Das Gesetz der Krieger von Akio21 ================================================================================ Kapitel 1: Gelbstern -------------------- Shina schnurrte laut, als der junge Zweibeiner ihr langes, rotes Fell bürstete. Wie jedes mal, wenn er das tat, jaulte er ihr mit leiser Stimme etwas zu. Auch wenn Shina ihn nicht verstand, so erkannte sie doch an der sanften und liebevollen Stimme, das es etwas war, was sie sehr gerne verstehen würde. Leider konnte sie das nicht, dennoch miaute sie: „Danke." „Mama“, jammerte der kleine, gelbgetigerte Naru aus dem Körbchen. „Mama, was hat der Zweibeiner gesagt?“ „Ich weiß es nicht, mein Schatz“, antworte Shina, leckte dem Zweibeiner entschuldigend die Hand und stand auf, um zu ihrem Sohn zu gehen. Sie legte sich zu ihm in das Körbchen und gab sich mit ihm die Zunge. „Was machen wir mit Shina´s Jungem?“ wollte Tommi wissen. „Er ist das einzige Kätzchen, das niemand haben wollte." „Wir können ihn leider nicht behalten“, sagte Tommi´s Mutter. „Wenn es nicht anders geht, müssen wir ihn eben im Tierheim abgeben." „Aber Mama, es ist doch ein Baby von Shina." „Na schön, Tommi, wenn du auf dein Taschengeld verzichten willst, dann behalten wir ihn." Tommi sah bedrückt zu Boden. Nein, auf sein Taschengeld wollte er nicht verzichten. Seine Mutter hatte ja recht. Seid Vater weggegangen war, hatten sie zu wenig zum Leben und zum Sterben zu viel. Aber trotzdem! Ins Tierheim? Wer weiß, was sie da mit ihm machen?! Tommi ging zu Shina und Naru, die sich gegenseitig die Ohren leckten. Bei dem Anblick wurde ihm warm ums Herz. „Vielleicht sollte ich doch auf mein Taschengeld verzichten“, murmelte er und streckte seine Hand nach dem kleinen Kater aus. Shina war sehr stolz auf Naru. Er war das Ebenbild seines Vaters Gelbstern. Dem Anführer der Feuerclankatzen. Er war ein stattlicher Kater und mutiger Krieger, dem der Sternenclan zugetan war. Eines Tages, als Shina den verlockenden Duft einer Maus gerochen hatte, war sie davon gelaufen. In den Wald hinein. Jedes Hauskätzchen wusste, wie gefährlich es dort war. Das dort die wilden Waldkatzen und ihre Clans lebten. Kämpfer, die ohne zu zögern über Einzelgänger, Streuner oder Hauskätzchen herfielen, die es wagten, in ihrem Revier zu jagen. Man erzählte sich sogar, sie würden nicht mal vor Füchsen, Dachsen oder Hunden halt machen, so mutig waren sie. Aber Shina konnte nicht widerstehen. Sie verfolgte den Geruch der Maus, sah sie und wollte sich anschleichen. Aber die fette Maus entdeckte Shina und lief los. Shina jagte ihr vergeblich hinterher und schon bald hatte sie keine Puste mehr. Aber der Jagdinstinkt hatte sie gepackt. Sie wollte nicht aufgeben. Langsam folgte sie dem Geruch der Maus, die sicher schon längst in ihrem Bau verschwunden war. Zu ihrer Überraschung wurde der Geruch aber immer intensiver, je weiter sie sich vorwagte. Was hatte das zu bedeuten? Kurz darauf sah sich Shina einem Gebüsch gegenüber. Der Geruch war hier am Stärksten. Aber sie roch noch etwas Anderes. Eine Katze. Eine fremde Katze. Es musste eine Waldkatze sein, oder ein Einzelläufer. Erschreckt wollte sich Shina umdrehen und davonlaufen, als die fremde Katze mit der Maus im Maul aus dem Gebüsch heraustrat und sie mit ihren azurblauen Augen anfunkelte. Shina war wie gelähmt. Die fremde Katze legte die Maus auf den Boden, um besser reden zu können. Oder wollte sie angreifen? Shina legte die Ohren zurück und fauchte: „Lass mich in Ruhe." „Du Trampeltier“, fauchte der gelbgetigerte Kater zurück. „Du verjagst die ganze Beute mit deinem Krach. Tz, ein Hauskätzchen! War ja klar." Shina duckte sich mit gesträubtem Fell, und rechnete jeden Moment mit einem Angriff. Aber der stolze Kater marschierte nur um sie herum. „Ein Pelz wie Feuer. Augen wie Saphire. Und Ausdauer, wie ein Krieger, aber der Gestank nach einem Zweibeinernest. Was bist du für eine seltsame Katze?“ Shina wollte ihn schon anfauchen, dass ihn das nichts anginge. Aber irgendetwas hielt sie davon ab. Sie hatte noch nie eine Waldkatze gesehen. Trotzdem wusste sie, dass sie es hier nicht mit einer gewöhnlichen Waldkatze zu tun hatte. Verlegen setzte sie sich hin und leckte sich die Brust. „Ich bin Shina und ich wohne im Zweibeinerort." „Dann bist du ziemlich weit weg von zuhause," stellte der Kater fest, der sie immer noch umkreiste. Erschrocken sah Shina auf. Es stimmte. Sie war so auf die Maus fixiert gewesen, dass sie überhaupt nicht bemerkt hatte, wie weit sie weggelaufen war. „Ich muss zurück," miaute sie. „Meine Zweibeiner werden sich sorgen." Der Kater schnaubte verächtlich. Shina warf ihm einen bösen Blick zu. „Die Zweibeiner sind nicht schlecht, sie behandeln mich sehr gut und...“ „Hetzen ihre Hunde auf uns," unterbrach der Gelbgetigerte sie. „Was? Nein, das würden sie nie tun. Sie haben die Hunde an der Leine festgebunden." „Sie lassen die Hunde in der Nacht frei, und sie sind eine Gefahr für meinen Clan." „Für deinen Clan, dann hatte ich recht, du bist eine Waldkatze. Kein Streuner." Der Kater setzte sich hin und streckte stolz die Brust heraus. „Ich bin kein Streuner, ich bin Gelbstern, der Anführer des Feuerclans," klärte er sie auf. Dann sah er ihr wieder in die Augen. „Du bist ziemlich dumm, oder?“ Shina schnaubte empört, aber der Kater fuhr fort: „Es ist dumm, im Clangebiet zu jagen. Wir brauchen unsere Beute zum Überleben. Da hat ein dummes Hauskätzchen wie du nichts verloren. Abgesehen davon, dass du nicht mal eine so fette und langsame Maus fangen kannst, hätten dich meine Krieger erwischt, wärst du jetzt Krähenfraß." Plötzlich schämte sich Shina. „Es – es tut mir leid." Gelbstern zuckte belustigt mit den Schnurrhaaren. Dann schob er ihr die Maus vor die Pfoten. „Hier, probier sie." „Was? Aber – dein Clan braucht die Nahrung doch." „Dieses eine Mal ist es okay. Das Blattgrün hat angefangen und wir haben Beute in Hülle und Fülle." Shina schnüffelte an der Maus. Dann biss sie ein Stück ab. Als sie das frische Fleisch und Blut schmeckte, fing ihr Herz an zu hämmern und als hätte sie wochenlang nichts mehr gegessen, schlang sie den Rest der Maus hinunter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)