anderen am Kiefer, um dessen Kopf weg zu drücken. „Hör auf!“ Den Moment der Überraschung nutzte er dann auch gleich aus. Er schubste den Anderen von sich weg, dessen Hand aus seiner Hose. Und als nächstes: Ein gezielter Schlag mit der Faust in das Gesicht seines Freundes. „Hast du sie eigentlich noch alle? Was fällt dir ein sowas hier abzuziehen?“ Schnaufend starrte er den Rothaarigen an. Aber der starrte nur zurück. Verwirrt, verletzt, völlig überfordert mit der Situation. Kaoru stieß noch ein frustriertes Grollen aus, ehe er stampfend davon ging. Direkt in sein Schlafzimmer. Am ganzen Körper zitterte er. War das eben wirklich passiert? Und hatte er wirklich die Dinge gehört, die er gehört hatte? So ganz konnte er es einfach nicht glauben. „Kaoru?“ Jetzt war er ihm auch noch gefolgt! „Hau ab!“ „Aber-“ „Verschwinde! Ich will dich nicht sehen und nicht hören!“ „Hör mir doch zu! Bitte...“ Kaoru riss wütend die Tür auf, starrte den anderen mit Funken sprühenden Augen an. „Halt auf der Stelle deine Fresse! Ich will kein Wort mehr von dir hören! Verschwinde!“ Einem getretenen Hund gleich sah Daisuke den geliebten Freund an. „Es tut mir-“ „Spar dir das! Davon will ich gerade nichts wissen!“ Lautstark knallte der Älter seine Schlafzimmertür zu. Am ganzen Körper zitterte er. Schlagartig wurde ihm übel, war ihm doch, als könnte er die aufdringliche Nähe immer noch spüren. Als würden die Dies Hände immer noch- Kaoru sank auf die Knie, hielt sich eine Hand vor den Mund. Begreifen konnte er dennoch nicht, was eben in seinem Flur geschehen war. Das... Das war doch nicht einfach nur ein Scherz gewesen, den Die zu weit getrieben hatte. Dann hätte er doch anders reagiert, nachdem er ihn weggestoßen hatte. Oder nicht? Nein, in dem Zustand, in dem er ihn hierher gebracht hatte, hätte er sich so etwas nie ausdenken können. Aber das hieß im Umkehrschluss auch, dass: „Die mich …?“ Fassungslos hob Kaoru den Kopf und starrte die Tür an. Jetzt war ihm nicht nur schlecht, ihm schwirrte auch der Kopf. Das war zu viel. Kapitel 9: ----------- Ein einziger Gedanke hallte laut durch seinen ansonsten leeren Kopf: Scheiße. Das eben war wirklich alles passiert. Er hatte nicht einfach nur davon geträumt Kaoru zu küssen und berühren zu können, er hatte es tatsächlich getan! Gegen dessen Willen... Noch immer starrte der Rothaarige die verschlossene Tür zum Schlafzimmer seines Freundes an. Er wollte sich entschuldigen, den Anderen um Verzeihung anflehen. Doch dieser wollte nichts mehr von ihm wissen. „Ich bin doch so ein Idiot“, schimpfte er mit sich. Tränen standen ihm in den Augen, als er die unversehrte Hand hob und sie auf das Holz der Tür legte. Hoffentlich war sie kein Symbol dafür, dass er nie wieder Zugang haben würde zu dem geliebten Freund. „Es-Es tut mir so Leid. Ich wollte-“ Doch, natürlich hatte er diese Form von Nähe von Kaoru gewollt. Seine Küsse, sein Stöhnen, seine Wärme. Aber freiwillig gegeben. Nicht eingefordert. „Wollte dir nicht weh tun. Wollte dir das nicht antun.“ Kein Wort drang aus dem Raum vor ihm. Hörte er ihm vielleicht zu? „Ich liebe dich.“ Jetzt hatte er es wirklich gesagt. „Länger, als du glauben magst. Und ich hatte so gehofft, dass ich es noch länger vor dir verschweigen kann.“ Schwindel erfasste ihn. War wohl besser, wenn er sich hin legte. Langsamen Schrittes trat er von Kaorus Schlafzimmer zurück, taumelte in das nah gelegene Gästezimmer, wo er sich auf seinem Bett nieder ließ. „Scheiße!“, zischte er. Vorsichtig legte er sich hin. Hatte keine Kraft mehr, um sich jetzt auch noch umzuziehen. Der Schwindel wurde schwächer, dafür die Tränen in seinen Augen stärker. Er würde Kaoru ja den Gefallen tun und verschwinden, aber gerade hatte er dafür nicht genug Kraft. Kaoru saß noch immer auf dem Boden seines Schlafzimmers. Erst nach und nach setzte sich in seinem Kopf fest, was er vorhin noch von dem Anderen gehört hatte. Länger, als er glauben mochte. Wie lange war das? Jetzt ergab Daisukes Verhalten in den letzten beiden Tagen auch viel mehr Sinn. Trotzdem. Er bekam einen Anfall. Ein Schauer des Ekels schüttelte ihn. Hastig zog er an seiner Kleidung. Aus. Er musste sich ausziehen. Alles musste weg. Nackt kauerte er auf dem Boden. Er verspürte den Drang sich zu waschen. Die Haut zu schrubben. „Wie hatte ich das nicht bemerken können?“ Vielleicht, weil er nie damit gerechnet hatte? Oder hatte Die es so gut verstecken können? Eine erschreckende Erkenntnis durchzuckte ihn: Wussten es die Anderen und nur er war so blind gewesen? Zittern erfasste ihn. Einige Bestandteile seiner Realität zerbrachen. Dinge, von denen er nie gedacht hätte, dass sie falsch wären oder ihm passieren würden. Der Drang, sich unter die Dusche zu stellen, heißes Wasser über seinen Körper laufen zu lassen wurde noch größer. Er hatte nur Angst, dass er Daisuke wieder begegnete. Und er konnte einfach nicht sagen, wie er darauf reagieren sollte. Oder wollte. Das hier war kein Scherz von dem Anderen. Intuitiv wusste Kaoru das. Jener hatte es ernst gemeint. Sein Liebesgeständnis- Schnell schlug er eine Hand vor den Mund. Der Stress schlug ihm auf den Magen. Es nützte nichts, er musste in sein Badezimmer. Gegen die Übelkeit ankämpfend rappelte er sich auf, versuchte tief durch zu atmen. Erfolglos. Sein Körper wollte sich nicht wieder beruhigen. Und wenn Die noch auf dem Flur war? Er musste einfach nur schnell genug sein. Den Weg kannte er schließlich. Also los. Kaoru riss die Tür auf und stürmte nach draußen,die fünf Meter über den Flur -vorbei an seinem Gästezimmer- und hinein ins Bad. Hinter sich warf er die Tür ins Schloss, drehte hastig den Schlüssel, ehe er rückwärts taumelte. Jetzt war ihm noch übler als vorher. Geschafft ließ er sich vor seinem Klo nieder. Keine Sekunde zu früh. Aufgeweckt durch die lauten Schritte und das Knallen der Tür, öffnete Die wieder seine Augen. Für einen Moment wusste er nicht mehr, wo er war. Da hörte er auch schon die unangenehmen Geräusche aus dem Badezimmer nebenan. Weil außer ihm nur noch sein Kaoru hier war, konnte er sich denken, wer der Verursacher war. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Natürlich konnte der Ältere vorhin in der Bar irgendwas zu sich genommen haben, was ihm jetzt nicht bekam. Mit größerer Wahrscheinlichkeit lag es aber an dem, was er ihm angetan hatte. Langsam richtete Die sich auf und ging auf die Wand zu, legte beide Hände darauf. Näher konnte und durfte er dem anderen Mann gerade nicht kommen. „Es tut mir Leid, Kaoru“, flüsterte er. In ihm zog sich alles zusammen, ließ ihn in die Knie gehen. Nicht nur der Schmerz darüber, dass ihre Freundschaft nun kaputt war und der Andere ihn vermutlich bis aufs Mark hasste, war unerträglich. Auch die Tatsache, dass diesem seine Taten derart zuwider waren, als dass er sich nun übergeben musste. Das war schon übertrieben. „So beschissen küsse ich nun auch wieder nicht!“ Machte er seiner verletzten Wut Luft. „Schnauze!“ Wurde rau zurück gebrüllt, gefolgt von einem Husten und einem weiteren Schwall, der in die Toilette ging. „Du brauchst dickere Wände. Das kann man sich ja nicht mit anhören.“ „Halt“, wieder ein Hustenanfall. Schreien bekam seinem Hals eindeutig nicht. „Halt endlich deine Schnauze! Ich rede nicht mehr mit dir!“ „Das hört sich aber gerade anders an.“ Irgendwie konnte Die gerade keine Ruhe geben. Mit einer einfach Zurückweisung hätte er sich ja noch irgendwie arrangieren können. Aber wenn man so auf seinen Gefühlen herum trampelte, ließ er sich das nicht gefallen. „Warum bist du überhaupt noch da?“ „Weil...“ Die Wut verpuffte. Immerhin redete Kaoru doch wieder ein bisschen mit ihm. „Weil es mir gerade ein wenig wie dir geht. Kann mich im Augenblick nicht wirklich auf den Beinen halten. Da ist es mit dem Packen etwas schwer.“ Verächtliches Schnauben kam von der anderen Seite der Wand. „Hey! Das ist keine Ausrede! Mir geht es wirklich nicht gut.“ „Gleich kommt es: Das letzte Bier war schlecht.“ Irrte Die sich oder war die Stimme näher? Und hörte er da ein kleines Lachen? „War es wohl wirklich. Sonst... Sonst würden wir uns jetzt nicht durch eine Wand hindurch unterhalten. Komme mir vor wie damals bei dem Schulausflug nach Kyoto.“ „Wo sie so blöd waren uns in getrennte Zimmer zu packen, damit wir nicht so viel Blödsinn machen, aber diese Zimmer nebeneinander lagen?“ Das kleine, schmerzende Herz wurde wieder einen Hauch wärmer. Schön, dass Kaoru sich daran noch erinnerte. „Die?“ „Hm?“ „Wenn... Wenn das letzte Bier nicht schlecht gewesen wäre...“ Oh je, was kam denn jetzt? „Wie lange hättest du es mir dann noch verschwiegen?“ Ein langes Schweigen. Der Rothaarige überlegte und überlegte. Hätte es einen Moment geben können -einen realistischen Moment. Keinen kitschigen Möchtegern-Moment- in dem er es Kaoru gebeichtet hätte? „Daisuke?“, rief Kaoru nach dem Anderen, um sicher zu gehen, dass jener nicht einfach eingeschlafen war. „Bin noch da“, kam es zurück. Der Ältere angelte unterdessen nach dem blauen Badehandtuch unweit von ihm, dass zum Trocknen aufgehängt worden war. Er heizte, aber nackt war es doch recht kalt auf den Fliesen. Er legte es sich um die Schultern, und wickelte sich, so gut es eben ging, darin ein. „Doch noch so lange?“, übernahm er wieder das Reden und erleichterte Dai so um eine Antwort. „Vermutlich“, kam es ganz leise. „Oder nie.“ Ein Seufzen. „Eher nie.“ Das hatte er sich gedacht. Aber wie weit wäre sein Freund wohl gegangen, wenn sie in fünf, sechs Jahren in solch eine Situation geraten wären? Es hätte sich doch noch so viel mehr angestaut bis dahin. „Und wie lange...?“ „Was meinst du?“ „Länger, als du glauben magst“, zitierte er den Anderen. „Wie lang ist das? Seit wann...?“ Seit wann empfand Die also so? „Was glaubst du denn?“ „Daisuke. Keine Witze jetzt. Antworte mir. Das bist du mir jetzt schon schuldig.“ „Ich weiß“, kam es geseufzt. Seine Stimme war belegt, die Augen feucht. „Ich weiß...“ „Also sag an. Ein paar Wochen?“ Frischer Liebe wurde ja doch ein wenig Impulsivität nachgesagt. Was das Bedrängnis im Flur vorhin erklären würde. „Monate?“, schlug er noch zaghaft vor, nachdem es still geblieben war. „Jahre.“ Ungläubig riss Kaoru die Augen auf, musste hart schlucken. Jahre? „Acht“, wurde ergänzt, ehe er nachfragen konnte. Gut, dass er schon saß. Ansonsten täte er es spätestens jetzt. „Acht, seit denen es mir bewusst es. Und noch mal ein halbes Jahr dazu, in dem ich überlegt habe, was mit mir los ist, wenn ich bei dir bin. Warum es mir heiß und kalt den Rücken runter läuft, wenn du dir über die Lippen leckst. Oder mit einer Hand durch deine Haare fährst. Was und warum etwas in meinem Inneren explodiert, wenn du mich anlächelst. Was der Grund dafür ist, dass du in meinen Träumen auftauchst...“ Seufzend schloss Daisuke die Augen, legte eine Hand an die Wand. Wie gut, dass sie da war. Sein Schwarm sollte ihn so nicht sehen. Gleichzeitig schien sie ihnen beiden das Reden zu erleichtern. „Es verstehen und es akzeptieren waren aber auch noch mal zwei ganz verschiedene Dinge. Lange habe ich mit mir gekämpft, weil ich es nicht wahr haben wollte.“ Kaoru erinnerte sich. „Die Phase, wo du damals so unkonzentriert warst.“ Es war Die unheimlich schwer gefallen sich die einfachsten Melodien zu merken. Hatte sich oftmals zurück gezogen. „Kein Wunder, dass du es mir nicht erzählen wolltest.“ Nach etlichen erfolglosen Versuchen hatte er schon an sich selbst und ihrer Freundschaft gezweifelt. „Und obwohl ich wegen dir und meiner Gefühle für dich so am Boden war“, erzählte Die weiter. „Warst du auch derjenige, durch den ich wieder zurück fand.“ „Eh?“ „Ich hasste es dich so leiden zu sehen. Aus einem Grund, den du nicht kanntest. Weil ich dich wieder lächeln und vor allem weil ich das Strahlen in deinen Augen sehen wollte, habe ich mich wieder hoch gekämpft.“ „Ich hab doch keine Leuchtaugen“, murmelte Kaoru, fühlte sich aber gerührt, während der Gitarrist auf der anderen Seite der Wand sich ein Lachen verkniff. Wieder schwiegen sie. Kaoru, weil er das Ganze erst noch irgendwie einordnen musste. Daisuke, weil er seinem Freund einfach die Zeit geben wollte. Der Ältere starrte einige Löcher an die gegenüber liegende Wand, den Kopf an die in seinem Rücken gelehnt. Die Übelkeit war mittlerweile ganz verschwunden. Ebenso das Bedürfnis sich die Haut vom Körper zu reißen. Darüber war er schon ganz froh. Wie aber machten sie jetzt weiter? Selbst, wenn sie so taten, als wäre nichts. Irgendwie würde es immer zwischen ihnen stehen. „Geht... es dir wieder besser?“, erkundigte sich der Rothaarige. „Ja. Und dir?“ Kaoru war wütend gewesen, aber dass sein Kumpel auch ein wenig gestrauchelt hatte, hatte er nicht vergessen. „Im Sitzen geht es. Werde wohl gleich zum Bett rüber krabbeln“, lachte Daisuke. Würde bestimmt einen sehr demütigenden Anblick abgeben. Von der anderen Seite der Wand hörte er schon, wie man über ihn lachte. Gut, dass der Ältere das wieder konnte. „Übrigens“, setzte der Schwarzhaarige an. „Du küsst nicht 'beschissen'.“ „Oh? Danke“ Jetzt wurde der Jüngere doch verlegen. „Passabel, aber nicht beschissen.“ „Hey!“, protestierte er, stieg dann aber in das Lachen mit ein. Nichtsdestotrotz, es war immer noch ein Kompliment. Von dem Menschen, den er so liebte. Gleich darauf seufzte er allerdings wieder. „Was ist los?“ „Wenn wir gerade schon dabei sind uns auszusprechen...“ „Dann?“ „Gäbe es da eine Sache, bei der ich dir noch reinen Sake einschenken muss.“ Daisuke fuhr sich mit beiden Händen über sein Gesicht. Besser jetzt, als es noch weiter verschweigen. „Ich höre.“ Mit einem riesigen Stein im Magen, aber er hörte. Ob es ein noch größerer Hammer wäre wie die Tatsache, dass sein bester Freund auf dieser Welt etwas von ihm wollte? „Es gab keinen Wasserrohrbruch. Mit meiner Wohnung ist alles in Ordnung.“ Kapitel 10: ------------ Dampfend stand eine Tasse grünen Tees vor ihm, der er aber keine Beachtung schenkte. Viel wichtiger war der Zettel in seiner Hand. Hier auf dem Küchentisch hatte er ihn vorhin gefunden und auch schon einige Male gelesen. Jedoch schnürte der Inhalt ihm schlichtweg die Brust zu. Weglegen konnte Kaoru ihn aber einfach nicht:   Mein liebster Kaoru. Mein guter, lieb gewonnener Freund. Mein... Ach, du weißt schon. Vor wenigen Augenblicken habe ich gehört, wie du zurück in dein Zimmer gegangen bist. Kein Wort hast du mehr gesagt. Das schmerzt, aber ich kann dich verstehen. Und ehrlich gesagt, hätte ich auch nicht gewusst, was ich dir noch sagen soll. Ich dachte nur, dass du es wissen solltest. Wenn ich schon dabei war, dir die Wahrheit zu erzählen.   Eine Wahrheit, die unsere Freundschaft zerstört hat. Nein, versuch nicht Argumente zu finden, es zu widerlegen. Mach den Mund wieder zu und lies bitte einfach weiter. So, wie ich versuche das Papier nicht allzu sehr mit Tränen zu tränken. Ja, ich weine. Über diesen Verlust.   Nichts, was wir sagen oder tun könnten, wird dafür sorgen, dass es zwischen uns so wird wie früher. Wirklich. Gar nichts. Da kannst du dir deinen Kopf noch so sehr zermartern. Deinen schönen Kopf, mit der markanten Kinnlinie, die ich so gerne einmal mit meinen Lippen nachgefahren wäre. Den wachsamen Augen, den Nein, selbst meinem Kaoru wird da nichts einfallen können. Meine Gefühle müssten aufhören zu existieren und Geschehenes ungeschehen gemacht werden...   Gerade sind einige Minuten vergangen, in denen ich meine Tränen einfach nicht mehr zurück halten konnte. Ich habe dich verloren. Meine Liebe will es nicht hören, geschweige denn akzeptieren und zerfetzt mir gerade die Brust. Sie will anknüpfen. Mit dem fortfahren, was ich so sehr bereue und was erst diesen schrecklichen Keil zwischen uns getrieben hat. Hin und her gerissen bin ich. Ich bereue, bedauere, hasse mich dafür, was ich dir vorhin angetan habe. Dass sich da irgendein Schalter in mir umgelegt hatte und ich mich nicht mehr zügeln konnte. Ich bereue, bedauere, hasse mich dafür, dass ich mir nicht noch mehr geholt habe. Mehr von deinen fantastischen Küssen, mehr von dem Gefühl deiner warmen Haut. Mehr von deinem Stöhnen und wie du meinen Namen sagst, wenn du   Die letzten Jahre waren eine bittere Pille und eine süße Nascherei. Jeden Tag haben wir uns gesehen, haben Pläne geschmiedet, waren unterwegs. Waren beieinander. Nachdem wir vor zwei Wochen notgedrungen aus Amerika zurück kommen mussten, weil Kyo seine Stimme verlieren könnte... Ich bin nach zwei Tagen wahnsinnig geworden. Plötzlich warst du nicht mehr da. So sehr ich mich auch umsah, so sehr ich meine Ohren auch spitzte. Keiner meiner Sinne konnte dich erfassen. Ich war ein Süchtiger auf Entzug. Mit den selben Symptomen. Der selben Verzweiflung. Noch ehe ich mich versah, hatte ich mein Handy in der Hand, hatte deine Nummer gewählt. Hatte deine Stimme gehört und sofort Linderung verspürt. Schneller als ich denken konnte, hatte meine Zunge dir diese Lüge mit dem Wasserrohrbruch erzählt. Weißt du eigentlich, wie viel Mühe es mich in dem Augenblick gekostet hat, nicht laut aufzuschreien und dir durch das Telefon hindurch um den Hals zu fallen? Und nur, weil du meintest, dass ich in der Zwischenzeit doch zu dir kommen könnte. Dass es kein Problem sei. Nicht für eine Sekunde hab ich überlegt, wie ich aus der Sache wieder raus komme.   So jedenfalls nicht. Ganz und gar nicht.   Ich liebe dich. Da hast du es noch einmal. Schwarz auf weiß. Ich liebe dich. Den stursten, arbeitswütigsten, einfühlsamsten, Atem verschlagensten Bock aller Zeiten. Mit deinem Grinsen, deinem kleinen Bart, den du dir hast wachsen lassen und der mich um den Verstand bringt seit dem, weil er dein Sexappeal noch mal ins Unermessliche steigert. Dein Geruch, der mich beruhigt, aber auch anregen kann. Deine schönen Augen, die immer so warm in meine Richtung sehen. Selbst, wenn du mit mir schimpfst. Nur vorhin... Den Ausdruck in deinem Gesicht werde ich nie wieder vergessen können. Den Ausdruck, den ich verursacht habe. Darum werde ich packen. Werde in meine Wohnung zurückkehren. Das hier war meine Überdosis. Und zwischen uns ist es jetzt kritisch. Wenn ich bleibe... Ich möchte es nicht ertragen. Die Stille zwischen uns. Dass wir nicht wissen, wie wir noch miteinander umgehen sollen. Ich gehe, damit wir keine Angst haben müssen, dass sich dieser Schalter noch einmal umlegt. Ich will dir nicht weh tun, mein geliebter Freund. Nicht noch einmal das Entsetzen und die Angst sehen müssen.   Die Taschen sind gepackt und ich bin startklar. Oder so gut wie. Diese letzten Zeilen schreibe ich dir hier an deinem Küchentisch. Eigentlich müsste ich noch einmal von vorne anfangen. So vieles ist durch gestrichen und das Papier an einigen Stellen feucht und durchgeweicht. Doch ich lasse es. Denn so ist er genau richtig. Er ist ehrlich.   Noch so viel zu sagen. Noch so viel zu klären. Aber mir geht der Platz aus. Mich verlässt der Mut. Ich will nicht gehen. Ich will bei dir bleiben. Mich weiterhin meiner Sehnsucht hingeben und dir nahe sein.   Ich liebe dich.   Dein Freund (?) Daisuke     Und wieder war er am Ende der Rückseite angelangt. Starrte auf die letzten Zeilen. Was davon ihm mehr ins Herz stach? Er wusste es nicht. Oder waren es gar die runden Stellen, an denen sich das Papier gewellt hatte von den getrockneten Tränen? Seine Augen richteten sich auf das Fragezeichen. Daisuke hatte selbst geschrieben, dass ihre Freundschaft zerstört war. Und er hatte auch recht damit, dass es keinen Weg gab, um es wieder zu richten. Warum also dieses Fragezeichen? Ich liebe dich. Acht Jahre. Ein Süchtiger auf Entzug. Heiße, raue Hände auf seiner Haut. Verlangende Lippen auf seinen. Kaoru schlug eine Hand vor den Mund und schloss die tränenden Augen. „Kaoru“, klang es in seinen Ohren, begleitet von dem Bild Daisukes, wie er ihn mit seinem breiten, ansteckenden Grinsen warm anlachte. Und zerbröckelte. Er hatte diesen Mann verloren. Kaoru liebte ihn. Als Freund, als Bruder im Geiste. Vor so vielen Jahren war er in sein Leben getreten und nie hätte einer von ihnen sich vorstellen können, dass es einmal anders sein sollte. Daisuke war weg. Gegangen. Und hatte neben der grausamen Stille und Einsamkeit einfach nur ein riesiges Loch hinterlassen. Das Einzige, was geblieben war, war dieses Stück Papier auf welchem der Andere sich selbst und seine ganzen Gefühle verewigt hatte. Kapitel 11: ------------ „Du siehst ja auch so scheiße aus.“ „Was für eine charmante Begrüßung“, grummelte Kaoru. Da veranstaltete er einen Krankenbesuch bei ihrem Sänger und der kam ihm so. „Kann ich rein kommen?“ Wortlos, aber immer noch mit Hoch gezogener Augenbraue, trat der Kleinere zur Seite. „Danke.“ Er bekam ein Paar Pantoffeln hingestellt, wurde aber immer noch skeptisch angesehen. „Was starrst du mich so an?“ Für einen Moment hielt Kyo den Blick noch, schüttelte dann aber den Kopf und ging vor in die Küche, um seinem Gast einen Tee aufzusetzen. „Nichts. Ich frage mich nur, warum du und Daisuke so beschissen aussehen, wo ich doch derjenige bin, der krank ist.“ „D-Daisuke?“ Mit dem Namen hatte er jetzt absolut nicht gerechnet. „Ja, unser Daisuke. Der war gestern hier. Zumindest körperlich. Sah aber mehr aus wie ein wandelnder Toter.“ Kyo schüttelte sich schaudernd. Hatte wirklich furchtbar ausgesehen, der Ältere. „Wollte mir aber ums Verrecken nicht erzählen, warum.“ Fragend sah er zu seinem Gast. „Hast du eine Ahnung? Oder verrätst mir zumindest, warum es dir so mies geht? Und muss ich mir um die anderen Beiden auch solche Sorgen machen?“ „Darfst du eigentlich schon wieder so viel quatschen?“, brummte er die Gegenfrage. Normalerweise war der Zwerg nicht so neugierig. Missmutig ließ Kaoru sich an dem Tisch in der Küche fallen. „Reden ja, mich aufregen und schreien nicht. Ich tu es aber, wenn du mir jetzt auch mit einem Schulterzucken kommst.“ Mittlerweile war der Wasserkocher befüllt und angeschaltet, sodass Kyo sich schon mal um zwei Tassen und passenden Inhalt kümmern konnte. „Also, krieg ich ein paar Antworten?“ Seufzend fuhr der Ältere mit beiden Händen über sein Gesicht. Was wollte und was konnte er erzählen? „D-“ Mist, jetzt scheiterte es schon am Namen des Anderen. „Daisuke und ich“, na, das ging ja doch, „haben uns gestritten. Dabei... ist einiges gesagt worden, was... Jedenfalls ist es im Moment fraglich, ob wir noch Freunde sind.“ „Aha.“ Kyo goss das Wasser auf und stellte die Getränke auf den Tisch, ließ sich gegenüber von seinem Besucher nieder. Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte er sich zurück und starrte den Größeren eindringlich an. „Und jetzt die ganze Wahrheit.“ „Eh? Aber ich-“ „Die ganze Wahrheit.“ Kaoru musste schlucken und hatte das Gefühl unter diesem Blick zu schrumpfen. Verdammt, er dachte, er wäre gegen alle bösen Blicke immun, aber.... War sein Selbstbewusstsein derzeit echt so im Eimer? „Wusstest du“, fand er schließlich seine Sprache wieder, „dass Die seit unglaublichen acht Jahren unglücklich verliebt ist?“ Fragend sah er zu dem Jüngeren, der ihn aber nur stumm ansah und mit seinem Blick zum weiter reden aufforderte. Allerdings kam er wieder ins Straucheln. Wäre es seinem Freund recht, wenn er das einfach weiter erzählte? Gleichzeitig spürte der Gitarrist aber auch, dass es gut tun würde, wenn er begann sich das von der Seele zu reden, statt weiter in sich hinein zu fressen. „Ich hab das nicht gewusst. Vor sechs Tagen hat er es mir erzählt. Nachdem...“ Seufzend beugte er sich vor, legte seine Stirn auf der Tischplatte ab. „Nachdem er mich geküsst hat.“ Eine Weile herrschte Stille in dem kleinen Raum, in dem Kaoru schon überlegte, ob er weiter ins Detail gehen musste, damit Kyo verstand. „Hat er also doch endlich mal einen Arsch in seiner Hose gehabt.“ „Eeh?“ Verwirrt ruckte der Kopf des Älteren nach oben. Verstand er gerade richtig? „Du hast mich schon verstanden“, bestätigte Kyo ihm gleich und löste die verschränkten Arme, beugte sich anschließend vor, um einen vorsichtigen Schluck aus seiner Tasse zu nehmen. „Korrigiere mich, wenn ich falsch liege. Daisuke hat dir endlich mal gebeichtet, dass er dich liebt. Ist aber gefühlt mit der Tür ins Haus gefallen, indem er dich geküsst hat. Ihr beide habt euch gezofft, weil du es nicht erwiderst. Eventuell sogar angewidert bist. Was ich auch verstehen könnte. Deswegen sieht er jetzt so scheiße aus. Und du... Weil es dir Leid tut, dass ihr im Streit auseinander gegangen seid?“ Kurz räusperte er sich, nahm einen weiteren Schluck. Er sollte nicht so viele Sätze am Stück sprechen. Begleitet von einem schwermütigen Seufzen nickte Kaoru, legte seinen Kopf wieder auf dem Tisch ab. Keine Ahnung, wie Kyo das machte, aber er hatte verdammt tief ins Schwarze getroffen. „Lag ich mit dem angewidert richtig?“ „Ja“, gab Kaoru grummelnd zu und hob seinen Kopf wieder etwas an, damit er den Jüngeren ansehen konnte. „Wärst du auch, wenn dein bester Freund seine Hände plötzlich unter deinen Klamotten hätte und versucht dir die Zunge in den Hals zu stecken.“ „Oh ha. Ihr wart vorher einen Trinken, oder?“ Nur so konnte er sich erklären, wie der andere Gitarrist nach all der Zeit seine Beherrschung verloren hatte. Wieder ein lang gezogenes Ja. Wie konnte Kyo so gut Bescheid wissen, obwohl er gar nicht dabei war? Apropos: „Woher weißt du eigentlich von seinen Gefühlen für mich?“ „Daisuke träumt von dir und redet im Schlaf. Blöde Kombination. Und der Grund, warum ihr euch in den letzten Jahren kein Zimmer geteilt habt. Sein Glück, dass du beim Schlafen im Tourbus immer Ohrstöpsel trägst.“ Mehrfach blinzelte Kaoru. „Echt jetzt?“ „Echt jetzt.“ Den Kopf auf eine Hand gestützt, betrachtete Kyo erwartungsvoll seinen Leader. „Und was machst du jetzt?“ „Ich-“ Tja, gute Frage. Was machte er? „Ich hab keine Ahnung. Ich will ihn nicht als Freund verlieren, nur... bin ich einfach nicht... schwul.“ Wieder vergingen Sekunden des Schweigens. „Ich werde dir jetzt etwas sagen, was dir nicht gefallen wird.“ Neugierig, aber skeptisch sah Kaoru auf, wartete aber auf das, was der Sänger von sich geben wollte. „Ihr könnt euch beide drehen und wenden, wie ihr wollt: Es wird keine Lösung geben, mit der ihr beide glücklich werdet. Es wird eher das Gegenteil passieren.“ Kyos Worte erinnerten ihn an den Brief, den Daisuke ihm zurück gelassen hatte. „Nichts, was wir sagen oder tun könnten, wird dafür sorgen, dass es zwischen uns so wird wie früher.“ Sollte es das wirklich gewesen sein? Verzweifelt legte Kaoru seine Arme auf den Tisch und seinen Kopf auf ihnen ab. Er konnte nicht mehr. Das wurde ihm alles zu viel. Und wieder flossen die Tränen. Mitfühlend strich Kyo ihm ein wenig über das schwarze Haar. Mehr konnte er im Augenblick nicht ausrichten. Kapitel 12: ------------ Probe. Die erste seit einigen Wochen. Angesetzt von Kyo, weil er seiner Stimme soweit wieder traute und auch der Arzt ihm sein okay gegeben hatte. Nun wollte er sich wieder ans Singen heran wagen und zusammen mit den Anderen an ihren Liedern arbeiten. Wege und Änderungen finden, mit denen es zwar immer noch ihre alten Songs waren, aber seine Stimmbänder weniger in Mitleidenschaft zogen. Ganz offensichtlich jedoch, war nicht jeder von ihnen scharf auf dieses Treffen. „Aber wehe, unsereins kommt zu spät“, grummelte Kyo und sah schlecht gelaunt von seinem Handy zur Tür. Kaoru ließ auf sich warten. Mit ihm wären sie vollständig. „Sieht ihm so gar nicht ähnlich. Der setzt doch sonst Himmel und Hölle in Bewegung, um pünktlich zu sein.“ Toshiya stand neben der Kaffeemaschine und ließ sich eine Tasse ein, sah aber ebenfalls zur Tür. Ein bisschen sorgte er sich schon. Eben, weil es so untypisch für ihren Leader war. Gut, untypisch war auch der ungewöhnlich stille Daisuke, der es sich nach einer kurzen Begrüßung mit seiner Gitarre im Probenraum gemütlich gemacht hatte. „Ob ihm was passiert ist?“ „Besser wäre es.“ Mürrisch lehnte sich Kyo in dem Sessel zurück, in dem Kaoru sonst immer gerne saß. „Ansonsten kriegt der heute mal seine eigene Medizin zu schlucken.“ „Kyo“, kam es tadelnd von dem Drummer, der einen seiner Sticks mit den Fingern kreisen ließ. „Am Ende hatte er einen Unfall und liegt nun irgendwo.“ „Mal doch nicht gleich den Teufel an die Wand“, gab Toshiya gelassen von sich und ließ sich vorsichtig auf dem Sofa nieder. „Mich würde eher interessieren, was mit dem da drüben los ist. Kommt hier an, grüßt nur knapp und leise, ehe er sich nach nebenan verzieht und sich seine Gitarre schnappt. Nicht mal die Sonnenbrille hat er abgenommen.“ „Augenringe des Todes.“ Kyo sah immer noch böse auf zur Tür. Als ob sie sich deswegen öffnen und ihren Leader ausspucken würde. „Meinst du? Er sieht jetzt aber nicht so aus, als wäre er gestern feiern gewesen.“ In den vielen Jahren, in denen sie sich alle nun schon kannte, wusste man einfach, wie die anderen mit einem Kater aussahen. Nun, fast alle. Kyo hatte dem ja abgeschworen. Genau jener schien einen Geistesblitz zu kriegen, weiteten sich doch seine Augen und er setzte sich aufrecht. „Wehe, wenn er deswegen nicht hier auftaucht.“ „Weswegen denn?“, hakte Shinya nach und runzelte die Stirn. „Weißt du etwa mehr als wir?“ Noch eine ganze Ecke wütender auf ihren anderen Gitarristen, lehnte Kyo sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust. „Die beiden hatten Krach.“ „Wer?“, neugierig sah der Bassist von seiner Tasse auf. „Die und Kaoru?“ Der Sänger nickte. „Und worüber?“ Jetzt wollte der Schlagzeuger aber auch mehr wissen. „Ehekrach.“ „Hä?“, kam es einstimmig von den beiden jüngeren Japanern. Kyo verdrehte die Augen und stöhnte auf. „Welches Geheimnis kennen wir, aber nicht Kaoru?“ Mit eindringlichem Blick sah er zu den Beiden. Jene sahen sich überlegend an, bis es nahezu zeitgleich 'klick' zu machen schien. „Ah!“ Binnen einer Sekunde wechselten die aufgehellten Gesichter jedoch in Verständnis: „Ohw!“, und Bestürzung: „Oh scheiße!“ Ganz offensichtlich hatten sie die wenigen Worte des Sängers, sowie das Verhalten des Gitarristen richtig interpretiert und die passenden Schlussfolgerungen gezogen. „Schön, dass euch mein Liebesleben so interessiert.“ Erschrocken sahen die beiden Jüngeren hoch und zu Die, der mit verschränkten Armen in der Tür zum Proberaum stand und am Rahmen lehnte. Nur Sekunden später wechselte seine Körperhaltung allerdings in eine entspannte, aber auch geknickte. Mit seiner Linken zog er sich die Sonnenbrille von der Nase, während er auf die Sitzgruppe zu ging und sich nieder ließ. Sollten sie doch die dunklen Ringe unter seinen roten Augen sehen. „Er weiß es und er liebt mich nicht. Ende der Geschichte.“ „Ach, Die. Ich-“ „Nein, Toshiya. Es ist lieb, dass es dir Leid tut, aber du kannst da nichts für. Und ändern auch nicht.“ Traurig und verbittert war sein Lächeln, während er mit den feuchten Augen zu Boden sah. „Er liebt mich einfach nicht.“ Worte, die in sein blutendes Herz stachen. „Das wusste ich zwar die ganze Zeit schon, aber... Ich muss jetzt damit leben und mich auch damit abfinden.“ Und wenn es noch unzählige, verweinte Nächte bedeutete. Appetitlosigkeit und das beschissene Gefühl von Machtlosigkeit und Leere. Irgendwann würde es nicht mehr ganz so schlimm weh tun. Zaghaft meldete Shinya sich zu Wort: „Schon eine Ahnung, wie das jetzt zwischen euch weiter laufen soll?“ Nach einem kurzen Moment der Stille, schüttelte der Rothaarige langsam den noch immer gesenkten Kopf. „Scheiße“, murmelte Toshiya und begann zu grübeln. Wenn es keinen Weg gäbe, dass die beiden sich wieder verstanden, was würde dann aus der Band werden? Selbst wenn man, wie sie, einen recht guten Ruf hatte, war es nicht unbedingt einfach in einer neuen Band unter zu kommen oder eine neue zu gründen, die ähnlich erfolgreich war. Und wenn er ehrlich sein sollte: In keiner anderen spielte er lieber, als dieser hier. „Woher weißt du das eigentlich?“, wandte Die sich an den Sänger. „Ich habe dir davon nicht erzählt.“ „Hast du auch nicht“, brummte Kyo und wandte seine Aufmerksamkeit von der Tür zu dem Rothaarigen. „Aber du bist nicht der Einzige, der sich bei mir ausgeheult hat.“ „Er war bei dir?“ Überrascht setzte Die sich aufrecht und beugte sich mit weit aufgerissenen Augen vor. „Er hat dir erzählt, was passiert ist?“ „Irgendwem musste er sich anvertrauen. Bei dir konnte er das ja nicht.“ Schmerzhaft zuckte Die zusammen. Dieser Seitenhieb war echt nicht nötig. Leise, beinahe sanft fügte Kyo noch hinzu: „Hat ewig gedauert, bis er aufgehört hatte zu weinen.“ Welch grausame Wahrheit. Den Tränen nahe, krallte sich seine rechte Hand in den Stoff über seinem Herzen. Verkümmerte sein Herz gerade oder zerriss es sich? Knüpfte es sich auf und starb gerade den Erstickungstod? Vielleicht tat es das auch alles zur gleichen Zeit. „Und alles nur...“ „... weil du mit deinem Schwanz gedacht hast.“ „Kyo!“, kam es vorwurfsvoll von den beiden Jüngeren, während sich Sänger und Gitarrist lange in die Augen sahen. Bis Daisuke seufzend den Kopf senkte. „Du hast ja recht.“ Er hatte in dem Moment wirklich nicht mit seinem Verstand gedacht. „Wenn ich mich doch bloß-“ „Was? Weiter verschlossen und es für dich behalten hättest?“ Fragend zog Kyo eine Augenbraue hoch, schüttelte dann den Kopf. „Nein, es ist gut, dass er es weiß. Über die Art und Weise kann man nun diskutieren wie man will, aber es ist gut so. Schließlich hatte er doch ein recht darauf.“ Ein Räuspern. Alle Vier schreckten -mehr oder weniger- hoch. Da war er. Leise musste er die Tür geöffnet und sich herein geschlichen haben. Kaoru. Oder zumindest jemand, der Kaoru sein könnte. Eine Sonnenbrille, die das halbe Gesicht verdeckte. Ein Bart, der deutlich älter als drei Tage und absolut ungewollt aussah. Dazu eine Körperhaltung, als hätte man jegliches Selbstbewusstsein aus ihm heraus gequetscht. Das bisschen Gesicht, was man erkennen konnte, wirkte blass und die Wangen etwas eingefallen. Wie so oft trug er ein weites, bequemes Shirt unter seiner Jacke. Aber dieses Mal sah er richtig verloren darin aus. Ein Kind, dass die Kleidung seines Vaters trug, um sich mal wie ein Erwachsener zu fühlen. „Hi Leute.“ Selbst seine Stimme klang nicht wie die, die man von ihm gewohnt war. Dünn und kraftlos. Mehr Worte und man hätte vielleicht auch noch brüchig hinzufügen können. Da bekam selbst Kyo, der Sekunden vorher noch extrem sauer war, Mitleid. Nur ein bisschen, aber es reichte, um sich nicht weiter aufzuregen. Dies Hände hingegen krallten sich in die Polster des Sofas. Er selbst hatte sich heute morgen ja schon für einen Geist gehalten, aber sein geliebter Freund war ja nur noch ein Schatten seiner selbst. Ein Zustand, an dem er Schuld war. So gerne wollte er aufspringen und seinen Kaoru in den Arm nehmen. Ihm zuflüstern, dass alles wieder gut werden würde und und und. „Tut mir Leid, dass ich zu spät bin. Ich... Ich...“, murmelte der Leader und Daisuke konnte spüren, wie jener einen kurzen Blick zu ihm hinüber warf. Ihm entging auch nicht, wie der Andere für einen kleinen Moment seine Lippen zusammen presste. Als ob es ihn schmerzen würde, was er sah. „Es tut mir Leid. Kommt... nicht wieder vor.“ Kapitel 13: ------------ Wütend pfefferte Die seinen Rucksack in die Ecke seines Wohnzimmers und trat gegen seine Couch. Nur, um es eine Sekunde später zu bereuen. Der Schmerz lenkte zwar ab, aber schaffte das Problem auch nicht aus der Welt. Deprimiert seufzend ließ er sich auf die Couch fallen, starrte an die Decke, die mit jeder Sekunde undeutlicher wurde. Sein Kaoru. Ein fürchterlicher Abklatsch seines Kaorus. Noch immer schön, aber fürchterlich anzusehen. Alles nur, weil er- „Weil ich zu blöd war, mich weiter zusammen zu reißen.“ Es hatte diesen starken Mann so sehr erschüttert, dass er nun so furchtbar zerbrochen war. Auch jetzt musste er sich arg zusammen nehmen, wollte sein Herz doch, dass er zu seinem Liebsten eilte und dafür sorgte, dass es ihm besser ging. Als Freund würde er es tun. Ohne zu zögern. Ein Sixpack Bier in der einen Hand. Eine Flasche mit etwas stärkerem Alkohol in der Anderen. Aber wenn man der Verursacher war, konnte man auch schlecht den Tröster spielen. Sein Magen knurrte. In den letzten Tagen hatte er nicht viel zu tun. Gleichzeitig verspürte er aber auch keinen Appetit. Um dennoch etwas dagegen zu tun, richtete er sich langsam auf und wanderte mit hängenden Schultern in seine Küche, um sich eine Flasche Wasser zu holen. Nachdenklich setzte er sich mit dieser im Anschluss wieder auf die Couch. Alles war so verkrampft gewesen, während der Probe. Kyo hatte sie und ihr Problem weites gehend ignoriert und sie alle wirklich ans Arbeiten bringen wollen. Die beiden Jüngsten zwar auch, aber es war ihnen einfach zu deutlich anzusehen gewesen, wie sie lieber eine Lösung für sein Problem finden wollten. Tja, und Kaoru... So sehr es ihnen Beiden auch schmerzte sich anzusehen, so oft kreuzten sich ihre Blicke. Obwohl diese dumme Sonnenbrille die ganze Zeit über auf Kaorus Nase gesessen und ihm die freie Sicht auf dessen Augen genommen hatte. Mehrfach wäre er gerne zu ihm gegangen und hätte sie ihm geklaut. Damit er sich nicht mehr dahinter verkriechen konnte. Dann hätte er ihn ganz fest in seine Arme genommen und mit Küssen von dem Schmerz abgelenkt. „Argh, warum kann man das nicht abstellen?“ Er wollte jetzt nicht an Kaorus Lippen denken, an den Kuss, den sie bereits geteilt hatten. Und an das, was sonst noch war. Daisuke nahm einige große Schlucke aus seiner Flasche. Wie sollte er die Misere verarbeiten und vergessen können, wenn sein Denken davon beherrscht war? Langsam ließ er die Flasche sinken, stellte sie auf seinem Oberschenkel ab. „Was er wohl gerade macht?“ Hoffentlich nahm er etwas zu sich. Übermorgen wollte Kyo sich wieder mit ihnen zusammen setzen. Es wäre schlimm, wenn der Ältere bis dahin noch weiter abgebaut hätte. „Tu uns das nicht an, Kaoru“, flüsterte er, kämpfte wieder mit seiner Trauer. Schlimm genug, dass er Schuld daran war, er war nun auch noch dazu verdammt, dem Ganzen machtlos zuzusehen. „Tu es dir und mir nicht an.“ Wortlos und beinahe beiläufig stellte der Rothaarige einen Becher mit Instant-Nudeln, den er gerade erst mit heißem Wasser aufgegossen hatte, vor Kaoru. Er sah ihn auch nicht an, ging einfach wieder zurück in die kleine Kochecke, um sich selbst eine Portion fertig zu machen. Er spürte den Blick des Älteren in seinem Rücken. Spürte ihn den ganzen Tag, den sie schon wegen der Probe hier waren, immer wieder auf sich. Trotz dieser nervigen Sonnenbrille. Und immer, wenn er zu ihm sah, war es, als würde den Anderen der Mut zu irgendwas verlassen. Und auch, wenn Die vorgestern noch mit der Erkenntnis kämpfen musste, dass er nicht der Richtige dafür war, um Kaoru zu trösten, würde er sich dessen Verfall einfach nicht mehr weiter mit ansehen. Gefühlt war er noch hagerer geworden. Immer wieder verspielte er sich heute, weil ihm die Kraft in den Fingern zu fehlen schien. Darum die Nudeln. Daisuke blieb bei der Arbeitsplatte, nachdem er seinen Becher gefüllt hatte. Hier würde er die fünf Minuten warten, bis er mit Essen würde anfangen können. Wenn zumindest noch jemand da wäre, mit dem er sich unterhalten könnte. Aber die beiden Jüngsten waren zu dem Imbiss um die Ecke und Kyo war draußen telefonieren. Stille. Sie konnte ja so zerstörerisch sein. Stumm vergoss der Rothaarige einige Tränen aus den geschlossenen Augen. Bei dem zerstörerischen Schmerz in seiner Brust würde es ihn nicht einmal wundern, wenn sie blutig waren. Starb er innerlich doch tausendfach. Minute um Minute verging, in denen jeder von ihnen einfach nur starr an seiner Stelle verharrte. Bis Kaoru nach dem bereit gestellten Becher griff und den Deckel abhob. Sofort, als ihm der erste Schwall des heißen Dampfes entgegen strömte und er den Duft der Nudeln einsog, meldete sich sein vernachlässigter Magen. Ein letzter Blick zu dem verlorenen Freund und dessen Rücken. Fest presste er die Lippen aufeinander. Eigentlich wollte er sich bedanken, aber er vertraute seiner Stimme absolut nicht. Seine Hand zitterte, als er die Stäbchen nahm. Ein deutliches Zeichen dafür, wie schwach er doch schon geworden war. Der erste Bissen seit Tagen. Wie konnte ein so einfaches Gericht nur so gut schmecken? Zufrieden und erleichtert vernahm Daisuke die Geräusche hinter sich. Jetzt musste er sich für eine kleine Weile ein bisschen weniger Sorgen um den Älteren machen. Zumindest in den nächsten Stunden würde sein Geliebter nicht aus den Latschen kippen. Kapitel 14: ------------ Noch immer war kein direktes Wort zwischen den beiden Gitarristen gefallen. Während der Arbeit in den letzten zwei Wochen beteiligten sie sich zwar an den Gesprächen, warfen Ideen ein und probierten dies und das. Doch sie fanden keinen Anfang dafür, um wieder aufeinander zu zu gehen. Ab und an sorgte Daisuke allerdings immer noch dafür, dass sein Leader eine Kleinigkeit zu essen bekam. Es schien sogar, als würde es allmählich wieder bergauf mit dem Anderen gehen. Eine Tatsache, die gut zu wissen war und sein armes Herz langsam flickte. Die Sehnsucht zu dem Älteren war nach wie vor da. Leider meldete sich auch das Verlangen wieder zurück, je besser sie beide sich zu fühlen schienen. Wie auch in den letzten beiden Wochen kam der Rothaarige körperlich und mental erschöpft heim, ließ die Tasche neben dem Sofa und sich darauf fallen. Eigentlich fatal, spürte er doch, dass er durch seine Müdigkeit nicht so schnell wieder hoch kommen und irgendwas würde erledigen können, aber er konnte auch nicht anders. Vielleicht schaffte er es dafür, sich gleich noch ein wenig auf die Arbeit zu konzentrieren. Nur schleppend ging es voran, aber sie gaben ihr Bestes. Gerade Kyo, der noch mit am meisten herum probieren musste. Die seufzte. Wenn der sich mal nicht übernahm. „Hilft ja alles nix.“ Irgendwas mussten sie tun, wenn sie weiter machen wollten mit der Band. Schwerfällig richtete er sich wieder auf und schnappte sich seine Tasche, mit der es in die Küche ging. Seinen Kaffeebecher sollte er mindestens ausspülen, ehe er ihn morgen wieder benutzte. Am Besten kochte er sich gleich auch noch eine Kleinigkeit, um genug Energie zum Denken zu haben. In der Küche stellte er die Tasche auf die Arbeitsfläche und zog den Reißverschluss auf. Müde rieb er sich mit einer Hand über die Augen, als er hineingriff und nach dem Thermobecher fischte. Dabei piekte ihn etwas. „Hm?“ Fühlte sich an, wie die Kante von irgendwas. Wieder wach nahm er den Inhalt von der Tasche mal genauer unter die Lupe. Hier war sein Becher, da eine Klarsichtfolie, mit Notenblättern, auf denen sie schon einige Änderungen festgehalten hatten. Handy, Geldbörse, Brief- Brief? „Wo kommst du denn her?“ Die Stirn gerunzelt zog er den Fremdling heraus und staunte nicht schlecht. „Daisuke.“ Sein Name. Eindeutig. Ein großer Stein schmiss sich in seinen Magen. Kaorus Handschrift. Kein Zweifel. Irrtum ausgeschlossen. „Wann hast du-?“ Und was hatte er geschrieben? Hektisch riss er die Besteckschublade auf und holt ein großes Messer hervor, mit dem er den Umschlag öffnete. Am ganzen Körper zitterte er, als er zu lesen begann: Ich hab es doch getan. Mir 'meinen schönen Kopf zermatert'. Ihn mir zerbrochen, auf der Suche nach einer Lösung. In tausend kleine Teile... Aber seit dem Abend ist er irgendwie zu nichts mehr fähig. Von dem Morgen danach ganz zu schweigen. Es... Es ist alles so... Wie soll ich es sagen? Du weißt, ich bin nicht so gut darin. Aber.. Ich versuche es. Mit deinem Auszug, da... Irgendwie sind mit dir alle Farben aus meinem Leben verschwunden. Ohne dich und deine Freundschaft, da ist irgendwie alles grau. Und kalt. Und leer. Ich habe dich und dein Lachen nicht mehr. Erst durch diesen Verlust merke ich erst, wie sehr es Teil meines Lebens war. Ein sehr wichtiger Teil. Den ich für viel zu selbstverständlich gehalten habe in all den Jahren. Danke. Für deine Freundschaft, die mir so viel bedeutet und gegeben hat. Für dein 'Da sein'. Für die schöne Zeit. Für... deine Liebe. Ja, das muss sich jetzt komisch lesen, aber auch für die bin ich dankbar. Es gab viele Momente in den letzten Jahren, in denen ich zweifelte. An mir. In denen ich mich fragte, ob sich jemals jemand in den Menschen 'Kaoru' verlieben würde. Nicht in 'Kaoru', den Gitarristen von Dir en Grey. Du hast mir gezeigt, dass es möglich ist. Und es tut mir Leid. Ich hätte nicht so heftig reagieren sollen. Das war dir und deinen Gefühlen einfach nicht fair gegenüber. Ich hatte die Situation nicht unter Kontrolle und habe den letzten Rest dann auch noch verloren. Es tut mir Leid. Dass ich in den letzten Jahren einfach zu blind war, um es zu erkennen und du leiden musstest. Es... tut mir Leid, dass du wieder einmal mit ansehen musst, wie ich wegen dir so schlecht drauf bin. Ich werde mich bessern. Versprochen. Und wieder: Danke. Und verzeih. Im Moment musst du selbst so viel durch machen. Musst selbst mit dir kämpfen und dennoch kümmerst du dich mit deinen kleinen, selbstlosen Gesten auch noch um mich. Vor jeder Probe in den letzten Tagen nehme ich mir fest vor, dir zu danken. Dich einmal fest in den Arm zu nehmen und... einfach mal wieder mit dir zu reden. Aber ich kann nicht. Ich weiß nicht, was mich zurück hält, was mich so feige sein lässt. Wenn ich dich ansehe, dann muss ich an deinen Brief denken, den ich beinahe schon auswendig kann. Muss ich an all die Worte denken, mit denen du mich beschreibst und spüre, wie es in mir kribbelt und mein Herz verlegen schlägt. Und dann kann ich mich dir erst recht nicht nähern, weil ich Angst habe, du hörst es. Jedenfalls ist meine Feigheit der Grund, weshalb ich dir nun schreibe. Nur fraglich, ob ich den Mut aufbringen werde, es dich auch lesen zu lassen... Aber ob du ihn lesen wirst oder nicht, was nun folgt, muss ich einfach in irgendeiner Form los werden: Ich stehe ab und an in meinem Flur. Lehne mich an der Stelle an die Wand, an die du mich gepresst hast. Und rufe mir in Erinnerung, wie.. wie du dich angefühlt hast. Wie ich mich, trotz allem, dabei gefühlt habe. Es... war forsch. Stürmisch. Aber wenn ich daran denke, wie sich deine Hände auf meiner Haut angefühlt haben, bekomme ich eine Gänsehaut. Wenn ich an die Wärme denke, die du ausgestrahlt hast, schaudert es mich. Oh, verdammt. Das... Das kommt jetzt... Ich sag ja, ich kann das nicht so gut mit dem 'sich ausdrücken'. Deine Lippen an meinem Hals... Dein Kuss... Mir werden jetzt schon wieder die Knie weich und ich bin froh, dass ich sitze. Ich habe ein Problem. Ein Gewaltiges. Ich versuche, dich in der Erinnerung auszutauschen. Mir vorzustellen, es wäre jemand anderes. Aber das klappt nicht. Die wohlige Gänsehaut und das... erregte Schaudern. Das kommt nur, wenn ich dabei dein Gesicht vor mir sehe. Warum? Kannst du es mir erklären? Kannst du diesem sturen, arbeitswütigen Bock erklären, was mit ihm los ist? Warum er bei deinem Brief weinen muss, egal wie oft er ihn liest? Erkläre es mir. Sollte ich den Mut gefasst und dir diesen Brief gegeben haben, dann gib deiner Sehnsucht nach und schwing augenblicklich deinen Arsch hier rüber. Ich warte im Flur auf dich. Wirre Gedanken. Wortfetzen. Bilder. Alles mögliche schwirrte durch seinen Kopf. Verwirrt sah er noch mal auf den letzten Satz. 'Ich warte im Flur auf dich.' Da machte es endlich 'klick'. Mit dem Brief in der einen und seiner Tasche in der anderen Hand stürmte er zu seiner Garderobe, zog sich im Eiltempo Jacke und Schuhe an, ehe er aus seiner Wohnung stürmte. Die Treppen hinab und aus der Haupttür raus. U-Bahn? Bus? Laufen? Was war am schnellsten? Noch während er zur nächsten Station lief, entschied er sich fürs Laufen. Er konnte jetzt nicht auf irgendwas warten. Konnte nicht stillstehen. Er würde nur jede Sekunde auf die Uhr schauen und sich fragen, warum die Zeit so schlich. So weit war es ja nun auch nicht. Oder doch? Ach, keine Ahnung. Für Die zählte gerade nur das Bild, das er im Kopf hatte: Sein Kaoru, wie er auf ihn wartete. Mit all den Fragen, die er sich vor so vielen Jahren selbst gestellt hatte und die er ihm nun beantworten wollte. Nervös und ungeduldig sprang er an der roten Fußgängerampel von einem Fuß auf den anderen. Er könnte ja rüber laufen. Aber er wollte in einem Stück bei Kaoru ankommen. Kaum war es grün, rannte er wieder los, schob sich durch die Passanten. Kaoru. Kaoru, Kaoru, Kaoru. Wieder beherrschte dieser Mann sein ganzes Denken. Schwer keuchend rannte er auf das Hochhaus zu, in das er wollte. Unten an der Tür kam auch gerade ein junger Mann heraus, der mit einer großen Mülltüte beladen war. Glück gehabt, so konnte der Rothaarige gleich hinein und musste sich nicht erst noch was überlegen. Die Treppen kosteten ihn nochmals einiges an Kraft und auf halbem Wege blieb er röchelnd stehen. Verdammte Unsportlichkeit. Beine und Lunge brannten. Allerdings zog sein Herz ihn weiter. Nur noch ein paar Stufen. Nur noch ein paar Meter. Stolpernd kam er endlich auf der ersehnten Etage an, musste verschnaufen. Das Verlangen war stark, aber der Körper schwach. Dann eben nicht mehr rennen. Schnell gehen musste es jetzt auch tun. Um die Ecke noch, schon sah er den Zugang zu der Wohnung seines Geliebten. Die Tür war einen Spalt weit geöffnet. Er musste wirklich auf ihn warten. Voller Vorfreude streckte er schon die Hand nach der Klinke aus, als er inne hielt. Würde er dahinter wirklich Kaoru sehen, der- Ein leises Schluchzen drang an sein Ohr. Es kam aus der Wohnung vor ihm. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden riss er die Tür auf und starrte in den Flur dahinter. Erschrocken sah ihm ein verweinter Kaoru entgegen, der zusammengesunken und mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden saß. Der Kragen des weiten Pullis war verrutscht und entblößte nun die linke Schulter. Ein Anblick, der dem Rothaarigen kurz den wenigen Atem nahm, ehe er mit einem kleinen Lächeln, welches eine Mischung aus Liebe und Besorgnis zeigte, eintrat. Er zog die Tür hinter sich zu, streifte sich die Schuhe ab und ging auf den Älteren zu. „Endlich kann ich deine Augen wieder sehen.“ Langsam hockte er sich vor ihn, genoss es, dass diese verfluchte Sonnenbrille ganz weit weg war. Einige Augenblicke lang, sahen sie sich einfach nur an, dann fiel Kaorus Aufmerksamkeit auf den zerknitterten Zettel in Dies Hand. „Du hast ihn also gelesen.“ „Eh?“ Überrascht schaute Die zur Seite. War ihm gar nicht bewusst gewesen, dass er ihn immer noch hielt. „Ja, habe ich“, antwortete er schließlich. „Dann“, kam es zögerlich von dem Schwarzhaarigen, „bist du hier, um es mir zu erklären?“ „Ja.“ Er ließ den Zettel los, legte stattdessen beide Hände an Kaorus Wangen, um dessen Gesicht an seines heran ziehen zu können. Noch einmal kam er in den unglaublichen Genuss der Lippen, von denen er so lange nur hatte träumen können. Lediglich ein kleines Zögern, dann spürte er, wie der Andere erwiderte, sich an seinem Oberarm und dem Jackenkragen fest krallte. Allerdings war es auch Kaoru, der ihren Kuss wieder trennte. Tief sah er in die braunen, hoffnungsvollen Augen des rothaarigen Mannes. Nachdenklich führte er die Finger seiner rechten Hand an seine eigenen Lippen. Dieser Kuss war so viel schöner, als der andere, sorgte aber ebenso für ein angenehmes Zittern. „Sag“, hauchte er, „mir noch einmal, was du fühlst.“ Daisuke lächelte. Welch süße Folter. Mit seinen Daumen wischte er erst die Tränenspuren etwas weg. Sein Kaoru sollte nicht mehr weinen müssen. „Ich liebe dich“, flüsterte der Rothaarige. Der Ältere entfernte die Finger von seinem Mund, legte seine Hand anschließend auf die an seiner Wange, um sie sanft an seinem Hals entlang streichen zu lassen. Zittrig atmete er ein, merkte die Gänsehaut über seine Arme und den Rücken laufen. Seine Augen schlossen sich, während er die Hand weiter führte und sie schließlich auf seiner Brust ruhen ließ. Ob sein Freund es spüren konnte? Das schnelle Schlagen seines Herzens? Schüchtern öffnete er die Lider, betrachtete seinen Gegenüber, welcher fasziniert auf ihre Hände sah. Was war nur los mit ihm? Warum reagierte er derart auf den anderen Mann, der so lange sein Freund gewesen war? Als diesen wollte er ihn wieder in seinem Leben haben. Unbedingt. Aber er wollte auch weiterhin dessen Küsse, dessen Berührungen. War er am Ende doch-? Unsicher schlossen sich seine Hände um Dies Kragen, zogen den anderen Mann an sich, um ihn erneut zu küssen. Da war es wieder. Das Kribbeln und Flattern und das Gefühl in den Wolken zu schweben. Er musste es sein. Niemand sonst. Langsam löste er sich wieder, sah in die sich öffnenden Augen des Anderen. Sah in dieses warme Braun. Eine Hand wanderte in den Nacken des hockenden Japaners und Kaoru legte seine Stirn an die des Jüngeren. Er verstand. Endlich verstand dieser sture Bock, was mit ihm los war. „Lass... Lass dir nie wieder einfallen aus meinem Leben verschwinden zu wollen“, schimpfte der Schwarzhaarige und versuchte dabei böse zu gucken. Daisuke hingegen fing an zu strahlen und ging dazu über sich hinzuknien. Seine Arme schlangen sich um den geliebten Körper und drückten ihn nah an den eigenen. „Nie mehr. Ich bin auf ewig dein.“ Sein Griff verstärkte sich und er holte sich noch einen Kuss des reinen Glücks. Neben ihnen lagen ihre Briefe. Schriftliche Zeugen ihrer Gefühle füreinander. Liebe, festgehalten in jedem Strich und jeder getrockneten Träne. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)