Eine Chance auf Glück? von StarCat (~ Severus Snapes zweites Leben ~) ================================================================================ Kapitel 2: Ein ungebetener Gast ------------------------------- Ein einzelner Blitz durchzuckte den Himmel und erhellte für einen kurzen Moment das Außengelände von Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei. Das einst so prachtvolle Schloss glich nun viel mehr einer Ruine. Explosionen hatten riesige Löcher in das Mauerwerk eingerissen, durch die man einen Blick auf spärlich erleuchtete Gänge und Räume werfen konnte. Gesteinsbrocken und Trümmer lagen verstreut auf dem Boden. Die Umgebung rund um das Schloss war menschenleer. Alle hatten sich in der Großen Halle versammelt, einem der wenigen Räume, die die Schlacht unbeschadet überstanden haben. Ein lautes Donnergrollen durchbrach die morgendliche Stille. Es übertönte ein leises Rascheln, das aus dem dichten Gebüsch am Rande des nahegelegenen Waldes kam. Eine kleine Katze kauerte darin und spähte unsicher nach draußen. Der silberne Lichtstrahl, dem sie bis hierhin gefolgt war, führte durch eine ebene Grasfläche zu einem alleinstehenden Baum und verlor sich zwischen seinen Wurzeln. Sie fürchtete sich davor, den Schutz des Waldes hinter sich zu lassen. Ihre Ohren bewegten sich in unterschiedliche Richtungen, während sie angestrengt lauschte. Erst als sie sich absolut sicher war, dass keine Gefahr drohte, verließ sie ihr Versteck. Winzige Tautropfen funkelten in ihrem pechschwarzen Fell, als sie ins Freie trat. Ein letztes Mal sah sie sich um bevor sie, möglichst ohne ein Geräusch zu machen, ihrer Lichtspur folgte. An der Peitschenden Weide zögerte sie kurz. Sie spürte eine magische Kraft die davon ausging, und es verunsicherte sie. Vorsichtig schlich sie näher und sprang überrascht zurück, als ein großer Ast nach ihr ausholte. Ihre Nackenhaare stellten sich auf und beinahe hätte sie den Baum angefaucht, konnte sich jedoch im letzten Moment beherrschen. Sie musterte den Erdspalt, in dem ihre Spur verschwand und versuchte die Entfernung abzuschätzen. Wenn sie schnell genug war, würden die Äste sie vielleicht nicht erwischen. Sollte es ihr jedoch nicht gelingen … Nein, daran wollte sie gar nicht erst denken. Sie spannte ihre Muskeln an und rannte los. Als sie über sich einen Luftzug spüre, duckte sie sich weg. Ein dicker Ast hatte ihren Kopf nur knapp verfehlt. Schließlich stieß sie sich mit den Hinterläufen ab und sprang auf die Öffnung zu. Ein stechender Schmerz jagte durch ihren Körper, als ihr Schwanz getroffen wurde. Einen Augenblick später flog sie durch das Loch, stolperte und fiel kopfüber, den steilen Abhang hinunter in die Tiefe. Bei ihrer Bruchlandung hatte sie in dem erdigen Gang eine Menge Staub aufgewirbelt. Niesend und schnaufend kam sie wieder auf die Beine. Sie humpelte leicht, als sie ihren Weg fortsetze. Der Tunnel schien endlos zu sein und langsam zweifelte sie daran, dass er irgendwo hinführte. Als sie schon kurz davor war wieder umzukehren, begann der Gang anzusteigen und sie konnte einen schwachen Lichtschimmer an seinem Ende erkennen. Kurz bevor sie das Ende des Tunnels erreichte, nahm sie ihre menschliche Gestalt an. Es war ungewohnt, nach all den Monaten wieder ein Mensch zu sein. Alles erschien seltsam verschwommen und alle Geräusche erklangen dumpf in ihren Ohren. Verglichen mit den scharfen Sinnen einer Katze, war die menschliche Wahrnehmung beinahe lächerlich. Durch die Öffnung am Ende des Tunnels sah sie das Profil eines schwarzhaarigen Jungen mit einer runden Brille auf der Nase und einer seltsamen Narbe an der Stirn. Er kniete nur wenige Schritte von ihr entfernt auf dem staubigen Boden. Seine Augen waren auf etwas außerhalb ihres Blickfeldes gerichtet und er war so sehr in Gedanken versunken, dass er ihr Erscheinen nicht bemerkt hatte. Hinter ihm konnte sie einen verwahrlosten Raum erkennen. Alles war von einer dicken Staubschicht bedeckt, hier und da waren Stoffreste und Papierfetzen auf dem Boden verstreut. An einem mit Brettern vernagelten Fenster lag ein kaputter Stuhl, der nur noch zwei Beine übrig hatte. Sie räusperte sich, um die Aufmerksamkeit des Jungen auf sich zu lenken. Dieser zuckte überrascht zusammen und drehte sich zu ihr um. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken“, sagte sie mit leiser und brüchiger Stimme. Sie senkte betreten den Blick, als sie den feuchten Schimmer in seinen Augen entdeckte. Ohne ein Wort zu sagen betrachtete Harry die junge Frau, die zusammengekauert in dem Tunneleingang saß. Ihr dunkles, schulterlanges Haar war zerzaust und wirkte ungepflegt. Unter ihren großen, blauen Augen waren Schatten, die von vielen schlaflosen Nächten zeugten. Die viel zu weiten Kleider hingen wie dreckige Lumpen an ihrem mageren Körper. Insgesamt wirkte sie nicht wie eine Schülerin aus Hogwarts oder eine Bewohnerin von Hogsmeade. Was machte sie also hier? Und vor allem, woher wusste sie Bescheid über den geheimen Durchgang? „Wer bist du?“, fragte er sie misstrauisch. Als sie ihm antwortete, waren ihre Augen noch immer fest auf den Boden gerichtet. Ihre Haltung hatte beinahe etwas unterwürfiges an sich. „Mein Name ist Spera … ich möchte versuchen zu helfen.“ „Ich glaube kaum, dass du mir helfen kannst“. Harry war selbst überrascht, wie unfreundlich seine Stimme klang. Er fühlte sich unwohl dabei, dass sie ihn bei seiner Trauer erwischt hatte und konnte es nicht verbergen. Bei seinem scharfen Tonfall zuckte sie kaum merklich zusammen. „Ich bin nicht wegen dir hier.“ Mit einer Kopfbewegung deutete sie in Snape's Richtung. Sie klang verletzt und er konnte es ihr nicht verübeln. Obwohl er genau wusste wie absurd es war, erwachte in ihm ein Fünkchen Hoffnung. „Meinst du … man kann ihn noch irgendwie retten?“ Sie seufzte. „Er ist noch nicht endgültig tot, falls du das meinst. Wenn du allerdings noch länger den Durchgang versperrst wird es bald zu spät sein, fürchte ich.“ „Oh.“ Harry rückte beiseite und machte ihr Platz. „Aber woher weißt du das eigentlich? Das er noch am Leben ist, meine ich“ Er sah hinab auf Snapes bleiches, regungsloses Gesicht. Nichts deutete darauf hin, dass dieser Mann noch lebte. „Auf ein Lebenszeichen wirst du lange warten. Es ist sogar gut möglich, dass sein Herz bereits aufgehört hat zu schlagen. Seine Seele ist jedoch noch in ihm drin, und das kann ich wahrnehmen.“ „Du kannst was?“ Ungläubig schaute Harry sie an. Er hatte noch nie von jemandem gehört, der so etwas konnte und wüsste auch nicht, wie es funktionieren soll. Spera kaute nachdenklich an ihrer Unterlippe. Konnte sie diesem Jungen vertrauen? Womöglich hatte sie bereits zu viel verraten. Wenn ihm auch nur ein Sterbenswörtchen über die Lippen kommen würde, wäre für sie alles verloren. Noch einmal würde sie nicht fliehen können ... Seufzend betrachtete sie den schwarzhaarigen Mann, der an der Wand vor ihr lehnte und der verzweifelte Klang seiner Stimme ging ihr nicht aus dem Kopf. Wenn sie ihm irgendwie helfen wollte, würde sie wohl oder übel in den sauren Apfel beißen müssen. Sie atmete einmal tief durch, dann begann sie zu erzählen. „Wie ich eben gesagt habe, kann ich die Seelen von Menschen wahrnehmen und orten. Im Normalfall ist es mir sogar möglich, mich geistig mit ihnen zu verbinden und so einen Blick auf ihre Erinnerungen und Gefühle zu werfen. Am einfachsten wäre es wohl als Telepathie zu bezeichnen, auch wenn dieser Begriff nicht ganz zutrifft.“ Der Junge runzelte die Stirn. Spera konnte beinahe sehen, wie es dahinter arbeitete. „Wie kommt es, dass du so etwas kannst?“ „Ich habe meine Fähigkeiten von meinen Eltern geerbt.“ Sie seufzte. „Ich bin kein normaler Mensch, ich bin eine Spicure. Wir treten normalerweise nicht an die Öffentlichkeit, daher hast du vermutlich noch nie etwas von uns gehört. Nur die wenigsten Zauberer wissen von unserer Existenz, und die meisten von ihnen sind uns nicht gerade freundlich gesinnt. Daher muss ich dich bitten, niemandem etwas über mich zu erzählen.“ Bei ihrem letzten Satz klang sie so verzweifelt, dass Harry ihr versprach zu schweigen. Noch immer hatte er leichte Zweifel an ihrer Geschichte. Es konnte doch nicht sein, dass nicht ein einziges Wort über sie in der Bibliothek zu finden war! Hermine hatte beinahe jedes Lehrbuch der Schule mehrmals durch, wenn sie von so einer Spezies gelesen hätte, wäre sie ihm und Ron vermutlich tagelang damit in den Ohren gelegen. Selbst wenn das, was diese Spera ihm erzählte, stimmen würde, eine Frage blieb immer noch offen. „Was führt dich ausgerechnet hierher? Und wie kommt es, dass du Snape helfen willst?“ „Ich habe es mir selbst versprochen, als ich noch ein Kind war.“ „Hä?“ Diese Antwort brachte Harry nicht wirklich weiter. Sein verwirrter Anblick brachte sie zum schmunzeln. „Seine Seele war die erste, die ich in meinem Leben wahrgenommen habe. Ich war damals in der Nähe, als ihm etwas so schreckliches passierte, dass sein Geist beinahe zersprang. In so einem Fall, können Spicures den Schmerzensschrei der Seele hören. Dieses Erlebnis hatte mich zutiefst verstört, vor allem weil mein Vater es nicht zugelassen hat, dass ich umkehre und diesem Mann helfe. Damals habe ich mir versprochen, es nicht auf mir sitzen zu lassen. Auch wenn ich inzwischen weiß, dass mein Vater seine Gründe hatte, habe ich an diesem Versprechen festgehalten, als ich ihn heute, nach all den Jahren, erneut wahrnahm. Und nun ja … hier bin ich nun.“ Sie sah zu Snape und runzelte die Stirn. „Es bleibt nicht mehr viel Zeit.“ „Was hast du denn vor?“ fragte Harry. „Zunächst einmal muss er aufwachen, danach schauen wir weiter.“ sagte sie. „Hilf mir mal, ihn auf den Rücken zu legen.“ Während Harry seinen Oberkörper stützte, zog Spera an den Beinen bis er ausgestreckt auf dem Boden lag. Nachdem das geschafft war, begann sie etwas unbeholfen Snape's Umhang zu öffnen. Leicht irritiert sah Harry ihr dabei zu. „Und für was soll das nun wieder gut sein?“ „Ich muss sicher gehen, dass sein Herz schlägt.“ Sie klang angestrengt während sie mit den Knöpfen kämpfte. Schließlich gelang es ihr seine magere, kalkweiße Brust freizulegen. Bei diesem Anblick musste sie kichern. „Hat er eigentlich nie die Sonne gesehen? Nicht mal von weitem?“ Der Junge schaute betreten zur Seite. Ihm war diese Situation sichtlich unangenehm. Spera riss sich zusammen und räusperte sich. Dann wandte sie sich erneut an Harry. „Mit „normaler“ Telepathie dringe ich nicht zu ihm durch. Ich kann nur versuchen, selbst in seine Gedankenwelt einzutauchen. Gibt es irgendjemanden, dem er bedingungslos vertraut? Es muss eine Person sein, bei der er keinerlei Groll empfindet. Wenn ich mit meinem Geist diese Gestalt annehme, wird es einfacher sein reinzukommen.“ Harry überlegte angestrengt. Zunächst fiel ihm Dumbledore ein, jedoch verwarf er diesen Gedanken schnell wieder. Der Schulleiter hatte Snape's Situation für seine eigenen Zwecke missbraucht, und dieser wusste es. Ansonsten wäre da noch Harrys Mutter … allerdings hatte sie in den späteren Jahren viel Schmerz bei ihm ausgelöst. Anfangs jedoch ... „Die etwa 9-jährige Lily wäre vielleicht eine Möglichkeit. Damals waren sie und Snape sehr gute Freunde.“, sagte er schließlich. „Ein Kind?“, sie seufzte. „Also gut, versuche dir ihr Aussehen so gut es geht ins Gedächtnis zu rufen.“ Harry konzentrierte sich auf einen bestimmten Moment, den er in Severus's Erinnerungen gesehen hatte. Er bemerkte, wie das Bild in seinem Kopf hell aufleuchtete, als Spera darauf zugriff. Daraufhin ließ sie sich neben Severus nieder und legte eine Hand locker an seine nackte Brust. Mit dem anderen Arm stützte sie sich am Boden ab, während sie sich zu ihm hinab beugte, bis zwischen ihren Nasen nur noch wenige Zentimeter waren. „Das wäre dann wohl schon das zweite Mal in einer so kurzen Zeit, dass ich dabei bin ungebeten irgendwo hereinzuplatzen", murmelte sie. "… langsam wird es zur Gewohnheit“. Sie begann Nervenimpulse durch ihre Hand zu dem regungslosen Herz in Snape's Brust zu leiten. Ihr Arm begann, unkontrollierbar zu zucken und sie hoffte, dass er nicht abrutschen würde. Mit all ihrer Geisteskraft versuchte sie dabei die von Snape erschaffene Mauer nur für einen kleinen Moment zu durchbrechen. Trotz der geringen Distanz waren mehrere telepathische Angriffe nötig, bis es ihr endlich gelang, die Barriere zu durchbrechen. Sie fand sich vor einem halb zerfallenen Haus wieder, alles um sie herum war in tiefe Schwärze getaucht. Er war irgendwo da drin, das wusste sie. Sie musste ihn nur finden … *** Er wusste nicht, wie lange er sich schon in diesem Raum befand. Alles um ihn herum war verwüstet. Durch die teilweise eingestürzte Decke drang silbernes Mondlicht hindurch und schien auf sein Gesicht. Es war so still, dass ihm sein Herzschlag ohrenbetäubend laut vorkam. Dieser Ort kam ihm schmerzlich bekannt vor, und doch war er nicht in der Lage, ihn gedanklich einzuordnen. Wie war er hierher gekommen? Wieso konnte er sich nicht rühren? Da war nur dieser brennende Schmerz, der von seinem Hals ausgehend durch seinen ganzen Körper pochte. Er war außer Stande auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Plötzlich ging ein starker Ruck durch seine gesamte Umgebung Die Decke über ihm knarrte bedrohlich. Dann erklang ein Geräusch, das an diesem Ort so fremd erschien, dass er es zunächst gar nicht richtig einordnen konnte. Ein weiterer Ruck ließ alles um ihn herum erzittern. Erschrocken kniff er die Augen zusammen. Durch seine geschlossenen Augenlider drang ein heller Lichtschein durch, so dass er einen leuchtenden Rotton wahrnahm. Wie konnte es sein? Eben war um ihn herum noch alles dunkel gewesen. Er öffnete die Augen und blinzelte in die Sonne. Der Raum war verschwunden. Stattdessen saß er nun draußen und lehnte an einem Baum. Vor ihm erstreckte sich ein schier endloses Feld. Als er wieder dieses Geräusch hörte, wusste er endlich was es war … das unbeschwerte Lachen eines Kindes. Ein junges Mädchen, spielte in seiner Nähe und sammelte Wildblumen. In ihren Armen hielt sie bereits einen riesigen Strauß. Die roten Haare des Kindes glänzten in der Sonne. Sie drehte sich zu ihm herum und ihre grünen, mandelförmigen Augen strahlten ihn an. Er stutzte. Diese Augen … Sie rief ihm etwas zu, doch er konnte es nicht richtig verstehen. Ihr weißes Kleid flatterte im Wind. Ihm kam der absurde Gedanke, sie wäre ein kleiner Engel, so unschuldig sah sie aus. Sie pflückte noch ein paar Blumen, dann kam sie näher. Sie ließ sich neben ihm nieder, legte ihren Strauß ab und nahm seine Hand in ihre. Als er die Berührung spürte, wurden seine Sinne ein wenig klarer. Lily, war es wirklich sie? Kam sie nach all den Jahren voller quälender Einsamkeit zu ihm zurück? Hatte sie ihm… verziehen? Die Schmerzen in seinem Hals nahmen zu. Vor seinen Augen verschwamm alles. Er konnte sie nur noch undeutlich sehen. Verzweifelt versuchte er, den Blick wieder scharf zu stellen. Er wollte sie nicht wieder verlieren. Als es ihm schließlich gelang, hatte er jedoch nicht mehr grüne, sondern blaue Augen vor sich, wenige Zentimeter vor seinem Gesicht entfernt. Die junge Frau lächelte, als sie seinen Blick bemerkte und richtete sich auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)