言わぬが花 von Phoenix_Michie (Some things are better left unsaid.) ================================================================================ Kapitel 3: Der schlafende Patient. ---------------------------------- *** Zero wachte einfach nicht mehr auf. Zuerst war Karyu gar nicht aufgefallen, dass sein bester Freund nicht mehr zu Hause war. Er hatte nicht mehr auf ihn geachtet. Er war wütend und furchtbar enttäuscht gewesen. Die Worte seines jahrelangen Freundes hatten ihn tief verletzt. Er war Zero also nicht genug. Das musste er erstmal verarbeiten. Und da er sowieso mit seinen Studien und seinen spärlichen Hobbys genug zu tun hatte, konnte er die Wohnung und vor allem Zeros Zimmer gut meiden. Tagelang sah er ihn nicht. Ab und an hörte er mal was. Aber das war es. Er zog sich ebenfalls in sein Zimmer zurück, widmete sich seinem Instrument oder seinen schriftlichen Arbeiten. Irgendwann verstummten auch die Geräusche. Weder sah er Zero, noch hörte er etwas. Kein Anzeichen seiner Anwesenheit. Nach einer Weile fiel ihm das auf. Dann begann er die Wohnung zu durchsuchen. Zero war nicht da. Das passierte selten. War Karyu mal zuhause, dann war es meist auch sein Freund. Die nächsten drei Tage ging das so weiter. Er vermutete, dass Zero nicht einmal mehr nach Hause kam. Er war weg. Verschwunden. Ohne eine Nachricht hinterlassen zu haben. Was war passiert? Karyu konnte sich das nicht erklären. Er rief seinen Freund an. Doch das Handy war ausgeschaltet. Er machte sich nun wirklich schreckliche Sorgen, und da er auf keinen Grund kam, was Zero trieb, rief er als nächstes die Polizei an, um eine Vermisstenanzeige zu machen. Übertrieben oder nicht, das, was hier passierte, war mehr als ungewöhnlich. Das erforderte ebensolche Maßnahmen. Und schnell stellte sich heraus, dass Zero im Krankenhaus war, wo er einfach nicht mehr aufwachte. *** „Sei froh, dass du auf das Krankenhausessen verzichten kannst, weil du schläfst. Die sollten den Koch wechseln. Oder den Zulieferer.“ Er seufzte und warf der Schwester einen Blick zu, die gerade irgendwas am Tropf des Schlafenden machte und ihn missbilligend ansah. Aber das störte ihn nicht. Er wusste, dass er die Nase manchmal zu hoch trug. Das tat er fast schon sein ganzes Leben lang, aber es hieß nicht, dass er nicht wusste, was harte Arbeit war oder sich für etwas Besseres hielt. Als die Frau wieder verschwunden war, würgte er den Rest seines fragwürdigen Mittagessens hinunter und rutschte nachdenklich an den Rand seines Bettes. Die meisten Schwestern hielten ihn sicher für verrückt, weil er ihren schlafenden Patienten ständig zu textete. Das ging jetzt 2,3 Tage so. Seit er eben in diesem Zimmer gelandet war. Er hatte die kurzhaarige Schwester, die immerhin noch ein Lächeln für ihn übrig hatte, gefragt, ob der Dunkelhaarige im Koma läge. Nicht wirklich, hatte die Antwort gelautet. Mehr hatte sie ihm nicht sagen dürfen und war gegangen. Der junge Mann wachte jedenfalls einfach nicht auf. Also war es doch eigentlich schon ein Koma. Was war passiert? Die Antwort würde er wohl nur von dem Patienten selbst bekommen. Hoffentlich wachte dieser bald auf, es war schrecklich langweilig in diesem Krankenhaus. Jemanden zum Reden zu haben, wäre schön. Einen Moment noch betrachtete er den schlafenden Dunkelhaarigen, über den er nichts wusste, dann seufzte er und legte sich gelangweilt in sein Bett zurück, kuschelte sich in die warme Bettdecke. Er hatte nichts zu tun, also würde er etwas schlafen. Nachdem er sich eine Weile hin und her gewälzt hatte, wollte er gerade aufgeben, einschlafen zu wollen, da er einfach noch nicht müde genug war, als es an der Tür klopfte. Bisher hatte es noch nie an der Tür geklopft. Ärzte und Schwestern kamen einfach herein. Neugierig hielt er den Atem an, sobald die Tür aufging. Er konnte nicht sehen, wer herein kam, da er dem Eingang den Rücken zugekehrt hatte. Und somit demjenigen, der gerade herein kam. Und den anderen Patienten konnte er auch nicht sehen. „Hallo?“ Er antwortete nicht. Der schlafende Nicht-wirklich-Koma-Patient auch nicht. Für einen Moment herrschte Stille. Nichts geschah. Er spitzte die Ohren, hörte aber nicht einmal das Atmen der beiden anderen Personen im Raum. Schließlich erklangen zaghafte Schritte, dann ein Klacken, als würde ein Stuhl oder Hocker abgestellt werden. Wahrscheinlich hatte sich der Besucher an das andere Bett gesetzt. Da war ein Stuhl neben der Tür gewesen, wenn er sich recht erinnerte. Ein schweres Seufzen erklang. „Zero, was hast du nur getan…?“ Der Besucher war eindeutig ein Mann. Langes Schweigen. Er konnte nicht sehen, wie der Besucher die Hand des Schlafenden nahm und liebevoll darüber strich. Mehrere Minuten verstrichen. „Sie sagen, du liegst im Sterben, weißt du das?“, wurde mit sanfter Stimme gefragt. „Bestimmt weißt du es. Du fühlst es sicher.“ Wieder Schweigen. „Deine Lebensfunktionen lassen nach, hat mir die Ärztin gesagt. Aber sie können sich nicht erklären, warum. Du bist zwar extrem untergewichtig, aber sie könnten dich schon wieder aufpäppeln. Aber dir geht es immer schlechter, sagt sie… Bist du jetzt glücklich? Zufrieden, es bald hinter dir zu haben…?“ Die Stimme wurde brüchig. „Du weißt, dass ich das nicht will. Ich würde dich furchtbar vermissen. Du darfst mich nicht allein lassen.“ Der Andere verstummte für einen Augenblick, als müsse er sich sammeln. „Aber es bedeutet dir nichts, hab ich Recht? Dass ich dich vermissen würde, das reicht dir ja nicht, stimmt’s?“ Ein langgezogenes Seufzen ertönte. „Aber das ist mir egal. Ich mache es dir nicht so einfach. Ich bin bei dir, immer. Wenn es auch manchmal nur in Gedanken ist. Du bist mein bester Freund, nach wie vor. Ich lasse dich nicht einfach so gehen!“ Ein leises Geräusch erklang, es erinnerte ihn an einen Kuss. „Heute habe ich nicht viel Zeit. Ich komme wieder, dass du Bescheid weißt.“ Der Stuhl scharrte auf dem Boden, dann hörte er, wie die Tür geöffnet wurde und sich nach einigen Sekunden wieder schloss. Nachdenklich drehte er sich auf den Rücken und sah zu dem Schlafenden hinüber, der unverändert im Bett lag. Bis zur Brust zugedeckt, die Hände neben dem Körper. Nein, jetzt fiel es ihm auf: die rechte Hand lag plötzlich auf dem Bauch des Patienten, über der Decke. Das war vor dem Besuch noch nicht so gewesen. Leicht runzelte er die Stirn. Der Name des Schlafenden war Zero? Hatte er das richtig gehört? Komischer Name. Allerdings beschäftigte ihn eine andere Aussage viel mehr. Derjenige, der hier gewesen war, und dessen Worten nach der beste Freund des Patienten war, hatte was von ‚im Sterben liegen‘ gesagt. Nachdenklich betrachtete er das Gesicht des Dunkelhaarigen. Er lag ganz friedlich da. Wie immer. Seine Miene war unergründlich. Träume schien er nie zu haben. Zumindest hatte es nie auch nur irgendeine Reaktion von ihm gegeben. Er lag die ganze Zeit wirklich nur reglos da, schien nicht zu träumen, nichts zu fühlen, nichts zu denken, nichts zu hören. Ernährt wurde er über den künstlichen Weg, natürlich, wie sollte es auch sonst gehen. Seine Wangen schienen eingefallen, seine Haut war unnatürlich blass und fahl. Trotzdessen er die ganze Zeit schlief, hatte er dunkle Augenringe. Warum lag er im Sterben? Der Besucher hatte geklungen, als wäre es Absicht, dass der Andere langsam starb. Als hätte er selbst so gewollt. Mysteriös. Er konnte einfach nicht aufhören, darüber nachzudenken. Er hatte ja sonst nichts zu tun. Aber es war deprimierend. Neben jemandem zu liegen, der gar nicht mehr aufwachen WOLLTE. Der dabei war, zu sterben. Bisher hatte er immer noch geglaubt, dass der Andere – Zero – noch aufwachen würde und sie sich gemeinsam die Zeit vertreiben konnten. Nun sowas. Er seufzte und setzte sich auf, stopfte sein Kissen hinter den Rücken um sich gemütlich anlehnen zu können. Dann würde er jetzt eben ein bisschen singen. Sich den Kopf zu zerbrechen, brachte nichts. Schlafen konnte er nicht. Blieb ihm nur das Training. Seine Stimme musste ja in der Übung bleiben. Zero störte es bestimmt nicht. Wenn er es denn überhaupt mitbekam. Und es war ja nicht so, dass er nicht singen konnte. Das konnte er sogar sehr gut. Eines der wenigen Sachen, die er beherrschte. --- to be continued. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)