My other Self von Erenya (Persona 4 Golden mit weiblichen MC) ================================================================================ Kapitel 10: Friendship ---------------------- April 18   Wie erstarrt sah Otome auf ihr Handy. Sie war gerade erst aufgestanden und hatte erneut bemerkt, dass sie schon wieder etliche Anrufe von Miwako verschlafen hatte. Die SMS die sie daraufhin als Antwort bekam, war nur allzu verständlich. 'Ich kann verstehen, dass du zu beschäftigt bist, Oto, aber wenn du sagst, du rufst an, dann tu es gefälligst. Ich wollte dir nur sagen, dass ich mich in der nächsten Zeit nicht mehr bei dir melden kann. Ich wurde für ein besonderes Projekt ausgewählt, deswegen werde ich kaum Zeit haben mich zu melden. Was auch immer bei dir gerade passiert, pass auf dich auf und mach keinen Unsinn.' Es war seltsam. Obwohl sie diese Nachricht las, schmerzte es sie nicht. Im Gegenteil. Es war Otome irgendwie egal. Dabei war sie es gewesen, die in den letzten Tagen so gerne mit ihrer besten Freundin gesprochen hätte. 'Viel Erfolg, ich versuche dir zu schreiben, wenn ich Zeit habe.' Otome wusste, dass das eine Lüge war. Sie würde sich nicht melden, aber sie wollte noch den Schein ihrer Freundschaft wahren. So tun, als würde sich nie was ändern, dabei hatte sich bereits alles verändert. Ohne weiter darüber nachzudenken, verzog sich Otome ins Bad, mitsamt ihrer Kampfausrüstung. Heute würden sie sich um Yukiko kümmern, als Anführerin ihrer Gruppe, hatte sie das einfach so beschlossen. Zumindest hoffte sie, dass es Chie gut ging. Allerdings war sie nicht so lange den Wirkungen der anderen Welt ausgesetzt, sodass sie sich darum keine Sorgen machte. Lediglich um geeignete Kampfausrüstung für Chie, würde sie sich noch kümmern müssen.   **~~**   Es war irgendwie ein gewohntes Bild, dass Yosuke sich, kaum dass er zur Schule gekommen war, neben Otomes Platz stellte und sie in ein Gespräch zog. Doch anders als die Tage zuvor, waren die Themen nicht normal, sondern wesentlich ernster. „Ob es Chie gut geht?“ Es war wahrscheinlich die Erinnerung, wie es ihm ergangen war, nachdem sein Shadow versucht hatte ihn zu töten. Diese Erschöpfung, diese Machtlosigkeit und vor allem die Angst jenen ins Gesicht zu sehen, die die dunkelsten Geheimnisse über einen gesehen hatten. Es würde Mut und Kraft kosten, sich aufzuraffen und in der Schule zu erscheinen. Yosuke hatte diese Kraft besessen und Chie würde nicht anders sein, da war sich Otome sicher. Es war, als hätte Chie den Gedankengang Otomes wahr genommen, denn die Tür wurde aufgeschoben und Chie betrat verlegen, aber dennoch gesund und Munter den Raum. „Oh... Uhm... Guten Morgen...“ Otome konnte deutlich die Spannung in der Luft spüren, als Chie sie mit dem verlegenen roten Schimmer auf ihren Wangen begrüßte. Ihr war das, was am Tag zuvor geschehen war immer noch unangenehm. Mehr als nur angenehm. „Hast du gut geschlafen?“ Als Anführerin, sah es Otome als ihre Pflicht an, diese intensive, unangenehme Atmosphäre zu durchbrechen. Mit etwas Smalltalk, so erschien es ihr, würde das auch leicht klappen. „Ja. Bis heute morgen war ich außer Gefecht gesetzt.“ Ein verlegenes Lachen kam von Chie. Sie war es scheinbar wirklich nicht gewohnt, dass ihre Kräfte nicht von Dauer war, sondern auch ein begrenztes Maß besaß, dass die Welt hinter dem Fernseher vollends ausgeschöpft hatte. „Übrigens, danke wegen gestern. Ich meine, es ist etwas peinlich, denn ihr beide habt meine innersten Gefühle gesehen.“ „Mach dir keine Gedanken deswegen.“ Otome lächelte und stimmte damit den Worten Yosukes zu. Vielleicht war sie doch nicht so geeignet als Anführerin, ihr war dieser Satz nicht in den Sinn gekommen. Stattdessen hatte sie sich schon eine Rede zurechtgelegt, die wahrscheinlich nicht ganz so effektiv gewesen wäre wie die Worte, die Yosuke benutzt hatte. „Yosuke ist doch dasselbe passiert, was war es bei ihm?“ Ein breites Grinsen legte sich bei Otome auf die Lippen, als sie Chies Frage hörte. Eigentlich war das was sie von Yosuke gesehen hatte nicht ganz so peinlich, doch kaum dass sie Luft geholt hatte und ansetzen wollte, was es denn gewesen war, hielt Yosuke ihr den Mund zu. „Wie? Ähm... wie drückte ich das nur aus... hm... Ach ja, ich hätte es fast vergessen zu erwähnen, nichts davon ist bei ihrem Erwachen passiert. Liegt das daran, dass du nichts zu verbergen hast?“ Dieser miese... Otome konnte es nicht glauben, wie schnell er das Thema von sich auf sie gelenkt hatte. Das würde er ihr noch büßen. Wenn Blicke Bonbons werfen könnten, sie hätte ihn mit Süßkram erschlagen. „Oh? Bei dir ist also nichts passiert? Ich muss zugeben, du scheinst mir schon sehr offen zu sein. Du hast irgendetwas an dir... dass die Menschen zu dir zieht, oder so in der Art.“ Ein roter Schimmer zeichnete sich auf Otomes Wangen ab. Sie sollte eine Persönlichkeit haben, die Menschen anzog? Lächerlich. Wobei... hier in Inaba mochte das vielleicht stimmen. Aber da wo sie herkam? Es stimmte schon, sie war nie alleine gewesen und auch wenn nicht alle ihre Freunde wahre Freunde gewesen waren, sie war immer von Menschen umgeben gewesen. Allerdings, so wie Chie das sagte, klang es, als wäre es etwas schlechtes. „Du hast eine eigenwillige Art Komplimente zu machen, Chie...“, merkte Otome daher an, lächelte das Problem von Chies Unterton aber weg und wurde dafür mit einem Lächeln ihrerseits belohnt. „Das war ein Kompliment?“ Entsetzt sah Yosuke, der wohl dasselbe wahrgenommen hatte wie Otome, zu Chie, die euphorisch nickte, aber just in dem Moment einen bösen Blick zu Yosuke warf. Ihr gefiel nun sein Unterton nicht. „Natürlich war das ein Kompliment! Was sollte es sonst sein?“ „Na schön, wenn du das sagst.“ Ein leises Kichern kam über Otomes Lippen. Mit diesen beiden wurde es wahrscheinlich niemals langweilig. Sie verhielten sich wie ein altes Ehepaar und wahrscheinlich waren sie sich dessen nicht einmal bewusst. „Wie dem auch sei, das Wichtigste im Moment ist Yukikos Rettung. Ihr beide habt es versprochen.“ Otome nickte, als Chie sie an die eigentliche Mission erinnerte. Sie hatte es nicht vergessen und sie würde das auch nicht. Yukiko hatte für den Moment oberste Priorität. Noch dazu konnte sie vielleicht helfen und ihnen Hinweise zu Mörder geben. Otome sah auf, als die Klingel plötzlich ertönte und Yosuke einen leisen Fluch ausstieß. „Oh verdammt, ich war noch nicht auf der Toilette.“ Ein breites Grinsen spiegelte sich auf Otomes Gesicht wieder, als Yosuke wie von der Tarantel gestochen loslief. Wo würde er nur seinen Kopf lassen, wenn er nicht angewachsen wäre, diese Frage kam Otome wirklich auf, auch wenn sie wohl etwas sinnlos war. „Hey...“ Verwundert darüber, dass Chie sich noch nicht neben sich gesetzt hatte, sah Otome zu dem Mädchen auf, dass nervös an ihrem Oberteil des Trainingsanzuges herum fingerte. „Danke, dass du mich gerettet hast. Versteh mich nicht falsch, Yosuke hat auch seinen Beitrag dazu gehabt, aber... uhm... ich meinte es ernst, dass du eine anziehende Aura hast. Bei dir habe ich wirklich das Gefühl, dass du mich nicht im Stich lassen würdest.“ Natürlich hätte Otome sie nie in Stich gelassen und sie würde das auch nicht in Zukunft tun. Im Gegenteil, Chie war nun eine wirklich hilfreiche Unterstützung im Kampf. Dennoch, sie spürte nur zu deutlich die Dankbarkeit, die Chie für ihre Aktion empfand und das machte Otome irgendwie glücklich und gab ihr das Gefühl, Chie auf diese Weise näher gekommen zu sein. Sicher war sie sich erst, als sie wieder Izanagis Stimme vernahm. Ih seiet Ihr... und ihr seihet Ih... Ihr habet einen neuen Bund geknüpft... Er bringet euch näher zur Wahrheit... Ihr seiet gesegnet wenn ihr Personas des Triumpwagens beschwört Ja, wenn dem so war, dann hatte Otome doch keine andere Wahl. Lächeln zog sie ihr Handy aus der Tasche und sah zu Chie. „Ich brauche deine Handynummer.“ Auch wenn das sehr direkt von ihr war, sie wollte Chie zeigen, dass sie diese akzeptiert hatte, mit all ihren kleinen Makeln und Macken. Und wenn Izanagi ihr schon vermittelte, dass die Nähe Chies sie näher zur Wahrheit brachte, warum sollte sie dann nicht einfach diesen Bund verfestigen, indem sie ihre Rufnummern austauschten. „Oh richtig, die wirst du in Zukunft brauchen. Hier.“ Ohne Umschweife zückte Chie ihr Handy und übertrug drahtlos und ohne größere Probleme ihre Telefonnummer auf Otomes Handy. Es war seltsam, schon in so kurzer Zeit hatte sie von mehr Menschen die Telefonnummer gefordert, als zu ihrer Zeit in der Stadt. „Wir müssen vorsichtig sein, der Nebel kommt doch nach dem Regen, oder? Retten wir sie, bevor das passiert.“ Otome folgte Chies Blick der zum Fenster führte. Sie hatte den Wetterbericht gehört und wenn der einigermaßen akkurat war, würde heute kein Nebel folgen. Dennoch, je schneller sie Yukiko retteten, umso sicherer waren sie auch. Doch vorher... Otomes Blick glitt wieder zu Chie, die sie sanft anlächelte. „Was hältst du davon, wenn wir nach der Schule etwas Ausrüstung besorgen. Ich meine, als Anführerin muss ich dafür sorgen, dass jeder von euch für den Kampf gerüstet ist und du hast ja noch keine passenden Waffen oder dergleichen... ich meine Schuhe ich...“ Es war schon schwer der Anführer zu sein. Man musste seine Bedürfnisse ausdrücken ohne jemanden in seinem Wesen einzuschränken. Und gerade wenn es darum ging Waffen zu wählen, hatte Otome das Gefühl, dass sie das tat, weswegen sie lieber gerne ihre Gefährten dabei hatte, um deren Vorlieben kennenzulernen. „Schon verstanden, nach der Schule am Tor. Oh, ich kann dir auch etwas die Stadt nebenbei zeigen. Vielleicht finden wir ja irgendwo noch etwas nützliches. Was hältst du davon, Leader?“ Otome errötete, als Chie so unverfänglich das Wort Leader aussprach. Aber ja, wieso nicht? Wieso sollte sie sich nicht etwas die Stadt zeigen lassen und so vielleicht etwas finden, was ihre Geheimwaffe im Kampf werden könnte?   Der Regen hatte sich, wie vom Wetterbericht angekündigt, verflüchtigt. Vollkommen nebellos und ließ und Otome aufatmen. Auch wenn sie nicht damit gerechnet hatte, war der Regen doch ihr größter Feind bei der Rettungsaktion von Yukiko. Doch bevor sie sich wirklich in die Schlacht stürzen konnten, musste Otome einen Schlachtplan erstellen. Das Schloss hatte sich immerhin als gefährlicher herausgestellt, als gedacht. Wobei die erste Etage wohl nun ein Kinderspiel sein würde. Nicht nur, dass sie eine weitere Kämpferin an ihrer Seite hatten, nein Yosuke und sie kannten die Schwächen der dortigen Shadow. „Mal sehen... Otome. Du wirkst so abgelenkt, wie wäre es, wenn du uns eine Frage beantwortest.“ Otome zuckte zusammen, als sie die Stimme ihres Sport und Englischlehrers Kondo hörte. Sofort sprang sie auf, ohne eigentlich zu wissen, was das Thema für die besagte Frage sein würde. Sie hoffte nur, dass sie sich nicht zu stark in die Nesseln setzte. „Da du so aufmerksam bist, beantworte mir doch folgendes. Das Wort 'Alphabet' stammt von den Worten 'alpha' und einem zweiten Wort ab. Was ist das für ein zweites Wort?“ Wirklich? Meinte das Kondo wirklich ernst? Glaubte er wirklich, sie konnte diese einfache Frage nicht beantworten? Jeder Idiot hätte diese Frage beantworten können, selbst wenn er nicht das Wissen dazu besessen hätte, denn es war ja wohl logisch und offensichtlich. „Beta.“ „Gut! Das ist richtig! Er kommt von den ersten zwei Buchstaben des griechischen Aphabets, alpha und beta. Übrigens, alle Arten von Buchstabenanordnungen in Europa werden „Alphabet“ genannt. Wenn wir in Japan von Alphabet reden, meinen wir natürlich das Englische.“ Zufrieden mit sich selbst, setzte sich Otome wieder an ihren Platz. Sie hatte also nicht für ihre Gedankenlosigkeit im Unterricht gebüßt. Dennoch, sie sollte sich bewusst werden, dass sie nun nicht nur die Rettungsaktion leiten musste, sondern auch als normale Schülerin den Alltag bestehen sollte.   **~~**   „Ich muss dir jemanden vorstellen.“ Fragend sah Otome zu Chie, die sie mit einem breiten Grinsen bedachte und ihr die Hand entgegen hielt, als sei sie ein Prinz, der seine Prinzessin entführen wollte. Seltsam wenn man bedachte, dass Yukiko nach einen Prinzen zu suchen schien und Chie hin und wieder solche Anwandlungen hatte. „Ich dachte wir gehen einkaufen.“ Der Unterricht war längst vorbei und eigentlich hatte Otome schon gerne an ihrem Plan des Shoppings festhalten wollen, doch Chie machte ihr damit einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Na schön, warum nicht. Wenn sie ihr unbedingt jemanden vorstellen wollte, dann wollte sich Otome nicht dagegen verwehren. Otome erwiderte das Lächeln und erhob sich von ihrem Platz, um Chie aus dem Klassenzimmer hinaus in die dritte Etage zu folgen. Freiwillig wäre Otome sicher nie in die Gefilde der Oberstufe gegangen, aber wenn Chie ihr wirklich jemanden vorstellen wollte, kam sie wohl nicht drum herum. Vielleicht würde es ja hilfreich für ihr weiteres Abenteuer sein. Wünschenswert war es zumindest. „Hey~ Chie~. Hast du wieder den Mut dich an einem neuen Rätsel von mir zu probieren?“ Ein Junge mit fluffigen schwarzen Afro, kam mit einem breiten Grinsen auf Chie zu, die nur ihre Hand zur Begrüßung hob. Es war eindeutig, dass sie diesen Jungen kannte, auch wenn Otome nicht klar war, wieso oder woher. Immerhin schien er zum dritten Jahrgang zu gehören. Wie sollte da also jemand wie Chie einen solchen Jungen kennenlernen? „Nein nein, nicht ich. Ich habe heute eine Freundin mitgebracht. Sie ist neu hier und richtig clever. Ich wette sie kann deine Rätsel ohne Probleme lösen.“ Schlagartig wurde Otome die Bedeutung von Chies Worten bewusst und ließ sie dezent erröten. Wie konnte Chie nur so etwas sagen? So klug war sie nicht. Standard eben. „So so, eine neue Herausforderin für den Rätsel-Meister hat also die Bildfläche betreten.“ Der Blick des selbst ernannten Rätsel-Meisters legte sich auf Otome. Er musterte sie, als würde er so erkennen, ob sie wirklich seiner Herausforderung würdig war oder nicht. Aber schön, wenn er eine Herausforderung suchte, wollte Otome kein Spielverderber sein. „Immer her mit dem Rätsel“, antwortete sie und verschränkte die Arme. Ein Lächeln zeichnete sich auf den Lippen des Rätsel-Meisters ab, der sehr darüber erfreut schien, dass so ein unerfahrenes Küken wie Otome so todesmutig seine Herausforderung annahm. Warum sollte sie auch nicht? Außer natürlich, er war wirklich so gut wie seine Bemerkung gegenüber Chie vermuten ließ. „Also schön. Ich ordne zwei Sachen einer Kategorie zu. Die von mir zuletzt genannte Sache, musst du selbst zu ordnen. Rot ist Gruppe A. Grau ist Gruppe B. Weiß schwört auf Gruppe A. Orange hingegen hat das Zeichen von Gruppe B. Grün ist sowas von Gruppe A. Pink wird immer zu Gruppe B gehören. Und wozu gehört dann Schwarz? Gruppe A oder B?“ Otome ließ sich Stück für Stück die Worte durch den Kopf gehen. Sie versuchte das Muster zu erkennen. „Oh ich weiß, sicher Gruppe B!“, erklärte Chie euphorisch, die es nun doch nicht lassen konnte mitzurätseln. Doch der Rätsel-Meister hob seine Hand und gebot ihr zu Schweigen. „Sorry, Chie, aber dieses Rätsel gehört deiner Freundin.“ Er sah zu Otome, die immer noch versuchte die Farben in ein Bild zu ordnen. Gruppe A waren Farben die man nicht mischen konnte. Gruppe B hingegen konnte man mischen. Noch dazu, hatten sie noch eine weitere Gemeinsamkeit. „Gruppe A.“ Kurz verstarb das Lächeln des Rätsel-Meisters, was Otome sagte, dass sie mit ihrer Antwort auf dem richtigen Weg war. „Na schön. Korrekt. Aber was haben diese Gruppenmitglieder alle gemeinsam?“ „Es sind die meist gewähltesten Flaggenfarben.“ Erneut entglitt dem Rätsel-Meister sein Lächeln. Otome sah, wie es in seinem Kopf ratterte. Er schien darüber nachzudenken, was es jetzt zu tun galt. Wahrscheinlich hatte er nicht mit einer Niederlage gerechnet. „Wieder Richtig. In Gruppe A waren vier der sechs Hauptflaggenfarben. Die anderen zwei sind Blau und Gelb. Ich bin wirklich erstaunt, dass eine Schülerin aus dem zweiten Jahr und noch dazu eine Freundin von Chie das weiß.“ „Hey! Was soll das denn bitte heißen?“ Otome konnte deutlich die Empörung Chies hören, sie selbst war sich nicht sicher, ob der Rätsel-Meister ihr nun ein Kompliment gemacht oder sie beleidigt hatte. „Das war nur ein Scherz, Chie. Aber hier, Rätsel-Lehrling, das ist deine Belohnung für deinen grandiosen Sieg.“ Der Rätsel-Meister gab Otome das Zeichen dass sie ihre Hand aufhalten sollte. Sie tat wie ihr geheißen und es verging nur ein kleiner Augenblick in dem plötzlich drei Schlüssel in ihrer Hand lagen. Verwundert sah sie zu dem Jungen auf, der sie breit angrinste, fast schon stolz, als seien diese drei Schlüssel es wirklich wert gewesen von ihrem ursprünglichen Plan abzukommen. „Wofür sind die?“ Otome konnte nicht umhin zu fragen. Der Sinn dieser Schlüssel blieb ihr wirklich verborgen, ebenso Chie, die dem Rätsel-Meister einen noch wütenderen Blick zuwarf. „Du willst uns doch nicht etwa deinen alten Ramsch als Preis verkaufen, oder?“ Er spürte die Gefahr die von Chies Temperament ausging und wich etwas zurück, wobei er lächelte und mit dem Kopf schüttelte. Gleichzeitig war kalter Schweiß auf seiner Stirn ausgebrochen. Er tat also nur so, als wäre er ruhig. „Nein nein. Nicht doch. Das sind besondere Schlüssel. Sie sollen irgendwelche Schatztruhen öffnen. Zumindest hat Er das gesagt. Da ich aber nichts damit anfangen kann, dachte ich, ihr wüsstet vielleicht was ihr damit tun könnt.“ Seine Worte überschlugen sich unter Chies ernsten und erbosten Blick. Doch Otome glaubte ihn auf eine seltsame Weise. Auch wenn sie nicht wusste, wer dieser Er war. „Gehen wir Chie. Vielleicht können wir sie ja wirklich noch gebrauchen. Wenn nicht, verkaufen wir sie einfach, sie werden sicher irgendetwas wert sein.“ Sanft griff Otome nach Chies Arm, die sich nur widerwillig vom Rätsel-Meister abwandte. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie ihm einen gehörigen Tritt in den Allerwertesten gegeben. Aber da Otome der Leader war und dies scheinbar nicht für nötig hielt, wollte sie es dabei belassen, heute.   **~~**   Auch wenn die Getränkeautomaten alt wirkten, so nahm Otome doch sehr erfreut das klicken und grollen aus dem Inneren wahr, welches ihr signalisierte dass eine weitere Dose Dr. Salt Neo kam. „Und dieser Beutel kann wirklich unendlich viele Dinge tragen?“, fragte Chie erstaunt, als Otome die nächste Dose im Inneren verschwinden ließ. Otome nickte schweigend und warf erneut 120 Yen in den Automaten um The Natural zu ziehen. Erneut erklang ein grollen, gefolgt von einem piepen. Sie hatte schnell bemerkt, dass an diesem Automaten scheinbar eine Art Lotterie mit beteiligt war. Für jede Dose sie zogen nahmen sie dran teil, gewannen sie, konnten sie eine weitere Dose ziehen. Bei ihrer ersten Dose Second Maid war Fortuna ihr hold gewesen, so das sie neben der bezahlten Dose auch noch zwei weitere hatte ziehen können. „Wirklich erstaunlich was dieser Bär so alles herstellen kann. Aber warum genau geben wir unser Geld für Getränkedosen aus?“ Zweifelnd sah Chie zu Otome die nur schwach lächelte. Sie hätte sich selbst für verrückt erklärt, wenn sie nicht gespürt hätte, wozu Pfirsiche in der Lage waren. Wer wusste schon was Energydrinks und andere Lebensmittel dann bewirkten? „Die Fernsehwelt funktioniert anders. Jede günstige Kleinigkeit könnte uns da hilfreich sein. Du weißt schon, unsere Wunden heilen, Energie für die Beschwörung der Personas wiederherstellen, andere Probleme kurieren. Wir dürfen nichts außer Acht lassen und müssen gut vorbereitet sein.“ Es waren Gedanken gewesen, die sich Otome vom Weg ihrer Schule bis hier her gemacht hatte. Diese andere Welt war wirklich noch zu fremd. Sie konnten sich nicht auf die wenigen Kampferfahrungen verlassen die sie und Yosuke gesammelt hatten. Noch dazu hatten sie da nicht sonderlich geglänzt. „Wow, du bist wirklich die geborene Anführerin. Weder Yosuke noch ich hätten so weit gedacht. Oh da fällt mir ein. Bei Shiroku steht auch noch ein Getränkeautomat. Vielleicht sollten wir auch dort ein paar Dosen ziehen.“ Otome war froh, dass sie Chie bei sich hatte. Sie selbst hatte nämlich nicht mehr an den Automaten vor dem Shiroku gedacht. Damit hatten sie immerhin einen kleinen Vorrat, oder eher eine Notreserve. Allerdings durfte sie auch Chies Ausrüstung nicht aus den Augen verlieren. „Das passt super. Dann können wir danach deine Ausrüstung besorgen.“ Die Mädchen lächelten einander an. Für Außenstehende hätte das sicher nicht befremdlich gewirkt, aber für Otome war es immer noch gewöhnungsbedürftig. Immerhin kannte sie Chie nun gerade einmal seit ein paar Tagen und doch gefiel es ihr mit der Klassenkameradin shoppen zu gehen, auch wenn ihre Shoppingtour weit von dem normalen Schaufensterbummel entfernt war. Auch wenn Otome zu Anfang geglaubt hatte, dass eine Kleinstadt alles andere als Ideal war, so war doch mindestens die Shoppingmeile praktisch. Immerhin lag alles so dich beieinander das alles eher einem Katzensprung glich. „Weißt du, es ist wirklich seltsam. Ich habe das Gefühl, dass wir einander schon länger kennen, obwohl ich weiß, dass es nur ein paar Tage sind. Aber du hast sofort verstanden, wie ich wirklich für Yukiko empfinde.“ Es war die letzte Dose die Otome aus dem Automaten bekam,was merkwürdig war, denn sie hatte erst fünf Mal welche gezogen. Und doch verwehrte der Automat ihr seinen Dienst. „Oh mach dir nichts draus. Die Automaten hier geben nur fünf Dosen in der Woche raus.“ Entsetzt sah Otome zu Chie, die diese Erklärung so ganz nebenbei fallen ließ, als sei es das Normalste der Welt. In der großen Stadt gab es solche Sparmaßnahmen nicht. Dennoch, besser waren fünf Dosen als keine. Sie musste nur immer den richtigen Augenblick abpassen um die erste zu sein, die diese Getränke bekam. „Na dann plündern wir den anderen Automaten auch, solange es noch kein anderer getan hat.“ Es war nicht Otomes Art über solche Kleinigkeiten betrübt zu sein, weswegen sie ihr strahlendstes Lächeln aufsetzte und den Weg in den nördlichen Bereich des Shoppings Destrictes antrat. „Hey, Onee-chan... Ich hab gesehen, dass du ganz viele Dosen gekauft hast... Ich möchte ein Dr. Neo Salt.“ Otome wusste gar nicht, wie sie auf diese Dreistigkeit reagieren sollte. In der großen Stadt hätte sie sicher kein kleiner Junge mit erröteten Wangen angesprochen und um eine Getränkedose gebeten. In der Stadt hätten die Automaten auch keine Begrenzung gehabt, aber das war wiederum ein anderes Thema. „Hör Mal!“ Chie hatte gerade zu einer Schimpftirade angesetzt, doch Otome machte ihr klar, dass diese eine Dose nicht die Aufregung wert war. Mit Sicherheit hätte der Junge sich selbst eine Dose gezogen, wenn sie den Automaten nicht für den Rest der Woche geplündert hätte. Wie konnte man auch so dumm seine eine Ziehbeschränkung bei einem Automaten einzufügen? Unwissenheit schützte eben vor Strafe nicht, oder eher in dem Fall vor bettelnden Kindern. Mit einem leisen Seufzen griff Otome in ihren Beutel und zog eine der Dosen hervor. Es war vielleicht nur Glück, aber sie hatte genau die, die der Junge wollte. „Hier.“ „Danke, Onee-chan!“ Glücklich griff der Junge nach der Dose und lief in Richtung des Tempels, der wohl ein Sammelplatz für spielende Kinder war. Zumindest hatte Otome das so aufgefasst, als sie zum ersten Mal an dem Tempeltor vorbeigelaufen und Kinder schreiend und lachend durch dieses gelaufen waren. „Du bist wirklich ein Gutmensch, Otome-chan.“ Ein Lächeln lag auf Chies Lippen. Auch wenn sie vor wenigen Minuten noch bereit gewesen wäre dem Jungen eine Standpauke zu halten so war sie doch froh, dass Otome alles andere als eine Stadtdiva war und eher zur Nächstenliebe neigte.   Es fiel Otome wirklich nicht leicht in Daidaras Laden etwas passendes zu finden. Sie wusste zwar, dass sie Schuhe für Chie brauchte, aber die wohl schlagkräftigsten lagen weit außerhalb ihres aktuellen Taschengeld-Budgets. Sollte die Suche nach dem Mörder wirklich länger dauern als nur bis zur Rettung Yukikos, musste sie sich definitiv auf kurz oder lang einen Teilzeitjob suchen. Nach der Schule, oder Abends wenn es sein musste. Dojima konnte sie sicher irgendwie davon überzeugen, dass ein Job ein wichtiger Schritt in der Entwicklung eines angehenden Erwachsenen war. „Du, Otome-chan, wie war dein Leben vor Inaba eigentlich? Hattest du viele Freunde?“ Es kam ganz unerwartet, als sie Chies Stimme neben sich vernahm und zu dem Mädchen blickte, dass sie neugierig ansah. „Ich hatte einige Freunde, allerdings, würde ich sie nicht als wahre bezeichnen. Es waren mehr einseitige Nutzfreundschaften, die mir nichts bedeutet haben. Außer...“ Otome hielt inne und starrte auf ein paar günstiger Schuhe, deren Spitzen mit Metallplatten versehen waren. Sicher würden die für den Anfang reichen. Zumindest wenn die Shadows bei dem Kaliber blieben, welches sie mit Yosuke gemeinsam erlebt hatte. „Außer?“, hakte Chie nach, wandte ihren Blick aber ebenfalls auf die Schuhe, die Otome so versessen anblickte. „Außer Miwako. Sie war... ist meine beste Freundin. So weit ich mich erinnern kann, sind wir wie Pech und Schwefel. Wie Geschwister könnte man sagen. Allerdings wird es schwer diese Freundschaft zu halten, wenn schon die ersten Tage unserer Trennung so bescheiden angelaufen sind, das wir kaum Kontakt halten. Außerdem wurde Miwako wohl für ein besonderes Projekt ausgewählt, weswegen sie noch weniger Zeit haben wird.“ Otome realisierte erst zu spät, dass ihre Stimme einen traurigen Unterton angenommen hatte, während sie zu den Schuhen griff und diese Chie in die Hand drückte. Eigentlich wollte sie gar nicht darüber nachdenken. Es gab wichtigeres worüber sie sich einen Kopf machen musste. Die Rettung Yukikos. „Vielleicht lädst du sie einfach nach Inaba ein. Für die Ferien meine ich. Sie könnte zum Beispiel in Yukikos Inn unterkommen. Oder warum übernachten wir nicht einfach alle vier im Inn. Ich würde deine Freundin gerne kennenlernen und Yukiko sicher auch.“ An sich war an Chies Idee nichts auszusetzen. Gleichzeitig fühlte Otome aber plötzlich einen starken Druck auf ihren Schultern. Chies Worte implizierten immerhin, dass sie Yukiko retten konnten. Was war aber, wenn sie versagte? Wenn sie alle in Yukikos Schloss starben? „Ich hoffe du erwartest nicht zu viel von mir. Letztes Mal habe ich auch nur wegen Yosuke überstehen können. Aber dieses Mal... Was wenn ich wieder versage? Dann kann ich weder dir und Yukiko helfen noch Miwako wiedersehen.“ Otome musste sich eingestehen, dass sie Angst hatte. Große Angst sogar. Zwar kannte sie die Gegner der untersten Etage, aber was wenn das Schloss noch wesentlich größer war? Was war, wenn die Gefahren größer wurden, die Gegner bald nicht mehr die vertrauten Schwächen hatten? Was wenn ihnen alle die Kraft ausging um Personas zu beschwören? Ohne diese Wesen waren sie aufgeschmissen. Noch dazu schlauchte schon das Rufen der Wesen ungemein. „Mach dir nicht so viele Gedanken. Auch wenn du unsere Anführerin bist, musst du das alles nicht alleine durchstehen. Du kannst dich gerne auf mich verlassen, wenn du nicht mehr weiter weißt. Das gleich gilt auch für Yosuke, denke ich. Dafür sind Freunde immerhin da.“ Chies Worte waren ja schön und gut, aber wie sollten sie ihr beistehen, wenn ihnen am Ende die Kraft ausging? Dann lastet wieder alles auf deinen Schultern. So wie immer. Freundschaft ist nicht mehr als eine Ausrede um nicht einsam zu sein. Otome schluckte schwer. Vielleicht hatte diese Stimme Recht? Vielleicht war Freundschaft nicht mehr als das? Vielleicht machte man sich so von einander abhängig wie Parasiten von ihren Wirten. Durfte sie das zulassen? Durfte sie sich wirklich auf Chie und Yosuke verlassen? Niemals. Vertrau nicht solchen zwielichtigen Gestalten. Du hast doch ihre wahren Gesichter gesehen. Der Eine möchte einfach nur ein Held sein und die Andere nutzt dich aus um nicht alleine zu sein. Ja sie hatte ihre anderen Seiten gesehen. Seiten, die sie nur zu gut kannte, irgendwie. Auch wenn sie eher auf Yosukes Heldenpart bei sich verzichtete. So wild war sie nun doch nicht darauf eine Heldin zu sein. „Wir brauchen noch eine Rüstung für dich“, nuschelte Otome leise und versuchte die finsteren Gedanken herunterzuschlucken. Sie durfte sich jetzt nicht von so etwas beeinflussen lassen. Sie musste Yosuke und Chie vertrauen, so gut es eben ging. Zweifel hatten da keinen Platz. „Die habe ich schon. Keine Sorge, Otome-chan. Du musst für mich nicht alles aus eigener Tasche zahlen.“ Stolz klopfte sich Chie auf die Brust und leise konnte Otome das Rascheln eines Kettenhemdes hören, welches sie und Yosuke ebenfalls unter der Uniform trugen. Immerhin darum musste sie sich nicht mehr kümmern. Dennoch, sie würde in Zukunft viel arbeiten müssen. Als Anführerin war die richtige Ausrüstung ihre Pflicht. „Dann sind wir hier fertig. Ich bezahle noch die Schuhe und gehe ins Shiroku. Ruf du Yosuke an, in einer Stunde treffen wir uns im Junes.“ Otome ignorierte den besorgten Blick Chies. Es gab eben auch Dinge, die sie nicht wollte, dass sie jemand sah. Zum Beispiel wie unsicher sie gleich im Shiroku sein würde, wenn sie keine passenden Heil- oder Hilfsmittel für ihre Mission fand. Sie hoffte zumindest, dass das Geld noch reichte. Viel war es nicht mehr und mit Sicherheit gab Dojima ihr kein wöchentliches Taschengeld, so wie ihre Eltern. Wobei die letzten 5000 Yen hatte sie auch nur als Vorschuss bekommen.   **~~**   Shiroku hatte für zwei Medikits fast ihr ganzes Taschengeld restlos aufgebraucht. Es waren nur noch 800 Yen übrig und Otome fragte sich, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, diese noch für Antigifte oder dergleichen zu nutzen. Allerdings waren diese ihr verborgen geblieben und wirklich länger hatte sie auch nicht hier bleiben wollen, nachdem der Barkeeper vom Vorabend plötzlich zum Kekse kaufen reingekommen war. Ein Mädchen das zwei Medikits kaufte war schon schräg genug und sie wollte sich peinliche Fragen, warum sie Gegengift sucht, ersparen. Seufzend stand Otome vor dem Laden, ihr Blick war auf dem Getränkeautomat gerichtet, der einiges von ihrem Geld intus hatte. Vielleicht war das Ziehen der Dosen doch ein Fehler gewesen. So genau konnte sie das noch nicht sagen. 'Immer positiv denken...', mahnte sich Otome, doch so wirklich wollte sie sich das nicht abkaufen. Immer positiv denken. Kein Mensch konnte das. Schon gar nicht in so einer bescheidenen Situation wie ihrer. „Onee-chan!“ Verwundert sah Otome auf und erkannte den Jungen, dem sie das Dr. Neo Salt gegeben hatte, auf sich zulaufen. Hinter ihm, lief ein Mädchen her, welches, vermutlicher weise, eben jene Dose in der Hand hielt. „Ein Glück habe ich dich noch gefunden. Hier!“ Otome wusste nicht richtig wie sie diese Situation deuten sollte, aber der Junge hielt ihr seine beiden Hände entgegen und zwischen Daumen und Zeigefinger bewegte sich etwas. Als sie genauer hinsah, bemerkte sie zwei Marienkäfer, die scheinbar ganz verzweifelt um ihre Freiheit kämpften. „Die haben Aiko und ich für dich gefangen. Als Bezahlung für die Dose.“ Auch wenn Otome Geld doch schon lieber gewesen war, konnte sie sich des Gedankens nicht verwehren, dass diese Geste wirklich niedlich war. Mal davon abgesehen, dass sie nicht wusste, was sie nun mit den Käfern anfangen sollte. „Uhm... Danke. Das wäre nicht nötig gewesen“, antwortete sie und griff vorsichtig zu den Käfern. Wie sollte sie die nur transportieren? „Hier, Onee-chan. Damit lassen sich die beiden leichter transportieren.“ Breit lächelnd hielt das Mädchen ihr ein geöffnetes Glas entgegen. Das zukünftige Gefängnis für die beiden Marienkäfer. Doch wenn sie es richtig anstellte, konnte sie diese vielleicht befreien. „Warte, Onee-chan, ich mache das. Du hast sicher noch nie Käfer gefangen. Große Mädchen machen das nicht mehr, sagt meine Mama immer.“ In der Tat, da hatte die Mama der Kleinen wirklich recht. Große Mädchen fingen keine Käfer mehr. Das taten vielleicht nur die Jungs, aber auch die hatten dann sicher bessere Gründe als bloßen Spaß an der Freude. Das Schlimmste war aber, dass die Marienkäfer nun doch nicht frei kamen und sie ihre Zeit in diesem Glas verbringen mussten, denn das Mädchen schraubte dieses zu, mit einem Deckel, in dem Löcher gestochen war. Wenn sie Yukikos Schloss überlebte, würde sie diese beiden definitiv befreien. „Danke, dafür.“ Wie sie reagieren sollte, wusste Otome immer noch nicht, doch als sie das strahlende Lächeln auf den Gesichtern der beiden sah, wusste sie, dass sie alles richtig gemacht hatte. Immerhin das unterschied sich nicht von den Kindern, die sie aus der Stadt kannte. War man nett zu ihnen, freuten sie sich und der Tag war gerettet, denn ein Kinderlächeln war das schönste, was sie sich vorstellen konnte.   **~~**   Sie wusste nicht genau, warum sie es getan hatte, aber Otome hatte auch die letzten 800 Yen ausgegeben und in drei Tomaten investiert. Wenn Pfirsiche Leben retten konnten, würden diese Tomaten definitiv nicht schaden. Das war aber der einzige Kauf, neben Chies Schuhen, von dem Otome an diesem Tag überzeugt war, als sie zusammen mit ihren beiden Mitstreitern an einem Tisch saß. Die Atmosphäre war angespannt und nicht einmal der Milchshake, den Yosuke ihr spendiert hatte, konnte diese Anspannung lösen. Schließlich war es Yosuke, der als erster das Schweigen brach. „Man, erst Saki-senpai und nun Yukiko-san. Ich hätte niemals geglaubt, dass wir in so etwas mit hineingezogen werden.“ „Hey, rede nicht so, als sei Yukiko bereits tot!“, wehrte sich Chie. Tod war Yukiko sicher noch nicht, aber es sah nicht gut aus, wenn sie sich nicht beeilten. Allerdings war es in Junes, dank der Angebote des Nachmittags viel zu gut besucht um sich unbemerkt in die Elektronik-Abteilung zu schleichen und den riesigen Fernseher zu benutzen. „Ich weiß, ich weiß. Beruhige dich. Unglücklicherweise haben wir dennoch ein Zeitlimit. Wir müssen Yukiko-san retten bevor der Nebel aufkommt.“ Yosukes Worte sorgten nicht gerade dafür, dass sich die Lage entspannte, auch wenn Chie eine Zeitung hervorzog und auf den Wetterbericht verwies. „Vergesst nicht. Der Nebel kommt, wenn es mehrere Tage hintereinander geregnet hat.“ Otome nickte auf Chies Hinweis. Im Moment sah es also noch gut aus. Allerdings wollte sie das alles auch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Den Wetterbericht gab es schließlich immer nur eine Woche im voraus. In acht Tagen konnte es schon wieder nebelig sein. Die Zeit saß ihnen also trotz einer kleinen Vorschau immer noch im Nacken. „Meine Damen und Herren, der heutige Sonderverkauf ist hiermit beendet. Besuchen Sie uns bald wieder und denken Sie immer daran: 'Jeder Tag ist ein Kunden-Würdigungstag.'“ Aus den Lautsprechern ertönte die Stimme einer Frau, gefolgt von dem Lied, welches Otome wohl bis in ihre Träume verfolgen würde, wenn sie es noch häufiger ertragen musste. Irgendwann konnte sie es vielleicht wirklich singen, sogar rückwärts. „Gehen wir. Ich muss Zuhause sein, bevor es dunkel wird.“ Otome erhob sich von ihrem Platz und sah zu ihren Gefährten, die sie ernst anblickten und nickten. Sie waren alle drei bereit für die andere Welt, auch wenn sie nicht wussten, was sie erwartete.   Es war seltsam. Sie war nicht in der Welt hinter dem Fernseher, als sie ihre Augen öffnete. Stattdessen lächelte sie Margaret verheißungsvoll an. So als wüsste sie, warum Otome nun auf einmal hier war und nicht bei ihren Freunden. „Oh, du schon wieder. Du wirst wohl noch häufiger herkommen. Also, was willst du dieses Mal? Ich kann dir eine Fähigkeitskarte machen.“ Schon jetzt war es wieder unglaublich, wie charmant Marie ihr gegenüber war. Dennoch konnte Otome dem Mädchen nicht böse sein. Im Gegenteil, irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Marie einfach etwas unbeholfen im Umgang mit anderen war. „Entschuldige uns einen Moment. Marie, du musst lernen dich zurückzuhalten.“ Auf jeden Fall, da war Otome einer Meinung mit Margaret, auch wenn sie vermutete, dass die Assistentin Igors etwas ganz anderes meinte. „Was? Was soll das bitte heißen? DummeverklemmtestarrköpfigePute.“ Es war schon irgendwie niedlich, wie schnell Marie an die Decke ging. Allein diese kleine unbedeutende Standpauke hatte in ihr so etwas wie Entrüstung geschaffen. Wahrscheinlich war Marie sich wirklich keinerlei Schuld bewusst. Fragwürdig also, ob sie es lernen würde. „Ich entschuldige mich aufrichtig“, seufzte Margaret und schüttelte den Kopf. „Sie ist einfach nicht zu zähmen.“ „Du hast mein Mitgefühl“, antwortete Otome auf Margarets Kommentar und blickte zu Marie, die ihre Arme verschränkte und schmollend wegsah. Erneut niedlich, wenn auch verstörend auf gleiche Weise. „Wie dem auch sei. Das alles dient dir als Unterstützung deiner Reise.“ Verwirrt sah Otome zu der Frau, die leise kicherte und scheinbar über Otomes Gesichtsausdruck mehr als amüsiert schien. „Was meinst du damit?“ Der schnelle Themenwechsel hatte Otome wirklich aus der Bahn geworfen. Meinte Margaret nun die angebotenen Fähigkeitskarten oder war da noch etwas anderes, was sie zu sagen hatte? Irgendetwas verheimlichte Margaret ihr und Otome gefiel das gar nicht. „Dieser Raum ist untrennbar von deinem Schicksal. Nichts was hier passiert, geschieht einfach so. Es scheint mir, dass du und Marie euch schon getroffen habt, bevor ihr euch hier das erste Mal begegnet seid. Sie, die nicht menschlich geschaffen wurde, zu treffen und mit ihr reden zu können... Dein Schicksal hat zu dieser Begegnung geführt.“ Otome war nicht dumm, dass wusste sie selbst, aber in Angesicht dieses Gespräches mit Margaret, fühlte sie sich so. Ihre Worte waren genauso mysteriös wie die von Igor und zeigten nur noch deutlicher, dass beide mehr wussten als sie sagten. Doch warum taten sie es nicht einfach, wenn dieser Raum existierte um ihr zu helfen? Warum betrieben sie so einen Aufwand? „Nicht menschlich geschaffen? Was meinst du damit?“ „In der Tat. Dieser Raum ist eine Kreuzung eurer beider Schicksale. Du, als Gast und Sie, die nicht menschlich geschaffen ist und zu diesem Ort gekommen ist. Wohin wird diese Begegnung führen? Entschuldige, dass ich das sage, aber wir sind wirklich sehr daran interessiert, was passieren wird. Obwohl sie aus deiner Welt kam, ist Marie doch nicht menschlich... Mit anderen Worten, ihr Verständnis für deine Welt ist nicht vollständig. Deswegen bitte ich dich, sie mit in deine Welt zu führen, wenn es dir möglich ist. Natürlich nicht sofort, immerhin besuchst du im Moment die Welt auf der anderen Seite des Fernsehers. Aber frage sie bitte, ob sie mitkommen mag, wenn du etwas Zeit erübrigen kannst.“ Immer noch ergab das was Margaret sagte keinen Sinn. Im Gegenteil, sie schien dem eigentlichen Teil ihrer Frage sogar auszuweichen. Nur wieso? Was hatte sie davon Marie irgendetwas zu verheimlichen, oder ihr? „Geht das für dich in Ordnung, Marie?“ Lächelnd sah Margaret zu Marie, die immer noch ihren und Otomes Blicken auswich. „W-Was auch immer... Mir egal...“ Auch wenn Maries Worte nicht so klangen, als würde es für sie wirklich in Ordnung sein, spürte Otome, dass sie schon gerne noch einmal diese andere Welt sehen wollte, in der sie einander begegnet waren. Warum also nicht? Es konnte unter keinen Umständen schaden, wenn sie Marie einfach mehr von ihrer Welt zeigte. „Wie dem auch sei, du solltest allmählich zurück zu deinen Freunden.“ Ein Lächeln zeichnete sich weiterhin auf Margarets Lippen ab und kaum, dass sie diese freundliche Ausladung ausgesprochen hatte, verschwamm die Sicht vor Otomes Augen. Ihr Geist driftete weg, bis sie schließlich in der Ferne das Echo einer vertrauten Stimme wahrnahm.   „Otome-chan!“ Als sie die Augen öffnete, fühlte sich das Treffen im Velvet Room wie ein Traum an, dessen Erinnerung langsam zu verblassen drohte. Ihr Kopf schmerzte, ebenso ihr Po, auf den sie mit Sicherheit nach der Reise gefallen war. „Geht es Sensei gut?“ Kumas Stimme und sein Gesicht waren ihr nahe, viel zu nahe. „Hey, du blöder Bär, lass ihr gefälligst etwas Freiraum.“ Yosuke, der Held. Sie spürte wie keine Sekunde später Kuma etwas von ihr wich. Sicher hatte sie das Yosuke zu verdanken. „Ich glaube sie kommt zu sich.“ Chie. In ihrer Stimme war Erleichterung zu hören. Seltsam, wie lange war sie denn weg gedriftet gewesen? Sich den Kopf reibend, erhob sich Otome langsam und sah sich um. Sie waren wieder am gewohnten Startpunkt. An der Landung müsste sie wohl noch arbeiten, wenn sie nicht immer wieder spontan im Velvet Room zu Gast sein wollte. „Mann, Otome, an der Landung musst du noch arbeiten“, scherzte Yosuke sofort und Otome mühte sich ein gequältes Lächeln ab. „Sagt der, der sich beim ersten Mal angeblich den Po gebrochen hat.“ Vorsichtig stellte sich Otome auf. Es schien immerhin noch alles an ihr dran zu sein, ganz ohne Brüche. Perfekt. „Leute, ich will ja nicht stören, aber wir müssen uns beeilen. Für so etwas haben wir keine Zeit.“ Auch wenn Otome nicht viel von solcher Panikmache hielt, nickte sie. Chie hatte eindeutig Recht. Die Scherze konnten sie sich für später aufheben. „Kuma, führe uns zum Schloss. Wir werden Yukiko retten.“ Entschlossen sahen die drei Schüler zu dem Bär der nickte und sofort die Richtung vorgab. Er würde auch dieses Mal ihr Navigator sein und auch wenn Otome ein flaues Gefühl im Magen hatte, sie musste diesen Personen vertrauen. Diese Personen die sie für den Moment als ihre Freunde sah. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)