Primeval: New World Season III von kentasaiba ================================================================================ Kapitel 5: [Folge 03] Einsame Welt ---------------------------------- Vancouver - Manulife Financial Corp Man roch den Schweiß förmlich, der sich inzwischen in dem großen Besprechungsraum angesammelt hatte. Er wurde nur noch vom Qualm der zahlreichen Zigaretten überschattet. Lediglich ein Fenster war geöffnet und in Anbetracht, dass sich der Raum im 38ten Stockwerk befand, war die Luft ohnehin schon dünn. Den Männern an den gegenüberliegenden Seiten des runden Tisches schien es hingegen nichts auszumachen. Im Gegenteil, die Sekretärin brachte den Herrschaften sogar jeden eine Tasse Kaffee und stellte das Tablett in der Mitte ab. Gierige Hände griffen danach und schütteten ihn ihre Kehle hinab, auch wenn er noch recht warm war. Aber es war genau das was die Männer im Moment brauchten. Die Sekretärin wollte bereits wieder ziehen, bis sie einer der Leute zurückhielt. „Ach sagen Sie, ist die Person über die wir gesprochen haben bereits angekommen?“, erkundigte sich der Herr im schwarzen Anzug. Zu ihren Ungunsten konnte es die Sekretärin nicht genau sagen, versprach aber sofort beim Empfang anzurufen und sich zu erkundigen. Danach verließ sie den Raum und die Männer warteten, bis die Tür zu war. Einer von ihnen öffnete seinen schweren Aktenkoffer und klatschte einige Papier auf den Tisch. Scheinbar wollte er, dass das Geräusch die anderen wachrüttelte. „Gentleman, Sie wissen warum wir heute hier sind.“, sagte er in einem kräftigen Tonfall, was verriet, dass es sich bei ihm wohl um den Ranghöchsten handelte. Keiner seiner Leute erwiderte etwas und Richard Pool verdrehte die Augen. Was hatte er groß erwartet? Es waren im Prinzip diese Leute vor ihm gewesen die für jene Situation verantwortlich waren. Zuerst schwenkte sein Blick zu seiner Rechten, einem bereits älteren Mann der seinem Blick auswich. Marshall Braford arbeitete bereits seit seiner Gründung für die Firma und war der Sprecher des Vorstands. Er war für gewöhnlich recht still und nur soweit gekommen weil er wusste, dass es nie schaden konnte die Klappe zu halten. Zu Pools Linken saß ein noch recht jüngerer Mann, er war der Sohn des ehemaligen Vize-Präsidenten der Gesellschaft. Sein Vater war ein Genie, weshalb Pool seinem Sohn ohne zu zögern gefördert hatte. Doch Davon Parrack fehlte eindeutig etwas, sonst wäre es nicht soweit gekommen. Am gegenüberliegenden Ende des Tisches hockte ein Mann in Pools Alter, der eine lässige Pose eingenommen hatte. In Anbetracht, dass Jefferson Gaynes der Finanzchef der Manulife Financial Group war, war dies äußerst töricht. Doch nichts brachte den Mann aus der Ruhe, der genüsslich an seiner Zigarette zog. „Jefferson, können Sie mir erklären, warum unsere Aktien im Keller sind?“, hakte er nach. Der Finanzchef lehnte sich in seinem Stuhl zurück taxierte seinen Boss. „Naja, wenn ich raten müsste, würde ich sagen… weil sie niemand kauft.“, erwiderte er protzig. Pool wäre nun am liebsten auf den Tisch gesprungen und hätte sich dann direkt auf den Finanzchef gestürzt. Doch er wusste, dass Gaynes zu viele Firmenanteile besaß um ihn einfach so loszuwerden. „Und warum genau kaufen die Leute sie nicht?“, ging er schweren Herzens auf das Spiel ein. Gaynes zog an seinem Kinnbart und tat so, als müsste er etwas überlegen. „Sie kennen die Antwort darauf doch bereits. Unser Finanzmarkt ist im Keller, nicht erst seit den Eskapaden der USA. Sicher, wir werden immer noch Kredite los, aber wie viel Prozent unserer Kunden ist auch im Stande sie zurückzuhalten? Und wir reden hier nicht von Kleinkunden, die pleite gehen, sondern von Firmen, Organisationen oder gar Regierungen. Unsere bisherige Vorgehensweise war es, so viele Versicherungen und Kredite wie möglich an den Mann zu bekommen. Früher war das auch nicht falsch, aber gerade heute machen wir durch unseren Eifer Verluste. Wir geben Geld aus, das wir nicht mehr zurückbekommen.“, führte ihm Gaynes vor Augen. Pool biss sich auf die Unterlippe. Ihre Verluste waren alles andere als ein Geheimnis, er hatte die Papier selbst vor sich. Kunden denen ihre Geldforderungen lästig wurden, meldeten einfach Insolvenz an oder weiteten ihre Rückzahlungsfrist mittels Gerichtsverfahren bis ins Unendliche aus. Es war ein Teufelskreis und kein Ende war in Sicht. „Aber was sollen wir bitte sonst tun? Unsere Verkäufe zurückschrauben und nur noch Kunden anbieten, von denen wir 100%tig wissen, dass sie uns das Geld auch wieder zurückzahlen können? Stellen Sie sich das einmal vor. Wir müssten dutzende Standorte schließen und Mitarbeiter entlassen. Wir wollen doch expandieren und uns nicht verkleinern.“, meldete sich Davon Parrack. Pool musste ihm rechtgeben, auch wenn dieser nichts zur Lösung des Problems beigetragen hatte. Der Firmen-Präsident blickte zu Marshall Braford, doch dieser zog sich nur verlegen am Kragen und schwieg ansonsten. „Das kann doch nicht sein! Es muss eine Lösung für dieses Problem geben.“, hämmerte er auf den edlen Holztisch. Gaynes räusperte sich nun. „Bitte überlassen Sie dieses Problem mir. Ich habe bereits jemanden eingestellt, bei dem ich mir sicher bin, dass er die Strukturen in soweit ändern kann, dass wir bald wieder schwarze Zahlen schreiben.“, verriet er. Ein skeptischer Blick, nicht nur von Pool, sondern auch den beiden anderen. „Wer genau soll dieser Wunderknabe sein?“, hakte sein Boss verächtlich nach. Er glaubte natürlich keinesfalls, dass eine einzige Person die Kastanien noch aus dem Feuer holen konnte. Dann klopfte es und die Sekretärin steckte ihren Kopf herein. „Ähmm… diese Person ist jetzt da.“, informierte sie Gaynes. Sofort huschte ein Lächeln über das Gesicht des Mannes und er bat sie die Person sofort hereinzulassen. Er rieb sich die Hände und sah dann zu seinem Boss. „Das Wunderknabe ist in diesem Fall nicht zutreffend. Eigentlich…“, begann er, wurde aber gleich wieder unterbrochen. Die Tür ging nach innen auf und jemand betrat den Besprechungsraum. Pool, Parrack und Braford staunten nicht schlecht, als plötzlich kein Knabe, sondern eine Frau vor ihnen stand. Und was für eine. Sie trug langes, brünnetes Haar, besaß einen anziehenden Blick und ein violettes Kleid, das die Herrschaften veranlasste, ihre Krawatten etwas zu weiten. „Meine Herren? Darf ich Ihnen die Person vorstellen, die unser Problem lösen wird?“, verwies Gaynes auf die Frau. Pool hatte sich durch die Attraktivität der Frau kurz ablenken lassen, fand aber schnell wieder zu sich. Irritiert starrte er Gaynes an. Hatte der Kerl jetzt auch noch den letzten Funken Verstand verloren? „Was reden Sie da? Keine Ahnung wer das ist, aber diese klei… diese werte Dame wird uns kaum helfen können. Nichts gegen Sie.“, wand sich Pool zuletzt an die Frau. Diese verzog keine Miene, sondern zog einige Papier aus der Tasche, welche sie mit sich führte. Sie klatschte auf dem Tisch, direkt neben Pool. Zögernd warf er einen Blick darauf und stutzte. Er las sich das erste Blatt im Schnelldurchlauf durch, dann folgte das zweite. „Das… ist aber niemals umsetzbar.“, murmelte er nun. Die Frau räusperte sich und zog eines der anderen Blätter hervor. Pool durchflog es und starrte die Frau perplex an. „Das… das könnte wirklich funktionieren.“, meinte er dann. Die Frau nickte lächelnd. „Das wird es, ich verspreche es Ihnen. Aber dafür ist es verantwortlich, dass ich augenblicklich mit meiner Arbeit beginne.“, erklärte sie. Pool starrte erst Gaynes, dann sie anerkennend an. „Tja, scheinbar haben wir mit Ihnen einen echten Gewinn gemacht, Miss…“, begann er und die Frau lächelte charmant. „Finch. Angelika Finch.“ Cross-Photonics Evans größte Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Seine Freunde hatten seine Wohnung gekündigt und seinen Hausrat aufgelöst. Er hatte bereits damit gerechnet eine Todesanzeige in der Zeitung vorzufinden, doch er blieb verschont. Gut, wie hätten die Dylan und die anderen gegenüber den Behörden auch erklären sollen, dass er in einer Anomalie verschwunden war, die beinahe die ganze Welt zerstört hätte? Zum Glück gab es in der Firma ein Badezimmer, für Mitarbeiter die schon mal eine Nacht durchmachen mussten. Evan stand vor dem Spiegel und blickte etwas melancholisch auf die Stelle wo sich noch vor wenigen Minuten sein dicker Bart befunden hatte. Nun war er verschwunden, in den Weiten des Abflusses. Für Körper-Hygiene hatte er in der Kreidezeit freilich keine Zeit gefunden. Womit hätte er sich rasieren sollen? Hätte er einen Raptor beten sollen, ihm seine Krallen zu leihen um so die Bartstoppeln zu tilgen? Evan strich sich über die Wange und es fühlte sich gut an. Er war wieder er selbst, zumindest vom Aussehen her. Er hatte seine zerfetzten Klamotten in den Müll gestopft und danach eine ausgiebige Dusche genossen. Er wagte es nicht einmal ein Bad in einem prähistorischen Fluss zu nehmen, aus Angst vor Keimen und Bazillen. Meistens wartete er auf Regen, welchen er auffing und sich so sicher sein konnte, dass dieser gereinigt und trinkbar war. Zufrieden stieg er aus der Dusche und schlüpfte in die Ersatzklamotten. Er verließ das Badezimmer und schlenderte in Richtung Besprechungsraum. Als er das geschäftige Treiben in der Kommando-Zentrale erblickte, wusste er, dass er zu Hause angekommen war. Er stieg die Treppe nach oben und erkannte, dass sich bereits einige Leute im Raum angesammelt hatten. Er klopfte kurz und öffnete dann. Er wollte sich einen Überblick verschaffen, wurde aber unterbrochen. „Evan Cross!“, rief eine Stimme und Evan wurde kurz darauf fest umarmt. Harold Kanan hatte Evans Rückkehr knapp verpasst, als dieser etwas Zeit für sich brauchte. „Du alter Mistkerl! Ich dachte wir hätten dich verloren.“, sagte der Millionär froh. Evan klopfte Harold brachialisch auf dem Rücken. „Ja Harold, ich habe dich auch vermisst.“, versicherte er und versuchte sich loszureißen. In Wahrheit war er froh, einigen Leuten in der Kreidezeit nicht begegnen zu müssen. Harold räusperte sich und kehrte zu seinem Platz zurück. Evan schwenkte seinen Blick und erkannte außer ihm noch den Großteil seiner Teammitglieder. Dylan und Luke hatten auf der rechten Seite des Tisches Platz genommen, während Mac und Kyle ihnen gegenübersaßen. Letzterer wirkte sehr mitgenommen und unterließ sämtliche Versuche mit den anderen zu reden. Lag es daran, dass er einfach nicht zu viele, heikle Informationen über die Zukunft ausplaudern wollte? Oder, dass… seine erst vor wenigen Stunden gestorbene Mutter ihm direkt gegenübersaß? Evan konnte es sich nicht vorstellen wie es war in der Zeit zurückzureisen und die jüngere Version von jemanden zu beigegeben den man kannte. Gut, er war zusammen mit Dylan ins Jahr 2006 gereist, doch dort war er weder seinem jüngeren Ich, noch Brooke begegnet. Er hatte seine Frau gehen lassen, im Gegensatz zu Kyle. Gut, das hier war etwas anderes, aufgrund der Veränderten Zukunft war die ganze Menschheit in Gefahr. Kyle würde Dylan retten und Evan wusste, dass es richtig war. Ach verdammt, er hätte es ihm sogar gestattet sie zu retten wenn es im normalen Zeitverlauf so vorgesehen wäre. Dylan gehörte zu seinem engsten Freunden und es hatte weh getan sie sterben zu sehen. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie dabei schon eine alte Frau war. Apropos Freunde… Evan setzte sich an den Tisch und seine und Macs Augen trafen sich automatisch. Er hatte nicht mit der Anwesenheit des ARC-Mitarbeiters gerechnet und ihn bereits wieder in Groß-Britannien vermutet. „Du hast mir also mein Team weggenommen.“, begann Evan seine Ansprache mit diesen Worten. Mac versuchte einzuschätzen wie Evan das meinte, kam aber zu dem Schluss, dass es sicher nicht anklagend oder beleidigt gemeint war. „Irgendwer musste sich ja für den Job des Teamleiters opfern. Wenn hätten wir sonst nehmen sollen? Luke?“, hakte er nach. „Hey!“, beschwerte sich der Student, der den Seitenhieb alles andere als lustig fand. „Ich bin immerhin karismatisch und somit der perfekte Anführertyp.“, versicherte er. Alle wichen seinem Blick aus und wechselten das Thema. „Also Evan, wen genau hast du uns da mitgebracht?“, fragte Dylan nun und sah zu Kyle. Dieser wich dem Blick der Frau sofort aus. „Kyle kann sicher für sich selbst sprechen.“, entgegnete Evan. Der Mann aus der Zukunft nickte und faltete nervös seine Hände. „Meinen Namen kennt ihr ja bereits und, dass ich von einer Gefahr gesprochen habe. Diese Gefahr geht vor allem die Bewohner dieser Zeit etwas an. Es beginnt in etwa 10 Jahren. Anomalien werden sich überall auf der Welt öffnen, ob natürlich oder unnatürlich weiß ich nicht. Aus ihnen werden Monster kommen, die sofort alles angreifen was sie sehen werden. Und wenn ich Monster sage, meine ich, dass ihr Kreaturen wie sie noch zuvor gesehen habt. Es sind keine gewöhnlichen Saurier, sondern Dämonen mit menschlichen aussehen. Nach einer Obduktion stellten wir fest, dass sie sowohl menschliche als auch Reptilien-DNA beherbergen. Diese Raps, wie wir sie nennen sind extrem schnell und angriffslustig. Und etwas noch viel Wichtigeres. Sie sind intelligent. Sie besitzen zwar über kein Bewusst sein, können sich aber Pläne und Strategien ausdenken. Ich war Teil einer Widerstandszelle, die sich ihnen entgegen gestellt hat. Doch sie wurde ausgelöscht, wie viele andere zuvor. Menschen können es nicht mit ihnen aufnehmen. Es sind zu viele und sie lieben es Menschen zu töten, wie Katzen Mäuse.“, schloss Kyle seinen kurzen Bericht. Ein betretenes Schweigen in der Gruppe. „Ich habe irgendwie ein Deja-Vu.“, murmelte Luke. Mac musterte Kyle und Evan fragte sich, ob ihm wohl die Ähnlichkeit zu Dylan auffallen würde. „Also gut, wie können wir das verhindern?“, fragte der aktuelle Teamleiter nun. Kyle wollte etwas erwidern, doch Luke mischte sich ein. „Moment mal, ja? Trunks hier mag ja aus der Zukunft kommen, aber können wir ihm seine Geschichte auch automatisch glauben?“, wand er ein. Kyle versteifte sich und sein Blick nahm etwas Wütendes, Bedrohliches an. „Ich habe es gesehen.“, sprach Evan dazwischen. „Es war dieselbe Stadt, doch alles war verwüstet. Diese Raps greifen ohne zu zögern alles an was sich bewegt. Noch dazu dämmt niemand mehr die Anomalien ein und Saurier können sich ebenfalls frei bewegen. Wir wissen nicht woher sie kommen und wer oder was sie auf die Menschen der Vergangenheit losgelassen hat, aber das sollte definitiv nicht so ein. Wie ihr wisst, waren Dylan und ich bereits in einer etwas entfernteren Zukunft und dort war keine Spur von ihnen. Diese Zukunft dürfte es nicht mehr geben, weil diese Raps die Zeitlinie verändert haben.“, erzählte er. Alle am Tisch nahmen die Worte in sich auf und überlegten. „Und wir werden wir sie wieder los? Marty hier ist extra zurück um uns zu warnen, aber was genau sollen wir gegen sie ausrichten? Auch wenn wir nun von ihnen wissen, die Leute in der Zukunft haben bestimmt verbesserte Waffen und wissen womit sie es zu tun haben. Selbst wenn wir uns auf die Invasion vorbereiten, können wir sie wirklich besiegen?“, hakte Luke nach. Damit hatte er das Unvermeidliche ausgesprochen. Sie besaßen das Wissen, aber keine Lösung. Selbst wenn sie das Militär informieren würden, die Raps zu stoppen war ausgeschlossen. „Wir… müssten irgendwie die Anomalien verhindern.“, entkam es dann Dylan. Mac schüttelte sofort den Kopf. „Das ist illusorisch. Wir haben die Technologie um einzelne Anomalien zu schließen bzw. verschließen. Sie sind ein Naturphänomen und daher unmöglich unter Kontrolle zu bringen. Außerdem braucht die Zeit sie um sich Stück für Stück zu regenerieren. Ohne Konvergenz würde recht schnell eine Apokalypse eintreten, auch ohne das Zutun dieser Mutanten. Außerdem würden wir dann die Zukunft auslöschen. Es gäbe kein Anomaly Control Center, keine Opener, Evan und Dylan wären nie dorthin gereist und das ganze Zeitgefüge würde quasi implodieren. Oder so ähnlich, jedenfalls will ich mir nicht vorstellen was alles noch passieren könnte.“, sprach er seine Sorgen klar und deutlich aus. Kyle schlug seine Hände gegen die Tischplatte. „Weshalb genau bin ich dann hergekommen? Ich hätte genauso gut in meiner Zeit sterben können, das hätte auch keine Rolle gespielt, wenn ihr hier nichts unternehmt!“, protestierte er lautstark. Harold bat ihn sich zu beruhigen, doch nur mit mäßigem Erfolg. „Komm runter! Wir wollen dir ja helfen, doch ohne Plan werden wir nicht vorankommen.“, erwiderte Evan. Doch das beeindruckte Kyle nicht. „Das muss dann aber schon ein verdammt guter Plan sein.“, blaffte er. „Jetzt re3icht es aber! Hat dir deine Mutter keine Manieren beigebracht?“, blaffte Dylan zurück und Kyle verstummte augenblicklich. „Und wenn wir in die Zukunft reisen würden um nach dem Ursprung dieses Phänomens zu suchen?“, schlug Luke vor. Vor Vorschlag klang logisch, aber auch im höchsten Maße gefährlich. „Nein, ich denke wir sollten…“, begann Evan, bis er jedoch unterbrochen wurde. Es war ein Geräusch, dass er bereits lange nicht mehr vernommen hatte und niemals geglaubt hätte es zu vermissen. Sofort sprangen alle auf, nur Kyle war unklar was der Trubel sollte. Evan und Mac öffneten gleichzeitig ihre Münder. „OK, macht euch bereit…“, kam es von Mac „Bereitet euch vor…“, von Evan. Der momentane und der ehemalige Teamleiter sahen einander an und seufzten. Sie würden später besprechen müssen wie es ab hier weiterging, aber im Moment stand erst einmal eine neue Mission an. Harold nickte dem Team zu und wünschte ihnen viel Glück. „Hey, wir sind noch nicht fertig.“, sagte Kyle abrupt, doch die anderen mussten ihn enttäuschen. „Nachher.“, warf ihm Dylan zu und der Mann aus der Zukunft stieß einen leisen Fluch aus. Es dauerte nicht lange, bis die vier Mitglieder des Teams in der Kommando-Zentrale angelangt waren. Tobys Finger glitten über ihre Tastatur und bald darauf hatte sie eine Karte der Stadt auf dem Bildschirm. „Konntest du die Anomalie orten?“, hakte Dylan nach und Toby nickte unverzüglich. „Ja, auch wenn sie sich an einem hohen Punkt zu befinden scheint.“, verriet sie. „Irgendwo in der Luft?“, wollte es Mac genauer wissen. Toby verneinte und auf dem Bildschirm erschien das Foto eines hohen Gebäudes. „Es ist dieses Hochhaus, wenn ihr euch beeilt seid ihr in 20 Minuten dort.“, berichtete sie. Evan sah sich das Gebäude genauer an. „Was genau befindet sich dort?“, fragte er nach. Toby gab etwas in die Suche ein und antwortete dann. „Manulife Financial.“ Vancouver - Manulife Financial Corp Angelika hatte eine ganze Stunde damit verbracht dem Vorstand ihre gesamte Vorgehensweise darzulegen. Sie waren schnell von ihr überzeugt gewesen und versprachen sie bestmöglich zu unterstützen. Pool hatte schließlich Braford zugenickt und ihn gebeten Miss Finch ihr Büro zu zeigen. Dieser hatte sich erhoben und seine Hand einladend geschwenkt. Angelika unterbrach für keine Sekunde ihr Lächeln und folgte dem älteren Mann. Jefferson Gaynes drückte seine Zigarette in dem silbernen Aschenbecher vor ihm aus und wartete auf die Reaktion des Firmen-Präsidenten. Pool überlegte sich genau was er sagen würde. Immerhin konnte er Gaynes nicht so einfach loben, auch wenn er mit einer vernünftigen Strategie angekommen war. Doch ihm missfiel die Selbstgefälligkeit des Finanzchefs. Erst sah er den drohenden Konkurs nicht voraus und glaubte dann mit fremder Hilfe die Situation retten zu können. Gut, er mochte vielleicht die richtigen Leute kennen, ihm selbst traute Pool so eine Glanzleistung aber nicht zu. Er musste aufpassen, denn sonst war es Gaynes der ihn aus der Firma drängte und nicht umgekehrt. Doch das würde nicht passieren. Pool hatte die Manulife Financial-Group gegründet und würde sich die Firma von absolut niemandem wegnehmen lassen. Marshall Braford konnte es nicht unterlassen der neuen Mitarbeiterin etliche Male auf ihren Allerwertesten zu starren. Ihm war egal, ob ihn seine Kollegen manchmal als Lustmolch bezeichneten oder sogar seine Frau selbst. Diese Unternehmensbraterin unterschied sich von allen, denen Braford bisher begegnet war. Erst hatte er mit einem Mann mittleren Alters gerechnet, mit Anzug und einer Halbglatze. Aber nein, Gaynes hatte ihn mit seiner Wahl wirklich überrascht. Und scheinbar glänzte diese Frau nicht nur mit Attraktivität, sondern schien das Problem des Unternehmens wirklich lösen zu können. Er hatte Angelika Finch in ein leeres Büro geführt und versprochen sich gerne um sie zu kümmern, sollte sie Hilfe brauchen. Die Frau hatte sich bedankt und ihn gebeten sie nun in Ruhe arbeiten zu lassen. Braford gab zu ihr gerne noch einige Fragen gestellt zu haben, doch er wollte es nicht auf die Spitze treiben. Und vor allem wollte er keinesfalls wegen sexueller Belästigung angeklagt werden. Er würde seine Gelegenheit mit dieser Frau warm zu werden schon bekommen, da war er sich sicher. Er warf einen Blick auf die Uhr und seufzte. Sollte er zurück zum Meeting und sich von Pool anbrüllen lassen? Nein, er zog es vor etwas frische Luft zu schnappen und noch eine zu rauchen. Zu diesem Zwecke existierte im 32ten Stock ein Erholungsraum, den Braford regelmäßig nutzte. Er wanderte zum Fahrstuhl und wartete geduldig bis sich die Türen öffneten. Er betrat das Innere und drückte den passenden Knopf. Danach schlossen sich die Türen erneut und der Lift setzte sich in Bewegung. Eine Minute später betrat er den 32ten Stock und staunte erst, dass hier kein Betrieb herrschte. Im nächsten Moment erinnerte er sich jedoch, dass gerade Mittagspause war und er hier oben alleine sein würde. Das kam ihm nur zu gute, keine lästigen Angestellten die ihn mit Fragen über ihre Zukunft bombardieren konnten. Er schritt den Gang entlang bis er dann doch ein Geräusch vernahm. Er war lange genug in dem Geschäft um einen Kopierer zu erkennen. Jemand schien mehrere Seiten auszudrucken und Braford lugte in den Gang vor sich. Scheinbar irrte er sich, denn kein Mensch war zu sehen. Der Kopierer arbeitete, doch alles was er tat, war weiße Blätter auszuspucken. Braford nahm an, dass es sich um eine Fehlfunktion handelte und stellte das Gerät aus. Doch damit war der Spuk noch nicht beendet. Er schritt voran und erkannte einen Monitor an der Wand, dessen Bild unnatürlich flatterte. Braford runzelte die Stirn und glaubte schon beinahe an einen Geist. Er stellte auch den Monitor ab und beschloss, dass nur ein Elektriker das Problem lösen konnte. Er zog Stift und Zettel um der Belegschaft dieser Abteilung eine Notiz zu schreiben was hier vorging, doch kaum hatte er beides in der Hand, flutschte der Stift ihm durch die Finger und landete am Ende des Ganges. Braford runzelte verwirrt die Stirn, es war als wäre heute ein gigantischer Elektromagnet auf ihn gerichtet. Er wollte sich zu seinem Stift begeben um ihn aufzuheben, bis plötzlich etwas geschah. Am Ende des Ganges blitzte und funkelte es auf einmal. Wie aus dem Nichts erschienen Glasscherben und schwirrten in der Luft umher. Braford glaubte langsam den Realitätssinn zu verlieren. Die Scherben wurden immer größer und bald reichte das Licht bis zur Decke. Der entstandene Wirbel aus Glasscheiben hatte nun einen Durchmesser von zwei Metern und wirkte beeindruckend. Aber auch gefährlich, denn Braford hatte keine Ahnung was das sollte. Plötzlich drang etwas durch das Licht, der Geschäftsmann erkannte Wasser das sich auf dem Gang bildete. Zwei bis drei kleine Fische zappelten angesichts der plötzlichen Sauerstoffzufuhr. Der Flur wurde augenblicklich durchnässt und eine zweite Welle schwappte durch das Licht. Mehr kleine Fische suchten sich ihren Weg ins Trockene und Braford kniff sich in den Arm und sicherzugehen nicht zu träumen. Und dann… schleppte sich ‚es’ durch das Licht. Braford erkannte etwas Weißes, Schlangenartiges, das den Flur entlang kroch. Es bäumte sich auf und wedelte wie ein Tentakel in der Luft herum. Braford hatte genug gesehen. Seine Angst war ins Unermessliche gestiegen und er wollte hier einfach nur noch weg. Er legte den Rückwärtsgang ein und wollte zu laufen beginnen. Doch es war zu spät. Der Tentakel schnellte plötzlich nach vorne und wickelte sich um Brafords rechtes Bein. Sofort verlor dieser das Gleichgewicht und krachte zu Boden. Er versuchte nach vorne zu robben, doch ohne Erfolg. Der Tentakel wurde zurückgezogen und damit auch Braford. Egal wie sehr er sich bemühte, der Zug war einfach zu stark. Er griff mit beiden Händen nach dem weißen Ding und wollte es abschütteln. Doch kaum hatte er den Tentakel berührt, begannen seine Hände wie Feuer zu brennen und er schrieb auf. Er hatte in etwas gegriffen das ihn zuerst an den Saugnapf einer Qualle oder ähnlichem erinnert hatte. Brafords Kleidung durchnässte sich als er in der Pfütze vor dem Licht angekommen war. Er schrie erneut auf, bis seine Stimme abbrach als der Tentakel ihn in das Licht hineingezogen hatte. Es vergingen einige Minuten, dann drang der Tentakel erneut durch die Barriere, an ihm klebten noch einige Finger seiner soeben verspeisten Beute. Cross- Photonics Donovan hatte natürlich sofort auf den Alarm reagiert und alle nötigen Utensilien in den Van geladen. Dazu gehörten Ortungsgeräte, Verschießaparate und am wichtigsten EMDs. Ohne ging der Ex-Major nicht mehr aus dem Haus, oder besser gesagt aus der Firma. Fakt war, dass er dank ihnen kein weiteres Mitglied seines Teams verloren hatte. Aber… in wieweit war es eigentlich noch seines? Mac Rendell hatte nicht nur die organisatorische, sondern auch die taktische Leitung inne. Donovan hatte sich seitdem lediglich als sein Stellvertreter gesehen, doch was würde jetzt sein, wo Evan Cross zurück war? Der ehemalige Soldat war überglücklich den Mann wohl auf zu wissen. Er respektierte Evan und es fiel ihm nicht schwer dessen Befehle zu befolgen. Anders als wie bei Mac Rendell der nicht nur jünger war als er, sondern auch einen niederen Rang bekleidete. Doch Donovan war kein Major mehr. Kein taktischer Leitung, er war nur noch für die Sicherheit des Teams zuständig. Es war nicht so, als ob er unbedingt mehr wollte, er wollte lediglich wissen wie seine zukünftige Rolle aussehen sollte. Würden sich Evan und Mac den Posten des Teamleiters teilen? Es kam bereits zu Zankereien zwischen dem Ex-Major und dem Captain, sollte es wirklich so laufen, würden sich eindeutig zu viele Alpha-Männchen im Team aufhalten. Donovan kam die Idee womöglich ein Beta-Team zu kreieren. Mac hatte ihm erzählt, dass das ARC bereits mehrere Teams im Einsatz hatte um weitläufiger agieren zu können. Donovan beschwerte sich selten, nicht einmal wenn nachts der Wecker klingelte und er zu Cross-Photonics fahren musste, weil sich eine Anomalie nicht an Tag und Nachtzeiten hielt. Natürlich bräuchte man für ein B-Team weitere gute Leute. Jemand der sich mit Anomalien auskannte wie Evan Cross, auch wenn man jemand seines Schlages nur schwer finden konnte. Einen Zoologen wie Luke würde man zwar sicher anheuern können, doch der Student besaß zusätzlich detaillierte Informationen über alle Urzeittiere die jemals auf diesem Planeten gelebt hatten. Auch jemanden wie Dylan zu finden wäre schwierig, die nicht nur gut darin war die Fährten der Tiere aufzunehmen, sondern genau wusste wie man sich ihnen gegenüber verhielt. Zwar war es möglich ein Team aus reinen Ex-Soldaten wie Donovan einer war zu kreieren, aber dieses würde kaum viele Einsätze überleben. Nein, so einfach war es wirklich nicht die momentane Situation zu lösen. Doch Evan Cross und Mac Rendell waren grundverschieden, würde dies das Team nicht bereichern? Vermutlich schon, zumindest solange es nicht zu Streitigkeiten kam. Als Donovan den Alarm vernommen hatte, hatte er sofort alles eingepackt und war startbereit als das CPT die Tiefgarage betrat. Evan und Mac gingen voran, Seite an Seite. Hinter ihnen schlossen Dylan und Luke auf. Er Ex-Major hatte keinen Schimmer was ihnen Kyle, der Mann aus der Zukunft berichtet hatte, aber ihrem Gesichtsausdruck nach, konnte es nichts Positives sein. Es war bereits eine Sache gefährliche Saurier zurück durch Anomalien zu schaffen, aber die Welt auch noch vor Problemen aus der Zukunft, die noch gar nicht stattgefunden haben zu beschützen überforderte Donovan doch etwas. Er war froh gewesen, als sich die Annexions-Anomalie schloss und Harrisons Plan ebenfalls so verpuffte. Die Welt zu retten war schon eine schwere Aufgabe, doch besaßen sie aufgrund ihres Wissens über die Anomalien nicht eine gewisse Pflicht dazu? „Eine Anomalie bei Manulife Financial, einem Hochhaus in der Innenstadt.“, rief Mac Donovan zu und dieser bestieg den Van um die Koordinaten ins Navi einzugeben. Die Mitglieder des Teams bestiegen das Fahrzeug und warteten bis es abfuhr. „Und? Haben Sie es vermisst?“, fragte Donovan nach hinten. Es blieben keine Zweifel offen, dass er damit Evan gemeint hatte. Im Prinzip sollte dieser sofort verneinen, angesichts dessen, dass er fast ein Jahr in der Kreidezeit festsaß. Der Ex-Major sah in den Rückspiegel und erkannte ein Grinsen im Gesicht des Cross-Photonic Leiters. „Das kann man wohl sagen.“, erwiderte er. Vancouver - Manulife Financial Corp Das Team brauchte beinahe eine ganze halbe Stunde, bis sie auch nur in die Nähe des Firmengebäudes kam, dass der Manulife Financial-Group gehörte. Es war Dylan die beobachtete wie mehrere Menschengruppen den Eingangsbereich passierten. Evan blickte auf die Uhr und dachte sich seinen Teil. „Die Mittagspause scheint gerade um zu sein. Luke, darf ich dir anvertrauen, dass du dich ins Gebäude schleichst und den Feueralarm auslöst? Wir dürfen nicht riskieren, dass etwas durch die Anomalie gekommen ist.“, bat er den Kryptozoologen. Dieser versprach, dass sich Evan auf ihn verlassen konnte und verließ den Van. „Dylan, bitte ruf Detective Harlow an, in deiner Gegenwart ist er noch am verständnisvollsten. Er soll eine Bombendrohung für das Gebäude herausgeben, durch diese Gelegenheit können wir uns dann hineinschleichen.“, bat er. Dylan nickte und zog ihr Handy. Evans Blick wanderte zu Mac, der ihn einschätzend anstarrte. „Sorry, wolltest du etwas anderes vorschlagen?“, hakte er nach. Mac schüttelte langsam den Kopf. „Nein, deine Idee ist gut, wir machen es so.“, stimmte er zur, obwohl eindeutig zu erkennen war, dass es ihm nicht gefiel, wie wenig sich Evan mit ihm absprach. Doch kurze Zeit später ertönte bereits ein lauter Alarm aus dem Gebäude und es wurde klar, dass es Luke gelungen war. Evan nickte seinem Team zu und alle stiegen aus. Die EMDs verbargen sie vorerst in großen Taschen. Würden die Angestellten diese bemerken, könnte Panik ausbrechen. Man könnte das CPT für Terroristen halten. Oder noch schlimmer, verärgerte Anleger. Doch die Befürchtung blieb aus. Keiner der aus dem Gebäude stürmenden Menschen schenkte dem Anomalienteam große Aufmerksamkeit. So dauerte es nicht lange, bis sich die fünf in der Lobby des Hochhauses wieder fanden. Diese war nicht einmal besetzt, selbst der Portier hatte es eilig aus dem Gefahrenbereich zu fliehen. „Was unternehmen wir, wenn die Feuerwehr anrückt?“, wollte Luke wissen, der wieder zu der Gruppe gestoßen war. „Keine Sorge, bei einer Bombendrohung werden sie das Gebäude nicht betreten. Erst wird die Polizei und dann eventuell das Bombenräumkommando verständigt. Hoffen wir, dass Detective Harlow uns genug Zeit verschaffen kann. So oder so steht uns nur eine beschränkte Zeit zur Verfügung, also sollten wir uns beeilen die Anomalie zu schließen.“, erklärte ihm Dylan. Evan hatte den Fahrstuhl als erstes erreicht, wurde aber von Mac zurückgehalten. „Warte, das ist keine gute Idee. Die Angestellten werden zwar nicht so dumm sein ihn im Brandfall zu benutzen, aber die Interferenzen der Anomalie könnten die Elektronik beeinflussen.“, warnte er. Evan schluckte und verfluchte sich, dass er nicht selbst daran gedacht hatte. Doch Luke räusperte sich und sah in Richtung Treppe. „Bitte sagt mir nicht, dass wir 30 Stockwerke nach oben latschen sollen.“, bemängelte der selbst eher unsportliche Student. Doch keiner im Team hatte einen Plan B parat und so kam es, dass die 5 begannen nach oben zu rennen. Immer wieder kamen ihnen Menschen entgegen, die hektisch, teils panisch aus dem Gebäude fliehen wollten. Aufgrund seiner Größe dauerte die Evakuierung recht lange und das Anomalienteam hoffte, dass niemand von einem etwaigen Tier angefallen werden würde. Luke bildete das Schlusslicht und hechelte nach jedem Stockwerk mehr. Aufgeben kam für ihn jedoch nicht in Frage, nicht solange Dylan noch ihre Kondition halten konnte. Vor ihr bzw. hinter ihr schlapp zu machen hätte kein gutes Bild abgegeben. Die fliehenden Leute wurden wenige, scheinbar nahmen sie den Feueralarm ernst und das Team hätte die Möglichkeit frei zu agieren. Evan glaubte gerade das 27te Stockwerk erreicht zu haben, als eine Frau hektisch mit ihm zusammenkrachte. Evan versuchte sie zu beruhigen, doch es gelang ihm kaum. Er schätzte sie als Sekretärin ein, konnte sich aber auch irren. „Sind… sind Sie von der Feuerwehr?“, fragte sie das Team aufgeregt. „Katastrophenschutz.“, erwiderte Dylan prompt. Dabei handelte es sich um keine schlechte Ausrede, denn im Gegensatz zu Feuerwehr oder Polizei besaßen sie keine passende Ausrüstung oder Uniformen. Die großen Taschen in denen sich die EMDs befanden würde diese Aussage noch stützen. „Mister… Mister Parrack im 33ten Stock wurde verletzt! Er wollte fliehen, doch wenig später war sein Bein verletzt. Ich weiß nicht was passiert ist, aber er kann nicht mehr laufen. Der Präsident ist bei ihm, hat mich aber angewiesen einen Krankenwagen zu holen.“, berichtete sie stockend. Evan und Mac tauschten stumme Blicke aus. „Gut Mam, wir werden uns darum kümmern. Bitte verlassen Sie nun das Gebäude, bevor noch etwas Schlimmeres passiert.“, wies er die Frau an und diese zögerte keinen Moment ihren Weg fortzusetzen. Mac zog sein Anomalien-Ortungsgerät hervor und überprüfte es. „Nein, die Anomalie befindet sich höher als im 33ten Stock.“, verriet er. Evan nickte und wand sich zu seinem Team. „Dann teilen wir uns auf. Ich werde zusammen mit Dylan in den 35ten Stock laufen und versuchen die Anomalie zu schließen. Mac, Luke und Donovan versuchen indes dem Verletzten zu helfen. Irgendwelche Einwände?“ Letztere Frage stellte er nur, da er wusste, dass eigentlich Mac Rendell momentan das Kommando über das Team innehatte. Doch dieser schien kein Problem mit der Verteilung der Aufgaben zu haben und war einverstanden. Er wollte Evan und Dylan das Verschließgerät mitgeben, doch da ersterer bereits den Opener besaß wäre es nur Ballast gewesen. Im Flur zum 30ten Stock wünschte Mac den beiden noch viel Glück und wies Luke und Donovan an vorsichtig zu sein. Evan und Dylan beherzigten den Rat, besonders Evans Sinne waren nach einem Jahr in einer fremden Epoche äußerst geschärft. Obwohl sie bereits viel Energie gelassen hatten, brauchten die beiden nur eine Minute um die Treppe zum 35ten Stockwerk zu erreichen. Dylan hielt plötzlich inne als sie ein platschendes Geräusch vernahm. Sie sah zu Boden und realisierte, dass sie in eine Pfütze getreten war. Die Stufen waren platschnass, wie nach einem starken Regenfall. „Jemand wird einen Putzeimer umgestoßen haben, komm jetzt!“, drängte Evan und seine Freundin stimmte ihm zu. Ihre Schuhe wurden zwar feucht, aber dennoch gelang es ihnen den Flur zum richtigen Stockwerk zu erreichen. Evan sichtete bald darauf die Tür und griff nach dem Knauf. Nichts. Evan versuchte es erneut, doch die Tür bewegte sich nicht. Oder doch, einen kleinen Millimeter schon, wie der Leiter von Cross-Photonics fand. „Was ist? Ist sie abgesperrt?“, hakte Dylan nach. Evan verneinte daraufhin. „Negativ. Sie bewegt sich etwas, sie muss durch etwas blockiert sein.“, spekulierte er. Dylan hob verwundert eine Augenbraue. Wenn man wusste, dass es brande, beschloss man doch nicht sich einzuschließen. Rettungskräften wäre es unmöglich hineinzukommen und die Person vor den Flammen zu retten. Zugegeben, hier brannte es nicht, aber davon wussten die Mitarbeiter der Firma nichts. Doch es half nichts, die Anomalie befand sich hinter dieser Tür, sie musste auf, was dafür auch nötig war. War die Innenseite vielleicht mit Metall umwandelt? In diesem Falle würde der Magnetismus des Zeitportals dieses anziehen und einen ungeheuren Druck auf die Tür abgeben. Dylan ließ ihre Tasche zu Boden fallen und zog eine Pistole mit scharfer Munition heraus. „Geh beiseite.“, bat sie Evan und dieser folgte unverzüglich. Dylan stellte sich in einigem Abstand vor das Schloss und drückte ab. Die Kugel durchbrach die Vorrichtung und Evan versuchte erneut sie aufzudrücken. Ohne Ergebnis. Etwas anderes schien sie zu blockieren, doch den beiden ging langsam die Zeit aus. Dylan versuchte es anders und zog ein EMD aus der Tasche. Dieses zeigte bei toter Materie zwar kaum Wirkung, aber einen Versuch war es wert. Sie stellte es auf mittlere Stufe ein und feuerte damit auf die Tür. Kurz darauf vernahmen beide einen sehr hohen Klang, den sie nicht einordnen konnten. Doch egal was es auch war, die Tür sprang auf und verschaffte ihnen Zutritt zu dem Bereich dahinter. Dylan reichte Evan ihr EMD und zog ein zweites für sich selbst aus der Tasche. Dicht beieinander traten sie nun in den Gang dahinter und Dylan stellte fest, dass der Wasserspiegel hier noch höher war als im Treppenhaus. „Hat hier jemand vergessen die Dusche abzudrehen?“, beschwerte sie sich brüsk. Evan musste ihr rechtgeben, inzwischen standen beide Knöcheltief in dem kalten Nass. Evan unternahm einen Versuch voranzugehen, bis er plötzlich inne hielt. Er riss die Augen auf, als er einen kleinen Fisch direkt vor sich vorbeischwimmen sah. Sofort hob er einen Arm um Dylan am Weitergehen zu hindern. „Hier gibt es Fische. Also entweder ein Aquarium ist zerbrochen, oder…“, begann er, doch seine Freundin erkannte sehr schnell worauf er hinaus wollte. In diesem Fall musste es sich schon um ein sehr großes Aquarium handeln. „Achtung!“, schrie Dylan plötzlich und stieß Evan beiseite. Dieser stolperte und landete im Wasser. Doch keine Sekunde zu spät, denn ohne Vorwarnung erhob sich etwas Langes und schwang nach oben. Eine Art Tentakel schlang sich um Dylans EMD, das es der Frau unmöglich machte es zu kontrollieren, geschweige denn abzudrücken. Mit einer großen Wucht wurde ihr die Waffe entrissen und der Tentakel senkte sich wieder ins Wasser. Dylan konnte nur noch mitansehen wie das EMD fortgezogen wurde. Evan richtete sich auf und taxierte den Tentakel erschrocken. „Los! Schieß schon!“, brüllte Dylan, doch ihr Freund schüttelte nur angespannt den Kopf. „Einen elektromagnetischen Puls kombiniert mit Wasser? Schlechte Idee.“, warnte er sie. Beide sahen mitan wie der Tentakel um eine Ecke verschwand, wohinter bereits der nächste Korridor begann. „Was… zum Teufel war das?“, wollte die Frau wissen, doch Evan konnte ihr die Frage nicht beantworten. „Irgendein ein Meerestier. Vermutlich haben seine Tentakel die Tür blockiert und wurden durch den EMD-Impuls zurückgeschreckt.“, kombinierte er. Dylan biss sich auf die Lippen und überlegte was weiter zu tun sei. „Wir können nicht auf es schießen, richtig?“, hakte sie nach. Evan musste sie enttäuschen. „Sofern wir uns nicht selbst grillen wollen, nein. Wir müssen in die Nähe der Anomalie kommen und diese dann schließen.“, hielt er dies für den einzig sicheren Plan. Doch das war leichter gesagt als getan. Selbst wenn sie diese orten konnten, es war ihnen lediglich vergönnt durch das Wasser zu watten und sich so fortzubewegen. Doch egal ob der Stand niedrig war oder nicht, dieser Tentakel könnte jeden Moment wieder auftauchen und sie angreifen. Dylan zog ihr Funkgerät und wollte Mac und die anderen über diesen Umstand informieren. Doch alles was sie erhielt war Rauschen. „Die Anomalie muss recht groß sein, deshalb können wir in keine Frequenz einwählen.“, erklärte Evan prompt. Dylan fragte sich jedoch nur wie groß. Ihre Überlegung wurde unterbrochen als sie und Evan plötzlich einen Schrei vernahmen. Doch es handelte sich nicht um dasselbe Geräusch wie vorhin, sondern… menschlich. Evan kniff die Augen zusammen als er zu dem einzig möglichen Schluss kam. „Mist, hier ist noch jemand!“, entfuhr es ihm. Dylan wusste was er meinte. Eine Rettungsmission passte den beiden gerade wenig in den Kram. Dennoch war es nicht nur ihre Pflicht die Anomalien zu schließen, sondern auch Unschuldige vor ihnen zu schützen. „Wir bewegen uns knapp an den Wänden und verwenden scharfe Munition.“, schlug Evan vor und seine Kollegin stimmte ihm zu. Dadurch setzten sie das Wasser nicht unter Strom und konnten diesen Tentakel vielleicht in die Flucht schlagen. Beide drückten sich nun an die ebenfalls feuchten Wände und versuchten im Wasser voran zu kommen. Auf die Geräusche die sie verursachten konnten sie nicht achten. Wenn der Tentakel oder das Tier dem er gehörte auf sensitive Geräusche im Wasser reagierte, würde es stets wissen wo sich seine Verfolger befanden. Dumpfe Geräusche waren zu hören und die beiden sprangen in den Korridor vor ihnen. Niemand zu sehen, doch die Geräusche kamen definitiv aus dem Raum direkt ihnen gegenüber. Evan und Dylan nickten einander zu und achteten dabei stets auf das Wasser unter ihnen. Ihre Finger nervös am Abzug schritte sie voran und drängten sich gleichzeitig in das Zimmer. „Ahh!“, ertönte ein schriller Schrei und Dylan sah wie ein Mann auf sie zugerannt kam. In seinen Händen hielt er eine Tastatur, scheinbar wollte er sie als Waffe verwenden. Dylan wich ihm gerade noch so aus, was denn Mann stolpern ließ. „Hey, beruhigen Sie sich!“, schnaubte ihn Evan an, obwohl er das Verhalten des Typen nachvollziehen konnte. Hätte er nicht bereits so viel erlebt, würde ihn das plötzliche Auftauchten eines riesigen Tentakels im eigenen Büro auch in Panik versetzen. Der Mann trug einen feinen Anzug, der inzwischen aber ziemlich durchnässt wirkte. Schnell erhob sich der Geschäftsmann und starrte die Neuankömmlinge an. „Was… ist das da draußen? Sind Sie gekommen um uns hier rauszuholen?“, fragte er perplex. Dylan streckte ihm ihre offene Hände entgegen und bat ihn ruhig zu bleiben. „Wir sehen was wir tun können.“, versicherte sie. Evan hingegen starrte den Anzugträger fragend an, „Uns? Ist noch jemand außer Ihnen auf dieser Etage?“, hakte er nach. Der Geschäftsmann brauchte etwas bis er antworten konnte. „Ja… eine Frau. Eine Unternehmensberaterin. Mein Kollege war plötzlich verschwunden und sie half mir nach ihm zu suchen.“, berichtete er stockend. Während Dylan den Eingang zum Zimmer bewachte, wand sich Evan noch einmal an den geschockten Mann. „Und wo befindet sie sich gerade? Sie könnte in Gefahr sein.“ Der Geschäftsmann zeigte auf einen weiteren Ausgang offen stand. Evan und Dylan hatten sie nicht bemerkt, da sie von einer großen Schlingpflanze verdeckt gewesen war. Evan bemerkte zu seinen Ungunsten, dass dieser über keine Tür verfügte und somit jeder und alles ins Innere gelangen konnte. „Sie… sie sollte…“, brabbelte der Mann, wurde dann aber unterbrochen. Jemand kehrte in das Büro zurück und Evan hob sicherheitshalber seine Waffe. „Ich habe den hinteren Ausgang blockiert, wie sieht es bei Ihnen aus?“, erklang die zarte, aber hektische Stimme einer Frau. In ihrem violetten Kleid konnte sie sich nur schwer vorwärts bewegen, doch das änderte nichts an ihrer Kämpfernatur. Als sie durch die Öffnung trat und Evan und Dylan entgegentrat herrschte absolute Stille. Niemand war im Stande etwas zu sagen, am wenigsten Evan. Die Frau schluckte und starrte den Bewaffneten ungläubig an. „E…van?“, konnte sie es nicht fassen. Dieser nickte bedächtig. „Ja, ich bin es. Lange nicht gesehen.“, versuchte er ein Lächeln aufzusetzen, welches aber misslang. Doch das verhinderte nicht, dass Angelika sich ihm entgegen warf und ihn kräftig umarmte. Endlich hatten sich die beiden wieder. Vancouver - Manulife Financial Corp, 33tes Stockwerk Mit dem Wissen, dass der vermeintlich Verletzte nicht von einem Tier angefallen worden war, drückte Donovan die Tür nach innen und verschaffte Mac und Luke so Zutritt. Kaum hatten die drei Männer den Flur dahinter betreten, spürten sie etwas Feuchtes an ihren Köpfen. Luke blickte nach oben und weitete erstaunt die Augen. „Scheinbar wurde für heute Regen angesagt.“, murmelte er, als immer mehr Tropfen von der Decke herabrieselten. Mac starrte zu Boden, auch im Teppich wurden immer größere, feuchte Stellen sichtbar. „Sieht mir nach einem Wasserohrbruch aus. Wir sollten uns beeilen, die Aufräumarbeiten kann ja jemand anderes übernehmen.“, erwiderte der Captain und gab Donovan und Luke ein Zeichen. Sie schlenderten den Gang entlang und stießen bald darauf auf eine breite Tür die halb offen stand. „Ist hier jemand?“, rief Mac nach vorne, wobei dies nach der Aussage der Sekretärin zweifelsfrei der Fall sein musste. „Hallo?“, erwiderte eine Stimme und das Team setzte seinen Weg fort. Die Tür wurde aufgerissen und dahinter kam ein breiter Raum zum Vorschein. Bis auf einen runden Tisch mit Stühlen und einigen Schränken war daran nichts auffälliges. Außer natürlich die beiden Männer die am Boden kauerten und hilfesuchend zu den Neuankömmlingen starrten. Einer davon war etwas älter, er kniete neben seinem Kumpanen und redete ihm gut zu. Der andere Mann war jünger und lag flach auf dem Teppich, der rechte Teil seiner Hose war nach oben gestülpt worden. Mit Hilfe eines Handtuches wurde scheinbar seine Wade abgebunden während er schwer atmete. Mac und die anderen traten zu dem Verletzten und inspizierten ihn. „Was ist passiert?“, wandte sich Donovan an den älteren Mann und dieser versuchte ruhig zu bleiben. „Ich bin mir nicht sicher. Ich war auf der Toilette als ich plötzlich einen Schrei vernahm. Ich kehrte zurück und Mister Parrack hier hielt sich die Wade. Ich glaube er ist gestolpert, oder…“, versuchte er zu berichten, wurde aber unterbrochen. „Nein!“, krächzte der Jüngere nun. „Da… da war gar niemand. Irgendwas hat sich plötzlich um mein Bein geschlungen und es hat höllisch zu brennen begonnen.“, stammelte er. Mac robbte zu ihm und erlaubte es sich das Handtuch kurz abzunehmen. An ihm haftete kein Blut, also um was für eine Verletzung handelte es sich? „Verflucht! Was ist das?“, stieß Donovan hervor als Mac ein seltsames Muster freilegte. Um Parracks Wade prangte ein Muster, wie der Abdruck eines Stück Stoffs. Er war vielleicht 10 Zentimeter breit und rundliche Brandzeichen malten sich ab. „Es… es tut so weh!“, klagte Parrack und sah flehend zu seinem Vorgesetzten. Richard Pool raufte sich die Haare und sah zu den Männern. „Wir müssen ihn in ein Krankenhaus schaffen.“, meinte er entschlossen. Auch das Anomalienteam schien diese Option für die Beste zu halten. Mac wies Donovan und Luke an dem Mann aufzuhelfen. Es waren mehrere Stockwerke bis nach unten, aber zu zweit würde es ihnen sicher gelingen ihn aus dem Gebäude zu tragen. Die zwei stützten Parrack, während Mac das Handtuch erneut in das herabrieselnde Wasser eintauchte und die Wade verband. Doch als sich die fünf dem Ausgang zuwandten geschah es. Wie aus dem Nichts entwickelte diese ein Eigenleben und schloss sie wie automatisch. Mac rannte vorwärts und versuchte sie aufzureißen. „Hey! Was soll das?“, schrie er erbost. „Wer ist noch in diesem Stockwerk?“, wollte er von Pool wissen. Dieser zuckte jedoch nur mit den Schultern. „Also… eigentlich müssten wir die einzigen hier sein.“, schien er sich recht sicher zu sein. Mac trommelte an der Tür und versuchte sie nach außen zu drücken, doch ohne Erfolg. „Mist! Irgendein Scherzbold hat die Tür blockiert.“, fluchte er und überlegte sich die nächsten Schritte. Er drehte sich zu Luke und Donovan um, um sie um Hilfe zu bitten. Gemeinsam würde es ihnen bestimmt gelingen die massive Tür aufzubrechen. Kaum hatte er sich zu den beiden gewand, riss er erschrocken die Augen auf. An der Szenerie hatte sich kaum etwas geändert, Pool stand immer noch an derselben Stelle, seine Stirn voller Schweiß. Parrack hatte sichtlich Schwierigkeiten zu stehen und Luke und Donovan machten sich daran ihn erst einmal wieder hinunter zu lassen. Das Problem war jedoch das längliche, schlangenartige Ding, das über den runden Tisch kroch. Es war weiß und näherte sich immer schneller Lukes Hinterkopf. „Runter!“, schnaubte Mac, doch der Student verstand im ersten Moment nicht worauf sein Teamleiter hinaus wollte. Donovan als ehemalige Soldat konnte die Gefahr schneller entdecken, schnappte nach Lukes Kragen und riss ihn zu Boden. Noch bevor der Zoologe sich versah, lag er bereits flach auf dem nassen Teppich und versuchte nach oben zu blicken. Mit geweiteten Augen erkannte er wie ein Tentakel in der Luft umherwirbelte und versuchte nach etwas zu greifen. Donovan hatte seine Tasche abgestellt und ein EMD zur Hand genommen. Doch die Distanz zu dem Tentakel war viel zu gering und so reichte ein einfacher Hieb aus um die Waffe fort zu schleudern. Der Tentakel zog sich zurück und strich erst über die Tischplatte, dann über den Boden. Die Männer sahen gerade noch wie er im Lüftungsschacht in der oberen Ecke des Raumes verschwand. „Mein Gott! Was zur Hölle war das?“, stammelte Pool. Mac hingegen reagierte unverzüglich. Er befahl Donovan den Tisch umzuwerfen und ihn vor den Schacht zu schieben. Der Ex-Major folgte augenblicklich, benötigte jedoch die Hilfe von Pool um den schweren Holztisch bewegen zu können. Mac schritt zu Luke und reichte diesem seine Hand. Der Student nahm sie entgegen und ließ sich nach oben ziehen. „Das sah aus wie der Tentakel eines Tintenfisches.“, entfuhr es dem Captain, auch wenn Luke sicher ein besseres Auge dafür besaß. „Besser gesagt der eines Riesenkalmars.“, erwiderte dieser. Von Mac erntete er dafür nur einen skeptischen Blick. „Und wie zum Teufel kommen wir zu diesem Vergnügen? Sollten sich diese Dinger nicht nur im Wasser vorwärts bewegen können?“ Luke verschnaufte kurz und fuhr dann fort. „Die heutigen Riesenkalmare ja. Aber ich denke wir haben es hier mit einem Architeuthis antiqua zu tun, einem Vorfahren der heutigen Riesenkalmare, dem amphibische Fähigkeiten nachgesagt wurden.“, erklärte er. Mac knirschte mit den Zähnen und sah erneut zur Tür. Jetzt war auch klar was genau diese blockierte. „Dieser Tentakel war verdammt lang.“, meinte er kritisch und Luke stimmte ihm zu. „Die Tentakel der heutigen Riesenkalmare erreichen eine Länge von etwa 10 Meter. Über die Länge der Greifarme seiner Vorfahren ist nichts wirklich bekannt.“, sprach er. Mac verdrehte die Augen. 10 Meter alleine waren schon schlimm genug und wer wagte es nicht einmal zu fragen wie viele von den Dingern dieses Vieh besaß. „Der Architeuthis ist nur als Jäger bekannt, sondern auch als Sammler. Er hortet Beute um sie zu einem späteren Zeitpunkt verspeisen zu können.“, fügte Luke noch hinzu. Mac tastete nach seinem Funkgerät um Verbindung mit Evan und Dylan aufzunehmen. Doch alles war er erhielt war ein Rauschen, scheinbar wurde die Frequenz gestört. „Verdammt! Wir müssen hier heraus und die beiden unterstützen.“, meinte er, auch wenn er noch keinen blassen Schimmer hatte wie er dies anstellen sollte. Ein unheimliches Geräusch erklang, wie das Heulen eines absterbenden Motors. Der Ruf des Architeuthis. Vancouver - Manulife Financial Corp, 35tes Stockwerk Das Zusammentreffen als magisch zu bezeichnen wäre übertrieben gewesen. Es waren die Gedanken und Erinnerungen als Ange gewesen, die Evan solange in der Kreidezeit hatten überleben lassen. Sie so zu halten, ihre Nähe und Wärme zu spüren waren das was ihn angetrieben hatten zurückzufinden. Angelika löste sich nun von ihm und… hob ihre Hand um Evan eine schallende Ohrfeige zu verpassen. Dieser nahm sie stillschweigend entgegen, in dem Wissen sie mehr als verdient zu haben. „Ich hasse dich.“, entfuhr es ihr und Evan nickte stumm. „Und ich liebe dich.“, antwortete er. „Du… hättest mal schreiben können.“, bemängelte Angelika nun. Evan versuchte ein Lächeln aufzusetzen und neigte den Kopf etwas. „Hätte… etwas gedauert bis dich der Brief erreicht.“, gab er zu. Ihr Zweisamkeit wurde rüde unterbrochen als ein ins Mark gehender Schrei erklang. Die beiden wanden sich zu Dylan und dem Geschäftsmann um und erkannten wie letztere plötzlich seinen Halt verlor und zurückgezogen wurde. Sie erkannten wie ein Tentakel das Bein des Mannes fest umschlungen hatte und versuchte weg zu ziehen. Dylan hob ihre Waffe, doch Evan bat sie zu warten. Der Tentakel war ein viel zu ungenaues Ziel, sie hätte auf jedenfall den Geschäftsmann getroffen. Evan stürzte nach vorne um die Arme des Mannes zu greifen, doch es war zu spät. Er wurde aus dem Büro hinausgezerrt und schrie wie ein Beutetier das sich den Zähnen seines Angreifers entgegensah. Es war Angelika die ihm hinterher stürzte um ihn doch noch zu retten, aber ohne Erfolg. Aus der anderen Richtung torkelte ein weiterer Tentakel auf sie zu und Evan riss sie zurück. „Dylan!“, bat er um Hilfe und seine Freundin war sofort zur Stelle. Aufgrund des Wasserspiegels war es schwierig, doch mit vereinten Kräfte schafften sie es die Tür zuzuziehen. Die Spitze des Tentakels war bereits im Büro, wurde aber nun zusammengequetscht. Mit einem undefinierten Schrei zog der Architeuthis ihn wieder zurück. Evan und Dylan verbarrikadieren die Tür mit einem Abstelltisch und taumelten nach hinten. Angelika fasste sich an ihre Brust und versuchte sich zusammenzureißen. „So sind wir erst einmal sicher.“, entfuhr es Dylan, doch ihr Freund wagte dies zu bezweifeln. „Wir sind eingeschlossen, das ist etwas anderes. Sollen wir etwa warten bis sich die Anomalie von alleine schließt und hoffen die Tentakeln bleiben solange draußen?“, fragte er kritisch. „Es… es kann nicht durchkommen.“, flüsterte Angelika leise. Evan und Dylan drehten sich zu ihr um und musterten sie. Die Frau brauchte etwas um sich zu fassen und setzte sich dann. „Ich habe die Anomalie gesehen. Sie ist ziemlich groß und dieses… Ding hat versucht seinen Kopf durchzuschieben. Doch er war zu gigantisch, alles was es durchbringt sind seine Tentakel. Es hat ausgesehen… wie ein riesiger Kraken.“, berichtete sie. Evan setzte sich nun zu ihr und wagte es ihr über die Haare zu fahren und zu trösten. Er wusste nicht, ob er noch länger das Recht dazu hatte, doch es war ihm in diesem Moment einfach ein Bedürfnis. „Wer war der Mann?“, wollte er wissen. Angelika fuhr sich über die Lippen und wirkte sehr bedrückt. „Jefferson Gaynes, er hat mich als Unternehmensberaterin eingestellt.“, erzählte sie. Evan nickte verstehend. „Das ist also was du jetzt machst.“ Angelika wand ihren Kopf und sah Evan direkt in die Augen. „Was… hätte ich denn bitte sonst tun sollen? Du warst tot, Evan! Ja, zuerst pochte ich darauf, dass du nur als verschollen giltst, doch als du nicht mehr zurückkamst musste ich der Wahrheit ins Auge sehen. Du warst fort, also musste ich ebenfalls gehen. Was hättest du von mir erwartet? Dass ich bei Cross-Photonics bleibe nachdem was war? Das ich in deinem Namen die Anomalien bekämpfe?“, fragte sie erwartend. Evan schüttelte augenblicklich den Kopf. „Nein… das würde ich niemals von dir verlangen.“, versicherte er. Doch in wiefern war das die Wahrheit? Er hatte seine Freundin ohne zu zögern eingeweiht und sich auf die Suche nach den Anomalien gemacht, während diese sich sorgte. Er hatte ihr die Aufnahme mit dem Utahraptor gezeigt, obwohl er genau wusste, dass dies auch Anges Leben von Grund auf geändert hatte. Wie egoistisch er gewesen war, hatte er im Prinzip erst erkannt nachdem sich die Anomalie geschlossen und er in der Kreidezeit festgesteckt hatte. Evan hatte eine Vielzahl von Türen aufgerissen und sie durchquert ohne sie danach wieder zu schließen. Andere hatten deshalb leiden müssen, Ange war nur eine davon. Evan war ein Jahr von ihr getrennt gewesen, aber schlimmer als zu warten, war es zu denken die geliebte Person wäre bereits tot. Wäre es dem Forscher nicht gelungen zurück in seine Zeit zu finden, wäre das in Ordnung gewesen. Ange hätte ihr Leben gelebt und den Verlust irgendwann überwunden. Doch jetzt war Evan zurück und er stieß eine weitere Tür auf. „Ich bin nur solange geblieben um auf dich aufzupassen, das weißt du oder?“, wurde Anges Tonfall nun leiser. Evan nickte bedächtig. Und ob er das wusste, sogar noch besser als seine Freundin selbst. In seiner Zeitlinie hatte sie sogar mit Project Magnet zusammengearbeitet um zu verhindern, dass Evan sich irgendwann in den Tod stürzte. Doch trotz ihrer Bemühen hatte sie Evans Eifer nicht bremsen können. Dieser hatte sich auf diese Selbstmord-Mission begeben und somit ihr Herz gebrochen. Und es gab keine Entschuldigung dafür. Nicht einmal die Rettung der Welt. „Seid… wann bist du zurück?“, erkundigte sich Angelika. Evan räusperte sich. „Seid gestern Abend. Ich hätte dich ja angerufen, aber…“, begann er, doch seine Freundin schnitt ihm das Wort ab. „Nein, ich verstehe schon. Du hattest wichtigeres zu tun.“, entgegnete sie. Autsch. Angelika musste nun denken, Evan wären die Anomalien in der Tat wichtiger als sie. Zwar ein Trugschluss, doch hätte Evan das auf der Stelle korrigiert, hätte es sich falsch angehört. Er hatte ohne zu zögern Harrison verfolgt und Ange somit im Stich gelassen. Es war für ihre und die Sicherheit der anderen. Doch noch war sie zu sauer auf ihn, weshalb Evan beschloss erst einmal damit zu warten. Er und Angelika starrten nach vorne wo Dylan stand und sich über den Nacken fuhr. „Schon ok, tut einfach so als wäre ich nicht hier.“, schlug sie vor, auch wenn das unmöglich war. Evan begann unwillkürlich zu grinsen. Nein, dies war eindeutig nicht der Ort, an dem er und Ange ihre Probleme besprechen sollten. Vor der Tür lauerten die Tentakeln eines riesigen Tintenfisches oder dergleichen, die nur darauf warteten sie durch die Anomalie zu ziehen. Evan sah zu seiner Freundin legte eine ernste Meine auf. „Ich hole dich hier raus. Das verspreche ich.“ Vancouver - Manulife Financial Corp, 33tes Stockwerk Donovan und Pool hatten es geschafft den Raum abzudichten, doch damit war die Gefahr nicht gebannt. Parrack hatte immer noch Schmerzen und musste schnellst möglich versorgt werden. Und nicht nur das. Evan und Dylan brauchten sicher Hilfe, während der Rest des Teams hier festsaß. „Wir könnten die Tür aufbrechen und nach draußen laugen.“, schlug Donovan vor. Luke war anzusehen was er von dieser Idee hielt. „Die Tentakel sind extrem schnell und gelenkig. Selbst wenn wir rennen würden uns die Dinger sofort kriegen. Es ist wie der Griff einer Boa, sind wir ihm erst einmal ausgeliefert, besteht kaum eine Chance, dass wir uns wieder befreien können.“, gab er an. Mac trat wütend gegen die Tür. Er hielt diese Untätigkeit nicht mehr aus, doch was blieb ihnen übrig? Pool wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn und lehnte sich gegen das Fenster. „Das… ist ein Monster, richtig?“, wagte er es zu fragen und niemand widersprach ihm. Mac hätte sich nun eine Ausrede einfallen lassen, doch falls sie es hier nicht lebend hinausschafften, spielte das auch keine Rolle mehr. „Achtung!“, schrie Donovan plötzlich und packte Pool am Kragen. Dieser verstand nicht was vor sich ging, doch Mac und Luke erkannten die Gefahr sofort. Vor dem Fenster war ein Tentakel aufgetaucht und auch wenn es geschlossen war, hämmerte er wild gegen das Glas. In diesem bildeten sich die ersten Risse und Donovan zielte mit seinem EMD darauf. Er drückte ab, doch das Ergebnis verschlimmerte nur noch alles. Durch den Impuls versprach die Scheibe ganz und obwohl der Tentakel getroffen wurde, hing er nicht schlaff herab, sondern zog sich wieder nach oben zurück. Dafür klaffte nun ein Loch, das noch größer als der Luftschacht war. Donovan fluchte angesichts seiner Nachlässigkeit, doch im Nachhinein war nichts mehr daran zu ändern. Sie suchten nach etwas, womit sie die Öffnung blockieren konnten, doch es gab nichts. Sie konnten einigen Stühle aufeinander stapeln, doch diese hätten den Riesenkalmar nicht am Eindringen gehindert. Plötzlich ein gequälter Schrei. Alle wanden sich um und erkannten Parrack. Scheinbar war der Tentakel am Fenster nur ein Ablenkungsmanöver gewesen, denn die Tür war leise aufgegangen und zwei weitere Tentakel hatten sich in den Besprechungsraum geschoben. Einer hatte Parracks Beine umschlossen, der andere seinen Hals. Der junge Geschäftsmann würgte und seine Augen quollen heraus. Er wurde nach draußen gezogen und ruderte hilflos mit den Armen. Donovan schoss, doch der Impuls traf ins Leere. Gefahr oder nicht, das Team musste nun handeln bevor es zu spät war. Die vier Männer rannten nach draußen, erkannten aber nur noch wie Parrack nach oben gezogen wurde. Über ihnen befand sich ein weiterer Lüftungsschacht und der Tentakel versuchte den Mann zu sich zu ziehen. Doch die Kalkulation ging schief, denn Parracks Körper war zu breit um in den Schacht zu passen. Mac entriss Donovan das EMD und stellte es auf die niedrigste Stufe ein. Selbst wenn er Parrack treffen sollte, würde dieser nur betäubt werden. Wichtig war jetzt, ihn von dem Tentakel zu befreien. Er traf Parracks Hals und damit auch den Tentakel. Dieser zuckte und ließ von seiner Beute ab. Jauchzend verschwand er wieder durch den Schacht. Parrack fiel zu Boden und landete schwer auf dem Flur. Während Mac und Donovan die Umgebung sicherten, stürzte Luke zu dem Geschäftsmann. Sein Hals wirkte nicht nur verbrannt, sondern auch gequetscht. Der Mann rührte sich nicht und Luke suchte hektisch nach dessen Puls. Als er ihn gefunden hatte blickte er zu seinen Freunden und schüttelte den Kopf. „Zu spät.“, setzte er sie darüber in Kenntnis, dass Parrack nicht mehr zu retten war. „Wir müssen hier raus!“, brüllte Pool und setzte sich in Bewegung. Er rannte Richtung Treppenhaus und es gelang dem Team nicht mehr ihn aufzuhalten. Mac gab seinen Leuten ein Zeichen und sie bewegten sich vorwärts. Der Architeuthis wusste nun, dass sie ihm Schmerzen zufügen konnte, doch reichte das um ihm abzuschrecken? Scheinbar nicht, denn ein weiterer Tentakel sprang aus einer Öffnung und torkelte auf Pool zu. Mac richtete sein EMD nach vorne, diesmal mit voller Stärke. Er schoss und traf den Tentakel an seiner Spitze. Mit einem jaulenden Geräusch zog sich dieser zurück und kurze Zeit später konnten sie die Abteilung durch denselben Durchgang verlassen, durch den sie es auch herein geschafft hatten. Im Treppenhaus stöhnte Pool und versuchte sich zu orientieren. „Luke, bring ihn nach unten. Ich und Donovan werden den anderen zu Hilfe eilen.“, befahl der Captain. Der Student legte zuerst Veto ein, immerhin wollte er helfen Evan und Dylan zu unterstützen, doch die Anordnung des Teamleiters änderte sich nicht. Schließlich gab er nach und fühlte sich wie die Besatzung aus Captain Nemos Schiff die das sinkende U-Boot verließen als Gefahr von dem Riesenkraken bestand. Doch im Gegensatz zu Mac und Donovan war er kein geschulter Soldat und seine Reflexe wären in diesem Fall eher hinderlich gewesen. Also riss er Pool mit sich und zerrte ihn die Treppe nach unten. Mac und Donovan nickten inzwischen einander zu und beschlossen sich dem Unvermeidlichen zu stellen. Den Tentakeln des Architeuthis. Vancouver - Manulife Financial Corp, 35tes Stockwerk Immer noch kauerten die drei in dem engen Büro ohne Möglichkeit nach draußen zu gelangen. Der Raum besaß zwei Ausgänge, die sie aber blockiert hatten. Und das aus gutem Grund, immerhin lauerte auf dem Korridor eine unbekannte Anzahl an Tentakeln, die nur darauf warteten nach den dreien zu greifen. Dylan wollte sich nicht vorstellen was mit ihr geschehen würde. Wahrscheinlich würden sie sie durch die Anomalie ziehen und in die Heimat dieses Oktopuses oder was auch immer verfrachten. Dahinter würde sie bestimmt ertrinken, bevor sie von dem Seeungeheuer vertilgt werden würde. Beides keine schöne Gedanken, doch was sollten sie sonst unternehmen? Auf Hilfe warten? Mac und die anderen brauchten definitiv zu lange, irgendwas schien vorgefallen zu sein. Auch wenn sie in dieses Stockwerk kamen, bestand dieselbe Gefahr wie auch schon vorhin. Die Tentakel würden nach ihnen greifen und aufgrund des vielen Wasser war es zu gefährlich die EMDs einzusetzen. „Das wäre schon ironisch, oder?“, kam es von Angelika und Evan drehte seinen Kopf zu ihr. „Dass du nur zu mir zurückgekommen bist, damit wir diesmal gemeinsam sterben können.“, entfuhr es ihr. Evans Stirn verhärtete sich und er streckte seine Hände aus um sie auf Angelikas Wangen zu legen. „Vergiss es! Keiner von uns wird heute sterben, hast du das verstanden? Ich habe mit Müh und Not zu dir zurückgefunden, deshalb werde ich dich nicht noch einmal alleine lassen, klar?“, versuchte er ihr einzuschärfen. Im selben Moment wurde seine Aussage entkräftigt als sich die Spitze des Tentakels versuchte durch die Tür zu schieben. Die Blockade hielt nur noch sporadisch und Dylan drückte sich gegen den Ausgang. Doch ihr Gewicht allein reichte nicht aus. Es war Evan der plötzlich aufsprang und in seinen Taschen wühlte. „Dylan, wenn ich jetzt sage, lässt du ihn herein.“, bat er seine Freundin. Dylan starrte ihn an, als hätte er gerade den schlechtesten Witz aller Zeiten gerissen. „Du willst bitte was?“, hakte sie zweifelnd nach. Wenig später erkannte sie, dass Evan den Opener in der Hand hatte. Was genau plante er damit? Wollte er eine Anomalie schaffen, durch die sie entkommen konnten? Selbst wenn, damit würden sie nicht verhindern, dass der Architeuthis weiterhin wütete. „Ange, du sagtest das Tier zieht seine Beute durch die Anomalie weil es nicht zur Gänze hindurchpasst, richtig?“, wand er sich an seine Freundin. Diese nickte, immerhin war dies scheinbar Gaynes und Braford zugestoßen. Doch Evan ließ sich in seinem Treiben nicht stören und werkelte weiterhin am Eingabefeld des Openers. Dann jubelte er, als er endlich fertig war. „Verrätst du uns jetzt was du vorhast?“, fragte Dylan ungeduldig. Evan lächelte sie an und schwenkte das Gerät in seiner Hand. „Hier werden wir die Anomalie schließen und dieses Tentakelmonster zurück in seine Zeit verfrachten.“, versprach er. Doch sowohl Dylan als auch Angelika hielten dies für Wahnsinn. „Vergiss es! Die Anomalie ist zu weit entfernt, wir kommen nie nahe genug heran. Vorher werden wir von den Tentakeln erwischt und hindurch gezogen.“, konfrontierte ihn Dylan mit den Tatsachen. Doch Evan war nicht dumm und wusste dies natürlich. „Dylan, wie ich dich kenne hast du doch bestimmt ein Messer eingesteckt, oder?“, hakte er nach. Diese nickte, für den Notfall hatte sie immer eines dabei, obgleich man bei so gut wie jeder Mission einem Notfall begegnete. Sie zog es aus der Hosentasche und reichte es ihrem Freund. Evan presste nun seine Lippen zusammen legte das Messer an seiner linken Handfläche an. „Evan!“, protestierte Angelika, doch da war es bereits zu spät. In Evans Hand war ein langer Schnitt zu sehen aus dem Blut quoll. War er nun völlig verrückt geworden? Die beiden Frauen verstanden nicht was er vorhatte, besonders als er den Opener mit seinem eigenen Blut einrieb. Danach erhob er sich und sah zur Tür. „Ich zähle bis drei, danach öffnest du die Tür, damit ich den Opener hinauswerfen kann.“, bat er. Dylan starrte ihn perplex an, scheinbar wollte sie diesmal nicht ohne weitere Erläuterungen auf ihren Freund hören. Der Opener war vielleicht die einzige Möglichkeit einen Fluchtweg zu schaffen. „Versteh doch! Wir könnten mit dem Opener irgendwohin fliehen, aber dieses Vieh wäre immer noch da. Es ist mir gelungen einen Spannungsanstieg in dem Gerät zu generieren, es wird sich also in weniger als 2 Minuten selbst überladen.“, erzählte, erntete aber nur verdutzte Blicke. Er seufzte, als er Dylan und Angelika wohl alles haarklein erklären musste. „Wir kommen nicht nahe genug an die Anomalie heran, richtig? Nur wenn wir von den Tentakeln hineingezogen werden. Aber wenn das Timing stimmt und die Kreatur den Opener zu sich zieht, weil sie ihn wegen des Bluts für Beute hält, schließt sich die Anomalie vielleicht. Er wird auf den Elektromagnetismus reagieren und dadurch durchschmoren. Der letzte Befehle den ich eingegeben habe, war der Schließbefehl. Indem er sich selbst überlädt wird dieser Befehl automatisiert und es wird nicht nötig sein, dass wir uns in der Nähe befinden müssen.“, versuchte er laienhaft zu erklären. „Und… das funktioniert?“, hakte Angelika vorsichtig nach. Evan hätte jetzt am liebsten bejaht und wäre es nur dazu gut gewesne sie zu beruhigen. Aber in Wahrheit wusste er es selbst nicht. Es war ein Experiment, eines, das nur einen Versuch zuließ. Ging es schief waren sie wirklich geliefert. Dennoch mussten sie es versuchen. Evan nickte Dylan zu und diese riss die Tür auf. Evan schleuderte den Opener nach draußen und wartete darauf, dass einer der Tentakeln auftauchte. Durch das Blut angelockt, schlang er sich um den Opener und riss ihn mit sich. Der erste Teil des Plans war geglückt, doch der zweite? Was wenn sich der Opener überlud wenn er die Anomalie noch nicht erreicht hatte? Oder die Verschließfunktion nicht richtig klappte? Alles was die drei Gefangenen nun tun konnten war abzuwarten. Es waren quälende 2 Minuten in denen nichts geschah. Und auch danach herrschte Stille. „Hat es… funktioniert?“, wagte es Angelika zu fragen. Evan zuckte nur mit den Schultern und Dylan die Tür wieder zu öffnen. Aber war es wirklich ungefährlich sich nach draußen zu wagen? Wenn sie es nicht taten, wussten sie nicht wie die Lage war. Mit einer Pistole bewaffnet ging Evan vor, während ihm die beiden Frauen folgten. Der Boden war immer noch durchnässt, aber kein Anzeichen von Bewegung im Wasser. „Ahh!“ Dieser Aufschrei ließ Evan sofort reagieren und er blickte in Angelikas Richtung. Um ihrem Fuß hatte sich ein Tentakel gelegt und Evan schoss zweimal ins Wasser. Ohne Erfolg, der Tentakel reagierte nicht. Dylan wagte sich näher und stieß das längliche Ding mit der Spitze ihres Schuhs an. Leblos schwamm es im Wasser und stellte keine weitere Gefahr dar. Ein Blick zum Ende des Korridors verriet warum. Die Anomalie war verschwunden und die Tentakeln waren vom Rumpfs der Kreatur abgetrennt worden. Ein weiterer Tentakel hing quasi in der Luft aus einem Lüftungsschacht. Der Plan hatte funktioniert und der Opener die Anomalie selbstständig geschlossen. Die drei waren in Sicherheit und gleichzeitig unendlich erleichtert. Im selben Moment tauchten zwei bekannte Gesichter auf. Mac und Donovan traten bewaffnet in den Gang und musterten die drei skeptisch. „Gefahr gebannt, Mission abgeschlossen.“, beruhigte sie Evan erschöpft. Die beiden Soldaten überzeugten sich erst selbst und gratulierten dann. „Mam.“, begrüßte Donovan Angelika ordnungsgemäß. Er hatte sie lange nicht gesehen und war überrascht ihr ausgerechnet hier über den Weg zu laufen. Diese hatte eine Menge Energie verloren und Donovan stützte sie. „Gut, bringt sie nach draußen.“, befahl Evan und Mac und der Ex-Major setzten sich in Bewegung. „Willst du… sie nicht begleiten?“, fragte Dylan die annahm, Evan würde jetzt bei ihr sein wollen. „Doch natürlich, ich weiß nur nicht ob sie mich sehen will.“, bezweifelte er, ob das umgekehrt ebenfalls der Fall war. Dylan verdrehte die Augen. „Ohman, du änderst dich nie. Deine Entscheidung kannst du nicht rückgängig machen, aber versuche wenigstens ihr deine Beweggründe zu erklären. Ja, du hast sie sehr verletzt, aber das bedeutet nicht, dass du es nicht auch wieder gutmachen kannst.“, redete sie auf ihren Freund ein. Dieser prustete los. Seit wann war die Jagt nach Anomalien zu einer Selbsthilfegruppe geworden? „Danke für die Beziehungstipps, aber du kannst dich wohl kaum in mich hineinversetzen.“, bemängelte er. Immerhin hatte Dylan kein Jahr in der Kreidezeit zubringen müssen und war von ihrem Liebsten getrennt gewesen. Dylan öffnete die Lippen, schloss sie aber gleich wieder. Es herrschte kurze Zeit Stille, bevor sie einen erneuten Versuch wagte. „Ich schlafe mit Luke.“, verriet sie. „OK…“ Man hätte Evan genauso gut sagen können, dass direkt hinter seinem Rücken ein T-Rex stand, er hätte kaum anderes reagiert. „Ich wusste nicht, dass er überhaupt dein Typ ist. Aber… Glückwunsch.“, versuchte er dennoch eine adäquate Antwort zu finden. Dylan wich seinem Blick aus. „Nein, wir… wir sind nicht zusammen. Wir haben uns nach deinem Tod nur gegenseitig unterstützt und er… war wirklich aufmerksam. Eines kam zum anderen.“, gestand sie. Evan gab zu alles andere als gut bei solchen Gesprächen zu sein, doch Dylan hätte es bestimmt nicht erwähnt, wenn sie nur Schweigen von Evan erwartet hätte. „Also ist es nur eine Affäre?“, hakte er nach. Dylan zuckte nur mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung verdammt! Ich wollte damit nur sagen, dass sich Luke bereits mehr als einmal wegen mir verletzt hat. Letzte Woche hat ihn der Schädel eines Sauriers gerammt, weil ich zu vorschnell und unvorsichtig war. Deshalb kann ich mich auch in Angelika hineinversetzen. Sie ist sauer auf dich, ganz klar. Doch sie liebt dich und sofern du es nicht wieder in den Sand setzt, wird sie dir vergeben.“, sprach die junge Frau ihre Gedanken aus. Evan nickte und dankte ihr für ihren Rat. Er wollte sie nochmal auf Luke ansprechen, da eilte der Student bereits zu ihnen. „Hey! Alles in Ordnung?“, brachte er noch hervor, bevor er schwer zu atmen begann. Treppen zu steigen mochte angeblich gesund sein, doch Luke würde bestimmt jeden wie ein Raptor anfauchen, der ihm das in der Zukunft vorschlug. „Wir sind unverletzt. Lass uns jetzt von hier verschwinden bevor es zu spät ist.“, schlug Dylan vor und weder Luke noch Evan hatten irgendwelche Einwände. Wie bereits Mac, Donovan und Angelika benutzten sie diesmal den Fahrstuhl. Ein Feuer gab es nicht und da sonst alle Angestellten aus dem Gebäude verschwunden waren auch kein Gedränge. Im rechten Augenblick würden sie dann durch die Hintertür verschwunden und die Polizei ihre Arbeit vollrichten lassen. Bis auf eine Person hatte niemand den Architeuthis gesehen, es würde also nicht zu schwer sein die Geschichte zu vertuschen. Schwieriger zu erklären würde sein, was genau vorgefallen war und wie genau ein einzelner Wasserrohrbruch drei Menschen das Leben kosten konnte. Doch das würde das Team jemand anderen überlassen, für heute waren sie erschöpft genug. Vancouver – Ashton-Street Evan hatte bereits befürchtet erneut in der Firma übernachten zu müssen, doch Harold war in der Abwesenheit des Teams nicht untätig geblieben. Es stellte sich heraus, dass Kanan-Enterprises eine Vielzahl an Wohnungen besaß, die bei Gebrauch an Geschäftskunden vergeben wurden. Evan war froh hier unterkommen zu können, auch wenn er seine Sachen vermisste. Alles wurde eingelagert und es würde einige Zeit dauern, bis er wieder Zugriff darauf hatte. So oft kam es auch nicht wieder vor, dass ein Toter seinen Besitz zurückforderte. Evan hörte das Telefon klingeln und braucht erst etwas um es überhaupt zu finden. Die Nummer auf dem Display erkannte er nicht, allerdings dürften auf dem Gerät auch keine Daten eingespeichert worden sein. Er griff nach dem Hörer und führte ihn sich ans Ohr. „Ja?“, meldete er sich. „Evan, wie gefällt dir deine neue Unterkunft?“, fragte Harold nach dem Befinden seines Freundes. Evan ließ erneut seinen Blick schweifen. Alles wirkte ordentlich, aber auch teuer. Wie von dem Besitz eines Millionärs zu erwarten. „Sieht zumindest besser aus als die Höhlen die ich während meines Aufenthalts in der Kreidezeit bewohnt habe.“, musste er zugeben. Harold lachte auf und freute sich, dass er Evan helfen konnte. Immerhin hatte dieser die Welt gerettet in der er lebte, da war eine Unterkunft noch die geringste Entlohnung. „Ich habe veranlasst, dass deine Sachen baldmöglichst geliefert werden. Gedulde dich noch so lange.“, informierte ihn Harold. „Sehr gut, ich hatte schon Angst ohne mein Quietscheentchen baden zu müssen.“, erwiderte Evan und sein Gesprächspartner brauchte etwas um die Bemerkung als Scherz zu erkennen. „Gibt es sonst noch etwas Wichtiges?“, hakte der frisch Eingezogene nach. Harold machte eine kurze Pause und fuhr dann fort. „Ja, die Situation bei Manulife konnte geklärt werden. Es entstand ein Feuer in den höheren Etagen bei dem drei Menschen ums Leben kamen. Dass alles unter Wasser stand ließ sich zum Glück ganz einfach durch die Löschanlage erklären, die wegen einer Feilfunktion leider nicht früher ansprang.“, schilderte ihm Harold. Evan war froh dies zu hören, fragte sich aber ob es wirklich so einfach war. „Es gab doch einen Zeugen, richtig? Er hat den Architeuthis gesehen, richtig?“ Harold schnalzte mit der Zunge und schien auch dafür eine Erklärung parat zu haben. „Halluzinationen aufgrund der Rauchvergiftung. Er hat es persönlich zwar nicht geschluckt, aber im Bericht der Polizei wird auch nichts anderes stehen. Harlow und seine Crew waren auch sehr zuvorkommend was das Beseitigen der Tentakeln betraf. Sie wurden verbrannt, damit keine verräterischen Spuren mehr übrig bleiben.“, erzählte er. Evan lehnte sich gegen die Wand und war froh den Tag heil überstanden zu haben. „Ach Evan, da wäre noch etwas.“, kam es dann von Harold und Evan wartete ab. „Es hat nichts mit der heutigen Mission zu tun, aber ich erhielt vorhin einen Anruf von Colonel Kirkland.“, berichtete er. An diesen Namen erinnerte sich Evan natürlich. Bob Kirkland war der Leiter des amerikanischen Anomalienteams, mit dem das CPT zusammen aus dem Pliozän entkommen war. „Unsere Organisationen betrieben regen Nachrichtenverkehr in dem Jahr, in dem abwesend warst. Er versprach uns zu helfen, doch bisher scheiterte es an der amerikanischen Regierung. Doch nun hat er die Erlaubnis uns detaillierte Akten über ihre Forschungen zu überreichen.“, sprach er. Evans Augenbrauen fuhren nach oben und er konnte seine Überraschung kaum zurückhalten. „Das ist tatsächlich mal eine interessante Neuigkeit. Wann will er uns diese schicken?“, fragte er, bereits mit dem Gedanken diese Daten durchzugehen. „Schicken nicht direkt. Er meint es wäre zu gefährlich sie einfach zu versenden, deshalb will er nächste Woche ein Mitglied seines Teams herkommen lassen. Ein intensiver Austausch an Informationen, wenn du verstehst.“, wurde er konkreter. Auch das war Evan recht, solange er sich die bisher gesammelten Daten der Amerikaner durchsehen durfte. Er wollte das morgen ausführlich besprechen und Kirkland seinen Dank zukommen lassen. Für heute verabschiedete er sich von Harold, der inzwischen sicher genauso müde klang wie Evan selbst. Kaum hatte er aufgelegt, klingelte es erneut. Erst nahm er an es würde sich um das Telefon handeln, doch er irrte sich. Jemand stand vor seiner Tür und Evan schritt schnell darauf zu. Als er nach der Klinge griff, zögerte er etwas. Wer genau wusste eigentlich, dass er hier vorübergehend wohnte? Harold konnte Mac oder Dylan die Adresse gegeben haben, aber wozu? Und warum sollte einer von ihnen ihn gerade jetzt besuchen? Für den Postboten war es zu spät und Nachbarn hatte er hier auch keine. Schließlich öffnete er die Tür und… erstarrte. Er und Angelika hatten keine Gelegenheit mehr gehabt nach dem Chaos bei Manulife-Financial eine privatere Unterredung zu führen. Ange hatte das Gebäude durch den Vordereingang verlassen, während das CPT den Hinterausgang nutzte um niemandem Antworten schuldig zu bleiben. Zwar wollte er schnellstmöglich mit seiner Freundin reden, aber nicht bevor er sich nicht etwas zurechtgelegt hatte. Diese Chance bekam er nun nicht mehr. „Darf ich vielleicht reinkommen?“, fragte Angelika, doch Evan rührte sich nicht. Erst als die Frau ihre Frage wiederholte, trat er zur Seite und ließ sie ein. Er schloss die Tür und versuchte passende Worte zu finden. „Wie… geht es dir?“, begann er mit etwas Einfachem. Angelika sah ihn nicht direkt an, das konnte kein gutes Zeichen sein. „Ganz gut. Naja, wenn man bedenkt, dass ich in meinem neuen Job wieder von einer Urzeit-Kreatur angefallen wurde.“ Evan nickte verständnisvoll. „Tja, sieh's mal so. Es ist immer gut, wenn man Fähigkeiten aus seinem alten Job in seinem neuen einbauen kann.“ Angelika betrachtete ihn kurz, schenkte ihm jedoch kein Lächeln. „Ist das… alles nur ein Scherz für dich?“, fragte sie mitgenommen. Evan schüttelte sofort den Kopf und stellte sich vor sie. „Nein, natürlich nicht! Glaub mir, auch wenn du nicht bei mir warst, ohne dich hätte ich die Zeit in dieser prähistorischen Welt nicht überlebt.“, versicherte er. „Das wäre nicht nötig gewesen, wenn du nicht durch die Anomalie gegangen wärst. Wenn du es viel früher aufgegeben hättest und jemand anderem die Leitung übertragen hättest, hätten wir dieses Jahr zusammen verbracht. Project Magnet, dem ARC, egal wem. Diese Bürde hast du dir selbst aufgelastet, niemand anderer.“, redete sie auf ihn ein. Evan bezweifelte, dass es so einfach war wie Angelika es darstellte. „Das konnte ich niemand anderem überlassen! Hätte ich erneut Mac vorschicken sollen, damit er sich opfert? Oder Dylan oder Donovan nur weil es ihr Job gewesen wäre?“ Angelika senkte ihren Kopf. „Nein, ich weiß, dass du nicht so bist. Du bist dickköpfig und fest entschlossen. Ich schätze genau deshalb habe ich mich in dich verliebt. Und deshalb… wollte ich mit dir zusammen sein.“ Evan schluckte. „Aber das… können wir doch immer noch, oder?“, wagte er es kaum zu fragen. Angelika zögerte etwas mit ihrer Antwort. „Lass… mir bitte etwas Zeit. In den nächsten Wochen werde ich ohnehin viel zu tun haben. Manulife brauchte bereits ohne die heutigen Vorfälle meine Dienste und ich werde kaum eine freie Minute haben.“, erklärte sie. Damit konnte sich Evan auch ersparen zu fragen, ob seine Freundin zu Cross-Photonics zurückkehren würde. Die Antwort lautete definitiv nein. Evan konnte es ihr kaum verdenken, die schönsten Momente ihres Lebens hatte sie dort sicher nicht zugebracht. Ständig in Sorge um ihn, wartend wie eine holde Maid. Angelika brauchte Abstand und Evan würde nicht derjenige sein, der ihn ihr verwerte. „Ange, ich liebe dich! Daran hat sich nichts geändert. Ich lasse dir so viel Zeit zum Nachdenken wie du brauchst, aber bitte sag mir, dass dies nicht das Ende ist.“, klang er beinahe flehend. Angelika öffnete ihre Lippen, schloss sie aber gleich darauf wieder. Sie schritt zur Tür und wand sich noch einmal kurz um. „Wir sehen uns, Evan.“, erwiderte sie und verließ dann die Wohnung. Die Tür wurde zugeschlagen und es fühlte sich für Evan an wie die Anomalie die seinen Weg in die Zukunft auslöschte. Eine Anomalie durch die er zurück in sein altes Leben wollte, am Schluss aber doch zurückblieb. Er fühlte sich genau wie während seines Aufenthalts in der Kreidezeit. Einsam. Amerikanisches Territorium, Yvalon – Jahr 707 nach tantounischer Zeitrechnung Nayem schritt langsam den Gang des Stützpunktes entlang, zusammen mit einer aufgesetzten Miene. Sehe er beunruhigt aus, oder würde rennen, konnten seine Leute denken, dass etwas nicht stimmte. Diesen Eindruck wollte der Konzil jedoch nicht erwecken. Der Stützpunkt war seit heute Morgen in Alarmbereitschaft. Zwar deutete bisher nichts auf einen Angriff auf Yvalonien hin, doch dies konnte sich jederzeit ändern. Es ärgerte den Konzil, dass er sich neben seiner eigentlichen Verantwortung auch noch mit Magistrat Galls wilden Ideen herumschlagen musste. Nayem musste zugeben von den vielen Tieren beeindruckt gewesen zu sein. Von vielen kannte er nur Zeichnungen in Schulbüchern, wenn überhaupt. Diese Tiere hatten alle auf demselben Planeten gelebt wie er, war aber schon lange vergangen. Würde es Yvalonien auch so ergehen? Kein Imperium hielt ewig. Er erinnerte sich an Geschichten seines Großvaters an ein weit zurückliegendes Land namens Rom. Eine prächtige und vor allem starke Stadt. Doch auch sie fiel, egal wie viele Soldaten dem Feind entgegengestellt wurden. Gall hatte Nayem die Schwäche seiner Armee erklärt. Es waren Menschen. Menschen waren schwach und zu leicht verwundbar. Alles was sie konnten war sich gegenseitig auszurotten. Es waren einige Tage vergangen seitdem Nayem den Zoo in den Tiefen des Parlamentsgebäudes hatte betrachten dürfen. Gall hatte ihn nicht weiter in seine Pläne eingeweiht, sondern bestand lediglich darauf, dass dieser die Atmosphäre erst einmal auf sich wirken lassen sollte. Doch Nayem musste sich eingestehen, dass es eindeutig zu viel für ihn war. Ohne Rat, die passende Konsultation würde er nicht mit dieser fremdartigen Situation umgehen können. Es dauerte nicht lange, bis er den Raum erreicht hatte, zu dem er wollte. Eiligst stellte er sich vor den Retina-Scan und ließ die KI seine Iris erfassen. Die Tür die aus zwei Hälften bestand schwank auf und erlaubte es dem Konzil einzutreten. Die Einrichtung in diesem Raum unterschied sich vom Rest des Gebäudes erheblich. Sie wirkte wie ein Gemälde aus längst vergangenen Zeiten. Ein hölzerner Parkett, hölzerne Stühle und Tische und hölzerne Regale. Das Besondere an letzterem waren vermutlich die Schriftstücke darin. Es war lange her, seit Nayem zuletzt ein Buch gesehen hatte. Bei diesem Vorgang wurde Papier hergestellt, auf dem mit geeigneten Utensilien Texte geschrieben und Bilder gezeichnet werden konnte. Natürlich war diese Methode recht ineffektiv. Gerade mal ein Bruchteil eines bestimmten Themas fand in einem dieser Bücher statt, die meistens nur aus ein paar hundert Seiten bestanden. Hatte man die Informationen studiert, müsste man das nächste Buch zur Hand nehmen und dort weiterlesen. Recht umständlich, doch dem Mann der nun genau vor dem Regal stand und seine Finger über die Buchrücken schwirren ließ, schien dies nichts auszumachen. Nayem räusperte um auf sich aufmerksam zu machen, doch der Mann hatte ihn bereits bemerkt. „Tut mir leid, ich wollte Sie nicht stören.“, entschuldige sich der Konzil. Der Mann vor ihm schüttelte leicht den Kopf. „Nicht, ist schon in Ordnung. Was sollte ich sonst tun, oder besser gefragt, wo sollte ich sein? Ich kann diesen Raum nicht verlassen, richtig?“, fragte er prüfend. Nayem bestätigte es ihm und wies auf einen Stuhl. Während sich der Mann setzte, fragte sich Nayem wie dieser seinen Aufenthalt wohl interpretierte. Fühlte er sich als Gefangener? Nayem hatte alles repliziert was sich der Mann wünschte, doch 24 Stunden am Tag in einem Raum zu verbringen konnte man sehr gut als Gefängnis bezeichnen. „Setzen Sie sich doch bitte, Professor.“, bat Nayem und tat es ihm gleich. Der Mann folgte der Aufforderung richtete sich einen Stuhl zurecht. Er faltete die Hände und wartete darauf, was der Konzil zu sagen hatte. „Die Situation mit Gall… ich blicke da nicht durch.“, gestand er gleich zu Beginn. Der Professor musterte ihn und nickte schließlich. „Ich finde seinen kleinen Privatzoo ebenfalls bedenklich. Diese Tiere gehören in ihre eigene Zeit und sollten weder zur Anschauung noch zur Erforschung dienen.“ Nayem hob beide Augenbrauen. „Und diese Worte von Ihnen Professor? Waren es nicht Sie, der so erpicht darauf war, mehr über diese Tiere zu erfahren?“, hakte der Konzil nach. Der Professor wirkte nun etwas ertappt und suchte einen neuen Ansatz. „Neugier… ist eine Sache. Macht und Gewalt eine gänzlich andere. Haben Sie eine Ahnung wozu er diese Tiere benötigt?“, wollte der Mann wissen. Nayem hasste es den Unwissenden abzugeben, doch diesmal blieb ihm nichts anderes übrig als mit den Schultern zu zucken. „Ich hatte gehofft, dass Sie mir das sagen könnten.“, gestand er. Der Professor betrachtete ihn kurz, musste aber verneinen. „Ich kenne den Mann nicht und kann deshalb nicht auf seine Ambitionen schließen. Ich kann Ihnen nur raten ihn genauer zu beobachten.“, erwiderte er. Nayem dachte kurz darüber nach und erhob sich dann. „Vielen Dank, Professor. Ich werde Sie wieder konsultieren wenn ich genaueres weiß.“, versicherte er und schritt wieder Richtung Ausgang. „Gut. Ich werde hier sein.“, rief ihm der Professor nach und erinnerte Nayem somit an seinen Gast im Hamsterkäfig. Der Konzil verließ das Zimmer und ließ den Professor wieder mit seinen Büchern allein. Was Gall genau plante würde er ohnehin früher oder später herausfinden. Er betete nur… dass es dann nicht zu spät sein würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)