Fünf Jahre von Juju ((K)eine Freundschaft für immer) ================================================================================ Kapitel 52: Klartext -------------------- Am Dienstag nach dem Tanztraining wurde sie von T.K. abgefangen, als sie gerade gemeinsam mit Nana die Umkleidekabine verließ. Er hatte draußen auf sie gewartet. „Hey“, hielt er sie auf. Kari hätte gern so getan, als hätte sie ihn nicht gehört, doch Nana war stehen geblieben und sah ihn erwartungsvoll an, weshalb auch Kari stehen blieb. „Hast du kurz Zeit?“, fragte T.K. mit einem kurzen Seitenblick auf Nana. „Eigentlich muss ich... also die Hausaufgaben für morgen und so. Hab's ein bisschen eilig“, murmelte sie ausweichend. „Dauert nur zwei Sekunden“, erwiderte er. „Ich geh' schon mal vor. Treffe mich eh gleich mit Ken“, meinte Nana locker und ging los. Mit düsterer Miene sah Kari ihr hinterher und überlegte kurz, ob sie nicht einfach mitgehen sollte. Schließlich seufzte sie jedoch resigniert und wandte sich an T.K. „Komm mit. Das hier ist irgendwie ein blöder Platz“, meinte er mit einem Blick auf die Schüler, die noch immer grüppchenweise die Umkleidekabine verließen, und berührte flüchtig ihre Hand. Dann ging er voraus in Richtung der Bänke auf dem Schulhof. Kari zögerte kurz, folgte ihm dann jedoch. Sie setzten sich nebeneinander auf eine der Bänke. Kari hatte ihre Schultasche auf dem Schoß und klammerte sich daran fest, als bräuchte sie einen Schutz vor T.K. Sie fing seinen Blick auf, der so aussah, als hätte er bereits eine Frage gestellt und würde nun auf die Antwort warten. „Was?“, fragte Kari verwirrt. „Möchtest du erst so tun, als wüsstest du nicht, wovon ich rede, oder willst du mir gleich sagen, was los ist?“ Kari runzelte skeptisch die Stirn. Irgendwie fühlte sie sich von seiner Frage angegriffen. So tun, als wüsste sie nicht, wovon er sprach? Dafür müsste er überhaupt erst einmal sprechen. Und die Frage, die er nun gestellt hatte, war auch nicht wirklich eindeutig. Und überhaupt der kühle Unterton in seiner Stimme! „Nichts ist los“, erwiderte sie trotzig. „Oh, richtig. Ich habe eine Option vergessen. So tun, als wäre alles okay, obwohl du seit einer Woche fast kein Wort mit mir geredet hast“, sagte T.K., ohne den Blick von ihr abzuwenden. Kari antwortete nicht, sondern sah ihn nur grimmig an, woraufhin er langsam den Kopf schüttelte. „Na schön. Ist es wegen Aya?“ „Ist was wegen Aya?“ Er stöhnte. „Kari, ich bin nicht bescheuert.“ „Glaubst du, ich bin bescheuert? Glaubst du, ich finde es toll, dass wir den einen Tag was auch immer miteinander machen und am nächsten Tag lässt du mich wie eine dumme Nudel für Aya stehen? Ich habe darauf keine Lust!“ Na toll. Es war einfach aus ihr herausgeplatzt, dabei hatte sie es gar nicht sagen wollen. Nun stand sie da wie eine eifersüchtige Ziege. Ihre Finger krallten sich in den Stoff ihrer Schultasche. „Du bist eifersüchtig“, stellte er nüchtern fest. War das alles, was er dazu zu sagen hatte? „Nein, ach was. Jeder wird gern von seiner Flamme für eine Andere stehen gelassen“, entgegnete sie sarkastisch und stand auf. „Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich habe Hausaufgaben.“ Doch bevor sie sich in Bewegung setzen konnte, hatte er ihre Hand ergriffen und sie zu sich umgedreht. Er war ebenfalls aufgestanden, legte nun die Hände an ihr Gesicht und presste seine Lippen auf ihre. Er hielt sie so fest, dass Kari sich kaum bewegen konnte, ganz abgesehen davon, dass ihr ohnehin der Atem stockte. Mit einem Kuss hatte sie in diesem Moment nicht gerechnet. Ihr Bauch kribbelte, ihr Herz flatterte und ihre Knie wurden weich. Dabei hatte sie noch bis gerade eben ganz entschlossen vom Schulhof stolzieren und ihm zeigen wollen, dass sie nicht alles mit sich machen ließ. Es war, als hätte sich ihr Körper gegen ihren Kopf verschworen. Er löste den Kuss, doch hielt sie noch immer fest und auch den Abstand zwischen ihren Lippen vergrößerte er nur geringfügig. „Ich dachte, ich hätte dir das mit Aya erklärt“, erwiderte er leise. „Hast du, aber...“ Sie seufzte leise und machte sich von ihm los. Sie wusste selbst nicht genau, wie sie diesen Satz beenden sollte. Fragend sah er sie an. „Was aber?“ „Versetz' dich doch mal in meine Lage. Wie würdest du es finden, wenn ich mich dauernd allein mit einem Typen treffen würde, der zufällig auch noch was von mir will? Ich weiß, wir sind nicht zusammen oder so. Aber es ist trotzdem blöd“, murmelte sie ohne ihn anzusehen. „Tust du doch. Ich weiß, wie sich das anfühlt.“ Sie blickte auf und sah ihn verständnislos an. „Hä? Was tue ich?“ „Dich mit einem Typen treffen, der anscheinend was von dir will“, erwiderte T.K. schulterzuckend und nun war es an ihm, den Blick abzuwenden. Er hatte die Hände in den Taschen seiner Jacke vergraben und beschäftigte sich damit, kleine Steine wegzukicken. „Was?“ Völlig verdattert starrte sie ihn an. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wovon er da sprach. „Was meinst du?“ „Du weißt genau, was ich meine“, antwortete er ohne aufzublicken. „Ich schwöre, ich habe keine Ahnung. Echt nicht. Ich weiß nicht, von wem du sprichst.“ „Davis?“ Perplex riss Kari die Augen auf. „Davis? Wie kommst du denn...“ „Du triffst dich doch oft mit ihm, oder etwa nicht? Meistens erzählst du mir sogar davon. Und versuch' jetzt nicht, mir weiszumachen, dass Davis nicht auf dich steht. Du bist das einzige weibliche Wesen, mit dem ich ihn Zeit verbringen sehe“, erklärte T.K. und sah sie nun herausfordernd an, als erwartete er einen Konter, eine vernünftige Erklärung. Verdutzt erwiderte Kari seinen Blick, dann brach sie plötzlich in Gelächter aus. T.K. hatte da offensichtlich etwas sehr missverstanden und das war Kari erst vor einer Sekunde bewusst geworden. Er dachte tatsächlich, der schwule Davis würde auf Kari stehen. „Was ist so witzig?“, fragte er und hob eine Augenbraue. „Das ist was vollkommen Anderes, okay?“, sagte sie, als sie sich wieder beruhigt hatte. „Davis steht garantiert nicht auf mich, glaub' mir.“ „Wirklich? Das sieht für mich aber komplett anders aus. Das sieht man allein schon an der Art, wie er mit dir redet“, erwiderte T.K. nüchtern. „Nein, nein, nein“, sagte Kari kopfschüttelnd und hob die Hände. „Das verstehst du falsch. Davis ist nur...“ „... ein Kumpel, schon klar. Aya ist auch nur ein Kumpel und trotzdem bist du eifersüchtig.“ Verärgert runzelte Kari die Stirn. „Das kannst du nicht vergleichen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Situationen.“ „Ach ja? Ich sehe keinen Unterschied, bis auf den, dass es anscheinend okay ist, wenn du dich mit anderen triffst, ich das aber nicht darf.“ Er nahm seine Tasche von der Bank, hing sie sich über die Schulter und ging an ihr vorbei. Fassungslos starrte Kari ihm nach. Er hatte sich schon einige Meter von ihr entfernt, bevor sie ihre Sprache wiederfand. „T.K.!“ Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Kari seufzte hilflos und ließ sich wieder auf die Bank fallen. „Ich kann dir das nicht erklären, auch wenn ich es gern würde.“ „Genauso geht es mir mit Aya“, antwortete er kühl. Nein, ging es nicht. Es war etwas völlig Anderes. Warum wollte er das denn nicht verstehen? Davis war schwul und somit garantiert nicht in Kari verliebt, während Aya T.K. wahrscheinlich am liebsten sofort die Klamotten vom Leib reißen würde, sobald sie allein in einem Zimmer waren. Er hatte Kari zwar gesagt, dass er nichts für Aya empfand, doch das konnte sich schließlich ändern, wenn man viel Zeit miteinander verbrachte, oder etwa nicht? Vielleicht waren Kari und T.K. ja einfach nicht dazu bestimmt, eine ernste Beziehung miteinander zu haben. Sie stützte die Ellbogen auf den Knien ab und vergrub das Gesicht in den Händen. Warum war das nur alles so kompliziert? Warum konnte sich diese blöde Aya nicht einfach jemand anderen suchen? Die konnte doch alle haben. Warum musste es ausgerechnet T.K. sein? „Geht's dir gut?“, hörte sie T.K. zögerlich fragen. Anscheinend hatte er sich ihr wieder ein paar Schritte genähert. „Nein“, nuschelte Kari in ihre Hände. Nach einigen Sekunden spürte sie, wie er ihre Handgelenke ergriff und ihre Hände sanft von ihrem Gesicht wegzog. Er hatte sich direkt vor sie auf den Boden gehockt und musterte sie besorgt. „Hör mal“, begann er, „während ich in Frankreich war, konnte ich dich die ganze Zeit einfach nicht vergessen, auch wenn ich nicht einmal etwas von dir gehört habe. Fast jeden Tag habe ich an dich gedacht. Es war nicht so, dass ich irgendwie in dich verliebt war oder so. Ich habe dich einfach als Freundin vermisst. Und als ich dann am Anfang des Schuljahres in die Klasse kam, habe ich dich sofort erkannt, auch wenn du erwachsen geworden bist. Und als ich dich gesehen habe, war es einfach nur... ich kann es gar nicht beschreiben. Ich wollte dich unbedingt wieder als Freundin zurückhaben. Du nimmst einfach einen Platz bei mir ein, den kann dir niemand wegnehmen. Nicht Aya und auch nicht sonst irgendwer.“ Kari sah ihm in die Augen. Sein Blick war durchdringend und ernst. Ihr war der Mund aufgeklappt bei alldem, was er ihr gerade offenbart hatte. Er hatte mittlerweile ihre Handgelenke losgelassen, war jedoch nicht aufgestanden, sondern hockte immer noch vor ihr auf dem Boden und sah zu ihr hinauf. „U-und... was heißt das jetzt?“, fragte Kari mit krächzender Stimme. Sie sah, wie er tief ein- und wieder ausatmete. Seine Schultern hoben und senkten sich. Dann legte sich plötzlich sein typisches schiefes Lächeln auf seine Lippen. „Das heißt, dass ich total in dich verknallt bin.“ Überrascht hob Kari die Augenbrauen, kratzte sich mit fahrigen Bewegungen an der Wange und fuhr sich durch die Haare. „Ich... ähm... echt?“ T.K. runzelte die Stirn. „Nein.“ Auf Karis irritierten Blick hin sagte er jedoch: „Ja, Mensch. Was denkst du denn, warum ich das sage?“ Sie sah ihn an, versuchte, zu verarbeiten, was er ihr gerade gestanden hatte, und dann lächelte sie. Schließlich musste sie kichern, was ihn wiederum verwirrte. Er schnippte ihr gegen das Knie. „Hey, Lachen ist nicht gerade die beste Reaktion auf so ein Geständnis, du Sozialgenie“, sagte er entrüstet. „Entschuldige, ich lache nicht wegen dir. Es ist nur... ach, egal“, kicherte sie, räusperte sich und wurde wieder ernst. „Ich weiß nur nicht, was ich sagen soll.“ „Wie wäre es mit: Oh, T.K., mir geht es schon seit Wochen genauso und ich habe nur darauf gewartet, dass du endlich den Anfang machst?“, schlug er vor und ahmte dabei ihre Stimme nach. Nun musste Kari wieder lachen. „So klingt meine Stimme überhaupt nicht.“ „Hast du dich mal selbst gehört?“ Sie grinste nur und spielte mit dem Saum ihres Rocks. T.K. stand wieder auf, schob die Hände in die Hosentaschen und sah sie an. „Also könntest du jetzt endlich mal was dazu sagen, damit ich nicht wie ein kompletter Volltrottel dastehe?“ Nun erhob Kari sich ebenfalls und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. „Na schön.“ Sie trat von einem Bein auf das andere. „Ich war mir bis vor kurzem nicht so sicher, was ich eigentlich will und was das mit uns ist. Ob das was Ernstes sein könnte und so. Aber... du hast mir echt den Kopf verdreht. Also alles in allem heißt das... ja, ich bin verliebt.“ Für einen Moment lang standen sie sich gegenüber und sahen sich unsicher an wie zwei Dreizehnjährige. Dann ergriff T.K. das Wort. „Cool. Tja also... dann sind wir jetzt sozusagen...“ „Ja“, beantwortete Kari die nicht gestellte Frage. Wieder sahen sie sich an und mussten dann beide lachen. Was für eine merkwürdige, erleichternde und gleichzeitig bedrückende Situation. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Kari unsicher. „Hast du nicht gesagt, du hast noch Hausaufgaben? Dann lass uns einfach nach Hause gehen“, meinte T.K. und sie setzten sich langsam in Bewegung. „Wenn du willst, kannst du mir ja helfen“, sagte Kari nach einigen Momenten des Schweigens. „Mathe und so. Du weißt schon. Nicht so meine Stärke.“ „Klar, kein Problem“, erwiderte T.K. „Ich bin sicher, meine Mutter hat auch wieder irgendwas Tolles gekocht, das du in dich hineinstopfen kannst, als wäre dir dein Leben nichts wert“, sagte Kari grinsend und stieß ihm leicht mit dem Ellbogen in die Seite. „Ich kann's kaum erwarten.“ Den sarkastischen Unterton in seiner Stimme konnte er nicht unterdrücken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)