Creepypasta Special 2: The Shattered von Sky- (Die Wahrheit über Dathan und Sally) ================================================================================ Kapitel 1: Wiederkehrende Träume -------------------------------- Es war dunkel und leer. Dathans Sinne waren tot und um ihn herum gab es nur Leere. Er sah und hörte nichts, geschweige denn, dass er etwas spürte. Er konnte nicht einmal sagen, ob er festen Boden unter den Füßen hatte, fiel oder schwebte. Um ihn herum gab es nur die unendliche Finsternis. Doch trotzdem wusste er ganz genau, wo er war. Er kannte diesen Ort genau. Dies war die Grenze, die auch als der Styx bekannt war. Die Grenze, die Leben und Tod voneinander getrennt hielt. Dathan war schon einmal hier gewesen, nämlich als er zusammen mit seiner kleinen Schwester ertrunken war. Doch hier hatte er sie aus den Augen verloren und war ganz alleine. Stattdessen war er einer Stimme nachgelaufen, von der er geglaubt hatte, es wäre Christie gewesen. Aber anstatt, dass sie ihn zu seiner Schwester geführt hatte, war er wieder ins Leben zurückgekehrt. Stellte sich nur die Frage, warum er jetzt hier war. Es musste einen Grund dafür geben. Obwohl seine Sinne völlig tot waren, glaubte Dathan, eine neue Präsenz zu spüren und er drehte sich um. Vor ihm stand ein Mädchen mit langem schwarzem Haar und leuchtend roten Augen. Es war Sally. Was machte sie hier? Warum war sie denn an diesem Ort? Sie sah ihn mit diesen unmenschlichen roten Augen an, die von den gleichen dunklen Schatten umrandet waren wie seine. Und irgendwie wirkte sie traurig. „Sally!“ rief Dathan und eilte auf sie zu. Doch egal wie schnell und wie weit er auch lief, der Weg vor ihm wurde immer länger und Sally selbst rückte in weite Ferne. „Ich werde dir noch ein Mal helfen, du musst mir vertrauen. Und ich werde auf dich warten, hörst du?“ rief sie ihm zu und dann wachte Dathan auf. Er war schweißgebadet, trotzdem fröstelte es ihm. Wie jedes Mal, wenn er von der Zwischenwelt und von Sally träumte. Seit Sally ihren Frieden gefunden hatte und ihr Terror durch den Film „Happy Sally“ vorbei war, hatte er immer wieder diese seltsamen Träume. Meist träumte er von der Zwischenwelt, manchmal auch von damals, als seine kleine Schwester Christie noch gelebt hatte. Doch statt von ihr träumte er von Sally und meist bemerkte er es gar nicht erst. Aber jedes Mal, wenn sich der Traum dem Ende zuneigte, sprach Sally fast jedes Mal diese Worte. „Ich werde auf dich warten.“ Und auch wenn es keine Alpträume waren und er ehrlich gesagt froh darüber war, dass er zumindest nicht mehr vom Tod seiner kleinen Schwester träumte, machten ihm diese Träume mit Sally doch zu schaffen. Erst letzte Nacht hatte er von Christie geträumt, als er ihr kurz vor ihrem Tode eine Gutenachtgeschichte vorgelesen hatte. Eigentlich wollte sie eine Lovecraftgeschichte hören, aber da sie noch viel zu klein für solche Sachen war, hatte er ihr stattdessen ein Märchen vorgelesen. Doch als er von seinem Buch wieder aufsah, war dort nicht mehr Christie, sondern Sally. Und sie sprach genauso mit derselben Stimme wie Christie. Dathan verstand die Welt nicht mehr und hatte bereits mit Jamie darüber gesprochen, der inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen worden war, nachdem Smiling Sam alias Samuel Leens ihn mit einem Messer attackiert hatte. Dieser hatte seitdem das Haus kaum noch verlassen und traute sich nur noch mit Dathan zusammen in die Öffentlichkeit. Selbst die Clubbesuche und Partynächste waren längst Geschichte. Außerdem besuchte er in der letzten Zeit immer häufiger Schulen für Kampfsport, um sich im Falle eines weiteren Angriffs selbst zu verteidigen. Von dem Terror, den Sally veranstaltet hatte, hatte er sich auch noch nicht erholt und daraufhin musste seine Tablettendosis erhöht werden, damit seine Psyche einigermaßen stabil blieb. Außerdem hatte er sich kurz nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus das Rauchen angewöhnt und es schien nicht so, als wolle er es bald wieder aufgeben. Auch jetzt saß er auf der Terrasse, starrte in den Himmel und rauchte seine Lieblingsmarke „Vogue“. Dathan setzte sich neben ihn und fragte, wie es ihm denn so ginge. Jamie blies einen Rauchkringel aus und lächelte schwach. „Es ging schon mal besser, aber auch schon mal schlechter. Aber du siehst irgendwie nicht gut aus. Schon wieder einer dieser Träume?“ „Ja. Dieses Mal habe ich aber von der Zwischenwelt geträumt. Sally hat mir gesagt, dass sie auf mich warten werde, dass sie mir helfen werde und ich ihr vertrauen soll. Mir macht das echt auf Dauer zu schaffen.“ „Kein Wunder, denn du hast vor ein paar Wochen erfahren, dass Sally mit dir verwandt ist und sie eine ähnliche Geschichte erlebt hat wie du. Vielleicht hast du deshalb diese Träume, weil du unterbewusst den Wunsch verspürst, Sally eine Familie eine Familie zu geben und damit das, was ihr genauso genommen wurde wie dir. Sie hatte schwarzes Haar und rote Augen, genau wie du und deine kleine Schwester. Du solltest deinen Therapeuten aufsuchen und die Sache mit Christie noch einmal aufarbeiten, offenbar ist das noch nicht wirklich geklärt.“ „Ich weiß ja noch nicht einmal, was aus ihr geworden ist und ob sie glücklich ist. Irgendwie lässt mir das keine Ruhe.“ „Kann ich mir gut vorstellen. Sie erinnert dich sehr an dich selbst und an Christie. Da kommen viele Gefühle hoch. Aber ich bin mir sicher, dass es Sally gut geht. Wenn sie ins Jenseits übergegangen ist, ist sie wieder bei ihrer Familie und wenn sie wiedergeboren wurde, dann ist sie sicher ein ganz normales Mädchen und kann unbeschwert aufwachsen.“ „Aber was, wenn sie als Nekromant wiedergeboren wurde und sie eines Tages wieder einen Rachefeldzug startet? Was, wenn sie wieder so unglücklich wird wie in ihrem letzten Leben?“ „Dathan, du bist nicht der Messias und kannst nicht jedem Menschen helfen. Und wie willst du sie finden? Du hast getan, was in deiner Macht stand. Du hast unzählige Menschen gerettet, indem du das Sally-Syndrom aufgehalten hast und du konntest sie zur Vernunft bringen. Ich kann dich gut verstehen, aber trotz allem bist du ein Mensch und nicht allmächtig.“ Jamie drückte seine Zigarette aus und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Irgendwie war sein Blick sehr nachdenklich und melancholisch. Diesen Blick hatte er schon seit seiner Krankenhausentlassung und Dathan machte sich schon ein wenig Sorgen um ihn. Jamie wäre beinahe gestorben, hätte er Sam nicht abwehren und sich schließlich schwer verletzt im Badezimmer verbarrikadieren können. Dabei war Samuel Leens nur so geworden, weil er die negative Energie von Sally in sich aufgenommen hatte. Der Dämonologe hatte geglaubt, die Energie hätte sich verflüchtigt, doch letzten Endes hatte sie die Kontrolle über ihn erlangt und nun trachtete die dämonische Seite von Sally Jamie nach dem Leben. Sowohl er als auch Dathan hatten Angst, dass der Alptraum von neuem beginnen und Sally bald als das grausame Monster zurückkehren könnte, das sie bis vor kurzem noch gewesen war. Manchmal, wenn sie abends zusammen draußen saßen und den Sternenhimmel betrachteten, fragte Jamie „Wie viel Leid muss es noch auf dieser Welt geben, bis sich die Menschen endlich ändern?“ Und dann wiederum saß er oft am Klavier und spielte Stücke wie "Greensleeves", „Any Other Name“ von Thomas Newman oder „Requiem for a Dream“. Aber dann wiederum gab es auch wieder Momente, wo Jamies Melancholie wich und er wieder ganz der Alte war und einen Scherz nach den anderen machte. Diese hielten aber leider nur so lange an, bis die Wirkung des Antidepressivums nachließ. „Weißt du Dathan“, sagte er schließlich und sah seinen besten Freund mit nachdenklichem Blick an. „Seit dieser Sache mit Sally frage ich mich wirklich, warum es überhaupt Nekromanten gibt. Warum gibt es die Menschen überhaupt? Manchmal denke ich, dass der Mensch nichts anderes ist als ein Parasit. Eine Krankheit, die den Planeten befällt und zerstört. Vielleicht existieren die Nekromanten als natürliche Feinde. Die Menschen haben Angst vor ihnen und drängen sie quasi dazu, zu Mördern zu werden. Was wäre, wenn die Nekromanten im Grunde geboren werden, um die Menschen zu töten?“ „Du meinst so was wie bei Elfen Lied?“ „So in der Richtung. Ich meine, normalerweise geschieht doch nichts zufällig, oder?“ „Ich will über so etwas lieber nicht nachdenken. Wenn es wirklich so stimmt und ich aus dem Grund existiere, weil ich Menschen töten kann, dann dürfte ich eigentlich nicht weiterleben. Ich will auch keine Menschen töten, zumindest keine Unschuldigen. Okay ich geb zu, dass ich auch gerne wissen würde, warum ich diese Kraft besitze, aber ich habe auch Angst vor der Wahrheit.“ Der Himmel begann sich langsam zu verfinstern und in der Ferne war ein leises Donnern zu hören. Offenbar würde es am Abend ein Gewitter geben. Im Gegensatz zu Jamie liebte Dathan Gewitter, insbesondere den Regen. Da hatte er immer das Gefühl, als würde er alle seine Sorgen mit sich nehmen. Wieder donnerte es, dieses Mal ein wenig lauter und mit einem Male öffnete Himmel seine Schleusen und ein wahrer Platzregen setzte ein. Da ein Teil der Terrasse überdacht war, blieben die beiden trocken und eigentlich war es so ganz gemütlich, doch wenn Jamie eines nicht ausstehen konnte, dann waren es Gewitter und Regen. Er vertrug schon als kleiner Junge keine hohe Luftfeuchtigkeit und bekam Atemschwierigkeiten. Außerdem hasste er nichts mehr, als zu schwitzen. Um dem vorzubeugen, begann er sich mit einem Supermarktprospekt Luft zuzufächeln. „Mensch, den ganzen Tag ist es schon so schwül. Mrs. Landon sagt ja immer zum Scherz, dass es ein „Tauwetter für Dicke“ sei. Sehr witzig, dabei habe ich sowieso schon leichtes Untergewicht obwohl ich die ganze Zeit Süßgebäck esse.“ Dabei zog Jamie eine Schmollmiene und diese war so niedlich, dass Dathan lachen musste. Schließlich ging der von Narben entstellte Nekromant das Telefon holen und wollte zuerst seinen Therapeuten Dr. Laurie anrufen, aber Jamie riet ihm, es mal mit Dr. Worthsmith zu versuchen, bei welchem er selbst zurzeit in Behandlung war. Dieser betreute auch Traumaopfer und Patienten, die am Sally-Syndrom gelitten hatten. Vielleicht konnte dieser ihm besser helfen. Tatsächlich hatte Dr. Worthsmith am folgenden Tag noch einen Termin frei und vereinbarte mit Dathan, dass dieser um 15 Uhr kommen sollte. Na, hoffentlich half das auch. Es schadete ja nicht, einfach mal mit einem Psychologen zu reden und sich bestätigen zu lassen, dass man nicht völlig verrückt war. „Da jetzt endlich wieder Ruhe eingekehrt ist“, sagte Jamie schließlich und sah seinen besten Freund mit einem merkwürdigen Ausdruck in den Augen an, „willst du nicht irgendwann wieder Kontakt zu Emily aufnehmen? Ich sehe dir doch an, dass du sie vermisst.“ „Daran hab ich ja auch schon gedacht, aber… ich weiß nicht, ob das wirklich so eine gute Idee ist. Ich meine, vielleicht hat sie ja inzwischen einen Neuen und das wäre mir wirklich unangenehm. Außerdem weiß ich nicht, ob sie nicht inzwischen Angst vor mir hat, weil ich meine Klassenkameraden umgebracht habe.“ Und außerdem wollte er Jamies Gefühle nicht noch mehr verletzen, denn er wusste, dass dieser ihn nach wie vor noch liebte. Doch Jamie hatte ihn bei sich aufgenommen, weil er für ihn da sein wollte. Wenn seine Liebe schon unerwidert blieb, wollte er ihm wenigstens als bester Freund beistehen. Dathan hatte schon ein schlechtes Gewissen dabei, dass er seinem besten Freund so auf der Tasche lag, aber im Moment blieb ihm kaum anderes übrig. Als Nekromant war er dazu verdammt, dass die Menschen Angst vor ihm hatten und mit diesem entstellten Gesicht würde er sowieso keinen Job finden, geschweige denn eine Ausbildungsstelle. Zwar hatte Jamie ihm angeboten, alles in die Wege zu leiten, damit er wieder ein ansehnliches Gesicht bekam, aber es würde doch sowieso nichts daran ändern. Und dann würde eines Tages wieder jemand kommen und ihn mit Säure attackieren. „Wenn ich ehrlich sein soll“, sagte Dathan manchmal „dann würde ich wirklich alles dafür geben, diese Gabe loszuwerden.“ „Vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit. Ich hab da irgendwie gehört, dass die N.E.S.P.R. an einer Art Behandlung forscht, die Nekromanten ein normales Leben ermöglichen soll. Immerhin hatte es Samuel Leens geschafft, den größten Teil von Sallys Kraft in sich aufzunehmen und sie wieder normal zu machen. Wenn es ihnen tatsächlich gelingt, die negative Kraft der Nekromanten zu sammeln, könnten sie auch eines Tages dir helfen. Dann kannst du endlich ein normales Leben führen, ohne dass die Menschen Angst vor dir haben. Stell dir das mal vor!“ „Das wäre wirklich zu schön.“ Dathan schloss die Augen und schwelgte in wunderbaren Fantasien, wie es wohl wäre, ein normales Leben führen zu können. Er könnte vielleicht eines Tages Sozialarbeiter werden, oder sogar Erzieher. Wenn Jamie ihm tatsächlich die Gesichtsoperation ermöglichte, dann könnte er endlich wieder normal aussehen und wieder mit Emily zusammenkommen, wenn sie ihn noch wollte. Wie es wohl wäre, wenn sie tatsächlich eines Tages zusammenziehen würden? Jamie musste kichern, als er Dathans glücksseliges Lächeln sah. „Weißt du was? Ich werde sowieso demnächst nach Harvock fahren. Dann werde ich mich auch mal umhören, wie es Emily so geht.“ „Das kann ich doch nicht verlangen, besonders nicht von dir!“ „Schon gut. Ich will, dass du glücklich bist. Und ich weiß doch, dass das mit uns nichts wird. Du liebst Emily und du gehörst zu ihr.“ Es donnerte erneut und ein Blitz zuckte wie eine leuchtende Schlange am Himmel. Der Regen wurde zum gewaltigen Platzregen und als es auch noch zu hageln begann, entschieden sich die beiden, doch lieber ins Haus zu gehen und alle Türen und Fenster geschlossen zu lassen. Stattdessen setzte sich der Hausherr ans Klavier, Dathan setzte sich auf die Couch etwas weiter weg in der Nähe des Fernsehers und hörte ihm zu. „Als ich jünger war“, sagte Jamie schließlich „hab ich mir immer vorgestellt, wie toll es doch wäre, wenn du und Lydia ein Paar werden würdet. Sie hat dich wirklich sehr geliebt…“ „Ich weiß. Sie war auch meine erste Liebe… aber dann kamen Toby und seine Gang und haben alles kaputt gemacht.“ „Inzwischen sehen sie sich ja die Radieschen von unten an. Weißt du, als ich noch bei Dr. Schwarz in Therapie war, meinte er, dass meine Liebe zu dir gar nicht echt sei, sondern nur von meiner Persönlichkeitsstörung herrühre. Er sagte, dass ich gar nicht in der Lage wäre, Freundschaft und Liebe zu unterscheiden und dass ich beziehungsunfähig wäre. Nun, was das Letztere betrifft, muss ich zustimmen. Aber was den Rest betrifft, war Dr. Schwarz ein Arsch. Ich kann sehr wohl unterscheiden, welche Liebe krankhaft ist und welche nicht. Dr. Worthsmith ist da ganz anders. Ihm vertraue ich da mehr als diesem Hochstapler.“ „Ich dachte, du vertraust keinem Menschen.“ „Stimmt. Keinem außer dir und mir selbst.“ Als das Lied vorbei war, legte Jamie eine Zugabe ein, indem er noch „La Valse D’Amelie“ spielte. Schon damals liebte er es, Klavier zu spielen. Er und Lydia hatten zusammen Unterricht genommen, allerdings hatte seine Zwillingsschwester nie wirklich ein Händchen dafür gehabt. Sie war völlig unmusikalisch und liebte es stattdessen, ihm zuzuhören. Jamie hingegen war schon immer sehr musikalisch gewesen und spielte sowohl Klavier als auch Gitarre und Geige. Allerdings bevorzugte er mehr das Klavier, weil es für ihn am schönsten klang. Manchmal, wenn er die Augen schloss, konnte er Lydia sehen, wie sie neben ihm saß und fasziniert auf seine Hände sah, wie sie über die Tasten flogen. Das Licht spielte in ihrem goldblonden Haar und ihre blauen Augen funkelten wie Saphire. Doch jedes Mal, wenn er die Augen wieder öffnete, war der Platz neben ihm leer… und Lydia war nicht da. Sie würde nie wieder zurückkehren. Wirklich verrückt, dass der Tod seiner Zwillingsschwester ihm mehr zu schaffen machte, als der grausame Tod seiner Eltern. Insbesondere weil er seine eigenen Eltern getötet hatte und das auf besonders brutale Art und Weise. Nun ja, er hatte ja auch nie ein besonders gutes Verhältnis zu ihnen. Stattdessen hatte er sich immer an Lydia geklammert. Früher war sie immer für ihn da gewesen, bis sie vor seinen Augen vergewaltigt wurde und sich später das Leben nahm. Seine Eltern hatten ihn daraufhin im Stich gelassen, sein Pflegevater hatte sich an ihm vergangen. Seitdem hatte Jamie nie wieder Vertrauen zu irgendeinem Menschen außer Dathan gefasst. Erst Dr. Worthsmith hatte es geschafft, ihn wenigstens dazu zu bewegen, sich ihm ein wenig zu öffnen. Der Psychologe wusste auch, wie man mit einem so schwierigen und eigensinnigen Menschen wie Jamie umzugehen hatte. Er ging vorsichtig an sehr problematische Themen heran, fasste Jamie aber im Allgemeinen nicht mit Samthandschuhen und sagte ihm auch oft genug ganz klar, was Sache war. Und das schätzte Jamie an ihm. Er machte auch schon deutlich Fortschritte, seit er bei Dr. Worthsmith in Behandlung war und das machte ihm Mut, auch wenn er selbst wusste, dass er wohl noch einige Jahre auf psychologische Betreuung angewiesen war. Vielleicht sogar für den Rest seines Lebens, denn er konnte immer wieder rückfällig werden und in alte Verhaltensmuster zurückfallen, auch wenn er diese verdammten Psychopharmaka schluckte. Das Unwetter wurde immer heftiger und es wurde so dunkel, dass sie die Lichter einschalten mussten. Um sich ein wenig abzulenken, setzten sie sich vor den Fernseher und schauten sich „Donnie Darko“ an. Doch schließlich fiel die Elektronik aus, eine Sicherung war rausgesprungen. Also blieb Jamie nichts anderes übrig, als nachzusehen. Dabei musste er am Fenster vorbei, welches zur Straße führte und wo er für gewöhnlich kurz rausschaute, wenn er daran vorbei ging. Und was ihm auffiel, war eine junge Frau, die da draußen stand. Sie sah recht jung aus, hatte schulterlanges blondes Haar und trug eine Nerdbrille. Älter als 24 war sie auf keinen Fall und in der einen Hand hielt sie einen Regenschirm, in der anderen so etwas wie einen Zettel. Abwechselnd sah sie zum Haus und auf den Zettel, scheinbar unsicher, ob sie richtig in der Adresse war. Jamie blieb kurz stehen und beobachtete sie. Die blonde junge Frau starrte eine Weile auf das Haus und schien sich nicht großartig daran zu stören, dass es in Strömen regnete. Irgendetwas an ihr war… seltsam. Er konnte nicht mit dem Finger darauf zeigen, doch es schien so, als würde etwas an ihr an Dathan erinnern. Sie hatte nichts Unheimliches an sich, dass man sich jetzt vor ihr fürchten musste und Jamie verspürte auch keine unerklärliche Angst vor ihr, aber trotzdem besaß sie eine Ausstrahlung, die ihn an Dathan erinnerte. War diese Frau etwa auch eine Nekromantin? Jamie beobachtete sie noch eine Weile, dann drehte sich die junge Frau um, stieg in einen schwarzen BMW mit getönten Scheiben und fuhr davon. Das Nummernschild hatte er nicht erkennen können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)