K -illing Project von Xalis ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 1 -------------------- Eigentlich mochte ich meine Arbeit nicht. Ich hasste sie förmlich. Eintönige Formulare, penibel detailliert geschriebene Berichte und unzähliger anderer Papierkram, der tagtäglich wie eine Flut über einem hereinbrach und einen in Langeweile ertränkte. Interessanter und verwirrender Weise war die Menge der Vorfälle, die für die unzähligen Blätter auf meinem Schreibtisch verantwortlich waren, nicht zurückgegangen, wie man es angesichts der apathischen Inaktivität HOMRAs erwartet hätte. Tatsächlich schienen es immer mehr zu werden. Normalerweise würde ich mich darüber beschweren, aber trotz ihrer größtenteils langweiligen Natur, halfen sie mir, mich von den Gedanken der letzten Nacht abzulenken. Natürlich gab es schönere Formen von Ablenkung, aber für diese Form wurde ich bezahlt und sie erfüllte ihren Zweck so gut, wie alles andere es tun würde und damit gab ich mich vorerst zufrieden. Vorerst. Denn wie es der Zufall, oder wohl eher mein zweifelhaftes Glück, so wollte, wurde mir keine ernsthafte Chance gelassen, die besagten Themen ruhen zu lassen. Die Erinnerung erfolgte in der vielleicht deutlichsten Form, die möglich war. Es war kurz nach der Mittagspause. Ich bemerkte den Zettel auf meinem Schreibtisch sofort. Eigentlich handelte es sich dabei um nicht viel mehr, als ein weiteres Blatt Papier auf einem unordentlichen Stapel weiterer Papiere und doch unterschied es sich deutlich. Denn im Gegensatz zu all den ausgedruckten Dokumenten, die es für mich zu bearbeiten galt, zierte dieses Blatt eine gleichmäßige, feine Handschrift. Ich seufzte halb. Ich wusste bereits den Inhalt der Nachricht. Seit selbst der Lieutenant nur noch ein seltener Gast im Büro des Captains war, war jener dazu übergegangen seine Leute über diese kleinen handschriftlichen Memos zu sich zu bestellen. Und wie schon früher, als es noch Awashima war, die einen über solche Vorladungen informierte, erfuhr man den Grund erst, wenn man bereits vor dem schweren Schreibtisch stand und mit diesem wissenden Blick bedacht wurde, der einem oft genug das Gefühl vermittelte, dass dein Gegenüber jede deiner kleinsten Sünden und düsteren Geheimnisse Bescheid wusste. Allerdings bezweifelte ich, das an diesem Gefühl etwas Wahres dran war. Falls es doch so war, hatte er wenigstens den Anstand, sie in keiner Silbe zu erwähnen. Ich schnalzte müde mit der Zunge und beförderte den Zettel, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, in den Papierkorb. Träge griff ich einen kleinen Stapel fertiger Berichte, die ich sowieso noch abzugeben hatte und machte mich wortlos, von einer inneren Unruhe ergriffen auf den Weg in Munakatas Büro. Ich hielt die Berichte in meiner Hand eine Spur zu fest und spürte, wie sie leicht unter meinem Griff zu knittern begannen, aber ich war anderweitig beschäftigt. Ich bemühte mich mit allen Mitteln, nicht an dieses kranke Bild zu denken, das mir heute Morgen schon so viel Unbehagen bereitet hatte. Aber wie es mit dem krankhaften Versuch, nicht an etwas zu denken, war, zog es die zu ignorierenden Gedanken magisch an. Erneut hatte ich einen Kloß im Hals und mir wurde sogar ein wenig schlecht. Ich blieb einen Moment stehen, legte die Stirn leicht gegen die kühle Wand und schloss für einen Moment die Augen. Ich hätte eigentlich nicht damit gerechnet, dass das Bild meiner eigenen Hände, die diesen Säbel in den Brustkorb meines schlafenden Königs rammten, von mal zu mal einen heftigeren Effekt auf mich haben würde. Ich atmete tief durch. Schließlich war das alles nur ein Hirngespinst. Es musste mich nicht tiefer treffen als irgendein stumpfsinniger Horrorstreifen. Ich schlug mit der flachen Hand gegen die Mauer und bewegte mich mit einem entschlossenen Ruck von ihr weg. Ich gab mir Mühe das Bild etwas gleichgültiger zu betrachten. Es war reine Fantasie und weiter weg von der Wirklichkeit als man es sich vorstellen konnte. Eigentlich sollte es mich komplett kalt lassen. Tatsächlich tat meine neue Einstellung ihre Wirkung. Meine Hand krampfte nicht mehr so sehr um das Dokument und die Unruhe klang ab. Ob dieser Effekt allerdings bestand haben würde, wenn ich vor dem ‚Mordopfer‘ stand, würde sich noch zeigen müssen. Glücklicherweise schien es mir aber tatsächlich zu gelingen, das Bild aus meinem direkten Denken zu verdrängen. Zumindest verschwand es mit jedem meiner Schritte etwas mehr aus meinem Verstand. Vor meinem Ziel angekommen blieb ich einen Moment stehen und sammelte mich ein letztes Mal. Etwas zögerlicher als sonst hob ich die Hand, um anzuklopfen. Ich wartete einen kurzen Moment, ehe ich die Tür öffnete. Munakata saß hinter seinem Schreibtisch, umgeben von mehreren Stapeln Papier und mehreren losen Puzzleteilen, von denen die wenigsten zusammenzuhängen schienen. Als er das Geräusch der sich wieder schließenden Tür zu bemerken schien, sah er auf und bedachte mich mit einem nicht zu deutenden Blick. Dann lächelte er sein für ihn typisches Lächeln. „Ah, Fushimi-kun, du hast meine Nachricht also erhalten.“ Bis heute war ich der Auffassung, dass dieser Satz seine ganz eigene, unpersönliche Art war, ‚Schön das du gekommen bist‘ zu sagen. Es war das erste Anzeichen dafür, dass er wieder so war wie sonst. Oder sich so gab. Ich betrachtete ihn einen Moment möglichst unauffällig. Wenn ich ihn so sah, hätte ich glauben können, der Mensch, dessen nervliches Wrack ich erst neulich beobachtet hatte, wäre reine Einbildung gewesen. Ein Tagtraum, eine Sinnestäuschung. Dieser Mann, der absolut ausgeglichen und ruhig hinter seiner Arbeit saß und mich leicht über den Rand seiner Brille betrachtete, hatte keine Ähnlichkeit mit dem Häufchen Elend, dass ich erst vor wenigen Tagen in diesem Büro angetroffen hatte. Allerdings blieb mir nicht sonderlich viel Zeit weitere Überlegungen diesbezüglich anzustellen. „Nimm dir einen Stuhl und setz dich. Diese Unterhaltung könnte etwas länger dauern.“ Ich sah mich einen Moment um auf der Suche nach dem besagten Stuhl. Er war mir nie zuvor aufgefalen und so dauerte es einen Moment bis ich ihn entdeckte und vor den Schreibtisch zog. Unter dem geduldig wartenden Blick meines Königs nahm ich platz. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was es mit der von ihm erwähnten Unterhaltung auf sich haben würde, aber allein die Tatsache, dass ich zum ersten Mal aufgefordert wurde mich zu einem Gespräch zu setzen, irritierte mich. Erwartungsvoll und vielleicht auch ein wenig skeptisch betrachtete ich meinen König, der seinerseits keine Anstalten machte, das Gespräch zu beginnen. Sein Blick war zwar auf mich gerichtet aber ich erkannte den Unterschied zwischen ‚jemanden ansehen‘ und ‚durch jemanden hindurch sehen‘. „Worum geht es?“, fragte ich und holte Munakata damit aus seinen Gedanken zurück. Wie um von seiner geistigen Abwesenheit abzulenken, richtete er den Blick auf eine dünne Akte auf seinem Schreibtisch und richtete seine Brille. „Da gäbe es zwei Dinge. Fangen wir mit dem Geschäftlichen an.“ Ich sah ihn perplex an. Mit dem Geschäftlichen? Bedeutete das, das andere war privat? Hatte er mich doch bemerkt, an diesem Abend in seinem Büro? Oder ging es um etwas anderes? Die Unruhe kehrte zurück und ich war heilfroh, dass wenigstens die Bilder in meinem Kopf fernblieben. Ich sagte nichts und wartete darauf, dass er das Thema näher erklärte. „Ich erwarte einen mündlichen Bericht von dir.“ Erneut legte er eine Pause ein. Er schien zu denken, dass ich wüsste wovon er sprach, doch da täuschte er sich gewaltig. Seine Worte verwirrten mich nur immer weiter, bis er das Rätsel endlich lüftete. „Wie steht es um den roten Clan? Du warst doch an Weihnachten an ihrer Bar.“ Ironischer Weise fühlte ich mich ertappt. Dabei war es doch Munakata, der mich gegen die Vorschriften außerhalb meiner Dienstzeiten geortet und beobachtet haben musste. War es denn schlimm, dort hin und wieder vorbei zu schauen? Konnte er mir deswegen wirklich Vorwürfe machen? Ich dachte noch einige weitere dieser Gedanken, ehe mir bewusst wurde, dass keines seiner Worte ein Vorwurf gewesen war. Er war lediglich auf Informationen aus. Ich überlegte. Was sollte ich ihm sagen? „Sie trauern.“ Es war das erste und ehrlichste, das mir einfiel. Munakata nickte bloß, sah dabei aber nicht mich an, sondern die dünne Akte. Schlagartig wurde mir wieder bewusst, dass es ihm da ähnlich ging und vergaß einen Moment lang was ich noch sagen wollte. „Sie-…“ Ich stockte kurz, fand dann aber wieder zurück zu dem was ich sagen wollte. „Sie haben angefangen sich etwas zu entfremden und voneinander zurückzuziehen, wenn ich das richtig einschätze. Allerdings kann ich nicht beurteilen, wie es mit ihnen weitergeht.“ Mein Gegenüber nickte wieder. Immernoch mit dem Gesicht dem Schreibtisch zugewandt, die dünne Akte mit dem Blick fixierend. Ich warf einen Blick darauf. Nur ein Datum als Titel…aber es war DAS Datum. Auf einmal war ich davon überzeugt, dass in dieser kleinen Akte der detaillierte von Reisi Munakata selbst geschriebene Bericht über den Vorfall auf der Schulinsel und Mikotos Tod steckte. Schnell hob ich den Blick wieder. So sehr mich das interessierte, auf seltsame Weise kam es mir plötzlich privat vor. Ein unsinniger Gedanke. „Ist das alles?“ Die Frage holte mich zurück in das hier und jetzt. Ich sah hoch und begegnete dem Blick meines Königs. Ich wich ihm aus, ohne zu wissen warum. „Naja einige Mitglieder sind garnicht erst dort gewesen. Der Rest hat sich mehr oder minder angeschwiegen.“ Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Aber dass ich meinem König nicht verraten würde, weswegen- oder eher wegen wem- ich dort war und auch so schnell wieder ging, das stand fest. Ich konnte seinen forschenden Blick auf mir spüren. Ein Blick dem ich noch immer auswich. Stille. Sein Blick schien ihm Frage genug zu sein und ich schwieg. Einfach aus dem Grund, dass ich seine unausgesprochene Frage nicht beantworten konnte, geschweige denn wollte. Außerdem war ich mit den Gedanken weit weg. Bei HOMRA, deren Zerfall und meiner unerschütterlichen Hoffnung. Und so war es letzten Endes doch der Captain, der das Schweigen brach. „Und was hat es mit diesem Jungen auf sich?“ Der Satz kam zu überraschend für mich. Mein Blick schnellte hoch und starrte in die violetten Augen meines Königs, deren zufriedener, leicht amüsierter Blick mir verriet, dass er mit meiner Reaktion gerechnet hatte. Ich konnte nicht viel mehr, als ihn anzustarren. Meine Gedanken überschlugen sich. Meinte er Misaki? Er konnte nur Misaki meinen! Woher wusste er von ihm? Was wusste er noch? Warum sprach er mich gerade jetzt darauf an? Was ging ihn das an? Was interessierte es ihn? Er sollte sich gefälligst von ihm und meinen Angelegenheiten fernhalten! Was sollte das alles? War das der andere Grund für unser Gespräch? König hin oder her, das war privat! Das ging ihn nichts an! „Du hängst zu sehr an ihm.“ Ein einfacher Satz, gesprochen in einer ruhigen, berechnenden Tonlage, mit einer Endgültigkeit, die keinen Widerspruch zu dulden schien. Sechs Worte die mich rasend machten. Warum zur Hölle dachte er, dass er das Recht hatte, sich hier einzumischen?! Jetzt tat er so als würde er mich kennen! Als würde er Misaki kennen! Als würde er uns kennen! Falscher konnte er nicht liegen! Was wusste er schon von mir?! Nichts! Überhaupt nichts! Und von Misaki noch weniger! Und jetzt? Jetzt wollte er sich in mein Leben einmischen!? Mir sagen was ich zu tun hatte und was nicht!? Mir sagen wen ich mögen soll und wen nicht!? Mir sagen, ich soll mich von Misaki, MEINEM Misaki, fernhalten!?! Gerade er, der doch Schuld daran ist, dass ich jetzt nicht bei ihm sein kann. Er, wegen dem ich nur aus der Ferne zusehen kann, wie mein bester Freund und vielleicht der Mensch, den ich liebe, alleine zerbrach? Er, der keine Ahnung vom Leben hatte oder von Freundschaft und Liebe. Er, der mir jetzt gegenüber saß und mich ansah mit einem Blick als wüsste er alles. Er wusste NICHTS! GARNICHTS! NIE! Ich ballte eine Faust und konnte spüren wie sie in meinem Schoß bebte. „Fushimi-kun, du solltest-“ „Einen Scheiß soll ich!“ Ich war aufgesprungen. Jetzt stand ich perplex im Raum und sah durch Munakata hindurch ins Nichts. Mein Ärger hatte etwas bewirkt. Etwas, dass mir in einem weniger aufgebrachten Zustand vielleicht Angst gemacht hätte. So aber beruhigte es mich und ich spürte wie meine Lippen begannen ein Lächeln zu formen. Das Bild war wieder da. Alle Bilder waren wieder da. Das Bild von Misaki wie er mich zu sich winkte, ebenso wie das Bild von meinen Händen, die meinen König mit seinem eigenen Säbel durchbohrten. Und es beruhigte mich ungemein. Der Ärger und die Wut, die mich eben noch aus meinem Stuhl katapultiert hatten, waren etwas anderem gewichen. Einer grimmigen Entschlossenheit, das zu tun, was mich diese Nacht wach gehalten hatte. Das, wovon mir heute Morgen noch flau im Magen wurde. Das, was der einzige und beste Weg war, mein Ziel zu erreichen. Ich war mir nie sicherer gewesen, das Richtige zu tun. Ich entspannte meine Glieder und sah meinen König an, der ebenfalls aufgestanden war und mich mit einem scharfen Blick ansah. „Entschuldigen Sie bitte meinen Ausraster, Captain. Ich weiß nicht, was da über mich gekommen ist.“ Meine Stimme war ruhig und voll von ekelhafter, falscher Reue, die ich allerdings für mein weiteres Vorgehen brauchte. Ich setzte mich wieder. Munakata tat es mir gleich. „In Ordnung, Fushimi-kun. Es scheint als habe ich ein sensibles Thema angesprochen.“ Oh ja das hatte er. Das hatte er wirklich. Und er hatte keine Ahnung, von den Auswirkungen, die seine Worte noch haben würden. Als Antwort nickte ich, den Blick gen Boden geneigt. Missmutig. Zumindest sollte es so aussehen. Die Stille, die danach einkehrte, war unangenehm, aber sie gab mir Zeit, meine Strategie zu überdenken. Ich erinnerte mich an meinen Plan. Mitleid heischen. War dieses Thema nicht das Beste, um diesen Plan umzusetzen? Auch wenn es mir vielleicht nicht so gut gefiel, ausgerechnet diesem Mann meine alten Probleme anzuvertrauen. Ich seufzte. „Wissen Sie-“, wollte ich anfangen meine kleine theatralische Leidensgeschichte zu erzählen, doch ich wurde unterbrochen. „Du liebst ihn oder?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)