Creepypasta Special 2: The Shattered von Sky- (Die Wahrheit über Dathan und Sally) ================================================================================ Kapitel 3: Jeanne bittet um Hilfe --------------------------------- Dathan erwachte schlagartig und rang nach Luft, als drohe er zu ersticken. Er war schweißgebadet und seine Brust schmerzte, als würde sie sich verkrampfen. Großer Gott, was war das nur für ein Alptraum gewesen? Noch nie hatte Dathan so etwas in seinen Träumen erleben müssen und der Schreck saß ihm immer noch tief in den Knochen. Warum in aller Welt hatte er nur so etwas geträumt? Das Schlimmste war ja überhaupt, dass der Traum so lebhaft gewesen war, als wäre das wirklich passiert. Als wäre Sally tatsächlich in seinen Körper eingedrungen. Aber das war doch nicht wirklich passiert, oder? So etwas gab es nicht. Sally war nicht mehr da und sie würde auch nicht zurückkommen. Das war die Realität! Aber warum träumte er dann nur so etwas? Es schien so, als wolle sie ihm etwas Bestimmtes sagen. Was sagte sie noch gleich? Etwas sehr Schlimmes würde geschehen und sie beide würden eine schwere Entscheidung treffen müssen. Und er dürfe nicht den gleichen Fehler machen wie sie. Aber welchen Fehler? Etwa, dass er Unschuldige töten würde? Dass er seinen Zorn an der ganzen Welt ausließ? So etwas würde er doch niemals tun, egal was auch passieren würde und eigentlich wusste Sally das auch. Es musste etwas ganz Schreckliches sein, das noch auf ihn zukommen musste. Etwas, das seine ganze Welt erschüttern würde. Dathan, der die Nacht auf der Couch geschlafen hatte, setzte sich mit einem leicht verspannten Nacken auf und streckte sich erst einmal. Verdammt, wie lange hatte er eigentlich geschlafen? Er sah auf die Uhr an der Wand und stellte fest, dass es knapp zehn Uhr war. Jamie war schon längst nicht mehr da, da er inzwischen einen Halbtagsjob bei Mr. Reynolds dem Notar angenommen hatte. Der Alltag ohne sinnvolle Tätigkeiten war ihm tierisch auf den Keks gegangen und da die Sekretärin den Mutterschaftsurlaub angetreten hatte, arbeitete erals Vertretung. Dabei hätte er so etwas eigentlich nicht nötig, da er dank seiner Eltern ein paar hundert Millionen auf dem Konto hatte. Aber er hasste es, das Geld seiner Eltern anzurühren, denn dieses Geld war ihnen mehr wert gewesen als die eigenen Kinder. Und für den Reichtum hatten sie ihn und seine Schwester im Stich gelassen. Jamie hasste Geld allgemein. Er pflegte immer zu sagen „Geld bringt das Allerschlechteste im Menschen zum Vorschein. Für ein paar Blättchen bedrucktes Papier ist er bereit, seine Ehrlichkeit, seinen Körper, seine Seele, seine Moral und seinen Stolz zu verkaufen.“ Doch war es nun mal Tatsache, dass man ohne Geld auch nicht in dieser Welt überleben konnte. Und wenn Jamie etwas mehr verachtete als das Geld selbst, dann waren es die Menschen, die es mit vollen Händen ausgaben, in Saus und Braus lebten und auch noch Sprüche fallen ließen wie zum Beispiel „Eure Armut kotzt mich an.“ Und genau deshalb vermied er es auch, jemals so ein Bonze zu werden wie jene Individuen. Den einzigen Luxus, den er sich gönnte, waren das Haus und der Urlaub nach Frankreich, wo er im Sommer mit Dathan ein kleines Haus im toskanischen Stil in der Nähe eines großen Weinberges bewohnte. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass die Toskana wohl doch nichts für sie war, da das Klima dem hitzeempfindlichen Dathan nicht sonderlich gut bekam. Also verlegten sie ihren Urlaubstraum nach Frankreich und hielten wenigstens das Haus in besagtem Stil. Und schließlich hatten sie festgestellt, dass es eine wunderbare Idee war, Frankreich ausgewählt zu haben. Kurzum: Dathan war den halben Tag allein und musste sehen, wie er sich beschäftigte. Und da fiel ihm auch schon etwas ein: Die N.E.S.P.R. Er wollte sich doch für diese Behandlung melden, die ihm ein normales Leben ermöglichen sollte. Am besten rief er jetzt gleich an, damit er so schnell wie möglich einen Termin bekam. Dathan griff schon nach dem Telefon, doch bevor er dazu kam, die Nummer anzurufen, klingelte jemand an der Tür. „Einen Moment!“ rief er und legte hastig seinen Mundschutz an, bevor er zur Haustür ging. Als er sie öffnete, glaubte er nicht richtig zu sehen, denn vor ihm stand die junge blonde Frau mit dem französischen Akzent, die er im Wartezimmer von Dr. Worthsmith getroffen hatte. Sie hatte eine Tasche bei sich und lächelte ihn freundlich an. „Entschuldigen Sie die Störung, aber sind Sie vielleicht Dathan Lumis Kinsley?“ „Wer will das wissen?“ fragte er misstrauisch und hielt sich an der Tür fest, um sie im Notfall sofort zu schließen. Die Französin stellte sich als Jeanne Pascale Nightingale vor und erklärte, dass sie eine Bekannte von Emily, Dathans Ex-Freundin sei. Als Dathan Emilys Namen hörte, entspannte er sich ein wenig und er bat die Französin, einzutreten. „Es ist doch okay, wenn wir uns duzen?“ „Na klar. Sag mal, woher kennst du Emily? Wie geht es ihr und was macht sie gerade?“ Jeanne setzte sich auf die Couch und ließ sich von Dathan ein Glas Wasser bringen. „Emily und ich gehen auf dieselbe Uni und ich hab ihr ab und zu mal Nachhilfe gegeben. Dabei hat sie fast ausschließlich von dir gesprochen und ich wollte dich dann endlich mal persönlich kennen lernen.“ Jeanne war wirklich hübsch, wirkte aber aufgrund der Tatsache, dass sie sehr elegant gekleidet war. Nicht gerade wie eine Studentin, sondern mehr wie eine Rechtsanwältin ohne Minirock. „Emily hat von mir gesprochen? Was hat sie denn gesagt?“ „Sie hat erzählt, dass du der wohl liebenswerteste Mensch bist, den sie kennt und dass du trotz deines Furcht erregenden Aussehens ein Herz aus Gold hast. Sie erzählte auch von dem tragischen Vorfall, bei dem deine kleine Schwester, dein Schulfreund und deine Cousine ums Leben kamen. Mein Beileid, das muss wirklich schlimm gewesen sein.“ „Hat sie… sonst noch etwas erwähnt?“ Dathan fürchtete, dass Emily vielleicht erzählt haben könnte, dass er für den Tod seiner 30 Mitschüler verantwortlich war. Da Jeanne aber diese Frage verneinte, atmete er erleichtert auf. „Emily hat mir außerdem noch etwas Interessantes gesagt“, fuhr die Französin schließlich fort und wieder krampfte sich sein Magen vor Nervosität zusammen, da er Angst hatte, dass sie es doch ausgeplaudert hatte. „Emily erzählte, dass du dich von ihr verabschiedet hast und kurz darauf bekam sie Besuch von der Polizei. Und diese sagte, dass du mausetot bist. Und trotzdem bist du quicklebendig. Das hat ihr schon ziemlich zu schaffen und mich ein klein wenig neugierig gemacht und daraufhin hab ich ein wenig recherchiert. Kann es sein, dass du ein Nekromant bist?“ Dathan wurde blass und starrte hübsche blonde Frau fassungslos an. Woher zum Teufel wusste sie von den Nekromanten und wieso konfrontierte sie ihn damit? Wollte sie ihn in die Enge treiben und ihn bedrohen? Unmerklich verkrallten sich seine Hände in die Sessellehnen und er starrte Jeanne mit seinen rubinroten Augen an. Doch zu seinem Erstaunen schien die Französin sich überhaupt nicht vor ihm zu fürchten. Im Gegenteil: sie war es, die ihm Angst machte. „Warum erzählst du mir das?“ „Ich kenne mich sehr gut mit Nekromanten aus. Die Parapsychologie war schon immer ein großes Hobby von mir gewesen, was ich hauptsächlich meinem Bruder zu verdanken habe. Weißt du, mein Bruder ist auch ein Nekromant.“ „Wie bitte?“ „Jacques mein jüngerer Bruder ist als Nekromant zur Welt gekommen. Deshalb habe ich auch im Gegensatz zu den meisten Menschen keine Angst vor euch.“ „Und warum bist du zu mir gekommen?“ „Weil mein Bruder verschwunden ist. Er wollte sich für die Behandlung melden, die die N.E.S.P.R. anbietet und seitdem haben wir nie wieder ein Lebenszeichen von ihm erhalten. Aber der Grund, warum ich ausgerechnet zu dir komme, ist der hier.“ Jeanne holte einen Skizzenblock aus ihrer Tasche und reichte ihn Dathan. Dieser sah sich die mit Bleistift erstellten Zeichnungen an. Und was er sah, erschreckte ihn: Dieser Junge hatte fast haargenau seine eigenen Träume aufgezeichnet. Die Begegnungen mit Sally, sogar ihn hatte er gezeichnet und seine kleine Schwester Christie. Verwirrt sah Dathan die Studentin an und verstand nicht, was das zu bedeuten hatte. „Seit Sallys Terror vorbei ist, erscheint sie sämtlichen Nekromanten in deren Träumen. Und du kommst auch darin vor. Sogar ich habe Sally getroffen, obwohl ich eigentlich keine Nekromantin in dem Sinne bin. Ich bin nämlich anders als ihr.“ Sally erschien also nicht nur ihm, sondern allen Nekromanten? Dann hatte sie also tatsächlich ihre Finger im Spiel, aber warum tat sie das? Was hatte das alles zu bedeuten? „Und was hat das mit dem Verschwinden deines Bruders zu tun? Könnte er nicht einfach weggelaufen sein?“ „Jacques war bei der N.E.S.P.R. und kam nie wieder zurück. Ich habe auch zuerst gedacht, dass er vielleicht entführt worden, oder dass er weggelaufen wäre. Aber ich habe schließlich erfahren, dass noch andere Nekromanten spurlos verschwunden sind. Und sie wollten sich alle behandeln lassen. Ich habe bereits alles versucht, um Kontakt zu Jacques aufzunehmen, aber diese Leute wimmeln mich immer ab und lassen mich nicht zu ihm. Sie wollen weder mir noch meinen Eltern Auskunft erteilen und ich bin mir sicher, dass sie ihn aus irgendeinem Grund gefangen halten.“ „Und warum geht ihr nicht zur Polizei?“ „Du müsstest die Antwort doch bereits kennen. Die Polizei hilft Nekromanten nicht. Sie haben genau wie die anderen Menschen Angst vor ihnen und ihnen ist es doch Recht, wenn die Nekromanten verschwinden. Deshalb besteht meine einzige Hoffnung darin, einen Nekromanten um Hilfe zu bitten. Und da du bereits mit Sally fertig geworden bist, dachte ich, dass du mir helfen könntest, die anderen Nekromanten zu befreien. Du hast doch die Fähigkeiten dazu.“ Damit sprach sie offenbar auf seine Kraft an, mit der er seine Mitschüler beseitigt hatte, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Doch er schüttelte den Kopf und sagte „Wenn du ebenfalls ein Nekromant bist, könntest du es doch selbst tun.“ „Würde ich ja, wenn ich könnte“ rief Jeanne plötzlich und sprang auf. „Aber ich bin nicht wie du. Ich bin keine Nekromantin in dem Sinne und verfüge nicht über diese Kraft.“ „Und warum nicht?“ „Weil ich nicht als Nekromantin geboren wurde. Bis zu meinem Tode war ich ein ganz normaler Mensch, bis ich vor knapp eineinhalb Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Es hat stark geregnet und ich wollte so schnell wie möglich nach Hause. Dabei bin ich auf die Straße gerannt und ein Bus hat mich überfahren. Doch dann habe ich auf der anderen Seite eine Stimme gehört die mir gesagt hat, dass sie mir die Kraft geben würde, um zurückzukehren. Ich konnte zwar zurückkehren, aber trotzdem verfüge ich nicht über dieselben Fähigkeiten wie du und die anderen! Streng genommen bin ich also keine richtige Nekromantin.“ Als Jeanne ihre Geschichte erzählte, beruhigte sie sich wieder ein wenig und setzte sich wieder hin. Eine Weile lang schwieg sie betrübt und begann ihre Brillengläser zu putzen. „Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich auch alleine gehen und meinen Bruder und die anderen retten. Aber ich kann es nun mal nicht, deshalb brauche ich deine Hilfe.“ Wieder trat betretenes Schweigen ein und Dathan sah Jeanne nachdenklich an. Sie war wirklich in Sorge um ihren Bruder und auch verzweifelt. Sie wusste, was es bedeutete, ein Nekromant zu sein und dass ihr sonst niemand helfen würde. Doch das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass Dathan sich so viel Hoffnung gemacht hatte, endlich geheilt zu werden und jetzt sollte dies alles eine hinterhältige Falle sein? Aber was wollte die N.E.S.P.R. von den Nekromanten denn schon? „Warum sollten diese Leute Nekromanten gefangen halten?“ „Erinnerst du dich an den Smiling Sam Killer, der Sallys Kraft in sich trug? Eines Tages verschwand er auch spurlos und ich vermute, dass die N.E.S.P.R. auch dabei ihre Finger im Spiel hat. Ich bin mir sicher, dass sie die Kräfte der Nekromanten für eigene Zwecke nutzen wollen.“ „Aber wieso haben sie dann nicht schon längst Sally geschnappt? Sie war doch stärker als jeder andere.“ „Das weiß ich auch nicht. Vielleicht war sie zu stark und zu unberechenbar. Außerdem besaß sie keinen festen Körper mehr und war damit kaum angreifbar. Aber da Smiling Sam einen Großteil ihrer Kraft in sich aufgenommen hat, können sie endlich an sie heran. Und vielleicht haben sie die Nekromanten gefangen genommen, weil sie alle Kräfte bündeln wollen, um eine neue Sally zu schaffen. Überlege doch mal: Dann wären die wirkenden Kräfte unvorstellbar, es wäre die perfekte Waffe. Und wer den Tod kontrolliert, der beherrscht auch das Leben.“ Dathan sagte nichts. Er verfiel in ein betrübtes Schweigen und sah aus, als würde er gleich in Depressionen versinken. Mit einem Male sah er all seine Hoffnung schwinden, dass er jemals ein normales Leben führen konnte. Vorhin noch hatte er gedacht, dass sich alles zum Guten wenden würde und er dank der Behandlung ein ganz normaler Mensch werden würde. Und jetzt erfuhr er gerade, dass dies nur ein Riesenschwindel war. Eine gemeine, hinterhältige Falle um verzweifelte Nekromanten zu entführen und irgendwo einzusperren. Es gab also doch keine Hoffnung für ihn, keine Aussichten auf ein normales Leben. „Dathan?“ fragte Jeanne vorsichtig und sah mit Besorgnis, wie schlecht es ihm gerade ging. Als er dann auch noch in Tränen ausbrach, ging sie zu ihm hin und versuchte ihn zu trösten. „Es tut mir wirklich Leid, ich wollte dich nicht verletzen.“ Die Haustür wurde geöffnet und Jamie kam herein. Er trug eine enge lange Jeans, schwarze Pumps und ein lilaweißgestreiftes Shirt und dazu eine Handtasche, mit der er mehr wie eine Frau als ein Mann aussah. Dies war wohl der allerschlechteste Zeitpunkt für ihn, ausgerechnet jetzt nach Hause zu kommen. Denn was er sah, weckte die rasende Eifersucht in ihm. „Was ist denn hier los?“ rief er und kam mit energischen Schritten ins Wohnzimmer gestürmt. „Dathan, wer ist sie und was hat das denn bitteschön zu bedeuten?“ „Jamie, jetzt beruhige dich mal“, rief Dathan und distanzierte sich sofort von Jeanne. „Sie ist hier, weil sie meine Hilfe braucht.“ „Ja, das sehe ich! Dieses… diese Person scheint sich ja richtig an dich ranzuschmeißen. Ich dachte, du liebst Emily!“ Jeanne brauchte den Hausbewohner nicht zu kennen, um sofort zu merken, dass da die Eifersucht sprach und hätte sie nicht eindeutig gehört, dass Jamie mit einer maskulinen Stimme redete, hätte sie ihn tatsächlich für Dathans Freundin oder Mitbewohnerin gehalten. Aber dann begriff sie, wieso da die Eifersucht aus ihm sprach (das sagte ihre Menschenkenntnis). „Entschuldige bitte, ich wollte hier keinen Streit vom Zaun brechen. Mein Name ist Jeanne Pascale Nightingale und ich habe deinen Freund Dathan aufgesucht, weil ich seine Hilfe brauche, um meinen kleinen Bruder zu retten.“ Jeanne versuchte die Wogen zu glätten und erklärte dem Eifersüchtigen ganz in Ruhe, weshalb sie hier war und welchen Verdacht sie gegen die N.E.S.P.R. steckte. Der Nekromant beobachtete, wie sie geschickt mit den Händen gestikulierte, während sie in einer perfekten Tonart redete. Sie bemühte sich, nicht den Eindruck zu erwecken, als würde sie sich ertappt fühlen, oder als wolle sie Jamie um den Finger wickeln. Dazu war er viel zu clever und hatte zu viel erlebt. Aber die Französin hatte offenbar ein angeborenes Feingefühl für solche Leute. Jamie entspannte schon etwas und sein Blick nahm an Härte ab. Sie schien ihn von ihren Absichten überzeugt zu haben. Und als sie von ihrem Bruder erzählte, den sie retten musste, da hatte sie das Eis endgültig gebrochen. Ob sie es nun wusste oder nicht, sie hatte bei Jamie einen empfindlichen Nerv getroffen, weil er damals seine geliebte Zwillingsschwester Lydia verloren hatte. Geschwisterliebe war etwas, das viele unterschiedliche Menschen miteinander verband, ebenso wie eine schwere Vergangenheit. Schließlich setzten sie sich alle drei zusammen hin und tranken Tee. Jeanne, die sich langsam mit den anderen bekannt machen wollte, begann aus ihrem Leben zu erzählen. Es stellte sich heraus, dass sie ein sehr geregeltes und normales Leben geführt hatte. Sie war in Frankreich zusammen mit ihrem Bruder und ihrer allein erziehenden Mutter in Montmartre aufgewachsen und hatte schon damals gerne Anwältin werden wollen. Doch dann, bei einer Reise nach Kalifornien, lernte ihre Mutter einen Mann kennen und beschloss, in Amerika zu bleiben. Von da an war es mit Jeanne bergab gegangen. Sie hatte sich nie wirklich „akklimatisieren“ können. Dieses Land war ihr fremd, genauso wie seine Kultur, sein Rassismus, sein Fastfood und seine Lightprodukte. Jeanne entwickelte im Laufe der Zeit eine wachsende Abneigung gegen Amerika, hatte aber nur ihrem kleinen Bruder Jacques davon erzählt. Dieser hatte sie verstanden, denn auch ihm ging es nicht gut. Er wurde von den anderen Kindern gemieden und gemobbt. Dabei hatten sich die Kinder in Montmartre niemals so feindselig ihm gegenüber verhalten. Ihre Mutter war blind vor Liebe und scherte sich nicht um den Kummer ihrer Kinder. Jeanne konnte ihr das nicht verzeihen und hatte ihrem Bruder versprochen, ihn mit zurück nach Frankreich zu nehmen, wenn sie erst einmal Anwältin war. Und sie war es auch, die die Idee hatte, ihn zur N.E.S.P.R. zu schicken, damit sie ein geregeltes Leben führen konnte. Aber dann passierte so vieles. Sie erlitt einen tödlichen Autounfall, erwachte aber wieder zum Leben, weil sie dem Ruf einer Stimme gefolgt war und dann verschwand Jacques und wurde offensichtlich von diesen Parapsychologieforschern festgehalten. Und nun suchte sie verzweifelt nach irgendeiner Möglichkeit, ihren Bruder und die anderen Nekromanten zu retten. „Ich weiß, dass ich wirklich viel verlange, aber du musst doch auch wissen, wie es ist, jemanden aus der Familie zu verlieren, den du so sehr liebst.“ Dathan wandte den Blick ab, er sah unglücklich und traurig aus. Er schwieg und sah wirklich mitleiderregend aus. Jeanne schwieg ein wenig betroffen und schien ein schlechtes Gewissen zu haben, da er nun so traurig aussah. Schließlich murmelte sie „Es tut mir Leid, ich wollte keine Wunden aufreißen.“ „Schon gut, du kannst nichts dafür.“ „Weißt du, ich habe sehr lange nachgedacht und mich gefragt, warum wir in Montmartre normal leben konnten und in Amerika solch schlimme Zeiten durchleben mussten. Ich habe mich sehr intensiv mit der Nekromantie beschäftigt und mir ist aufgefallen, dass besonders die Nekromanten in Amerika kein geregeltes Leben führen können. Ich glaube, es liegt an der Mentalität.“ „Wie meinst du das?“ fragte Jamie, der nun neugierig geworden war, denn er wusste nicht sehr viel über die Nekromanten und er war für jede neue Information dankbar. Jeanne räusperte sich und begann von ihrer Theorie zu erzählen. „Amerika ist ein Land, in dem die Angst vorherrscht. Die Medien hetzen das Volk auf, die Menschen schießen sich gegenseitig tot und manche haben sogar Angst vor den Nachbarn, die sie nicht kennen. Wer sich dem Grundstück nähert, wird erschossen. Wir in Montmartre haben sogar unsere Haustüren offen gelassen, weil wir wussten, dass jeder Nachbar auf den anderen guckt und aufpasst. Zwar fanden manche Leute meinen Bruder etwas seltsam, aber sie haben ihn nie so grausam behandelt, oder sich wirklich vor ihm gefürchtet. Ich denke, Amerika ist Schuld an allem. Schuld daran, dass so viele Menschen völlig sinnlos sterben und Nekromanten ein solch grausames Schicksal erleiden müssen. Auch das ist ein Grund, warum ich Amerika hasse. Ich verachte diese realitätsfremde Paranoia, das Essen und die niveaulose Kultur, die Geschmacklosigkeit der Medien und die Niveaulosigkeit. Nur durch meine Schuld ist mein Bruder jetzt in Gefahr und wenn ich ihn nicht da raushole, kann ich mich selbst nicht mehr im Spiegel ansehen. All das hätte nicht passieren müssen, wenn wir in Montmartre geblieben wären.“ Während Jeanne gesprochen hatte, war sie zwischendurch wieder in ihre Muttersprache zurückverfallen, woraufhin sie dann aber wieder Englisch sprach. Jamie fiel dabei auf, dass sie für kurze Momente sogar akzentfrei sprach. Als er sie fragte, ob sie tatsächlich vollständig akzentfrei Englisch sprechen könne, bestätigte sie dies und ergänzte zudem, dass sie auch fließend Spanisch und Deutsch sprechen konnte und auch einen Kurs in Chinesisch besuche. Aber da sie sich gegen das Leben in Amerika auflehnte, sprach sie absichtlich mit französischem Akzent, weil sie stolz auf ihre Herkunft war. Und es war ihre Art des stillen Protestes. Schließlich, als sie genug über sich und ihr Elend bezüglich ihres Lebens in Amerika erzählt hatte, kramte sie in ihrer Tasche und holte mehrere Unterlagen heraus und legte sie auf den Tisch. „Ich bin natürlich nicht untätig geblieben und habe ziemlich viel Informationsmaterial über die N.E.S.P.R. und ihre beiden Gründer gesammelt. Wenn man schon nicht stark genug ist, dann wenigstens gut informiert. Also, diese Organisation wurde von den berühmten Parapsychologen Ed und Lorraine Warren gegründet. Ed war der einzige Dämonologe, der von der Kirche anerkannt war und der auch schon selbst einen Exorzismus durchgeführt hat. Lorraine ist Medium.“ „Die Namen kenn ich irgendwo her“, sagte Jamie schließlich und sah sehr interessiert aus. „Gibt es da nicht diesen Film im Kino?“ „Ja, der Fall Perron beruht auf wahren Begebenheiten. Sie haben auch das Haus von Amityville und die besessene Puppe Annabelle untersucht. Ed ist schon 2006 verstorben, aber Lorraine lebt noch, irgendwo in Connecticut. Ihre Organisation war damals nicht mehr als eine Art Studentengruppe auf Geisterjagd. Inzwischen aber sind diese ehemaligen Studenten in Ed und Lorraines Fußstapfen getreten und untersuchen unzählige paranormale Phänomene. Es gibt offiziell keinerlei Hinweise darauf, dass die Organisation kriminell veranlagt sein könnte. Das Einzige, was ich nur finden konnte, waren die üblichen Kritiken über Betrügereien und realitätsfremder Pseudowissenschaft. Entweder wissen diese Schweine, wie man sich gut tarnt, oder die Entführung der Nekromanten ist ihre Ersttat.“ „Hast du schon mal versucht, mit Lorraine Warren Kontakt aufzunehmen?“ fragte Dathan schließlich, dem die ganze Sache immer noch schwer im Magen lag und der kaum glauben konnte, dass das alles wirklich passierte. Bedauernd schüttelte Jeanne den Kopf. „Ich habe es wirklich versucht, aber ich konnte sie nirgends finden. Ich bin sogar nach Connecticut gereist und habe überall nachgefragt. Aber keiner wusste etwas, oder wollte es zumindest nicht wissen. Ich habe wirklich schon alles versucht.“ Die beiden Freunde tauschten einander nachdenkliche Blicke aus und schienen wieder stumme Dialoge zu halten, in denen sie sich fragten, ob sie das wirklich tun und Jeanne helfen sollten. Jamie schien noch leise Zweifel zu hegen, doch Dathans Entschluss stand bereits fest. Wenn Nekromanten in Gefahr waren, würde er selbstverständlich helfen. Schließlich seufzte Jamie und gab sich geschlagen. „Gut, dann werden wir sehen, was wir tun können. Zuerst sollten wir Lorraine Warren finden. Ich glaube irgendwie nicht, dass sie da großartig mit in der Sache drin steckt, doch da sie diese Organisation ins Leben gerufen hat, sollte sie noch genug Einfluss besitzen.“ „Aber nur unter der Bedingung“, warf Dathan ein „dass wir ihr so lange nichts tun, bis sich herausstellt, dass sie tatsächlich diese Sache in die Wege geleitet hat. Ich will keine Unschuldigen mit reinziehen.“ Damit war es beschlossene Sache und gemeinsam würden sie Kinder retten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)