Tao von d4r3 ================================================================================ Prolog: June ------------ Tao sprang von Dach zu Dach, verfolgte Junes Schatten. Ihm war klar, dass sein bester Freund ihn längst entdeckt hatte, spätestens, als June stehen blieb und auf Schritte lauschte. In der Nacht war es am Stadtrand still. Diejenigen, die nach der Abschlussvorstellung des Zirkus noch feierten, waren irgendwo in der Innenstadt in einer Bar. Die Stadtbewohner verbrachten diese Zeit entweder ebenfalls in Bars oder in ihren Betten. Die beiden Zirkusmitglieder waren die einzigen in der abgelegenen Straße, die in Richtung Strand führte. Zwei gegenüberliegende Feuerleitern baten Tao eine einfache Möglichkeit um sich, hin und her springend, abzufangen, als er von einem höher gelegenen Dach kam. Er landete direkt neben den Blonden. Dieser warf ihm zur Begrüßung einen Blicks zu, sprach aber nicht, auch nicht als die beiden am Strand ankamen und June sich mit ein wenig Abstand zum offenen, leeren Meer in den Sand setzte. Tao folgte seinem Beispiel und setzte sich ihm gegenüber. Er wollte gerade zu sprechen beginnen, da zog sein Lehrer das Hemd, auf dem das Zirkuslogo abgebildet war, aus und legte es zwischen die Beiden in den Sand. Irritiert zog der Schwarzhaarige eine Augenbraue hoch. „Was soll das denn werden?“ „Stehst du nicht auf Romantik?“, erwiderte June grinsend mit kurzem Blick auf den Mond. Er zündete zuerst den roten Stoff des Hemdes mit seinem Feuerzeug an, dann eine Zigarette. „Bist du betrunken?“ June, der älter war und die Chefin schon länger kannte, musste wissen, dass sie alles andere als begeistert wäre, wenn sie das herausfand. Tao war sich nicht sicher, ob er die Erklärung für das, was gerade vor sich ging, hören wollte, machte aber keine Anstalten, das Feuer zu löschen. „Ich brauche das nicht mehr. Ich gehe.“ Schlag ins Gesicht. So fühlten sich die Worte für den Schwarzhaarigen an. Und damit hätte er auch gern geantwortet. Stattdessen starrte er den Anderen erbittert an. „Ganz schlechter Witz.“ „Ich will mich nicht von dir verabschieden, warum musstest du mir nachlaufen?“ Jetzt fehlten Tao die Worte. Sollte das ein Vorwurf sein? Noch bevor er reagieren konnte, wurden ihm Messer in den Schoß gelegt. Sie waren stabil, edel und nach allem was Tao wusste, der Wertvollste Besitz seines Lehrers. Seine Wurfmesser. „Vielleicht sehen wir uns ja noch mal.“ Junes Grinsen, als dieser aufstand, verwirrte und ärgerte den Jüngeren. Er blieb dort sitzen, als sein Lehrer ihm den Rücken kehrte und auch als er ihn schon nicht mehr sehen konnte. Er ging erst stunden später zurück in die Stadt. Kapitel 1: Allgemeine Unzufriedenheit (oder auch: Ich bin sche*ß wütend, du W*chser!) ------------------------------------------------------------------------------------- Wham! Sollte der Idiot doch sonst wo bleiben. Wham! Sollte er doch im Meer ersaufen. Wham! – Aber seine Messer waren gut. Die Zielscheiben, die Tao nun seit einer halben Stunde mit den Wurfmessern, die ehemals June gehörten, folterte, hatten inzwischen massenweise Löcher. Hauptsächlich im zweiten und dritten Kreis. Nur nicht in der Mitte. Damit sie die angekündigte Dauer der Shows einhalten konnten, musste Tao nun einige Messerwerfer-Vorführungen allein übernehmen. Das bedeutete viel hartes Training. Dazu kam, dass Messerwerfen dem Blonden schon immer mehr gelegen hat als Tao und - er wollte es zwar nicht zugeben, aber er wusste es - das Training anstrengender war, wenn er June nicht hin und wieder um Rat fragen konnte. All das verdarb dem Schwarzhaarigen die Lust. Doch sein Magenknurren motivierte ihn und er trainierte weiter. Zumindest eine Stunde blieb er dabei ungestört. „WAS HAST DU DIR DABEI GEDACHT? WIESO HAST DU IHN NICHT AUFGEHALTEN? UND WENN DU IHN DAFÜR IN KETTEN GEWICKELT HÄTTEST!“ Ein Seufzen verließ Taos Mund, als er die charmante Stimme vernahm. „Schrei mich nicht an, Say.“ Er hätte sich womöglich die Mühe gemacht, mehr zu sagen, aber er wusste, der andere hörte ihm nicht zu. Dessen Blick war auf die Zielscheiben gerichtet, die Tao beim Training benutzte. „Du hast mir gar nichts zu sagen. Nicht mal deinen eigenen Job bekommst du hin. Glaubst du für so was zahlen die Leute?“ Tao sah den Blauhaarigen an. Nur zu gern hätte er sein Gesicht als Zielscheibe genutzt. Aber gerade als Akrobat sollte man es sich nicht mit seinem Partner für gemeinsame Auftritte verscherzen. Say konnte es sich leisten, denn im Gegensatz zu Tao war er mit der Chefin reichlich gutgestellt. Es würde ihn nichts kosten, wenn ihm „die Hände ausrutschen“ und Tao sich sonst was dadurch zu zog. Mehr als ein trockenes „Verpiss dich“ war für ihn also nicht drin. „Vergiss es. Es ist gleich Zeit für unsere Übungen.“ Ach ja. Tao seufzte abermals. „Na los, komm rein. Aufwärmen brauchst du dich ja hoffentlich nicht mehr.“ Wortlos ging Tao über das Gelände. Er hatte unter freiem Himmel trainiert, dort wo sowieso alles – also auch die Zielscheiben – gelagert wurde. Mit einem freundlichen „Tag auch“ ging er an den Löwenkäfigen vorbei. Nebensächlich berührte er die Geräte, an denen er vorbei ging, mit den Fingerspitzen. Die Seile warm, die Spiegel heiß. Der Stoff des Zeltes kalt. Er schob ihn beiseite und betrat es. Kapitel 2: Das Erwachen ----------------------- Das war auch das letzte, woran er sich erinnerte. Der pochende Schmerz in seinem Kopf hinderte ihn daran, weiter darüber nach zu denken. Was ihn mehr beschäftigte, als er mehrmals blinzelnd die Augne öffnete, war, zu was für einem Zimmer die Holzdecke gehörte und in wessen Bett er lag. Zumindest, wenn man die zwei Decken und das Kissen Bett nennen wollte. "Weißt du noch, wer ich bin?", fragte eine fremde Stimme leise. Als er den Kopf hob, um ihn anzusehen, verschwamm die Sicht vor seinen Augen und die Geräusche von Musik und Vogelzwitschern im Hintergrund klangen seltsam verzerrt. Er versuchte, sich erst mal aufzusetzen und in Ruhe zu sich zu kommen. Als er sich dafür mit den Händen abstützte, fuhr er erschrocken zusammen, denn rechts neben sich berührte er eine liegende Person. Er wandte sich von der Gestalt ab, der er noch immer nicht geantwortet hatte, wofür sein Kopf momentan auch zu langsam dachte, und betrachtete den Körper des liegenden Jungen. Es war Say. Nicht nur die Tatsache, dass sein Verstand nicht ganz mitspielte, machten es schwer für ihn, das zu erkennen, sondern auch, dass Says Gesicht zum Teil von Verbänden verdeckt war. Ebenso seine Brust. Langsam, um den Schmerz in seinem Kopf nicht zu verschlimmern, nahm er eine aufrechte Haltung an und betrachtete sich selbst. Er trug die auffällige, rote Kleidung, die er bei Auftritten immer trug. Seine Jacke wurde ihm allerdings ausgezogen. Von Verletzungen war nichts zu sehen. Erst jetzt wendete er sich wieder dem Weißhaarigen zu, der mit ihm gesprochen hatte. Dieser saß auf einem Stuhl, am Fußende des "Bettes" und sah geduldig zu Tao und Say. "Ich erinnere mich nicht.. Nicht wer du sein solltest und sonst auch an nichts. Hast du ihn so zugerichtet oder verarztet? Oder bist du nur zu deiner Belustigung hier?" Ganz sicher war Tao sich noch nicht, ob diese Fragen so Sinn machten und ob er nicht erst mal etwas anderes fragen sollte, aber scheinbar störte sich sein Gegenüber an nichts. "Ich habe euch beide behandelt. Ich bin Sen. Seit vorsichtig, dass man uns nicht hört. Dir wurde vermutlich etwas verabreicht oder untergemischt, deshalb solltest du dich noch eine Weile ausruhen. Das gilt auch für deinen Freund. Er steht zwar nicht unter Drogen, aber er muss seine Verletzungen auskurieren." Während er so redete, sah Tao sich in dem zimmer um. Durch die Spalte in Decke und Wänden drang Licht, das den Raum neben der Öllampe neben Sens Stuhl zusätzlich erhellte. In den vielen Regalen, die hier rumstanden, war allerlei Zeug - große Mengen konserviertes Fleisch, Alkohol, Fässer, Leinen... Scheinbar ein Lager. "Wessen Lager ist das, in dem wir uns hier verstecken?", fragte Tao mit zunehmend klarer, aber gesenkter Stimme. Er war sich nicht sicher, ob er dem Weißhaarigen vertrauen konnte, doch hatte er vorerst keine andere Wahl. "Er gehört einem Stamm, der hier im Wald lebt. Sie nennen sich Nekari. Was ist das letzte, woran du dich erinnerst?" Die Stimme des Fremden klang so unbegeistert, dass Tao sich fragte, ob er überhaupt eine Antwort wollte. "Unser Zelt...", murmelte er dann aber wahrheitsgemäß und fasste sich dabei an den Kopf. Der Schmerz begann zu verschwinden, er wich jedoch einem seltsamen Taubheitsgefühl. "Du solltest etwas trinken." Der Weißhaarige nickte zu einer Flasche, die scheinbar Wasser beinhaltete und in Taos Reichweite stand. "Wenn du mir vertraust, trink sie am besten aus. Wenn nicht, lass es." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)