Fünf Jahre von Juju ((K)eine Freundschaft für immer) ================================================================================ Kapitel 43: Vor der Hochzeit ---------------------------- In dieser Woche schien sich alles um die bevorstehende Hochzeit zu drehen, auch zwangsweise Karis Leben. Von Tai aber auch von Mimi selbst wusste sie, dass diese allmählich durchdrehte. Sie wachte nachts auf, weil sie träumte, dass ihr Kleid nicht mehr passte, dass sie keine Location hatten, dass der Standesbeamte krank war und kein Ersatz aufzutreiben war, dass die Welt unterging. Und sie hatte noch nichts Blaues. Kari wusste nicht, was es mit diesem Brauch überhaupt auf sich hatte, dass eine Braut zu ihrer Hochzeit etwas Altes, etwas Neues, etwas Geborgtes und etwas Blaues tragen sollte. Sie hatte Mimi schon vorgeschlagen, diesen Brauch doch einfach zu ignorieren, doch das kam überhaupt nicht in Frage, wie Mimi betont hatte. Etwas Neues hatte sie von Sora bekommen, nämlich das Hochzeitskleid, das extra für sie designt und geschneidert worden war. Von ihrer verstorbenen Großmutter hatte Mimi eine Halskette und dazu passende Ohrstecker geerbt, die sie zur Hochzeit tragen wollte. Sie symbolisierten etwas Altes. Etwas Geborgtes hatte sie von ihrer Mutter erhalten, nämlich ein Diadem, das diese bei ihrer eigenen Hochzeit getragen hatte. Und nun machte Mimi seit Tagen ein Drama, weil sie nichts Blaues hatte. Yolei hatte ihr vorgeschlagen, einfach ein blaues Strumpfband zu verwenden, wie das viele Bräute taten, doch Mimi wollte nichts tun, was viele andere taten. Und Strümpfe wollte sie auch nicht tragen. Yuuko redete ebenfalls von nichts anderem mehr als der Hochzeit. Sie wusste nicht, wie sie ihre Haare frisieren sollte und überlegte, ob sie sie färben sollte, da sie immer mehr graue Haare entdeckte. Kari hatte versucht, ihr klarzumachen, dass das mit Mitte vierzig ganz normal war, doch davon hatte sie nichts hören wollen. Und auch Susumu hatte sich von dem Stress wegen der Hochzeit anstecken lassen. Selbst Nanas Gedanken waren die ganze Woche über bei der Hochzeit. Sie wusste einfach nicht, ob Ken mit einer Krawatte, einer Fliege oder ohne beides am besten aussehen würde. Sie hatte mit ihm zusammen einen Anzug gekauft und schwärmte Kari ungefähr einhundert Mal am Tag vor, wie gut er damit aussah. Vor zwei Tagen, als Kari mit Nana nachmittags gemeinsam durch die Shoppingmeile geschlendert war, hatte sie endlich durch einen Zufall passende Schuhe gefunden. Sie hatte gar nicht danach gesucht und dann hatte sie sie plötzlich im Schaufenster eines Schuhgeschäfts entdeckt. Nana hatte einige Sekunden gebraucht, um zu bemerken, dass Kari stehen geblieben war, denn sie hatte gerade die Vor- und Nachteile von Blau als Krawattenfarbe erläutert, doch als sie die Schuhe erblickte, die Karis Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatten, hatte sie sie dazu gedrängt, sie anzuprobieren. Es handelte sich um schlichte, cremefarbene High Heels, die Kari zwar gut passten, in denen sie jedoch kaum einen Schritt laufen konnte, ohne wie ein kompletter Körperklaus auszusehen. Nana jedoch hatte sie so lang bequatscht, diese Schuhe zu kaufen, bis Kari schließlich auf sie gehört hatte. „Ich wusste nicht, dass du dich tatsächlich für High Heels interessieren könntest“, hatte sie bemerkt und Kari mit leuchtenden Augen gemustert. „Naja“, hatte Kari geantwortet, „T.K. ist so groß und wenn wir tanzen sollten, dann sieht es doch komisch aus, wenn ich so winzig bin.“ „So klein bist du doch gar nicht. Und ich glaube, das hätte keinen gestört.“ „Doch, mich.“ Und nun stakste Kari, wenn sie nach der Schule nach Hause kam, in ihren neuen High Heels durch die Wohnung und versuchte, sich an sie zu gewöhnen. Morgen war die Hochzeit und ihr bisheriges Ergebnis war nur mäßig. Seufzend musterte sie sich in ihrem Spiegel und musste zugeben, dass sie lächerlich aussah. Leggins, ein zu weites T-Shirt, unordentlich zusammengebundenes Haar und dazu laufsteggeeignete High Heels. Traumhaft. Es klopfte an ihre Zimmertür. „Ja?“, antwortete sie und ging ein paar Schritte auf ihren Spiegel zu, bevor sie sich zur Tür umdrehte. „Tai.“ „Hallo, Schwesterchen“, begrüßte er sie lächelnd. „Ich hatte gedacht, du würdest mich gebührend an der Wohnungstür empfangen und stattdessen bewunderst du dich im Spiegel.“ „Ich habe nicht gehört, dass du gekommen bist“, antwortete Kari. Ihr Bruder würde die Nacht heute hier in seinem alten Zimmer verbringen. Gemäß einer Tradition musste das Brautpaar die Nacht vor der Hochzeit getrennt verbringen und auf dieser Tradition bestand auch Mimi zu Tais Verdruss. Deshalb hatte sie ihn kurzerhand aus ihrer gemeinsamen Wohnung verbannt. „Vielleicht solltest du das, was du Musik nennst, mal leiser drehen“, erwiderte Tai und hob eine Augenbraue. Dann musterte er sie von Kopf bis Fuß. „Also, ich hab' ja keine Ahnung von Mode, aber ich glaube, Heidi Klum wäre nicht begeistert.“ „Ich übe ja auch nur Laufen“, murmelte Kari und winkelte ein Bein an, um Tai auf ihre Schuhe aufmerksam zu machen. „Oh“, machte Tai. „Ich hoffe, du knickst nicht um. Ich will nicht, dass du am Tag meiner Hochzeit im Krankenhaus liegst.“ „Keine Angst. Ein paar Mal bin ich schon umgeknickt, aber es ist nichts passiert“, antwortete Kari schulterzuckend, entfernte sich einige Schritte vom Spiegel und ging wieder auf ihn zu, wobei sie ihren Gang beobachtete. „Das sieht doch schon ganz gut aus“, lobte Tai sie. „Danke. Wie geht es Mimi?“ Tai zuckte mit den Schultern, ließ seine Tasche fallen, durchquerte ihr Zimmer und machte es sich auf ihrem Bett bequem. „Wenn man davon absieht, dass sie den ganzen Tag panisch durch die Gegend rennt und kontrolliert, ob auch ja alles glatt gehen wird, fabelhaft. Aber ich wäre trotzdem lieber bei ihr geblieben.“ „Ist Sora schon bei ihr?“ „Ja, ich habe gewartet, bis sie da ist, bevor ich losgefahren bin. Sie wollen noch mal alles durchgehen für morgen und so.“ Kari schnaubte belustigt. Das würde sicher eine lange Nacht für die beiden Mädchen werden. „Wo ist eigentlich Mama?“, fragte Tai, der Kari dabei zusah, wie sie vor ihrem Spiegel auf und ab lief. „Beim Friseur“, seufzte Kari und verdrehte die Augen. „Haare färben.“ „Haare färben? Welche Farbe denn?“, fragte Tai irritiert. „Na braun.“ „Hä? Aber sie hat doch schon...“ Beim Anblick von Tais verwirrtem Gesichtsausdruck musste Kari lachen. „Ach, sie ist der Meinung, dass sie immer mehr graue Haare kriegt und will jetzt was dagegen machen“, erklärte Kari und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich glaube, sie kommt langsam in die Midlife-Crisis.“ Tai runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Frauen.“ Kari und Tai verbrachten den Abend gemeinsam damit, sich romantische Komödien anzuschauen und dazu Chips und Schokolade zu essen. Die Filme sahen sie jedoch auf völlig unterschiedliche Arten. „So ein Quatsch“, beschwerte sich Tai und schüttelte unwirsch den Kopf. „Wieso rennt sie denn jetzt trotzdem wieder zu ihm zurück? Doch nicht wegen dieser läppischen Entschuldigung.“ „Mann, Tai!“, stöhnte Kari und sah ihn genervt an. „Könntest du endlich aufhören, über die Filme zu meckern? Das macht keinen Spaß mehr. Ich habe extra wegen dir T.K. abgesagt und jetzt muss ich mir die ganze Zeit dein Gemurre anhören.“ „Ich sage doch nur die Wahrheit“, erwiderte er unbeeindruckt und schob sich eine Handvoll Chips in den Mund. „Die Frau hat null Selbstachtung.“ „Es ist nur ein Film“, grummelte Kari. „Trotzdem.“ Er schmatzte. „Wenn Mimi so wäre, würden wir morgen nicht heiraten. Ich meine, sie kann manchmal anstrengend und nachtragend sein, aber...“ „Aber genau das brauchst du“, beendete Kari seinen Satz und grinste ihn an. „Du brauchst jemanden, der sich mit dir anlegt und dir mal in den Hintern tritt. Und Mimi braucht jemanden, der ihr etwas entgegensetzen kann und sie wieder auf den Teppich holt. Und genau deswegen passt ihr auch so gut zusammen.“ Tai musterte sie nachdenklich. „Ja, du hast Recht. Wir streiten uns auch ganz schön oft, aber meistens vertragen wir uns schnell wieder. Wenn man weiß, wie, kriegt man sie echt leicht rum.“ Er grinste und Kari wollte lieber gar nicht erst darüber nachdenken, wie genau Mimi wohl rumzukriegen war. „Naja, du bist ja anscheinend genauso leicht rumzukriegen, wenn ich daran denke, wie ihr zusammengekommen seid“, stichelte Kari und stupste ihn leicht gegen den Arm. „Tja, sie hat eben auch gewusst, wie“, meinte er schulterzuckend. „Aber damals hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass das so weit geht, dass wir heiraten.“ Kari musterte ihn interessiert. In seinen dunklen Augen spiegelte sich das Fernsehbild wieder. Sein Haar war unordentlich wie eh und je. Seine Lippen umspielte ein leichtes Lächeln. „Bist du glücklich, dass es so gekommen ist?“ „Ja“, antwortete er, ohne zu zögern. „Sie ist definitiv die Richtige.“ Dann warf er ihr einen argwöhnischen Blick zu. „Was soll denn diese Frage überhaupt?“ Unschuldig zuckte Kari mit den Schultern. „Naja, manche werden ja kurz vor ihrer Hochzeit auf einmal unsicher und zweifeln. Ich wollte nur sichergehen, dass das bei dir nicht so ist.“ Er lachte, verpasste ihr einen leichten Schubs und kippte dabei die Chipstüte zwischen ihnen um. Krümel verteilten sich auf dem ausgeklappten Sofa in Tais altem Zimmer, das mittlerweile zu einem Arbeits- und Gästezimmer mit einem Fernseher umfunktioniert worden war. „Nein, nein, keine Angst. Ich glaube, sowas gibt es auch nur in deinen dämlichen Schnulzenfilmen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)