Fünf Jahre von Juju ((K)eine Freundschaft für immer) ================================================================================ Kapitel 44: Ein unverhofftes Ehegelübde --------------------------------------- Für Karis Begriffe viel zu früh machte sie sich auf den Weg zu Mimi. Die Brautjungfern trafen sich alle in ihrer und Tais Wohnung, um ihr beim Anziehen, Frisieren und Schminken zu helfen. Halb acht musste Kari bei Mimi sein. „Hast du alles?“, fragte Yuuko und musterte sie, wie sie ihre Tasche kontrollierte. „Ich glaube schon“, murmelte Kari. Kleid und Schuhe waren da, alles andere war nebensächlich. Sie schulterte die Tasche und sah ihre Mutter an. „Na dann bis nachher.“ „Ich bin schon gespannt. Habe kaum geschlafen heute Nacht“, sagte Yuuko und rieb sich über die Stirn. „Hoffentlich geht alles glatt.“ Kari nickte und ging aus der Wohnung. Auch sie war ein bisschen aufgeregt. Sie hoffte, dass sie keinen Fehler machte, der Mimi dazu veranlassen würde, unzufrieden mit ihr zu sein. Es musste einfach alles perfekt laufen. Sie realisierte kaum die Dauer der Fahrt zu Tais und Mimis Wohnung und war fast ein wenig überrascht, als sie ankam. Wie schnell eine Stunde doch vergehen konnte. Ihre Gedanken waren komplett bei der Trauung gewesen und wie diese wohl ablaufen würde. Und wie Mimis Kleid wohl aussah. Sie hatte bisher ein riesiges Geheimnis darum gemacht und nur Sora wusste, wie es aussah, was daran lag, dass sie es entworfen hatte. Andernfalls wäre Mimi wahrscheinlich die Einzige, die wusste, wie ihr Kleid aussah. Kari stieg die Treppen zur Wohnung hinauf und drückte auf den Klingelknopf. Es dauerte eine Weile, bis die Tür geöffnet wurde und Kari fragte sich schon, ob Mimi bereits die Nerven verloren hatte. Schließlich erschien Sora im Türrahmen und sah ein wenig gestresst aus. „Hi. Komm rein“, begrüßte sie Kari lächelnd und trat zur Seite. „Yolei ist auch vor einer Sekunde gekommen.“ Kari betrat die Wohnung und stellte ihre Tasche ab. Das Wohnzimmer sah aus wie ein Schlachtfeld. Überall waren Tüten und diverse Kosmetika verteilt. Die Brautjungfernkleider von Sora und Yolei lagen auf dem Sofa bereit und warteten darauf, endlich angezogen zu werden. Mimi rannte in Unterwäsche und mit feuchten Haaren quer durchs Wohnzimmer und wirkte alles andere als entspannt. „Das mit den Blumen geht klar, Sora?“, fragte sie und holte ein paar Gläser aus dem Schrank in der Küche. „Der Brautstrauß ist doch das Wichtigste. Oh, hallo Kari.“ „Ja, das geht klar“, antwortete Sora mit sanfter Stimme. „Mach dir keine Sorgen. Ich habe vorhin noch mit meiner Mutter telefoniert.“ „Ich hoffe, mit dem Essen läuft nachher alles. Der Typ hat sich nicht mehr gemeldet. Dabei sollte er mir noch sagen, ob wir die Pilzsuppe auch ohne Petersilie bekommen können. Oh, und die Fischplatte! Da sollte doch...“ Mimi murmelte irgendetwas vor sich hin, während sie geistesabwesend vier Gläser mit Wasser füllte. „Mann, die Frau macht mich fertig“, bemerkte Yolei, die Mimi stirnrunzelnd beobachtete. „Hoffentlich kriegt sie keinen Nervenzusammenbruch.“ „Sie ist heute Nacht aufgewacht und hat mich gefragt, wo ihr Kleid ist“, seufzte Sora. „Sie hat geträumt, ich hätte es einer anderen Braut geschenkt. Sie war kurz davor, loszulaufen und es sich zurückzuholen.“ Kari kratzte sich am Kopf. „Oje oje. Tai ist das komplette Gegenteil. Als ich vorhin losgegangen bin, hat er noch seelenruhig geschlafen.“ Sora und Yolei lachten. „Das sieht ihm ähnlich“, kommentierte Sora. „Der soll gefälligst aufstehen und sich darum kümmern, dass alles gut geht“, rief Mimi empört und drückte Yolei und Kari je ein Glas Wasser in die Hand. „Der spinnt wohl. Ich glaub's nicht.“ „Mimi möchtest du dein Kleid schon anziehen? Dann musst du das nicht mehr machen, wenn deine Haare fertig sind“, fragte Sora und lenkte somit geschickt vom Thema Tai ab. „Oder wollen wir uns erst um Haare und Make-up kümmern?“ „Erst das Kleid“, bestimmte Mimi. „Obwohl... nicht, dass es Haarspray abkriegt. Vielleicht doch erst die Haare. Aber nein, dann zerstöre ich vielleicht die Frisur beim Anziehen.“ Mit weit aufgerissenen Augen drehte sie sich um und sah zwischen ihren Brautjungfern hin und her, die ihren Blick verwirrt erwiderten. „Ich weiß es nicht! Sagt ihr es mir!“ Sie schnappte nach Luft, raufte sich die Haare und sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. „Okay, Süße“, ergriff Yolei das Wort, ging auf Mimi zu, drängte sie sanft zur Couch und brachte sie dazu, sich hinzusetzen. „Alles wird gut. Hol mal Luft und trink einen Schluck.“ Sora reichte ihr eines der übriggebliebenen Wassergläser und motivierte sie dazu, daran zu nippen. Unterdessen griff Yolei nach ihrer Hand und drückte sie fest und Kari streichelte ihr beruhigend die Schulter. „Jetzt mach dir nicht so einen Stress“, sagte sie. „Es ist alles gut. Wir warten jetzt zehn Minuten, bis du dich beruhigt hast und dann machen wir weiter.“ „Denk an das Baby“, forderte Sora sie auf. „Was soll der Kleine in deinem Bauch denn denken, wenn du hier so viel Wind machst? Da bekommt er doch Angst.“ „Mein Baby.“ Mit besorgtem Blick legte Mimi die Hände auf ihren Bauch und streichelte ihn sanft. „Entschuldige. Ich wollte dir keine Angst machen.“ „Siehst du? So ist es gut“, sagte Sora und strich Mimi durch das noch immer feuchte Haar. „Und jetzt ziehen wir dir erst mal dein Kleid an, bevor wir uns um den Rest kümmern, in Ordnung?“ Mimi nickte und stand auf, während Kari und Yolei aufatmeten. Wie sollte das nur weitergehen? Der Tag hatte gerade einmal begonnen. Es war ein wenig mühselig, Mimi beim Anziehen des Kleides zu helfen, das aus zu viel Stoff bestand. Sora schnürte es hinten zu und Kari und Yolei zupften es vorn und an den Seiten zurecht. „So“, sagte Sora und trat einen Schritt zurück. „Ich hoffe, es ist nicht zu fest oder zu locker.“ Mimi entfernte sich einen Schritt von ihr, strich mit den Händen über ihr Kleid und drehte sich langsam um die eigene Achse. Unwillkürlich hielt Kari die Luft an. Das Kleid war ein Traum. Es hatte keine Träger und der Brustbereich war bestickt mit winzigen Perlen. Ähnlich wie auch bei den Brautjungfernkleidern befand sich unter der Brust ein Band, unter welchem das Kleid dann lang, weit und mit viel Tüll nach unten fiel. Dabei umspielte es sanft Mimis Babybauch und machte ihn fast schon unsichtbar. Zumindest stach er nicht sofort heraus, wenn man Mimi so sah. „Es ist wunderschön“, flüsterte Yolei und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Kari nickte langsam und Mimi lächelte. „Wollt ihr mal sehen, welche Schuhe ich dazu anziehen werde?“, fragte sie mit leuchtenden Augen. Auf einmal wirkte sie wieder viel entspannter und besser gelaunt, wie eine Braut an ihrem Hochzeitstag auch sein sollte. „Klar“, erwiderten die anderen Mädchen wie aus einem Munde und Mimi lief ins Schlafzimmer und kam kurz darauf mit einem Paar marineblauer Pumps zurück. „Ich hatte noch immer nichts Blaues und da fiel mir ein, ich könnte doch einfach blaue Schuhe anziehen“, erklärte sie und hielt die Pumps hoch. „Toll, oder?“ „Ja, super Idee. Die sind echt schön“, antwortete Yolei eifrig nickend. „Gute Wahl“, meinte Sora lächelnd. „Jetzt müssen wir uns aber um deine Haare kümmern. Nicht, dass wir noch in Zeitnot geraten.“ Die folgende Stunde verbrachten sie damit, Mimi zu frisieren. Sie flochten kleine Strähnen in ihre langen, braunen Haare, toupierten hier und da ein wenig, arbeiteten mit einem Lockenstab etwas nach, steckten an die zwanzig Haarklammern fest, verwendeten Unmengen Haarspray, bis sie schließlich zufrieden waren, einen Schritt von Mimi zurücktraten und sie musterten. Sie hatten ihre Haare halboffen gelassen, indem sie nun lockig über ihre rechte Schulter auf ihre Brust fielen. „Also mir gefällt's“, meinte Kari. „Das Wichtigste fehlt noch“, sagte Sora, verschwand im Schlafzimmer und kam mit dem Diadem von Mimis Mutter in den Händen zurück. Es war schmal, schlicht und mit perlmuttfarbenen Steinchen versehen. Behutsam befestigte sie es auf Mimis Kopf. „Jetzt ist es perfekt.“ „Ich gehe mich mal ansehen“, verkündete Mimi, sprang auf und lief ins Schlafzimmer. „Und wir sollten uns auch mal fertig machen“, sagte Sora an Yolei und Kari gewandt. Sie schlüpften alle drei in ihre Brautjungfernkleider und musterten sich gegenseitig. Soras Augen leuchteten. „Ich wusste, dass euch die Farbe stehen würde“, meinte sie und strich eine Falte an Yoleis Kleid glatt. „Ich muss zugeben, ich war erst sehr skeptisch wegen der Farbe“, räumte Yolei ein. „Gold kam mir irgendwie overdressed vor. Aber als ich es dann anprobiert habe, war ich überzeugt davon. Es ist echt hübsch geworden.“ „Ich habe auch eine Weile mit verschiedenen Farben herumprobiert, bis ich auf Gold kam“, erwiderte Sora und lachte. „Aber ihr seht echt toll aus. Alle beide.“ „Du auch“, sagten Kari und Yolei im Chor. Verlegen verschränkte Sora die Hände hinter dem Rücken. „So. Was machen wir jetzt mit euren Haaren? Yolei, deine können eigentlich so bleiben. Aber bei dir können wir was anderes probieren, Kari.“ Verwundert fuhr Kari sich durch die Haare. Sie hatte eigentlich geplant, sie einfach offen zu lassen, wie immer. „Was hast du denn vor?“ „Wir könnten ihr eine Hochsteckfrisur verpassen“, schlug Yolei vor und strich ebenfalls durch Karis Haare. „Das könnte ich mir gut vorstellen.“ „Ja, das können wir versuchen“, stimmte Sora zu. „Setz dich mal.“ Ohne, dass Kari eine Chance gehabt hätte, sich zu widersetzen, schob Yolei sie zu dem Stuhl, auf dem Mimi vorhin gesessen hatte und drückte sie auf die Sitzfläche. Sora hatte unterdessen schon eine Bürste gezückt und nun machten sie sich zu zweit über Karis Haar her, die einfach auf dem Stuhl saß und die Prozedur über sich ergehen ließ. Es dauerte nicht so lang wie bei Mimi, was auch daran lag, dass Karis Haare kürzer und glatt waren, doch trotzdem nahm es einige Zeit in Anspruch. Zwischendurch lösten Sora und Yolei die angefangene Frisur zwei Mal und fingen wieder von vorn an, doch schließlich ließen sie von Kari ab und musterten sie zufrieden. „Ja, das sieht süß aus“, bemerkte Sora lächelnd. „Ich gehe mich auch mal ansehen“, murmelte Kari argwöhnisch. „Wo ist eigentlich Mimi abgeblieben?“, fragte Yolei. Kari ging ins Schlafzimmer und die anderen beiden folgten ihr. Im Türrahmen blieben sie jedoch wie angewurzelt stehen. Mimi stand vor dem Spiegel an ihrem Kleiderschrank und sah sie mit roten, verquollenen Augen an. In den Händen hielt sie ein zusammengeknülltes Papiertaschentuch. „Ich kann ihn nicht heiraten“, schluchzte sie. _ Er stand vor dem Spiegel im Zimmer seiner Schwester und musterte sich mit hochgezogenen Augenbrauen und weichen Knien. In etwa zwei Stunden würde er das Mädchen seiner Träume heiraten. Eben. Das Mädchen seiner Träume, die Mutter seines ungeborenen Sohnes. Warum war er also aufgeregt? Es gab keinen Grund. Er atmete tief durch und verließ Karis Zimmer, um in der Küche noch einen Schluck zu trinken. Yuuko rannte schon den ganzen Morgen kreuz und quer durch die Wohnung wie ein aufgescheuchtes Huhn. Doch jetzt, als sie Tai erblickte, blieb sie stehen und starrte ihn an. Dann füllten sich ihre Augen plötzlich mit Tränen. „Du siehst so... toll aus“, murmelte sie ergriffen, streckte die Hand aus und strich ein paar unsichtbare Falten an seinem schwarzen Jackett glatt. „Wie hast du nur deine Haare so hinbekommen?“ „Geübt“, gestand Tai und betastete vorsichtig sein glatt gekämmtes und mit Gel und Haarspray befestigtes Haar. Schon seit längerer Zeit trug er es wesentlich kürzer als früher, doch es stand trotzdem noch in alle Richtungen ab, egal wie sehr er sich auch um eine halbwegs normale Frisur bemühte. Doch heute hatte er es geschafft, es zu bändigen. Heute musste es auch sein. Yuuko lächelte und blinzelte die Tränen weg. „Ich glaube, jede Frau würde dich heute gern heiraten.“ „Bist du neidisch auf Mimi?“, fragte Tai und hob eine Augenbraue. Yuuko lachte nur und verpasste ihm einen Klaps gegen die Schulter. „Vergiss die Rose nachher nicht.“ „Wie könnte ich? Mimi hat mich ja nur tausend Mal freundlich daran erinnert“, antwortete er sarkastisch. Zu seinem schwarzen Smoking trug er ein cremefarbenes Hemd und eine goldene Krawatte. Diese Farben hatte Mimi von ihm verlangt zu tragen und er hatte keine Ahnung, warum eigentlich. Abgerundet werden sollte diese Zusammenstellung von einer weißen Rose, die er in die Brusttasche seines Jacketts stecken sollte. Tai selbst war es im Großen und Ganzen egal, wie er aussah, doch er wusste, dass Mimi viel Wert auf all das legte. Ohne Hunger wandte er sich seinem Frühstück zu. _ „Was soll das heißen, du kannst ihn nicht heiraten?“, fragte Yolei schrill und starrte Mimi entsetzt an. „Dafür ist es jetzt etwas spät, meinst du nicht?“ Sie sah zu Kari, der die Farbe aus dem Gesicht gewichen war. Es glich nun einem Kalkstein. Ihre Kinnlade war heruntergefallen. „Ich kann es nicht. Ich kann nicht. Nein. Das geht nicht“, murmelte Mimi vor sich hin. Tränen rannen ihr über die Wangen. Yolei war fassungslos. Kari und Sora schienen erstarrt und Yolei verlor die Nerven. Wie konnte Mimi nur so etwas sagen? Und dazu noch zwei Stunden vor der Hochzeit? Wie sollten sie denn jetzt noch den ganzen Gästen Bescheid sagen, dass sie doch nicht zu kommen brauchten? „Mimi, du musst!“, kreischte Yolei, packte Mimi an den Schultern und schüttelte sie. „Du kannst jetzt keinen Rückzieher machen! Was ist denn in dich gefahren? Spinnst du?“ „Yolei!“, rief Sora, packte sie am Arm und zog sie von der schluchzenden Braut weg, die nun nur noch mehr weinte. Sie schlang die Arme um Mimis Hals, küsste sie auf die Wange und zog sie eng an sich. „Ist ja gut. Beruhige dich erst mal. Alles wird gut.“ „Was soll das?“, fragte Yolei an Kari gewandt und holte sie damit aus ihrer Starre. Sora redete unterdessen mit leiser Stimme auf Mimi ein. „Ich weiß es nicht“, krächzte Kari und schüttelte den Kopf. „Wir können die Hochzeit doch jetzt nicht absagen.“ „Was wird Tai dazu sagen?“ „Er wird es nicht erfahren“, zischte Sora, bevor sie sich wieder an Mimi wandte. „Ich kann das nicht“, flüsterte diese nur wieder. „Doch, du kannst das. Du bist nur nervös, aber glaub mir, du tust das Richtige. Du liebst Tai doch“, antwortete Sora und streichelte Mimi vorsichtig über die zurechtgemachte Frisur. „Aber... aber... ich kann nicht“, erwiderte Mimi schniefend. Nun trat auch Kari auf sie zu und streichelte ihr über den Arm. „Hör mal, erst gestern habe ich mit Tai geredet und weißt du, was er zu mir gesagt hat?“ Sie wartete einige Sekunden, bevor sie weitersprach, obwohl Mimi natürlich nicht wissen konnte, was Tai zu ihr gesagt hatte. „Er meinte, dass er sich sicher ist, dass du definitiv die Richtige für ihn bist. Er weiß, wie gut ihr euch gegenseitig ergänzt und ich bin mir sicher, dass er alles für dich tun würde. Einfach alles. Du brauchst also keine Angst zu haben, denn du heiratest Tai.“ „Ich wüsste auch nicht, wer ein besserer Ehemann sein sollte als Tai. Und ein besserer Vater“, fügte Sora hinzu und lächelte Kari an. Yolei seufzte. „Mimi, eine Hochzeit ist doch außerdem kein Weltuntergang. Wenn es nicht klappt, könnt ihr euch ja wieder scheiden lassen. Es ist ja nicht so, als wärt ihr jetzt für den Rest eures Lebens voneinander abhängig.“ Sora und Kari sahen sie entgeistert an, doch Mimi hörte auf zu schniefen und kicherte stattdessen. „Yolei, manchmal bist du echt witzig“, murmelte sie und wischte sich über die Augen. „Oh nein, nicht doch. Jetzt müssen wir dein Make-up neu machen. Die Tränen hat es einigermaßen ausgehalten, aber nicht das Wischen“, stellte Sora fest und musterte Mimis Gesicht. „Dann machen wir das halt noch mal“, bestimmte Mimi. „Ich möchte schließlich heute die Schönste sein für Tai.“ _ Kari war heilfroh, dass die Mädchen Mimi doch noch dazu gebracht hatten, die Hochzeit nicht abzublasen, obwohl sie sich nun Sorgen machte, Mimi könnte während der Trauzeremonie wieder einfallen, dass sie Tai doch nicht heiraten wollte. Sie war sich sicher, ihr Bruder wäre am Boden zerstört. Und ihre Eltern auch. Nein, das durfte nicht passieren. Nervös stand Kari vor dem Raum im Standesamt, in welchem die Trauung stattfinden sollte, und trat von einem Fuß auf den anderen. Aus dem Raum drang unruhiges Tuscheln. Alle warteten darauf, dass die Zeremonie endlich begann. Wenn Kari schon so nervös war, wie musste Mimi sich dann erst fühlen? Kari brauchte ja nur zusammen mit Sora und Yolei vor Mimi zum Tisch des Standesbeamten herlaufen. Sie drehte sich zu Mimi um, die ein wenig blass war, aber gefasst wirkte. Sie sah einfach umwerfend aus. Eigentlich brauchte sie kein Make-up, denn sie gehörte zu der Sorte Mädchen, die von Natur aus sehr hübsch aussahen. Große Augen, lange Wimpern, volle Lippen, sanfte Gesichtszüge. Doch das dezente Make-up unterstrich ihre Schönheit noch. „Deine Schuhe sind wirklich toll gewählt“, kommentierte Sora mit einem Blick auf Karis Schuhe und lächelte sie an. „Danke“, sagte Kari verwirrt, aber froh, dass sie mit ihren Schuhen anscheinend die richtige Wahl getroffen hatte. Ein Räuspern von drinnen ließ sie zusammenzucken. Wenige Sekunden später ertönten die sanften Klaviertöne des Stücks „River flows in you“, gespielt von Matt, und verkündeten den Beginn. Kari umklammerte fest den kleinen Strauß orangefarbener und gelber Rosen in ihren Händen und schritt durch die offene Tür, genau wie es ihr gesagt wurde. Als Erste waren natürlich alle Augen zunächst auf sie gerichtet und sie hoffte inständig, dass sie nicht stolperte oder sich sonst irgendwie blamierte. Sie ließ den Blick flüchtig über die Leute im Raum schweifen, richtete ihn dann jedoch wieder geradeaus auf Tai, der dort vor seinem Stuhl stand, die Zähne zusammengepresst und ihren Blick erwiderte. Kari lächelte leicht und versuchte, ihm damit etwas von seiner Anspannung zu nehmen. Er sah wirklich sehr gut aus und mit der zurechtgemachten Frisur hätte sie ihn fast nicht erkannt. Schräg hinter Tai saß Matt in einen schwarzen Anzug gekleidet an einem großen schwarzen Flügel und spielte die Musik, die Mimi sich für ihren Einmarsch gewünscht hatte. Ein leises Aufseufzen der Menge signalisierte Kari, dass Mimi soeben hinter Yolei den Raum betreten hatte und die volle Aufmerksamkeit nun auf sich gelenkt hatte. Kari hingegen fixierte Tai. Er schien hin und weg von Mimi, sein Blick sprach geradezu von Liebe und Ergriffenheit. Zusammen mit den anderen beiden Brautjungfern stellte Kari sich neben dem Stuhl auf, auf dem Mimi in wenigen Augenblicken sitzen würde und wartete, bis sie am Tisch angekommen war. Mit leuchtenden Augen lächelte Mimi Tai an, der ihre Hand nahm. Gemeinsam setzten sie sich auf die extra für sie mit Schleifen verzierten Stühle und auch Kari, Sora und Yolei nahmen Platz. Matt hatte aufgehört zu spielen und ging von seinem Platz am Klavier zu dem Stuhl neben Tai. Dann begann die Zeremonie und der Standesbeamte begann mit seiner Ansprache. Kari konnte sich so gar nicht auf seine Worte konzentrieren. Ständig warf sie verstohlene Blicke zu Tai und Mimi. _ Angestrengt versuchte sie, nicht in Tränen auszubrechen. Während der Standesbeamte allen die Geschichte erzählte, wie aus ihr und Tai ein Paar geworden war, kaute Mimi auf ihrer Unterlippe herum und dankte Sora, dass sie sie daran erinnert hatte, kussechten Lippenstift aufzutragen. Von dem würde hoffentlich nach der Zeremonie noch etwas zu sehen sein. Angespannt spielte Mimi mit dem Brautstrauß in ihren Händen. Was dachte Tai wohl gerade? War er genauso nervös wie sie? Saß ihre Frisur eigentlich noch? Und das Augen-Make-up? Wie würde sie wohl aussehen, wenn sie weinte? Verschmierte dann alles und musste sie sich erst einmal eine halbe Stunde auf die nächste Toilette verziehen, um sich wieder herzustellen? Würde Tai vielleicht im letzten Moment doch noch ablehnen, sie zu heiraten? Würde sie sich sogar selbst noch einmal umentscheiden? „Ich möchte euch nun, liebes Brautpaar, bitten, euer Ehegelübde vorzutragen“, riss der Standesbeamte Mimi aus ihrer Starre und lächelte sie freundlich an. Tai erhob sich sofort, doch Mimi brauchte einige Sekunden, um zu reagieren und ebenfalls aufzustehen. Ihre Knie fühlten sich an wie Wackelpudding und sie war sich nicht sicher, ob das an dem immer größer werdenden Bauch oder an ihrer Nervosität lag. Sie sah Tai in die schokoladenbraunen Augen, die so sanft und gleichzeitig verschmitzt wie immer aussahen. Augenblicklich fühlte sie sich ein klein wenig sicherer. Ein Stupser gegen ihren Arm erinnerte sie daran, dass sie ihr Gelübde ja noch brauchte. Sora reichte es ihr unauffällig und nahm ihr gleichzeitig den Brautstrauß ab. Mit zittrigen Händen nahm Mimi ihr Ehegelübde in die Hände, an dem sie Monate geschliffen und gefeilt hatte und hielt es so fest, als wollte sie sich daran klammern. Sie räusperte sich und begann mit hoher Stimme zu lesen. „Taichi, ich kenne dich nun schon eine gefühlte Ewigkeit. Das erste Mal habe ich dich im Kindergarten gesehen. Da warst du immer der kleine ungezogene Junge, der den Erziehern das Leben schwer gemacht hat.“ Zurückhaltendes Lachen im Publikum. „Und mein Leben hast du auch manchmal ganz schön schwer gemacht. Du gingst mir ziemlich oft auf die Nerven mit deiner ungestümen und wilden Art. Und damit, dass du dich mit jedem anfreunden konntest. Selbst mit jemandem wie mir.“ Sie machte eine Pause und sah Tai kurz in die Augen. Er erwiderte ihren Blick. „Gleichzeitig hat mir diese Art aber auch sehr imponiert. Du bist so ganz anders als ich. Ich habe schon immer deinen Optimismus bewundert und deine positive Art. Wann immer etwas schief ging, warst du derjenige, der gesagt hat: 'Mach dir keinen Kopf. Das wird schon wieder.' Das hat mich zwar immer genervt, aber meistens hast du Recht behalten und es wurde wirklich wieder. In genau diese Art habe ich mich verliebt. Somit kann ich sagen, dass ich das, was ich an dir nicht mag, gleichzeitig auch am meisten liebe. Ich weiß, das klingt verrückt, aber es ist die Wahrheit. Du bedeutest mir einfach alles und ich bin so froh, heute hier zu stehen und deine Frau zu werden. Mit dir möchte ich bis zum Ende meines Lebens zusammen bleiben.“ Mimi ließ den Zettel sinken und atmete tief durch. Geschafft. Auch im Publikum war gerührtes Seufzen zu hören. Tai lächelte liebevoll und wurde von dem Standesbeamten aufgefordert, nun sein Gelübde vorzutragen. Fahrig griff er in seine Hosentasche und fischte einen Zettel heraus, der sehr abgegriffen wirkte. Er faltete ihn auseinander und Mimi konnte nicht glauben, was sie da sah. Tais krakelige Handschrift und ständig waren irgendwo Wörter durchgestrichen oder überschrieben worden. Die Ecken waren umgeknickt und auch in der Mitte hatte das Blatt einen großen Knick. Argwöhnisch runzelte Mimi die Stirn und sah Tai an. Typisch. Sie hatte sich so viel Mühe mit ihrem Gelübde gegeben, es sogar auf dem Computer geschrieben und ausgedruckt, sich um die Schriftart, Schriftgröße, Ausrichtung und Hervorhebungen Gedanken gemacht. Und Tai hatte einfach irgendetwas dahingeschmiert. „Liebe Mimi“, fing er an und holte Luft, „wir sind jetzt schon... seit... drei... nein, was steht da?“ Er zog die Augenbrauen zusammen und versuchte, seine eigene Schrift zu entziffern. Mimi krallte verärgert die Finger in ihr Ehegelübde. Das durfte doch nicht wahr sein! Wie konnte er ihr das nur antun? Sie biss sich auf die Zähne, um ihrer Wut nicht freien Lauf zu lassen. „Ich fang' noch mal an, okay?“, meinte Tai nun schiefgrinsend. Der Standesbeamte schien verwirrt, lächelte aber höflich und nickte Tai aufmunternd zu. Nervöses Kichern im Publikum. „Liebe Mimi, wir sind jetzt schon seit drei Jahren zusammen und nun wollen wir... äh...“ Er hielt das Blatt schräg und legte auch den Kopf schief. Mimi platzte fast der Kragen. Gerade öffnete sie den Mund, um etwas zu sagen, da knüllte Tai auf einmal den Zettel zusammen und warf ihn zu Boden. „Ach, Mist hier“, murmelte er und sah nun Mimi an, die seinen Blick feindselig erwiderte. „Im Grunde genommen geht es hierbei doch darum, zu sagen, warum ich dich liebe, nicht wahr? Ich habe wirklich oft versucht, meine Gedanken dazu irgendwie aufzuschreiben, aber die Wahrheit ist, dass ich einfach keine Worte für das habe, was ich für dich empfinde. Aber die brauche ich auch nicht, weil ich weiß, dass du mich auch so verstehst. Du bist so etwas wie meine Seelenverwandte, nicht nur meine Freundin, sondern auch mein Kumpel. Du verstehst mich einfach immer und wenn nicht, dann bist du trotzdem für mich da und hältst zu mir. Du holst mich wieder auf den Teppich, wenn ich mal wieder abhebe und ich liebe dich auch dann, wenn du gerade deine Tage hast. Dann kannst du nämlich ganz schön unausstehlich werden.“ Mimi riss die Augen auf und lief knallrot an. Aus dem Publikum war Gelächter zu hören. Eigentlich hatte sie Tais Rede bis hierher gar nicht schlecht gefunden. „Und das ist noch lange nicht alles. Wenn ich dich nur ansehe, möchte ich dir am liebsten sofort die Klamotten vom Leib reißen und... naja, du weißt schon. Dass ich das auch gemacht habe, sieht man ja mittlerweile.“ Verlegen grinsend deutete er auf ihren Bauch. „Und wie gut du erst kochen kannst. Echt, ich liebe deine Gerichte! Und ich liebe es, wenn du 'Tai, du Faulpelz, das Essen ist fertig' durch unsere Wohnung brüllst. Das ist einer meiner Lieblingssätze von dir. Oh und weißt du, was ich noch liebe? Wenn du an unseren DVD-Abenden immer unbedingt den Film aussuchen musst, dann aber nach zehn Minuten einschläfst und ich mir eine dämliche Schnulze reinziehen muss. Ach und ich liebe es, wie du dir immer diesen blöden Zopf vor dem Zähneputzen machst, damit dir die Haare nicht ins Gesicht fallen. Der Zopf sieht echt blöd aus und ich weiß auch, dass du den mittlerweile nur noch machst, um mich zu ärgern.“ Er lächelte verlegen und auch Mimi musste sich ein Lachen verkneifen. Sie presste die Lippen aufeinander und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Nach einigen Sekunden sprach Tai weiter. „Ich liebe einfach alles an dir so sehr. Für mich gibt es auf der Welt keine tollere Frau als dich. Du machst mich komplett und ich will mir kein Leben mehr ohne dich vorstellen.“ Mimi presste sich eine Hand auf den Mund und spürte, wie ihr heiße Tränen über die Wangen liefen. Wie hatte sie nur jemals auch nur eine Sekunde daran zweifeln können, dass Tai der Richtige für sie war? Sie gaben sich gegenseitig das Ja-Wort, wobei sie sich tief in die Augen sahen. Sie tauschten die Ringe aus, die Symbole der Ewigkeit ihrer Liebe. Sie waren silbern und auf der Innenseite war das Datum ihrer Hochzeit und der Vorname des jeweils anderen eingraviert. Dann endlich durften sie sich küssen. Tai setzte zu einem zurückhaltenden Kuss an, doch Mimi schlang die Arme um seinen Hals, drückte ihn fest an sich und presste ihre Lippen auf seine. Sie spürte, wie er seine Hände an ihre Taille legte und konzentrierte sich nur noch auf ihn. Erst der Beifall der Gäste brachte sie in die Wirklichkeit zurück und erinnerte sie daran, dass sie hier nicht allein waren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)