Eine Chance auf Glück? von StarCat (~ Severus Snapes zweites Leben ~) ================================================================================ Kapitel 13: Spinner's End ------------------------- Der Sommer war in voller Blüte und zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren lebte Severus einfach nur in den Tag hinein und genoss dabei jeden Augenblick. Dies lag vor allem daran, dass er sie nun fast immer in seiner Nähe hatte. Lily … Er konnte es noch immer nicht glauben. Tagsüber waren sie meist in ihrem Zimmer und saßen an den Hausaufgaben, wobei Lily sich jedes Mal aufs Neue erstaunt darüber zeigte, wie viel er zu den verschiedensten Themen ihrer Aufsätze beitragen konnte, ohne auch nur einen Blick in ein Buch geworfen zu haben. Irgendwann schien sie jedoch Vertrauen in sein Gedächtnis gefasst zu haben, jedenfalls hörte sie nach und nach auf, die meisten seiner Aussagen in den Büchern nachzuschlagen. Besonders schätzte Severus die warmen Abende, an denen sie einfach nur im Garten saßen, in ihren gemeinsamen Kindheitserinnerungen schwelgten und heißen Tee nippten. Wenn doch nur nicht die Nächte wären. Nach wie vor musste er auf seinen Traumlos-Trank verzichten, wodurch ihn Nacht für Nacht Alpträume plagten. Doch jedes Mal, wenn es besonders schlimm wurde, konnte er sich nun sicher sein, dass Lily zu ihm ans Bett schleichen und ihn aus den Abgründen seines Selbst retten würde. Aus Tagen und Nächten wurden schließlich Wochen und auch diese zogen beinahe unbemerkt vorüber. Der Anfang des neuen Schuljahres rückte immer näher und allmählich machte Lily sich Sorgen, da sie noch immer keinen Brief von Hogwarts erhalten hatten. „Haben sie uns irgendwie vergessen?“ Sie betrachtete wieder einmal ungeduldig den eulenlosen Himmel über ihrem Haus „So lange hat es doch noch nie gedauert. Wir müssen doch für das neue Schuljahr einkaufen, dabei haben wir noch nicht einmal die Bücherliste!“ Severus legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. „Die Briefe schon noch ankommen. Ganz bestimmt!“ Insgeheim ahnte er den Grund für das Ausbleiben der Briefe und dieser bereitete ihm Unbehagen. Albus Dumbledore hatte es sich, obwohl eigentlich Minerva für das Verfassen der Briefe an die Schüler verantwortlich war, nie nehmen lassen, sich selbstständig um die Erstellung der Buchlisten für das jeweils kommende Schuljahr zu kümmern. Dabei zog er nicht nur die Empfehlungen der Lehrkräfte in Betracht, sondern stöberte in den langen Ferien auch selbst durch Buchläden und besah neue Ausgaben verschiedenster Lehrbücher. Erst, nachdem die Buchliste fertig, geprüft und durch ihn abgesegnet wurde, konnten Briefe an die Schüler verschickt werden. Was wäre also, wenn der Schulleiter noch immer nicht von seiner plötzlichen Reise zurückgekehrt war? Am nächsten Morgen schlief Severus ungewöhnlich lange. Schließlich weckte ihn leises Geschirrgeklapper aus der Küche. Die Bettseite neben ihm war leer, allerdings zeugte das zerknüllte Kissen davon, dass jemand in der Nacht bei ihm gewesen sein musste. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und lief gähnend nach unten. Als er dort Lily sah, schmunzelte er und blieb in der Tür stehen. Sie lehnte an der Küchentheke und las. Ihre roten Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, einzelne Strähnen hingen ihr wirr ins Gesicht. Auf dem Herd neben ihr stand eine Pfanne, von der bereits leichter Rauch aufstieg. „Ein spannendes Buch, hmm?“, fragte Severus schließlich amüsiert, als der Rauch anfing immer dunkler zu werden. Beim Klang seiner Stimme zuckte sie überrascht zusammen und blickte zu ihm hinüber. „Was? Oh nein, so ein Mist!“ Sie legte ihr Buch weg, nahm die Pfanne vom Herd, besah mit verzogenem Mund deren schwarzen, klebrigen Inhalt und schmiss sie schließlich in die Spüle. Rasch drehte sie das Wasser auf, woraufhin sich zu dem Rauch nun auch noch Wasserdampf mischte. Sie hustete, fluchte leise und versuchte das Rauch-Dampf-Gemisch aus ihrem Gesichtsfeld zu vertreiben. Severus drückte sich an ihr vorbei und riss das Fenster auf. „Oh man, mir ist das so peinlich!“ murrte Lily und vergrub ihr Gesicht in den Händen. „Sollte eigentlich eine Überraschung sein.“ „Na, die ist dir ja wohl geglückt. Und wäre ich etwas später gekommen, wäre die Muggel-Feuerwehr sicher auch ganz überrascht gewesen.“ Lily boxte ihm in die Schulter. „Sei nicht so gemein!“ Ein Grinsen konnte sie sich jedoch nicht verkneifen. „Also, hast du Lust auf ein Sandwich? Da kann wenigstens nichts anbrennen.“ „Ja, gerne.“ Er lächelte schief. „Wo sind eigentlich deine Eltern?“ „Sie sind heute früh los und wollten Tunia besuchen. Meine Mum hat noch versucht mich zum Mitkommen zu überreden, aber du weißt ja.“ Lily verzog das Gesicht. „Sie sind nicht gerade gut auf mich und ‚meinesgleichen‘ …“ – Sie deutete mit den Fingern Gänsefüßchen in der Luft an und verdrehte die Augen – „… zu sprechen.“ Severus zuckte mit den Schultern. „Ich konnte deine Schwester noch nie besonders leiden. Sie wollte sich immer in Angelegenheiten einmischen, die sie nichts angingen.“ Während Lily mit zusammengezogenen Augenbrauen den Inhalt des Kühlschranks beäugte und sich leise murmelnd darüber ärgerte, dass ihre Eltern es am Vortag versäumt hatten, einzukaufen, besah Severus neugierig das Buch, das den beiden soeben beinahe das Frühstück gekostet hatte. ‚Stephen King – Carrie‘ stand in großen Lettern auf dem Cover. Weder der Titel noch der Autor sagten ihm irgendetwas. Er las sich gerade den Klappentext durch, als Lily es bemerkte, rot anlief und ihm das Buch aus den Händen riss. „Es … ist ein Muggelbuch. Es gehört meiner Mutter. Ich weiß auch nicht … Irgendwie hat diese Geschichte etwas an sich. So, als wäre die Protagonistin eigentlich eine von uns doch müsste in der Muggelwelt leben. Ich weiß auch nicht. Du findest es bestimmt albern.“ „Na, schlecht kann es ja nicht sein. Schließlich warst du ziemlich darin vertieft.“ Lily streckte ihm die Zunge raus und widmete sich wieder dem Frühstück. Sie waren kaum fertig mit dem Essen, da hörten sie ein lautes Flügelrauschen und kurz darauf flog ein kleiner Steinkauz durch das noch offene Fenster. Zwei dicke Briefumschläge in seinen Krallen sorgten dafür, dass er heftig mit den Flügeln schlagen musste um das Gewicht auszugleichen. Kaum, dass er die schwere Last abgeworfen hatte, schüttelte er sich kurz durch und fing an gierig aus Snapes Wasserglas zu trinken. „Es müssen ja richtig viele Briefe gleichzeitig unterwegs sein“, meinte Lily schließlich erstaunt. „Soweit ich weiß, wird diese Art doch sonst nur für kurze Strecken eingesetzt. „Und mit deutlich leichteren Lasten“, ergänzte Severus. „Das arme Ding ist ja völlig erschöpft.“ Lily begann, nach etwas Essbaren für den gefiederten Briefzusteller zu kramen. Derweil nahm Severus seinen Brief an sich, erstarrte jedoch mitten in der Bewegung, als er ihn gerade aufmachen wollte. Er hatte kein Geld. Nicht einen einzigen Sickel. Wovon sollte er sich die vielen Bücher kaufen? Alle zusammen kosteten sie sicherlich wieder mal ein halbes Vermögen und er wollte beileibe nicht die Gastfreundschaft von Lilys Eltern überstrapazieren. Hatte es vielleicht einen Sinn, es in Spinners End zu versuchen? Schließlich musste er ja irgendwo noch den Türschlüssel haben. Soweit er sich allerdings entsinnen konnte war damals, als er in einem früheren Leben zum Besitzer dieser Wohnung wurde, dort noch nicht einmal ein einzelner Knut zu finden. Seine Mutter musste bei ihrem Aufbruch, wohin auch immer dieser geführt haben mochte, alles mitgenommen haben. Er rieb sich die Schläfen. War da vielleicht sonst irgendetwas, was er zu Geld machen könnte? Etwas, was sein Vater nicht vermissen würde? Es könnte sich lohnen, nachzusehen. Viel Anderes blieb ihm schließlich nicht übrig. Er sah auf die Uhr. Es war gerade mal kurz vor Mittagszeit. Sein Vater müsste also noch bei der Arbeit sein. Wenn er jetzt gehen würde, wäre er wieder zurück noch bevor der alte Muggel etwas merken würde. Mittlerweile hatte Lily den Steinkauz mit einer kleinen Stärkung versorgt und sich wieder an den Tisch gesetzt. Gerade, als auch sie nach ihrem Brief griff, stand Severus auf. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie ihn überrascht. „Fehlt dir etwas?“ „Ich … gehe mir nur kurz die Beine vertreten. Dauert nicht lang. Du könntest ja schon mal die Liste studieren, schließlich müssen wir die Tage mal in die Winkelgasse.“ Sie sah erst auf seinen Brief und dann zurück zu ihm. Ihr Blick war skeptisch. „Irgendetwas stimmt doch nicht! Wieso willst du von einem Moment auf den anderen spazieren gehen und das, obwohl du deinen Brief gerade mal zur Hälfte geöffnet hast? Jetzt sag schon, was los ist!“ Severus seufzte. Er hätte sich wirklich eine bessere Ausrede einfallen lassen sollen. Jetzt blieb ihm nichts Anderes übrig, als ihr die Wahrheit zu erzählen. Dass er vorhatte, in die Wohnung seines Vaters einzubrechen und dort etwas zu stehlen – obwohl die Sachen ja streng genommen zum Teil auch ihm gehörten. Zu seiner Überraschung stand nun auch sie auf. „Hol deine Schlüssel. Ich komme mit.“ „Du machst was?“ Erstaunt sah er sie an. Die brave, anständige Miss Evans wollte doch nicht allen Ernstes einen Einbruch begehen? Er hätte erwartet, dass sie versuchen würde ihn von seinem Vorhaben abzubringen, ihn ausschimpfen und vielleicht sogar sauer werden. Aber das? „Ich lasse dich doch nicht alleine dahin gehen!“ Sie sah ihn trotzig an. „Was ist, wenn dir etwas passiert?“ „Was soll schon passieren? Er ist doch noch nicht mal da.“, murmelte er halbherzig, doch es war ihm bereits klar, dass er sie kaum davon überzeugen konnte alleine zuhause zu bleiben. Also ging er nach oben, leerte seinen Schulranzen über dem Bett aus um Stauraum zu haben, fand nach längerem Suchen den Hausschlüssel und zögerte schließlich, mit der Hand über seinem Zauberstab. Er wusste natürlich, dass er ihn eigentlich nicht verwenden durfte. Allerdings fühlte er sich bei dem Gedanken, nach all den Jahren ohne ihn unterwegs zu sein, irgendwie unwohl, ja beinahe nackt. Schließlich steckte er den Zauberstab in seine hintere Hosentasche und ging nach unten, wo Lily bereits ungeduldig auf ihn wartete. Als sie nach einem kurzen Fußmarsch die Wohnung betraten, kam ihnen ein strenger Alkoholgeruch entgegen. Die Vorhänge waren zugezogen, so dass es trotz helllichten Tag stockfinster war. Lily drückte auf einen Lichtschalter, doch der Strom schien abgestellt worden zu sein. „Puh. Ziemlich verwahrlost hier“, sagte sie schließlich, nachdem sie sich kurz umgesehen hatte. „Wie lange sagtest du, ist deine Mutter schon weg?“ „So genau weiß ich das gar nicht“, meinte Severus und kickte eine leere Bierflasche beiseite, die laut scheppernd gegen die Wand rollte. „Pschht, nicht so laut!“, zischte ihm Lily zu. „Also, wo wolltest du anfangen zu suchen?“ „Ich will erst einmal in mein Zimmer. Könnte ein paar Anziehsachen mehr vertragen. Ich kann schließlich nicht ewig die alten T-Shirts von deinem Dad tragen.“ „Alles klar. Ich schau dann, ob ich sonst irgendwo noch etwas finden kann.“ Es war kein leichtes Unterfangen, in seinem alten Kleiderschrank etwas aufzutreiben, was ihm noch passte. Schließlich fand er doch noch zwei Hosen die ihm nicht zu kurz waren sowie einen Pullover, dessen Ärmel gerade so noch lang genug waren. Eine ganz schön magere Ausbeute, fand Severus. Im letzten Halbjahr musste er einen ganz schönen Wachstumsschub gehabt haben. „Ein paar Nachteile hat das Jungsein also doch“, murmelte er leise während er die Sachen in seinen Ranzen stopfte und dachte beinahe sehnsüchtig daran, dass er seine Kleider im Kerker von Hogwarts bereits seit über einem Jahrzehnt besaß und sie alle nach wie vor, wie angegossen passten. Oder besser gesagt gepasst hatten. An seinem sechzehnjährigen Ich würden sie vermutlich nicht ganz so elegant aussehen. Vom Flur war ein leises Rascheln zu hören. Offenbar war Lily gerade dabei, die Kommode zu durchsuchen. Hoffentlich würde sie darin etwas Brauchbares finden. Severus besah sich kurz das Durcheinander, was er beim Suchen angerichtet hatte. Der Inhalt des Kleiderschranks war über den Boden verstreut. Wozu sollte er sich die Mühe machen, aufzuräumen? Er hatte nicht vor, in nächster Zeit wiederzukommen. Was ging es ihn also an, wenn sein Vater sich darüber aufregte? Wenn er dieses Zimmer denn überhaupt benutzen sollte. Lily dagegen könnte sicher Hilfe gebrauchen. Gerade, als er die Tür öffnete, musste er zu seinem Erschrecken feststellen, dass just in diesem Moment noch eine weitere Tür zum Gang aufging. Dahinter befand sich das Schlafzimmer seiner Eltern. Im Durchgang stand niemand anderes als Tobias Snape persönlich, mit hochrotem Kopf und ebenso roten, trüben Augen. Er war nur in ein dreckiges Unterhemd, sowie, nicht wesentlich frischer aussehende, Boxer gekleidet. Tobias Snape hatte noch nie besonders viel Wert auf sein Äußeres gelegt, doch dieser Anblick übertraf es noch bei Weitem. „Ihr wagt es, mich zu bestehlen? Auf frischer Tat ertappt, würde ich mal sagen!“ Seine Stimme klang schleppend, er lallte ein wenig. Dann geschahen mehrere Dinge beinahe gleichzeitig, doch Severus kam es vor, als würde alles in Zeitlupe ablaufen. Lily zuckte erschrocken zusammen und drehte sich zur Stimme hin um. Der Arm von Tobias verschwand kurz hinter der Wand und tauchte gleich darauf mit einer Schrotflinte wieder auf. Mit einem lauten Knacken lud er die Waffe nach. Severus griff nach seinem Zauberstab. „Petrificus Totalus!“, rief er, doch sein Zauber kam zu spät. Es gab einen ohrenbetäubenden Knall, Lily wurde vom Aufprall zurückgeschleudert und sank schließlich leise wimmernd zu Boden. Gleich nach ihr fiel auch Tobias krachend nach hinten um, doch das bemerkte Severus nur am Rande. In seinen Ohren rauschte es laut. Mit einem Satz war er bei Lily und sank vor ihr auf die Knie. Ihm blieb der Atem weg, als er den großen rot-feuchten Fleck auf ihrem Kleid, direkt unterhalb der Brust, bemerkte, der rasch größer wurde. „Oh nein … oh Lily … das darf doch jetzt nicht wahr sein …“, flüsterte er verzweifelt, während er vorsichtig die Arme um sie legte. Mit einem leisen Plopp lösten sie sich im Nichts auf und tauchten nur Augenblicke später, mehrere Hundert Kilometer vom Unglücksort entfernt, am Notfalleingang des Krankenhauses St. Mungo wieder auf. „Hilfe! Wir brauchen hier Hilfe!“, rief Severus verzweifelt aus, während er angestrengt versuchte Lily so hochzuheben, dass die Blutung nicht noch unnötig erhöht wurde, sofern es überhaupt noch möglich war. Seine Knie zitterten und er konnte sie kaum gerade halten. Sie war inzwischen bewusstlos, Schweißtropfen glänzten auf ihrer Stirn. Ihr Gesicht hatte sämtliche Farbe verloren. Wie durch einen langen Tunnel sah er, dass mehrere Personen mit einer Trage heran geeilt kamen. Spürte, wie sie ihm vorsichtig entnommen und fortgebracht wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)