Fünf Jahre von Juju ((K)eine Freundschaft für immer) ================================================================================ Kapitel 45: Die Hochzeit I -------------------------- Die Hochzeitsfeier sollte in der Nähe des Standesamtes in einem Hotel mit angrenzendem Park stattfinden. Alle Gäste waren, nachdem sie den frisch gebackenen Eheleuten gratuliert hatten, zum Hotel gelaufen, während Tai und Mimi mit ihrer Fotografin unterwegs waren und Fotos schossen. Es war ein warmer, sonniger Tag, sodass Kari in ihrem kurzen Kleid nicht fror. Staunend stand sie mit Sora und Yolei vor dem Hotel, einem prunkvollen, weißen Gebäude mit großen Fenstern. Sie wollte gar nicht wissen, wie viel das hier gekostet hatte. Mimis Vater musste wirklich unglaublich gut verdienen. „So würde ich auch gern mal heiraten“, murmelte Sora und schüttelte langsam den Kopf. „Naja, du wirst dir das doch bestimmt mal leisten können“, meinte Yolei und hob eine Augenbraue. „Bei mir sieht es da eher schlecht aus.“ „Mein Gott, ihr seht so unglaublich süß aus.“ Die Mädchen drehten sich um und wurden prompt von Yuuko Yagami fotografiert. „Mama!“, rief Kari. Sie war sich sicher, gerade nicht besonders intelligent geguckt zu haben. „Was denn? Es muss doch alles festgehalten werden. Und ihr seht einfach toll aus. Das hast du wirklich gut gemacht, Sora.“ Sie schenkte Sora ein anerkennendes Lächeln. „Vielen Dank“, erwiderte Sora verlegen. „Wollen wir vielleicht mal reingehen und unsere Plätze suchen?“, fragte Yolei in die Runde. Einige der anderen Gäste waren schon durch die große Doppeltür nach innen gegangen. Kurz darauf standen Kari, Yolei und Sora in einem riesigen, geschmückten Saal. Die Tische waren mit weißen Tischdecken verziert worden und wurden von Kerzen und aufwändigen Blumengestecken in rosa und weiß gekrönt. An den Wänden hingen Girlanden und Luftballons und in der Mitte des Saals sogar ein Kronleuchter. Die Stühle waren ebenfalls weiß bezogen worden. „Wow, das sieht echt schick aus“, bemerkte Yolei und sah sich staunend um. „Lasst uns mal unsere Plätze suchen“, sagte Sora und deutete auf eine Tafel im Eingangsbereich. Hier war die Sitzordnung festgehalten, sodass man nicht durch den ganzen Saal laufen und sein Namenskärtchen suchen musste. Yolei und Sora saßen am gleichen Tisch, Kari saß als Schwester des Bräutigams natürlich am Tisch des Brautpaares. Die Mädchen betrachteten noch eine Weile den Saal, bevor Yolei verkündete, dass sie auf die Toilette müsste und Sora sich ihr anschloss. Unschlüssig blieb Kari stehen und sah sich nach bekannten Gesichtern um. Wo waren eigentlich ihre Eltern abgeblieben? „Hey.“ Kari drehte sich zur Seite, um T.K., der sie gerade angesprochen hatte, anzusehen. Er trug einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd. Sehr schlicht, aber auch sehr elegant. Kari musste zugeben, dass er wirklich unglaublich gut aussah. Noch besser als sonst. „Du siehst echt umwerfend aus“, sagte er und lächelte. Verlegen lächelnd verschränkte Kari die Hände hinter dem Rücken und wich seinem Blick aus. Sie hatte es in Tais und Mimis Wohnung doch noch geschafft, einen Blick in den Spiegel zu werfen, um zu sehen, was Sora und Yolei mit ihren Haaren angestellt hatten. Sie waren nun locker hochgesteckt und verliehen ihrem Gesicht sogleich etwas Neues. „Danke, gleichfalls.“ „Ach, nur ein Anzug.“ Er schob die Hände in die Hosentaschen und zuckte mit den Schultern. „Oh, hier seid ihr ja. Stellt euch mal zusammen, damit ich ein Foto machen kann.“ Schon wieder war Yuuko aufgetaucht und hielt schon die Kamera in die Höhe. Genervt und peinlich berührt verdrehte Kari die Augen. Trotzdem rutschte sie näher an T.K. heran, setzte ein gezwungenes Lächeln auf und ließ sich knipsen. Einmal im Hochformat, einmal im Querformat. „Du brauchst gar nicht so genervt zu gucken, Kari. So ist das nun mal, wenn jemand heiratet“, kommentierte Yuuko und warf Kari einen schiefen Blick zu. „Schon okay“, nuschelte Kari und drehte sich zu T.K. um. „Sag mal, hast du Lust, mal bei den anderen vorbeizuschauen, was die so machen?“ „Klar, wieso nicht?“, erwiderte T.K. Sie sahen sich im Saal nach dem Tisch um, an welchem die Freunde untergebracht waren und erblickten ein paar bekannte Gesichter. Zielstrebig steuerten sie auf Joe zu, der mit einer jungen Frau an seiner Seite am Tisch saß. Kari und T.K. gesellten sich zu ihnen, sodass Joe das Gespräch mit der Frau unterbrach und aufblickte. „Hey, Kari! Wie geht’s dir so? Und oh Mann, ich glaub's nicht! T.K.? Dich habe ich ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen!“ Joe strahlte, stand auf und umarmte Kari. „Wie geht’s euch? Ihr seht gut aus.“ „Gut geht es uns. Und danke, du siehst auch gut aus“, antwortete Kari und musterte Joe. Er trug sein Haar nun wieder kürzer und hatte außerdem eine rechteckige Brille mit schwarzem Rahmen. Sein Anzug war dunkelgrau und er hatte ihn mit einem blauen Hemd kombiniert. „Ach was“, erwiderte Joe abwinkend. „Darf ich euch meine Begleitung vorstellen? Das ist Kaori. Kaori, das sind Tais Schwester Kari und ihr Freund T.K. Er gehört auch zu unserer alten Gruppe.“ Kari riss die Augen auf. „Oh, wir sind nicht... er ist nicht mein Freund. Also wir sind befreundet, ja. Aber wir sind kein... also... ich meine...“ Sie spürte, wie sie knallrot anlief, während Joe und Kaori sie fragend ansahen und aus den Augenwinkeln bekam sie mit, dass auch T.K. sich zu ihr gedreht hatte. „Wie läuft das Studium, Joe? Mit der Medizin, meine ich. Arzt und so. Ist bestimmt schwer, oder?“ Sie lächelte und versuchte somit, ihr Gestammel zu überspielen. Was für eine peinliche Situation. Warum hatte sie seine Bemerkung nicht einfach ignoriert? „Ähm...“, machte Joe und schien verwirrt. „Das läuft gut. Ich habe im vergangenen Semester alle Prüfungen bestanden, also alles bestens.“ „Und was machst du? Studierst du auch?“, fragte T.K. an Kaori gewandt. „Ja, ich studiere auch Medizin. Daher kennen wir uns“, antwortete diese lächelnd und warf Joe einen liebevollen Blick zu. „Naja eigentlich kennen wir uns von dieser Party“, korrigierte Joe sie. Kaori kicherte und schien in Erinnerungen zu schwelgen. „Oh ja.“ „Das klingt nach einer schönen Geschichte“, warf Kari ein und setzte sich auf den Stuhl Joe gegenüber. T.K. nahm neben ihr Platz. „Ach, so viel gibt’s da gar nicht zu erzählen. Da war eben eine Party, auf der wir uns kennen gelernt haben“, meinte Kaori abwinkend. „Und Joe war so unangemessen höflich, dass es mich einfach umgehauen hat.“ „Anscheinend hat es ja geklappt“, bemerkte Kari lächelnd. Sie freute sich, dass der früher so steife Joe eine Freundin gefunden hatte. „Das hat es. Und es ist nun einmal meine Art, höflich zu sein“, erwiderte Joe gewichtig. „Wir planen gerade, zusammenzuziehen“, verkündete Kaori lächelnd. „Uh, dann steht ja vielleicht bald die nächste Hochzeit an“, grinste Kari und sah Joe vielsagend an, der nun rot wurde. „Oh, ich glaube, das hat noch ein bisschen Zeit“, murmelte er verlegen. „Ach, übrigens, Mimi ist also tatsächlich schwanger?“ T.K. und Kari nickten. „Das wusste ich noch gar nicht“, meinte Joe und hob die Augenbrauen. „Im wievielten Monat ist sie denn?“, fragte Kaori interessiert. „Im sechsten“, sagte Kari. „Oder sogar fast schon im siebten. Auf jeden Fall soll das Kind im Dezember kommen.“ Den Nachmittag verbrachten alle damit, Tai und Mimi ihre Geschenke zu überreichen, Kaffee zu trinken, zu plaudern und in der Parkanlage des Hotels zu spazieren und dabei das schöne Wetter zu genießen. Kari musste sich von Yolei über ihren Cousin Masaru ausquetschen lassen. Zunächst wollte Yolei wissen, wer er ist und nun fragte sie sie über alles Mögliche aus. Seufzend stützte Kari ihren Kopf auf einer Hand ab und nippte an ihrer Cola. Sie hoffte, dass es bald Zeit für das Abendessen war, sodass Yolei den Mund halten musste. „Denkst du, er steht auf Mädchen wie mich?“, fragte Yolei und musterte Kari mit großen Augen. „Mädchen wie dich?“, fragte Kari und hob eine Augenbraue. „Naja, ich bin ja schon ziemlich impulsiv. Und ich weiß, dass ich viel rede. Und manchmal bin ich ganz schön aufgedreht. Glaubst du, er mag das? Oder würde ich ihn damit eher nerven?“ Sie drehte sich um, als würde sie nach Masaru Ausschau halten, um zu erfahren, ob sie ihn vielleicht jetzt schon nervte. „Keine Ahnung“, antwortete Kari schulterzuckend. Die Wahrheit war, dass sie sich vorstellen konnte, dass Yolei Masaru tatsächlich ein wenig auf den Zeiger gehen könnte. Er war eher ein ruhiger, zurückhaltender Typ, jedoch nicht schüchtern. Er wirkte oft, als hätte er schlechte Laune. „Du bist seine Cousine, du musst doch wissen, was für Mädels er mag!“, erwiderte Yolei energisch und musterte Kari vorwurfsvoll. „Mensch, Yolei, ich weiß ja noch nicht einmal selbst, was für Typen ich so mag. Woher soll ich das dann bei anderen Menschen wissen?“, sagte Kari etwas gereizt. Yolei seufzte resigniert und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. „Sprich ihn doch einfach im Laufe des Abends mal an“, schlug Kari ihr versöhnlich vor. „Dann wirst du ja sehen, ob er dich vielleicht mag.“ „Ja, das werde ich wohl tun“, meinte Yolei und nickte. In diesem Moment ertönte aus dem Saal eine Glocke, die den Gästen verkündete, dass das Abendessen nun bereit war. Kari, Yolei und auch die anderen Gäste, die sich draußen befanden, machten sich nun auf den Weg in den Saal. Tai und Mimi hatten sich erhoben und hielten eine kurze Ansprache, in der sie betonten, wie sehr sie sich über die Anwesenheit der Gäste freuten. Dann war das Buffet eröffnet. Es war sehr reichhaltig und enthielt sowohl japanische als amerikanische Speisen als Hinweis auf Mimis Aufenthalt in den USA. Sie hatte darauf bestanden, typisch amerikanisches Essen in das Buffet einzubauen. „Mein Gott, ich bin fast verhungert“, meinte Tai neben Kari mit vollem Mund. „Was auch sonst“, erwiderte Kari grinsend und schob sich eine Portion Reis in den Mund. Sie blieb lieber beim japanischen Teil des Essens. „Mach dich ruhig lustig“, murmelte Tai. „Du kannst dich ja heute berieseln lassen.“ „Aber du dich doch ab jetzt auch. Das Schlimmste ist doch geschafft“, antwortete Kari. Tai schluckte seinen Bissen herunter. „Naja, die Party steht noch an und es ist erst wirklich geschafft, wenn sich keiner langweilt und die Stimmung gut ist.“ „Ach, das wird schon.“ Kari lächelte zuversichtlich. „Wenn nicht, sorgst du halt für Stimmung. Das kannst du doch ganz gut.“ „Nein, ich nicht. Aber Matt.“ Tais Blick flackerte zu Matt hinüber, der neben T.K. am Tisch der Freunde saß. „Deswegen habe ich ihn überhaupt eingeladen.“ Kari lachte. „Und du meinst, wenn alle sich langweilen, lässt du einfach Matt singen?“ „Nein, um Gotteswillen. Ich stelle ihn dann in die Mitte des Saals, sage ihm, er soll sich ausziehen, dann fallen die Frauen alle der Reihe nach in Ohnmacht und die Männer müssen sich um sie kümmern. Problem gelöst.“ „Das wirst du schön bleiben lassen“, zischte Mimi an Tais anderer Seite. „Du verdonnerst unsere Gäste nicht dazu, für gute Stimmung zu sorgen! Und schon gar nicht, indem du jemanden sich ausziehen lässt!“ „Naja, du darfst natürlich nicht hingucken“, erwiderte Tai und grinste sie an. „Dich hat ab heute nur noch mein Astralkörper zu interessieren. Da gibt es eh viel mehr zu sehen als bei Matt.“ Kari verdrehte die Augen und Mimi murmelte „Spinner“, bevor sie sich wieder ihrem Essen zuwandte. Nachdem alle gegessen hatten, begaben Tai und Mimi sich auf die Tanzfläche. Alle Gäste standen auf und postierten sich um die beiden herum, da sie nun den Eröffnungstanz tanzen würden. „Glaubst du, Tai hat tatsächlich Tanzen gelernt?“, fragte Yuuko an Kari gewandt. „Ich kann mir das irgendwie nicht vorstellen.“ „Das werden wir gleich sehen“, antwortete Kari und beobachtete gespannt Mimi und Tai, die sich aufstellten. Sie glaubte jedoch, dass Mimi Tai schon dazu gebracht hatte, Tanzen zu lernen. Sie hatte da immer ihre eigenen Mittel. Als alle Gäste verstummt waren und ihre volle Aufmerksamkeit dem Brautpaar gewidmet hatten, setzte der Walzer „Frühlingsstimmen“ von Johann Strauss ein und Tai und Mimi begannen zu tanzen. Mit großen Augen starrte Kari die beiden an. „Oh mein Gott! Siehst du, was ich sehe?“, fragte Yuuko baff. „Ja.“ Kari war fassungslos. War das wirklich ihr Bruder, der da gerade Walzer tanzte und dabei nicht einmal sonderlich steif aussah? Steckten in ihm womöglich verborgene Talente, von denen niemand etwas geahnt hatte? Doch nach etwa einer halben Minute war der Spuk vorbei, denn plötzlich stoppte die Musik und Tai und Mimi blieben stehen. Die Gäste sahen sich verwirrt an. War die Musik ausgefallen? Was war passiert? Dann setzte plötzlich ein Medley ein, beginnend mit „Rock this party“ von Bob Sinclar, gefolgt von Michael Jacksons „Thriller“ und Cyndi Laupers „Girls wanna have fun“. Außerdem enthielt das Medley noch „Lady Marmalade“ von Christina Aguilera, „Played a live“ von Safri Duo, „Barbie Girl“ von Aqua und zum Abschluss „Everybody“ von den Backstreet Boys. Zu jedem dieser Lieder gab es einen eigenen Tanz, den Tai und Mimi entweder synchron oder aber miteinander agierend tanzten und damit zur Erheiterung der Gäste beitrugen. Alle lachten sich kaputt, als Tai in „Barbie Girl“ die Barbie mimte und Mimi den Ken oder wie beide versuchten, bei „Thriller“ einen Moonwalk hinzulegen. Als die beiden schließlich in ihre Endposition gingen und die Musik verstummte, brachen die Gäste in Beifall und Jubelstürme aus. Sofort herrschte gute Laune und das erste Lied setzte ein, zu welchem sich nun alle Gäste auf die Tanzfläche begeben durften. Die jüngeren Gäste setzten sich jedoch wieder und ließen der älteren Generation den Vortritt. _ Mimi seufzte erschöpft und ließ sich auf den nächstbesten Stuhl fallen. Sie hatte die letzte Stunde damit zugebracht, mit allen möglichen Leuten zu tanzen: Tai, ihrem Vater, ihrem Großvater, ihrem Onkel und sogar mit Tais Vater. Doch nun war sie völlig erschöpft, als wäre sie soeben einen Marathon gelaufen. Sie schob das auf die Schwangerschaft. Geistesabwesend strich sie über ihren Bauch. „Hey, ist alles okay?“ Sie zuckte zusammen und hob den Blick. Izzy hatte sich neben sie gesetzt und sah sie besorgt an. „Ja, keine Sorge. Ich bin nur erschöpft“, antwortete Mimi lächelnd. „Also ist das da“, er deutete auf ihren Bauch, „nicht nur eine Folge von zu viel Essen?“ Verstört sah Mimi ihn an, musste dann aber lachen. Typisch Izzy. „Nein, das ist wirklich ein Baby. Ein Junge, um genau zu sein.“ „Wow. Herzlichen Glückwunsch“, murmelte er und stützte den Kopf auf der Hand auf. Sein Blick war ein wenig wehmütig. „Danke“, erwiderte Mimi und nippte an ihrem Orangensaft. „Du siehst übrigens wunderschön aus.“ Ein wenig mehr Wehmut schlich sich in seinen Gesichtsausdruck. Etwas betreten erwiderte Mimi seinen Blick. Seit Mimi aus Amerika zurückgekommen war, waren sie in die gleiche Klasse gegangen und seitdem war Izzy auch in Mimi verliebt gewesen. Doch sie hatte seine Gefühle nie erwidert. Sie mochte ihn sehr, ja. Aber nicht so sehr wie er sie. Er hatte versucht, sich nichts anmerken zu lassen, als Mimi damit begonnen hatte, offensichtlich mit Tai zu flirten, doch es musste ihn sehr verletzt haben. Er war ohne Begleitung auf der Hochzeit erschienen. „Ich freue mich sehr, dass du gekommen bist. Wie geht es dir so? Gibt es jemanden in deinem Leben?“, fragte Mimi. „Nein“, sagte Izzy schief lächelnd. „Sonst hätte ich diejenige bestimmt mitgebracht.“ Mimi nickte langsam. „Und wie läuft dein Informatikstudium so? Kommst du zurecht?“ „Läuft gut.“ Er nippte an seinem Bier. „Ist einfacher, als ich dachte, wenn ich ehrlich bin.“ „Du bist eben ein Genie.“ Mimi kicherte. _ Die Sonne war untergegangen und die Party in vollem Gange. Kari saß mit ihren Cousins Masaru und Satoshi zusammen und plauderte über alles Mögliche. Sie genoss es, mit den beiden zu reden. Sie standen sich zwar nicht sonderlich nahe, da sie sich stets nur an Familienfeiern gesehen hatten, doch jedes Mal hatten sie sich gut verstanden und viel Spaß gehabt. T.K. war auf sie zugekommen und fragend wandte Kari sich an ihn. Auch Masaru und Satoshi sahen ihn an. T.K. grüßte die beiden mit einem Kopfnicken und bot Kari dann eine Hand an. „Möchtest du tanzen?“ Es war sein Lächeln, das Kari beinahe dazu brachte, seine Hand zu ergreifen und aufzuspringen, doch sie wandte sich an ihre Cousins. „Na geh schon“, sagte Satoshi grinsend und machte eine Handbewegung, als wollte er sie wie eine Fliege verscheuchen. „Der Abend ist ja noch lang genug.“ Kari lächelte, nahm T.K.s Hand und stand auf. Gemeinsam gingen sie auf die Tanzfläche und mischten sich mitten unter die Discofox tanzenden Pärchen. „Waren das deine Cousins?“, fragte T.K. nach einigen Augenblicken des Schweigens. „Ja“, antwortete Kari und sah ihm eine Sekunde später überrascht in die Augen, als ihr eine Erkenntnis kam. „Was dachtest du denn, wer das ist?“ „Keine Ahnung“, sagte T.K. schulterzuckend. „Ich hatte die beiden nur irgendwie anders in Erinnerung.“ „Warst du etwa eifersüchtig?“ Kari lächelte ihn herausfordernd an. „Ach, red keinen Mist“, murmelte T.K., wich ihrem Blick aus und zog sie in eine etwas ruckartige Drehung. „Du warst wirklich eifersüchtig!“, schlussfolgerte Kari kichernd. T.K. verdrehte die Augen und schob sie mit einer Hand von sich, um sie dazu zu bringen, eine Drehfigur auszuführen. „Hab dich doch nicht so“, meinte Kari lachend, als sie sich wieder direkt vor ihm befand. „Ich war auch schon eifersüchtig auf Aya, wenn ich ehrlich bin.“ „Wirklich? Hat man fast nicht gemerkt“, antwortete er sarkastisch und grinste. „Blödmann“, erwiderte Kari und streckte ihm die Zunge raus. „Du hättest auch einfach zugeben können, dass du eifersüchtig warst.“ „Ich möchte aber nicht lügen.“ Er lächelte verschmitzt. „Warum tust du's dann?“ Er stöhnte genervt auf. „Hikari Yagami, würdest du jetzt bitte einfach mit mir tanzen und den Mund halten?“ Entrüstet zog Kari eine Schnute, sodass er lachte. „Jetzt siehst du wieder süß aus. Aber das soll ich ja nicht sagen.“ „Richtig.“ Er sah sie nachdenklich an. Kari erwiderte seinen Blick und ertappte sich dabei, wie sie sich in seinen blauen Augen verlor. Sie erschienen ihr immer so unergründlich und Kari könnte sie den ganzen Tag ansehen. „Du siehst sehr hübsch aus. Gefällt dir das besser?“, fragte er schließlich. „Hm.“ Kari dachte kurz nach. „Ja, ein wenig.“ T.K. hob die Augenbrauen. „Ein wenig? Das klingt nicht gerade begeistert.“ „Das 'umwerfend' von heute Nachmittag fand ich gut“, meinte sie grinsend. „Das wollte ich aber nicht schon wieder sagen“, erwiderte er. Sie spürte, wie seine Hand von ihrem Brustwirbelbereich, wo sie eigentlich hingehörte, in den Lendenwirbelbereich rutschte und er sie ein wenig näher an sich zog. Er beugte sich so weit vor, dass seine Lippen fast ihr Ohr berührten und sie seinen Atem spüren konnte. „Wie wäre es mit 'atemberaubend'?“ Dieses Wort beschrieb zumindest das, was er mit ihr gerade machte. Er raubte ihr den Atem, sodass sie nach Luft schnappte, als er sich wieder so weit von ihr entfernte, dass er sie ansehen konnte. Ein wohliger Schauer war ihr über den Rücken gekrochen. „Vielleicht ein wenig übertrieben?“, meinte sie. Er hob eine Augenbraue und schüttelte den Kopf. „Dir kann man es auch nicht recht machen.“ Sie lächelte schwach und versuchte, sich auf das Tanzen zu konzentrieren, das sie in den letzten Sekunden, in denen sie ihm so nahe war, völlig automatisch getan hatte. Auch auf die Musik lauschte sie nun. Ja, tanzen und Musik. Allmählich wich die Hitze aus ihrem Körper. _ Das Geschehen um sich herum ausblendend tippte Sora eine SMS an Fabio. Er hatte sie gefragt, wie es ihr ging und ob die Hochzeit schön war. Und er beteuerte, wie sehr er sie vermisste. Sie hatte geseufzt und schrieb ihm gerade, dass sie ihn auch vermisste. Sie wünschte wirklich, er wäre hier. Sie hätte ihn zu gern ihren Freunden vorgestellt und auch andersherum ihm gern ihre Freunde gezeigt, damit er die Leute endlich einmal kennenlernte, von denen sie immer so viel redete. Natürlich kannte er Fotos, doch das war immer noch etwas Anderes. „Die Jugend von heute klebt aber auch wirklich an ihren Handys.“ Sora blickte auf und sah in Matts Gesicht, der sich neben sie setzte. Vor ein paar Minuten hatte sie ihn noch mit Ken zusammensitzen sehen. „Entschuldige, Großvater. Ich wusste nicht, dass ich so viel jünger bin als du“, antwortete Sora keck grinsend, schickte die SMS ab und schob ihr Handy zurück in ihre cremefarbene Handtasche. Er zuckte mit den Schultern, stützte einen Arm auf dem Tisch ab und musterte sie mit seinen blauen Augen. Wie auch schon vor drei Jahren fiel ihm das strohblonde Haar ins Gesicht. „Willst du gar nicht tanzen?“, fragte er. „Ehrlich gesagt nein“, gestand sie. „Ich bin furchtbar schlecht im Tanzen.“ „Und ich dachte, du hättest es mittlerweile gelernt“, erwiderte er spöttisch lächelnd. Sora hob eine Augenbraue. „Und wie sieht's mit dir aus, Mister Ich-stolpere-über-meine-eigenen-Füße?“ „Also erstens war ich ein besserer Tänzer als du, falls du dich an unseren Abschlussball erinnerst, und zweitens musste ich für ein paar Musikvideos Tanzen lernen“, antwortete er schief lächelnd. „Für Musikvideos? Da hüpfst du doch meistens nur durch die Gegend und tust so, als würdest du singen“, stichelte Sora und sah ihn herausfordernd an. „Du siehst sie dir also an?“ „Gelegentlich.“ Ertappt wandte Sora den Blick ab und nippte an ihrer Weinschorle. „Wenn man einen Musiksender einschaltet, bekommt man sie praktisch aufgezwungen.“ „Tja, es steht jedem frei, einfach wegzuschalten“, erwiderte Matt schulterzuckend. Das Problem war nur, dass Sora nie wegschalten wollte. In Wirklichkeit sah sie sich Musiksender an in der Hoffnung, die Teenage Wolves zu sehen. Das hatte nichts damit zu tun, dass sie Matt noch liebte. Sie waren einfach Freunde und sie freute sich für ihn, wenn sie sah, dass er mit seiner Band Erfolg hatte. Aber irgendwie wollte sie das ihm gegenüber nicht zugeben. Es war seltsam, hier in seiner Nähe zu sitzen und über belanglose Dinge zu reden, wo sie doch einmal so verknallt ineinander gewesen waren. Ja, sie hatten sich einvernehmlich getrennt, weil sie beide keine gemeinsame Zukunft für sich gesehen hatten. Sie in Italien, er in der ganzen Welt. Das war einfach aussichtslos gewesen. Und trotzdem war zumindest Sora gerade in den ersten zwei Wochen am Boden zerstört gewesen. Dass sie die Trennung so sehr mitnehmen würde, hatte sie nicht erwartet. Sie hatten miteinander ausgemacht, dass sie zumindest ein paar Wochen lang keinen Kontakt zueinander haben würden, um Zeit zu haben, darüber hinwegzukommen. Dies war die Zeit, in der Sora sich in Mailand eingelebt und neue Leute kennengelernt hatte. Plötzlich war sie so sehr damit beschäftigt gewesen, sich an ihr neues Leben zu gewöhnen, dass sie die Trennung Stück für Stück verarbeitet hatte, ohne es wirklich zu merken. Sie war dauerhaft abgelenkt und hatte schon gegen Ende ihres ersten Semesters Fabio kennen gelernt. Drei Monate später waren sie ein Paar. Und noch einen Monat später hatte sie das erste Mal eine E-Mail an Matt geschrieben, in der sie ihn fragte, wie es ihm so ging. Daraus hatte sich ein sporadischer, unregelmäßiger Mailkontakt entwickelt, der jedoch immer karger geworden war. Gesehen hatten sie sich ein einziges Mal in den Weihnachtsferien, doch da waren auch ein paar der anderen dabei gewesen, sodass sie nicht wirklich viel miteinander geredet hatten. Und nun saßen sie hier als Freunde. Mehr oder weniger. Sora seufzte. „Ich muss mal frische Luft schnappen gehen.“ Matt nickte nur langsam und trank einen Schluck von seinem Bier, während Sora aufstand. „Wenn du willst, kannst du auch mitkommen. Allein ist es so langweilig“, fügte sie noch etwas verlegen hinzu. Er zögerte, doch dann zuckte er mit den Schultern und stand auf. „Klar, warum eigentlich nicht?“ _ Cody hatte ihn vor einer Sekunde stehen gelassen, weil er mal bei Joe vorbeischauen wollte, der soeben von der Tanzfläche gekommen war. Doch Ken fand das nicht schlimm. Er hatte ohnehin einen Plan zu verfolgen. Er lehnte sich gegen den Tisch, nippte an seinem Wasser und beobachtete Davis. Für heute hatte er sich fest vorgenommen, mit Davis zu reden und ihn nicht gehen zu lassen, bis er ihm endlich sein Problem verraten hatte. Hochzeiten waren doch der ideale Zeitpunkt, um Streitigkeiten zu klären, oder nicht? Jeden beschissenen Tag der vergangenen beiden Monate hatte Ken darüber nachgedacht, was er falsch gemacht hatte. Er war enttäuscht von Kari, die wusste, was es war und es ihm nicht sagte. Klar war sie mit Davis befreundet, aber er fühlte sich ein wenig außen vor. Immerhin war er doch genauso gut mit Kari befreundet wie Davis, oder etwa nicht? Davis unterhielt sich gerade mit einem ehemaligen Fußballkumpel von Tai. Wie sollte Ken nur einen geeigneten Moment abpassen, um ihn anzusprechen? Einfach auf ihn zugehen mit den Worten „Kann ich mal mit dir reden?“ Oder warten, bis er zur Toilette musste und ihn dort abfangen? Warten, bis er allein war? Aber was, wenn das an diesem Abend nicht passierte? „Hey Kumpel, geht’s dir gut?“ Tai hatte Ken aus seinen Gedanken gerissen. Mit einem Glas Bier in der Hand war er gerade an ihm vorbeimarschiert und musterte ihn nun neugierig. „Ja, klar“, antwortete Ken schulterzuckend. „Und warum stehst du dann so allein herum?“, fragte Tai weiter. „Tu ich nicht. Ich wollte gerade zu Davis gehen, aber der ist in ein Gespräch vertieft“, antwortete Ken wahrheitsgemäß. „Ich bin nur höflich und warte.“ Wer wusste, was in Tais Kopf vorging, aber plötzlich wurde sein Blick ein wenig mitleidig, als er zu Davis und dem Fußballtypen hinübersah. „Ich regle das“, verkündete er und ehe Ken fragen konnte, was genau er regeln wollte, war Tai auf dem Weg zu Davis. Verdutzt sah Ken ihm nach, dann eilte er hinterher, um ihn aufzuhalten, doch es war zu spät. „Hey Keisuke“, rief Tai dem anderen jungen Mann zu, der seine Aufmerksamkeit von Davis abwandte. „Lass uns einen trinken, okay? Ich hab' dir doch gesagt, du sollst die Leute nicht so vollquatschen.“ Keisuke grinste und schüttelte den Kopf. „Na komm schon“, redete Tai weiter und boxte ihm gegen den Arm. „Ich bin der Bräutigam. Du kannst mir heute nichts ausschlagen.“ „Schon okay“, hörte Ken Davis sagen. Keisuke zuckte mit den Schultern, stand auf und folgte Tai, der sich noch einmal kurz umdrehte, Ken angrinste und dann ging. Völlig irritiert stand Ken dort ein paar Schritte von Davis entfernt und starrte ihm nach. Typisch Tai. Hätte er mal lieber nichts gesagt. So hatte er sich das nicht vorgestellt, auch wenn es einfach gewesen war. Er fing Davis' Blick auf und erinnerte sich wieder an sein eigentliches Vorhaben. Davis wandte den Blick schon wieder ab und machte Anstalten, aufzustehen, doch in diesem Moment bewegte Ken sich endlich wieder. „Nein“, sagte er entschieden und setzte sich auf den Stuhl, auf dem Keisuke bis eben noch gesessen hatte. „Was nein?“, fragte Davis. „Bleib“, antwortete Ken einsilbig und sah ihn eindringlich an. Davis runzelte verwirrt die Stirn, hielt seinem Blick ein paar Sekunden stand und wollte dann erneut aufstehen, doch Ken packte grob sein Handgelenk und zog ihn zurück. „Du wirst jetzt nicht abhauen“, sagte er schärfer, als er es geplant hatte. „Erzähl mir endlich, was los ist, verdammt!“ „Nein“, antwortete Davis schlicht und befreite sich aus seinem Griff. „Was soll das, Davis? Ganz ehrlich, was habe ich dir getan?“, fragte Ken und musste sich zusammenreißen, um nicht zu wütend zu klingen, obwohl er es war. Er verstand Davis einfach nicht. „Nichts“, murmelte Davis ausweichend. „Nichts? Das ist deine Antwort? Und warum benimmst du dich dann in letzter Zeit wie ein kompletter Vollidiot?“, platzte Ken heraus. Erschrocken riss Davis die Augen auf. Ja, solche Ausbrüche war man von einem Ken Ichijouji nicht gewöhnt. Doch ihm war einfach der Kragen geplatzt. Zu oft hatte er versucht, ruhig mit Davis zu reden, einfühlsam zu sein, Verständnis zu zeigen für ein Problem, das er nicht kannte. „Was ist los mit dir? Ich dachte, wir wären Freunde, aber das ist eine Seite an dir, die ich noch nicht kannte. Wer bist du eigentlich? Was ist mit dem Davis passiert, der immer gesagt hat, was er denkt? Wenn das jetzt dein wahres Gesicht ist, dann weiß ich nicht, ob ich überhaupt noch mit dir befreundet sein will!“, fuhr Ken fort und wurde mit jedem Satz ein wenig lauter. Zum Glück war die Musik so laut, dass die umsitzenden Menschen nicht auf sie aufmerksam wurden. „Dann kannst du mich doch auch einfach in Ruhe lassen“, brachte Davis zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Nein, kann ich nicht!“, polterte Ken. „Findest du denn nicht wenigstens ein bisschen, dass ich es verdient habe, zu wissen, warum du mir aus dem Weg gehst, von einem Tag auf den anderen? Hat es was mit Nana zu tun?“ „Nein.“ „Womit dann?“ „Mit nichts.“ „Verdammt!“ Ken schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass Davis' Glas klirrte. „Was geht nur in dir vor? Was hat sich verändert, dass du mich jetzt hasst?“ „Ich hasse dich nicht!“, rief Davis plötzlich lauter als Ken zuvor. „Eher das Gegenteil ist der Fall. Ich empfinde mehr für dich, als ich sollte, kapiert? Ich will das nicht, aber ich kann nichts dagegen machen! Es macht mich krank, dich mit ihr zusammen zu sehen, okay? Und jetzt hör endlich auf, mir bescheuerte Fragen zu stellen!“ Mit diesen Worten sprang Davis auf und stürmte davon. Wie vor den Kopf gestoßen blieb Ken auf seinem Stuhl sitzen und starrte noch immer auf den Fleck, an dem sich bis vor wenigen Sekunden noch Davis' Gesicht befunden hatte. Was hatte er ihm da gerade versucht zu erklären? Er empfand mehr für ihn, als er sollte? War Davis etwa... _ „Mein Gott, ich kann nicht mehr“, seufzte Kari erschöpft und fächelte sich mit der flachen Hand Luft zu. Soeben hatte sie aufgehört zu tanzen. Erst war T.K. eine Weile ihr Partner gewesen, dann ihr Vater und dann Satoshi. Nun stand sie draußen gegen die steinerne Brüstung gelehnt, die die Terrasse des Hotels umgab und genoss die kühle Abendluft. T.K. war mit ihr gekommen und musterte sie amüsiert. „Ich dachte, du bist das viele Tanzen gewöhnt.“ „Nicht in diesen Schuhen“, erwiderte Kari und deutete auf ihre High Heels. „Meine Füße tun echt weh.“ „Du hättest ja auch flache Schuhe anziehen können“, meinte T.K. und lehnte sich neben ihr an die Brüstung. „Nein, das geht nicht“, antwortete Kari entschieden. „Warum nicht?“ „Darum.“ Verwirrt runzelte er die Stirn, dann schüttelte er den Kopf. „Ich glaube, es ist besser, wenn ich nicht darüber nachdenke.“ Kari kicherte nur. „Wollen wir ein Stück gehen? Ich würde mir gern den Park ansehen.“ „Im Dunkeln?“ „Da sind doch überall Lichter.“ „Und was ist mit deinen Füßen, die dir so weh tun?“ Kurzerhand zog Kari sich die Schuhe aus, nahm sie in die Hand und lächelte ihn an. „Also kommst du mit, oder was?“ „Klar.“ Sie verließen die Terrasse über eine kleine Treppe und gingen einen Weg gesäumt von Büschen und Blumen entlang, der direkt zu einem großen Springbrunnen führte, der über Nacht jedoch ausgestellt war. Je weiter sie sich vom Hotel entfernten, desto leiser und dumpfer wurden die Musik und die Stimmen der Gäste und desto lauter das Zirpen der Zikaden. Sie bogen ab und gingen nun auf einen kleinen, weißen Pavillon zu, der von einer Lichterkette umgeben war. Drei Stufen führten dort hinauf, doch als sie sich noch ein wenig näherten, sahen sie, dass der Pavillon bereits besetzt war. Enttäuscht wollte Kari einen anderen Weg einschlagen, als sie die beiden Personen dort erkannte. „Sind das nicht Matt und... Sora?“, fragte sie und blieb stehen. „Ich glaube schon“, antwortete T.K. Kari kniff die Augen zusammen. Ja, die linke Person war ein Mann mit blondem Haar und die rechte eine Frau mit kurzem, goldenen Kleid. Das waren eindeutig Matt und Sora. „Was die wohl reden? Komm, lass uns näher rangehen und...“ „Nein.“ Kari hatte schon Anstalten gemacht, auf den Pavillon zuzulaufen, doch T.K. hatte ihr Handgelenk gepackt und sie festgehalten. Verwirrt drehte sie sich um. „Näher rangehen und was? Willst du sie belauschen?“, fragte T.K. und hob die Augenbrauen. „Naja, ich dachte nur... ich meine, es ist ja schon irgendwie komisch“, stammelte Kari. „Nein, das kannst du allein machen. Ich belausche garantiert nicht meinen eigenen Bruder und seine Ex“, entgegnete T.K. entschieden. Aus seinen Worten schlussfolgerte Kari, dass auch er annahm, dass da irgendwas im Busch war. Sie warf einen unschlüssigen Blick zu den beiden jungen Menschen im Pavillon und nickte schließlich enttäuscht. Yolei und Mimi wären garantiert dabei. „Na komm schon. Ich dachte, du wolltest dir den Park ansehen“, sagte T.K. nun, nahm ihre Hand und zog sie in die entgegengesetzte Richtung, um einen anderen Weg zu gehen. Sie liefen ein Stück schweigend durch den Park und Kari bewunderte die Anlage. Alles war voller hübscher Blumen und Bäume, gespickt mit weißen Bänken hier und da. Kleine Lampen beleuchteten die Wege und tauchten alles in ein goldenes Licht. Dies war wirklich ein traumhafter Ort für eine Hochzeit. T.K. hielt noch immer ihre Hand. Sie fühlte sich warm und sicher an und veranlasste Kari dazu, Geborgenheit zu spüren. Gleichzeitig fragte sie sich jedoch, ob es langsam an der Zeit war, mit ihm über das zu sprechen, was sie miteinander hatten. Ganz normale Freunde waren sie schließlich nicht mehr, aber ein Paar waren sie auch nicht. Kari wusste nicht, was sie für ihn empfand. War es Liebe? War es einfach nur Verknalltsein, das in ein paar Wochen wieder aufhören würde? Oder verwechselte sie vielleicht sogar nur die innigen Gefühle einer Freundschaft mit dem Verliebtsein? Und wie sah T.K. die Sache? Ob er sich wohl auch Gedanken darüber machte? Und was wollte Kari eigentlich? Bis vor kurzem hatte sie nicht einmal mit ihm geredet und nun verdrehte er ihr den Kopf. Wollte sie eine Beziehung mit ihm oder reichte es ihr so, wie es gerade war? Sie versuchte, sich vorzustellen, wie es sich anfühlen würde, wenn T.K. genau jetzt zu diesem Zeitpunkt plötzlich eine Beziehung mit einem anderen Mädchen eingehen würde. Womöglich Aya oder dieser Isabelle. Auf einmal fühlte es sich an, als würde etwas ihr Herz umklammern und versuchen, es herauszureißen. T.K. mit einem anderen Mädchen zu sehen erschien ihr im Moment unvorstellbar. „Woran denkst du gerade?“ Aus ihren Gedanken gerissen wandte Kari den Blick zur Seite und sah T.K. an, der sie neugierig musterte. „Du wirktest gerade so nachdenklich.“ „Ach, nur an die Hochzeit“, log Kari. „Und an was denkst du so?“ Sie hatte nicht wirklich eine Antwort erwartet, sondern diese Frage nur gestellt, um die Aufmerksamkeit von sich zu lenken. Doch er blieb stehen und sah sie an. Verwirrt erwiderte Kari seinen Blick. „Gerade denke ich daran, dass du einen Knall hast.“ Kari brauchte einen Moment, um zu reagieren. Sollte das ein Scherz sein? Sein Gesichtsausdruck war todernst. „Wie bitte?“ „Du hast mich schon verstanden“, erwiderte er. „Ich meine, ich verstehe einfach nicht, warum du anscheinend solche Probleme mit deinem Selbstbewusstsein hast. Hast du dich schon mal angesehen? Du bist wunderschön, klug, nett, hilfsbereit und hast Freunde. Warum zweifelst du eigentlich immer so viel an dir?“ Kari öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch ihr fiel nichts ein. Sie fühlte sich gerade überrollt. Warum musste er sie ausgerechnet auf ihr Selbstbewusstsein ansprechen? Und warum ausgerechnet jetzt? „Was ist es, das dir solche Probleme macht?“, fragte T.K. weiter und starrte sie unverwandt an, sodass Kari einen Schritt zurücktrat. „Ich...“ Sie fühlte sich in die Enge getrieben und trat noch einen Schritt zurück. T.K. wiederum kam einen Schritt auf sie zu. „Ist es wegen Shinji?“, wollte er wissen. „Oder war das schon vorher so? Hat irgendjemand anderes irgendeinen Scheiß mit dir gemacht?“ Kari wich noch einen Schritt zurück und stieß mit dem Rücken gegen einen breiten Baumstamm. Sie spürte die raue Rinde auf der nackten Haut ihrer Schulterblätter. „T.K., bitte...“ „Was?“, fragte er aufgebracht. „Hör auf“, murmelte sie leise. Seine Hand schob ihr eine Haarsträhne aus der Stirn, strich sanft über ihre Wange und blieb an ihrem Hals ruhen. Er trat noch einen kleinen Schritt an sie heran, sodass ihre Körper sich nun berührten. Langsam legte er seine Stirn an ihre und schlug die Augenlider nieder. Karis Herz schlug ihr bis zum Hals. „Ich meine ja nur, dass du gar keinen Grund hast, dich so unsicher zu fühlen. Ich glaube, du weißt gar nicht, wie du auf manche Menschen wirkst“, hauchte er. Sie war überrumpelt von seinen Stimmungsschwankungen. Erst locker, dann aufgebracht und jetzt auf einmal ruhig. Sie konnte seinen warmen Atem auf ihren Lippen spüren, was sie ganz kribbelig machte. Ihr wurde heiß und kalt zugleich und in ihrem Magen breitete sich ein prickelndes Gefühl aus. Als sie seine Lippen schließlich auf ihren spürte, unterbrach sie den noch nicht begonnenen Kuss jedoch. „Ähm... warte“, sagte sie und drückte ihre Hände gegen seine Brust, um ihn somit von sich wegzuschieben. Verwirrt sah er sie an. „I-ich glaube, wir sollten lieber wieder auf die Hochzeit zurück gehen.“ T.K. hob überrascht die Augenbrauen, kratzte sich am Nacken und brauchte eine Weile, um zu reagieren. Kari freute sich fast schon, dass sie ihn scheinbar völlig aus dem Konzept gebracht hatte. Sie drängte sich an ihm vorbei und machte sich auf den Weg zurück ins Hotel. T.K. folgte ihr. „Ist alles... okay?“, fragte er nach einer Weile. „Mhm“, murmelte Kari unsicher. Sie wusste selbst nicht, was genau sie dazu gebracht hatte, die Szene unterm Baum zu beenden. Sie hatte sich von ihm bedrängt gefühlt und wusste außerdem nicht, was sie wollte, jetzt, wo es gerade ernst werden konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)