Männlich, 1.72m, 0 Kilo von Kurokotzi ================================================================================ Kapitel 1: Kalte Zweisamkeit ---------------------------- Mit zitternden Händen führte er die Klinge an seinen Arm. Als das kalte Eisen seine Haut berührte kniff er ängstlich die Augen zusammen und wandte den Blick ab. Nervös kaute er auf seiner Unterlippe herum. Er hatte noch nie am Arm geschnitten. Doch was blieb ihm denn schon für eine Wahl? Auf seinen Oberschenkeln ging langsam der Platz aus. Natürlich könnte er immer noch tiefer gehen, aber… Wer würde sie dort sehen? Die vielen kleinen Schnitte, die immer größer wurden, die verzweifelten Schreie nach Aufmerksamkeit, nach Hilfe… Ehe er weiter denken konnte schnitt er. Tränen schossen ihn in die Augen. Der Schnitt war tief, vielleicht sogar zu tief, doch was machte das schon aus? Er könnte tiefer schneiden, immer tiefer bis zu den Knochen und weiter und würde doch nicht verbluten. Sein Bruder lag falsch – es gab keinen Ausweg im Tod, denn der Tod kam nicht zu ihnen. Er konnte nicht sterben, auch wenn er es wollte. Er es wollte? Er griff zu einer der vielen Verbandsmulden, von denen sein Bruder nachdem Vorfall bei dem er schreiend durchs Haus gerannt war, weil er glaubte verbluten zu müssen, einen 10-Jahres Vorrat angelegt hatte, und machte sich daran die Wunde zu verbinden. Beim Anblick seines Armes wurde ihm schlecht und er hatte das Gefühl sich jeden Moment übergeben zu müssen, was bereits öfters vorgekommen war und seine Abscheu vor dem Kotzen nur noch mehr gesteigert hatte, obwohl er manchmal, wenn er einmal wieder vor Hunger nicht einschlafen konnte, seinen Bruder doch darum beneidete. Während er hungern musste konnte seine andere Hälfte so viel essen wie er wollte. Vorsichtig strich er über den mehrfach umwickelten Verband und zuckte zusammen als schon diese flüchtige Bewegung ihn Schmerzen bereitete. Dieses Mal hatte er es wohl echt übertrieben. Ihm fiel auf das er immer besser wurde was das versorgen von Wunden anging. Früher hatte er das nicht gekonnt, früher als er es auch noch nicht können musste. Er weinte leise. Nun war niemand mehr da der sich um ihn kümmerte. Er war allein. Romano seufzte schwer. „So nötig hast du es also Bruder?“ Veneziano sah auf zu ihm hoch, sein Blick wirkte verloren und dennoch war er verzweifelt und unendlich traurig zugleich. „Bruder…“, kam es erstickt unter den Tränen hervor und zwei dürre Arme streckten sich nach den älteren aus. Dieser kam dem Wunsch nach, zog den jüngeren zu sich hoch und drückte ihn fest an seine Brust. Veneziano konnte das Herz, das in dem schwachen, unterernährten Körper immer noch weiterarbeitete, hören und fragte sich ob es nicht doch möglich war das einer von ihnen sterben könnte. Schließlich wurde pro Land doch nur eine Personifikation benötigt, oder? Einen schrecklichen Moment lang bangte er um das Leben seines großen Bruders. Was wenn er sterben und ihn alleine lassen würde? Er war doch ein nichts ohne seinen Bruder! Doch dieser Moment verging schnell als ihn einfiel wie viel stärker Romano als er war. Bestimmt würde Veneziano vor ihm sterben. Dieser Gedanke beruhigte ihn ungemein und er schaffte es mit dem Weinen aufzuhören, oder besser gesagt die Tränen für eine Weile auszudrücken, denn aufhören würde er damit nie ganz können. „Geh duschen Bruder.“, befahl ihn Romano, „Und wasch dir die Haare, sie sind fettig.“ Veneziano gehorchte und schlüpfte unter die Dusche. Er stellte das Wasser auf die höchste Temperatur, denn in letzter Zeit froh er ständig, obwohl Italien ein sehr warmes Land war. Das heiße Wasser färbte seine Haut rot doch es gelang ihn nicht die Kälte zu vertreiben. Als er in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer ankam (ursprünglich besaß jeder der Brüder ein eigenes Schlafzimmer doch Veneziano benutzte seines schon seit Jahren nicht mehr, da er, nachdem er von einer bestimmten Person vor die Tür gesetzt worden war, zu seinen großen Bruder gezogen war) sah er das Romano ihn seinen Anzug rausgelegt hatte. Verwirrt sah er das Kleidungsstück an, dann seinen großen Bruder der gerade mit seiner Krawatte beschäftigt war. Veneziano beschloss keine Fragen zu stellen, denn das Fragen hatte er sich irgendwann einmal abgewöhnt um den älteren nicht unnötig aufzuregen, und zog sich an, jedoch zog er zusätzlich noch zwei dicke Kapuzenpullis über. Das sein Anzug deswegen zerknitterte war ihm ziemlich egal, denn er froh immer noch. Nachdem er fertig angezogen war bemerkte er, dass Romano immer noch mit seiner Krawatte kämpfte. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Lippen als er sich an den Rücken seines Bruders lehnte und ihn von hinten die Arme um die Brust schlang. Einen Moment lang verharrte er so, dann wanderten seine Hände weiter nach oben zu der Krawatte, welche er mit ein paar geübten Handgriffen ordentlich band. „Woher-?“ „Frag nicht.“, Italien senkte den Kopf als wäre er ihn zu schwer und legte ihn an der Schulter seines Bruders ab. Dieser seufzte schwer, nahm eine Jacke aus dem Schrank, drehte sich um und legte diese seinen kleinen Bruder um die Schultern bevor er ihn sanft in seine Arme schloss. „Ich hab dich furchtbar lieb Romano.“, flüsterte Veneziano und Tränen standen ihn in den Augen. „Ich dich auch kleiner Bruder.“, antwortete Romano leise und gab ihn einen Kuss auf das rotbraune Haar. „Ich dich auch…“ „Willst du denn gar nicht wissen wo wir hinfahren?“ Langsam regte sich das Bündel aus Decken und Kleidung auf den Beifahrersitz. Ein rot-brauner Haarschopf samt Locke kam langsam hervor, ihm folgte ein Gesicht. Romano hatte vorsorglich ein paar Decken mitgenommen in denen sich sein kleiner Bruder vergraben hatte, zudem lief die Klimaanlage auf Hochtouren. „Kannst du in deinem Zustand überhaupt fahren?“ Erst jetzt bemerkte der ältere den krampfhaften Griff um den Türgriff und die fast schon weißen Handgelenke. „Ich hab gegessen.“ „Das bezweifle ich nicht.“ „Das ist mir bloß ein, zwei Mal passiert!“ „In diesem Jahr, Bruder. Und es waren 3 Mal.“ „Das hat nichts damit zu tun! Außerdem war beim dritten Mal der Arsch in dem Türken-Laster schuld!“ „Du wärst fast gestorben Bruder. Ich war krank vor Sorge.“ „Hm.“, Romano biss sich auf die Lippe und konzentrierte sich wieder auf die Straße. Noch einmal wollte er keinen Unfall bauen. Vor allem wenn er an die Folgen dachte die diese dämlichen Unfälle nach sich gezogen hatten… „Also willst du jetzt wissen wo wir hinfahren?“, wechselte er das Thema. „Wo fahren wir hin?“ „Zur Konferenz.“ „Eine Weltkonferenz?“, Veneziano setzte sich vorsichtig auf und schlang die Decken fest um sich. „Genau.“ „Ist… ist er dabei?“ Romano schwieg eine Weile, bevor er antwortete: „Ja.“ „Oh.“, Veneziano sah wieder aus dem Fenster. „Wieso hast du mich dann mitgenommen?“, fragte er schließlich. Romano schluckte schwer. Offensichtlich war es ihm ziemlich peinlich das vor seinen Bruder zuzugeben. „Österreich hat mich darum gebeten.“ „Du hattest Kontakt mit Österreich?“, Veneziano riss erstaunt die Augen auf. „Ja.“, gab Romano zu, „Nein, eigentlich nicht wirklich. Er hat mir einen ewig langen Brief geschickt indem er mich gebeten hat dich wieder zu den Konferenzen mitzunehmen.“ „Und du hörst auf Österreich? Ich dachte du magst ihn nicht.“ „Ich mag ihn auch nicht.“, beeilte sich Romano zu sagen, „Aber er war nicht der einzige der Terror deswegen gemacht hat. Auch Amerika und England nerven mich schon seit einiger Zeit damit ich solle dich mal wieder mitnehmen und nicht nur das! Sogar Frankreich hat versucht mich dazu zu überreden! Kannst du dir das vorstellen?! Frankreich?!“ „Das ist merkwürdig.“, Veneziano gähnte leise, „Aber Bruder Frankreich hat mich gern, glaube ich.“ „Deswegen ist es ja so merkwürdig.“, meinte Romano, „Aber er ist der felsenfesten Überzeugung dass du dem Typen noch eine Chance geben sollst. Angeblich hat er sich voll geändert und ist jetzt bekehrt und so weiter. Also ich persönlich trau dem Frieden nicht.“ „Warum hast du mich dann mitgenommen?“ Romano biss sich auf die inzwischen schon ziemlich wunden Lippen. „Spanien hat gesagt-“, setze Veneziano an. „Verdammt noch mal hör auf über Spanien zu reden du beschissener-!“ Ein Auto hupte. Veneziano stieß einen gellenden Schrei aus. Romano fluchte und hupte zurück. „Tut mir Leid.“, entschuldigte er sich. Der jüngere zitterte am ganzen Körper. „Entschuldige.“, wiederholte Romano. Veneziano brauchte eine Weile bis er sich wieder beruhigt hatte, dann fragte er vorsichtig: „Hat er etwas dazu gesagt?“ „Er ist vor mir auf die Knie gegangen und hat mich angefleht ihm noch eine Chance zu geben.“ „Und was hast du gesagt?“ „Ich hab ihn auf den Kopf gespuckt und ihn gesagt das könne er sich sonst wo hinschieben.“, bei der Erinnerung daran musste er grinsen, „Tja, und jetzt bist du hier.“ „Ja.“, antwortete sein Bruder lächelnd, „Jetzt bin ich hier…“ „Ist dir immer noch kalt?“, fragte Romano besorgt. Veneziano nickte zaghaft. Seufzend griff der ältere zur Klimaanlage des Autos um die Heizung höher zustellen, jedoch war sie bereits auf der höchsten Stufe. Romano fluchte leise. „Hinten auf der Rückbank sollte noch irgendwo ne Decke rumliegen, warte kurz ich hol-“ Romano ließ mit einer Hand das Lenkrad los und griff nach hinten um den besagten Gegenstand holen, doch Venezianos Schrei ließ ihn zurückzucken. „Verdammt noch Mal Vene! Krieg dich ein! Ich bau schon keinen Unfall!“ „Tut mir Leid.“, der jüngere zitterte am ganzen Körper. „Fängst du wieder an zu schreien wenn ich die Hand vom Lenkrad nehme?“ „Nein, natürlich nicht…“ Romano seufzte. „Weißt du was? Vergiss es einfach, okay? Wir gehen da jetzt zu dieser dämlichen Konferenz du tust so als ob du die Entschuldigung von dieser dämlichen Nazi-Macho-Schwuchtel annehmen würdest, ich lass auf den Heimweg noch ein, zwei Packungen Abführmittel aus der Apotheke mitgehen und wir sind rechtzeitig wieder zuhause damit ich den grässlichen Konferenzfraß rauskotzen und du ihn rausscheißen kannst.“ „Sprich nicht so über ihn Bruder.“ „Er ist ein verdammtes Arschloch, Vene, und wenn ich könnte würde ich ihn für das was er dir angetan hat nach Russland schicken wo der verschissener Bastard den er Bruder schimpft sitzt wenn er überhaupt noch am Leben ist!“ Veneziano sah ihn mit großen, erstaunten Augen an. „Bruder, ich wusste gar nicht dass er dir so viel bedeutet hat…“ „Er hat mir aber viel bedeutet, okay?!“, Romano schluchzte laut und wischte sich die Nase mit den Ärmel seines feines Jacketts. „Das ist alles deine schuld!“, warf er ihm vor, „Weil du die ganze Zeit mit deinen dämlichen Achsenfreunden rumgehangen bist und mich allein gelassen hast musste ich mich ja diesen Vollidioten zuwenden und herausfinden das er hinter diesen dümmlichen Grinsen und dem dämlichen Macho-Gehabe dasselbe erbärmliche Arschloch wie ich ist, das genauso von seinen kleinen Bruder verdrängt und im Stich gelassen wurde, das er genauso wie ich wusste was es heißt der unnütze Teil eines Landes zu sein und nur darauf zu warten das der nächste scheiß Krieg kommt und du endlich abkratzen kannst weil diese gottverdammte Welt dich schon seit langem nicht mehr braucht!“ „Bruder…“ „Schon gut vergiss es.“ „Nein, es tut mir Leid ich wusste nicht das…“ „Schon gut.“, Romano wagte es eine Hand von Lenkrad zu nehmen und sie um die Schulter seines kleinen Bruders zu legen. Er drückte ihn fest, während Veneziano ein Taschentuch aus dem Handschuhfach holte und damit die Tränen seines großen Bruders sanft wegwischte und ihn einen kleinen Kuss auf das Kinn drückte, da ihn der Gürtel daran hinderte sich noch weiter zu dem älteren hinzulehnen. „Jetzt ist es sowieso egal.“, sagte Romano und ließ seinen Bruder wieder los dass dieser bereits wieder anfing unruhige Blicke auf die Straße zu werfen, „Jetzt ist alles egal.“ „Denkst du er ist Tod?“ „Höchstwahrscheinlich. Schon vergessen? Sein Land wurde 45 von den Alliierten aufgelöst. Gehört jetzt Polen und den Russen.“ „Polen hat eine Entschädigung verdient.“ „Russland nicht.“ „Nein.“, wiederholte Italien und schlang die Decken fester um sich als ob der bloße Ausspruch Russlands Name ihn einen kalten Schauer über den Rücken jagte und ihn vor Kälte zittern ließ. „Wenn ich ihn jemals verzeihen kann was er dir angetan hat, und das wird niemals passieren, ich werde ihn niemals verzeihen was er Gil angetan hat. Verdammt noch mal er war von Anfang an gegen die Sache gewesen!“ „Genauso wie du.“ Romano lachte bitter. „Kunststück. Irgendwie hat doch jeder geahnt dass die ganze Sache zum Scheitern verurteilt war. Nur dagegen was tun wollte keiner.“ „Doch.“, wiedersprach Veneziano seinen Bruder und legte ihn die Hand auf die Schulter. Das Lächeln das er ihn schenkte war ehrlich und aufrichtig. „Du und Preußen, ihr habt etwas dagegen getan. Ihr habt uns gerettet. Dafür danke ich euch.“ Romano schnaubte verächtlich und drehte den Kopf zur Seite. „Ich habe dich verraten, Veneziano. Das ist nichts worauf man stolz sein sollte.“ „Es ist nicht deine Schuld, Bruder. Du hast nur versucht jenes etwas, das wir Italien nennen, zu beschützen.“ „Jenes etwas, das wir Italien nennen…“, wiederholte Romano, dann schüttelte er den Kopf, wie um den Gedanken daran zu verdrängen. „Das ist alles schon so lange her und wir haben sicherlich bereits genug darüber geredet. Schlaf noch ein bisschen, Veneziano, die Konferenz wird sicher anstrengend.“ „Ich möchte nicht Bruder, ich bin viel zu aufgeregt. Wird Japan auch dabei sein?" „Vielleicht, mach dir nicht allzu viele Hoffnungen. Du weißt wie schwer er mit den Folgen der Atombombe zu kämpfen hat.“ „Frankreich hat gesagt das er…“ „Er lebt. Nach dem Krieg sah es so aus als läge er im Sterben, doch er erholt sich langsam aber sicher wieder. Niemand wusste zu diesem Zeitpunkt genau was eine Atombombe alles anrichten konnte. Tja, jetzt wissen sie es und richten diese Scheiß Teile auf sich selbst.“ „Es heißt es soll wieder zu einem Krieg kommen.“, Veneziano fummelte nervös an seinem Haar rum, „Stimmt das?“ „Alles nur hohles Geschwätz der Medien, Vene. Zerbrich dir deshalb mal lieber nicht deinen dürren Kopf.“ „Wie kann mein Kopf dürr sein?“ Romanos Blick verfinsterte sich. „Alles an dir ist dürr Bruder.“, sagte er düster und beendete damit das Gespräch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)