High Angle – B-Side von Atsusa ================================================================================ Kapitel 8: Die Unglückslotterie ------------------------------- Kürbissuppe. Tief liegende Nebelschwaden. Kürbiskuchen. Prasselnde, kalte Regenschauer. Kürbispudding. Nasses Laub auf den Straßen und Wegen. Wendy liebte Halloween! Nicht nur des guten Essens, sondern auch der Tatsache wegen, dass sie dieses eine Mal im Jahr nach Herzenslust die Grundstücke der Nachbarn mit Klopapier, Tretminen und faulen Eiern dekorieren konnte, ohne dass jemand sich beschwerte oder gar die Polizei rief. Klingelstreiche. Zahnpasta an Türklinken. Stinkekäse unter der Veranda. Ja, an Halloween konnte man endlich einmal wieder Streiche spielen und sich kindisch aufführen, ohne dass man dafür bestraft wurde, denn an diesem Tag wurden selbst die verknöcherten alten Nachbarn für ein paar Stunden zu erträglichen Gesellen, auch wenn sie nur Backpflaumen, Nüsse und Rosinen an die Kinder verteilten, die an ihren Türen klingelten. Wendy zog sich ein paar Handschuhe an und öffnete den Ofen. Lecker! Goldbraune Muffins, perfekt auf den Moment ausgebacken, verströmten einen süßlichen Duft von Vanille und Schokoladenstückchen. Vorsichtig zog sie das Blech hinaus und stellte es auf einen Untersetzer. Nur noch etwas abkühlen lassen und dann in jeden der Muffins Himbeersoße spritzen, damit es wie Blut aussah. Und bis dahin noch den Zucker auf den Schalen mit Kürbispudding karamellisieren, den Quiche mit Käse überbacken und den Speck für die Kürbisspieße anbraten, denn heute war ein ganz besonderer Tag: heute hatte sie zum ersten Mal die Clubmitglieder zu sich nach Hause eingeladen. „Du meine Güte, Spätzchen!“ Wendy wandte sich zur Küchentür. Ihre Mutter – ebenso rothaarig und sommersprossig wie sie, nur einen Kopf kleiner, da Wendy in Sachen Größe mehr nach ihrem Vater kam – rückte ihre Brille zurecht und blickte sich erstaunt um. „Wie viele Gäste kommen denn? Das sieht ja auch, als würde ein ganzes Bataillon anrücken!“ Sie schüttelte den Kopf und holte eine Käsereibe aus der Schublade. „Es sind nur die drei Jungs aus meinem Club, die kommen! Gibst du mir bitte den Gouda aus dem Kühlschrank?“ Ihre Mutter nickte und reichte ihr das Stück Käse. „Hast du nicht erzählt, dass es vier wären?“ – „Das schon, aber Angelo – unser Technikgenie – wollte an Halloween lieber Zuhause bleiben. Macht sich sonst vor Angst in die Hose, oder so ähnlich, Weichei...“ RRT. RRRT. RRT. Noch mehr Käse. Immer schön auf den Quiche reiben. RRT. RRRT. RRT. „Drei Jungen...“, sie seufzte. „Spätzchen, bei allem Respekt, das ist viel zu viel zu essen, selbst wenn ihr das mit uns teilt und wir noch Stanizlav einladen!“ Der herzhafte Kürbiskuchen wurde in den noch warmen Ofen geschoben, damit der Käse schmelzen und eine leicht braune Kruste bilden konnte. Wendy griff nach dem Gasbrenner, streute etwas Zucker auf die fertigen Schalen mit Pudding und begann diesen zu erhitzen, damit er schmolz und sich in Karamell verwandelte. „Oder wie wäre es, wenn du V...“ – „Nein!“ Sie drückte plötzlich so fest auf den Auslöser, dass es eine kleine Stichflamme gab. Seit dem vergangenen Sommer durfte niemand das V-Wort in den Mund nehmen, wenn er nicht wollte, dass Wendy sich tierisch aufregte und in eine Phase des grundlosen Vandalismus überging. NIEMAND! „Der arme Junge wohnt doch jetzt ganz alleine! Wer weiß, wann er das letzte Mal etwas Ordentliches zu essen bekommen hat? Du könntest ihm morgen wenigstens die Reste vorbeibringen!“ Danke, Mama. Wirklich fürsorglich. Aber nein! Wendy schmollte und karamellisierte den zweiten Pudding. „Soll er doch verhungern! Ich hab dir doch schon gesagt, dass er mich angelogen hat! Und mit Lügnern will ich nichts zu tun haben!“ Gereizt knallte sie den Gasbrenner auf den Tisch. „Kannst du bitte weitermachen? Die Gäste kommen bald und ich wollte mich noch umziehen!“ Ohne ein weiteres Wort verließ sie die Küche und stürmte die Treppe nach oben zu ihrem Zimmer. „Aber Spätzchen, willst du nicht wenigstens mal mit ihm reden?“ – „NEIN!“ Die Tür knallte zu. Als zwei Stunden später das Festgelage beendet war, begann es draußen zu dämmern. Schummeriges Oktoberlicht fiel durch die kahlen Ästen des großen Baumes, der auf dem Grundstück der O'Callaghans stand und in dessen Krone das Baumhaus thronte. Wendy zündete ein paar Kerzen an, die – wie nicht anders zu erwarten – in Windlichtern und Leuchtern mit Totenköpfen standen, und verteilte diese im ganzen Zimmer. Ja, so konnte es funktionieren. Jetzt nur noch die berühmt-berüchtigten zwei Kisten aus dem Schrank holen und der Spaß mit der alljährlichen Unglückslotterie konnte beginnen. Sie grinste, öffnete die Zimmertür und rief: „Alles soweit fertig, ihr könnt jetzt hochkommen!“. Ja, das würde ein Spaß werden, mit den Jungs um die allerfiesesten Fiesigkeiten zu spielen und zu erfahren, wer bei seiner Strafe zuerst die Nerven verlieren würde! Träge und vollgefressen bewegten sich Tornado, Zeph und Hayate zur Treppe, die Augen schon halb am Zufallen, so sehr hatte man sie gemästet. „Mamma Mia, Wendy, wer hätte gedacht, dass du so gut kochen kannst!“ Er zwinkerte ihr zu und hob den Daumen. „Du solltest unbedingt einen Küchenjob in unserer Pizzeria annehmen, fantastico!“ Wendy lachte nervös. „So gut bin ich jetzt auch nicht! Ich hatte einfach eine gute Ausbilderin namens Mama!“ Zeph gähnte herzhaft. „Bin so vollgefressen! Könnte jetzt schlafen!“ – „Aber, aber, Sfaticato! Wir wollen eine Dame doch nicht warten lassen, mein lieber Freund!“ Der Clubchef klopfte ihm ein paar Mal auf die Schultern und schubste ihn die Treppen hoch, setzte aber noch im Flüsterton nach: „Und die geklauten Silberlöffel würde ich ganz schnell wieder zurücklegen!“ Der Brünette schüttelte hastig den Kopf. „Geklaut? Nie, nie, habe ich gefunden! Die lagen einfach so in der Küche, einfach so! Glaub mir!“ Hayate war der einzige, der sich vor Wendys Mutter verbeugte und sich – wie es sich für einen gut erzogenen Japaner gehörte – für die Gastfreundschaft bedankte. Er wandte sich ab und hatte nicht einmal einen Fuß auf die Treppe gesetzt, da meldete sich die Mutter noch einmal zu Wort. „...ihr drei Süßen, wartet doch mal!“ Leichter Tadel lag in ihrer Stimme. „Bella Mamma, was gibt es denn?“ Tornado setzte sein charmantestes Lächeln auf und drehte sich um. Die rothaarige Frau ging zur Kommode und öffnete eine Schublade. „Jungs, bevor ihr da hochgeht, muss ich euch noch etwas geben!“ Fehlanzeige. Nächste Schublade. „Ja wo habe ich die denn hingelegt? Ah, hier!“ Triumphierend trat die Mutter an die drei Jungen heran. „Los, Hand auf!“ Ihr Blick wurde mit einem Mal so schneidend und kommandierend, dass alle drei wortlos gehorchten. „Eines für dich! Und eines für dich!“, fest drückte sie dem blonden Italiener und dem Japaner mit den violetten Haaren ein kleines Päckchen in die Hand, „Und dir gebe ich besser mal zwei! Du siehst mir sehr ungeschickt aus!“. Zeph stutzte und betrachtete kritisch die flachen, viereckigen Pakete. Was sollte man darauf nur antworten? „Nie, ist nicht nötig, aber danke!“ – „Und ob! Man kann ja nie wissen, was passieren wird!“ Nein, Gummibärchen waren es nicht. Es waren... Ein hysterischer Schrei schreckte die ganze Nachbarschaft auf. „...K... Kondome?!“ Wendy lief knallrot an. Ihre Mutter nickte eifrig und setzte ihr fürsorglichstes Lächeln auf. „Ja, Spätzchen, heutzutage muss man ganz besonders aufpassen, mit wem man sich einlässt!“ Die Jungen lachten nervös. Wendy schnaubte. „Aber doch nicht...“, sie blickte gereizt von einem Gesicht in das nächste. „Das sind meine Freunde. FREUNDE! Verstehst du?“ Wendys Mutter seufzte und legte ihr die Hände auf die Schultern. „Aber Spätzchen, denk nur mal daran, was mir passiert ist! Willst du wirklich mit sechzehn Mutter werden?“ Peinlich. Peinlich! PEINLICH!! Und jetzt nahm ihre Mutter sie auch noch in den Arm und drückte sie wie ein Baby, so gut das bei ihren stolzen 173 Zentimetern Körpergröße noch ging! „Jetzt geht hoch und habt Spaß!“ Na toll! Nach der Aktion kann ich den Jungs doch nicht mal mehr in die Augen sehen. Danke, dass du meinen Ruf als coolstes Mädchen der Schule soeben zerstört hast! Ihr Kiefer mahlte, als sie sich aus der Umarmung zu winden versuchte. „Ich bin nicht wie du! Ich werde nie so ein versoffenes Fli-“ – „Bellissima, deine Mamma ist eine wirklich liebreizende und fürsorgliche Persönlichkeit!“, rettete Tornado die Situation und zwinkerte der Mutter ein weiteres Mal in bester Flirtabsicht zu. Sein Lächeln war so strahlend, dass Wendys Mutter den Klammergriff löste und sich an die errötenden Wangen fasste. „Nein, du bist mir aber einer, Balotelli!“ Sie kicherte wie ein Schulmädchen. Wendy seufzte erleichtert. Na wenigstens zog er sie nicht damit auf! „Können wir jetzt anfangen? Ich wollte nachher eigentlich noch Süßigkeiten sammeln gehen – und sagt nichts, das ist TOTAL COOL! – und wenn wir jetzt nicht anfangen, dann haben die ganzen kleinen Kackbratzen schon alles mit Klopapier dekoriert!“ Wenig später saßen sie alle in einem Halbkreis auf dem mit Decken und Kissen bequemer gemachten Boden von Wendys Zimmer und starrten gebannt auf ihre Gastgeberin, die sich einen Hexenhut und ein Cape in tiefstem Schwarz übergeworfen hatte. „Meine sehr verehrten Herren! Ich bitte um Aufmerksamkeit!“ Wendy läutete eine kleine Glocke. „Wie jedes Jahr freue ich mich, Ihnen zwei meiner besten Freunde vorstellen zu können!“ Sie senkte den Kopf und breitete die Arme aus. Im tanzenden Kerzenlicht bildeten sich dunkle Schatten unter ihren Augen, die dem ganzen eine gruselige Atmosphäre gaben. „Zu meiner Linken sehen Sie: die rote Box! In dieser befinden sich Nummern von Eins bis Zwanzig, von denen nun jeder von uns eine ziehen wird!“ Sie reichte Hayate die Box, damit sich alle bedienen konnten. Als letztes zog sie selbst eine Nummer. „Ah, die Vierzehn!“ Zeph betrachtete die schwarze Kugel mit der Nummer Zwei in seiner Hand. Tornado hatte die Neun gezogen, Hayate die Zwanzig. Wendy räusperte sich und setzte eine unheimliche Stimme auf. „Was es mit diesen Kugeln auf sich hat, offenbart der Freund zu meiner Rechten: Die schwarze Kiste!“ Sie hob den viereckigen Kasten an und schüttelten ihn. Er klang voller als der rote Kasten. „Dies, meine verehrten Herren, ist die Unglückslotterie! In ihr befinden sich viele schöne und unschöne Strafen, die denjenigen treffen werden, der die passende Nummer in seinen Händen hält!“ Ein gemeines Grinsen erfasste ihr Gesicht, als sie die Kiste vor den drei Jungen abstellte. Tornado schluckte nervös und blickte zur Tür, die Wendy vorsorglich abgeriegelt hatte. Hoffentlich waren die Prüfungen nicht allzu schlimm, immerhin hatte er einen guten Ruf zu verlieren! Wieder breitete Wendy die Arme aus. „Hinter mir seht ihr mehrere kleine Tische, die mit schwarzen Tüchern verhüllt sind – und um euch nicht länger auf die Folter zu spannen, werde ich nun die Tücher lüften!“ Sie ging zum Stapel ganz links und befreite diesen von seiner Verhüllung. „Hier ist sie: Die Strafe des Geschmacks! Derjenige, der das Glück besitzt entsprechende Prüfung zu ziehen, muss eine dieser Substanzen trinken.“ Das Grinsen wurde breiter. „Vielleicht ist es nur Limonade oder Kaffee, aber hier haben wir auch ranziges Frittierfett, saure Milch, Bratensaft, Tabasco, verbrannte Soße, Seifenblasenlösung, ...“ Mit jedem weiteren Gegenstand wurden die Gesichter der Jungen blasser. Wendy fuhr fort. „Kommen wir zum zweiten Stapel! Die Strafe des Schmerzes! Auf Grund einiger nicht jugendfreier Gegenstände auf diesem Tisch unterlasse ich die Erklärung besser einmal!“ Ein Aufatmen ging durch die Reihe der Gäste, „...aber seid gefasst, dass ein mit Nägeln besetzter Baseballschläger noch zu den harmloseren Dingen gehört!“ Das dritte Tuch wurde gelüftet. „Das hier ist die Strafe des...“, ihre Mundwinkel zuckten für einen Augenblick, „nein, ich verrate euch nicht, was in diesen Umschlägen drin ist, das werdet ihr noch selbst herausfinden!“ Sie lachte leise. In Zephs Gesicht stand „Ich will nach Hause! Sofort!“ geschrieben, Tornado dachte an perverse Fragen und Aufgaben im Stil von „Wahrheit oder Pflicht“ und Hayate... Hayate war wieder einmal unlesbar. „Und schließlich...“, sie hob das letzte Tuch an, „die Strafe der Peinlichkeit!“. Tornados Gesicht entglitt. Er hatte ja mit vielem gerechnet, aber das... „Schminkzeug und Haarspangen?“ Zeph legte den Kopf schief. „Ist das alles?“ Wendy rieb sich die Hände und hob die Augenbrauen. „Oh ja, das ist es!“ Doch der Ausdruck in ihrem Gesicht verriet etwas ganz anderes, nämlich blanken Sadismus. Zeph zuckte zusammen. „Also jetzt... Strafen ziehen?“ Sie nickte und machte eine einladende Bewegung. „Nur zu, Nummer Zwei darf zuerst ziehen!“ Der brünette Pole atmete tief durch, steckte seine Hand in die runde Öffnung der schwarzen Kiste und holte eine Kugel hervor. „Nur zu, lies vor!“, sagte Wendy voller Vorfreude, als er diese geöffnet und den kleinen Zettel darin entnommen hatte. „Die Strafe der Peinlichkeit! Lasse dich von deinen Mitspielern schminken und stylen und schicke anschließend ein Foto davon an alle deine Freunde vom anderen Geschlecht aus deiner Mail-Kontaktliste.“ Er lächelte erleichtert. „Ist nicht peinlich! Ich werde eine wunderschöne Frau sein, wenn auch etwas haarig, nie?“ Doch Wendy schüttelte den Kopf: „Du hast den Nachsatz vergessen, mein Lieber!“ Ernüchterung. Zeph fuhr fort. „Die Strafe entfällt auf denjenigen, der die zweithöchste Nummer hat!“ Wendy triumphierte und hielt die Nummer Vierzehn nach oben. „YES! So eine leichte Strafe hatte ich noch nie!“ – „É andata bene!“ Tornado applaudierte. „Dann bin jetzt ich dran mit dem Ziehen?“ Konzentriert rührte er mit der Hand in der Kiste, bis er schließlich – „Si! Die hier ist gut!“ – eine Strafe hervorholte. „Die Strafe des Geschmacks!“ Alle hielten die Luft an. Würde es eine harmlose Strafe sein, oder würde sie schmerzhaft und ekelerregend sein? „Oh-oh! Du wirst ein Schnapsglas voller Tabasco trinken müssen!“ Er machte eine theatralische Pause, dann las er den letzten Satz vor. „Die Strafe entfällt auf denjenigen, der die niedrigste Zahl gezogen hat!“ - „NIEEEEEEEEEEET!“ Zeph sprang auf und rüttelte an der Tür. Raus hier! Nur raus hier! Doch Wendy hielt den Zimmerschlüssel angriffslustig in der Hand. Hätte es nicht wenigstens Wodka sein können? Oder Frittierfett? Warum Tabasco? Ausgerechnet das, was er am wenigsten vertrug! Sie griff nach der Flasche und schenkte ihm ein Schnapsglas voll der feurigen Flüssigkeit ein. „Willst du jetzt schon trinken, oder sollen wir noch warten, bis die letzten beiden Strafen verkündet worden sind?“ Zeph presste die Lippen zusammen und straffte die Schulter. „Bin ein richtiger Mann! Ich kann das! Gib her damit!“ Bevor noch irgendwer etwas sagen konnte, hatte er sich das Glas geschnappt und in einem Zug heruntergespült. Und es passierte... Nichts. Zumindest für einen Moment. Stumm saß er auf dem Fußboden und starrte die Wand an. Dann begann sein Gesicht plötzlich rot anzulaufen. Schweiß trat ihm aus allen Poren und seine Augen füllten sich mit Tränen. Nur nicht schreien. Ganz ruhig bleiben – auch wenn es schlimmer wie Feuer brannte. „Ist alles okay bei dir?“, fragte Hayate fürsorglich und legte seine Hand auf die kochend heiße Schulter Zephs. „Mh-hm!“ Er nickte wortlos. Dann kippte er plötzlich zur Seite, hielt sich den Bauch und blieb bitterlich weinend liegen. Wendy applaudierte schallend lachend. „Zeph, du steckst ja voller ungeahnter Gefühle!“ - „Mh-hm!“ Er wollte den Mund nicht aufmachen, um nicht zu riskieren, dass die Luft den Brand in seinem Rachen noch verstärkte. Fühlte es sich so an, wenn man sterben musste? Schmerzen, Qualen! Er konnte nicht aufhören zu weinen, so sehr nahm ihn die Schärfe mit. Inzwischen hatte auch Hayate eine Kugel gezogen. „Die Strafe des Drachen!“, begann er mit gewohnt leiser Stimme. „Du selbst wirst mit einem getauschten Drachen an einem Ort deiner Wahl ein Duell austragen. Dein Tausch- und Duellpartner ist der Spieler, der die zweitniedrigste Nummer gezogen hat!“ Er blickte sich um. „Wer von euch ist das?“ Zeph hatte die Zwei, Wendy die Vierzehn, er selbst die Zwanzig. Blieb nur... „Ich bin das, mio Amico! Ich habe die Neun!“ Mit Siegerlächeln hielt Tornado seine Nummer nach oben. Hatte er aber ein Glück gehabt, nicht auch noch eine ekelhafte Flüssigkeit trinken zu müssen, sondern etwas zu tun, das ihm ganz und gar nicht wie eine Strafe vorkam. Zeph stöhnte entnervt. Warum musste er als einziger heute so viel Pech haben?! Wendy reichte Hayate die zehn Umschläge, nachdem sie diese noch einmal durchgemischt hatte. „Hier sind zehn Orte, die wir schnell zu Fuß erreichen können. Angefangen vom Spielplatz und dem Dach der Lagerhalle bis hin zum Umspannwerk. Und glaube mir, in der Nähe von Starkstromleitungen wollt ihr nicht eure Drachen steigen lassen!“ Wieder dieses unheimliche Grinsen im flackernden Schein der Kerzen. „Ich rate dir also gut zu ziehen!“ Hayate erbleichte. Starkstrom? Welcher wahnsinnige Mensch würde sich in der Nähe von Stromleitungen duellieren wollen? Mit Sicherheit nur Lebensmüde, aber dazu gehörten er und Tornado-sama ganz bestimmt nicht. Er atmete tief durch. „Ich ziehe jetzt.“ Seine Hände zitterten. Nahm er diesen Umschlag? Oder doch eher den ganz rechts? Nein, am besten einen aus der Mitte. Er schloss die Augen und reichte den Umschlag seiner Wahl der Gastgeberin. Diese nickte stumm, öffnete ihn und verkündete: „Glück gehabt! Euer Duell mit getauschten Drachen wird am alten Deich stattfinden! Und ich hoffe, ihr habt warme Jacken dabei, denn dort drüben weht immer eine steife Brise!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)