Never a Hero von cork-tip (FF VII CC / Timetravel / Rebirth) ================================================================================ Kapitel 5: retreat I. --------------------- Das „Spinnennetz“ in den Slums von Sektor 6 war eine der ersten Bars gewesen, die Genesis je besucht hatte. Es war nur ein kleiner Laden in einer finsteren Seitengasse, die Bardame war nicht hübsch und der Service nicht vorhanden, aber es war dunkel und laut und man konnte in der Masse untergehen. Ideal für ihre Zwecke, und trotzdem erwischte Genesis Angeal dabei, wie er sich die Kapuze noch etwas tiefer ins Gesicht zog und den verrauchten Raum nach möglichen Gefahrenquellen durchsuchte, obwohl unterwegs keine Menschenseele auf sie aufmerksam geworden war. „Lass das, du bist doch kein Verbrecher!“, stichelte Genesis amüsiert. „Und selbst wenn, wärst du hier mit Sicherheit nicht der Einzige.“ „Genesis, was soll das?“ Die Beschwerde klang zu kläglich, um ernst genommen zu werden. „Was sollen wir hier?“ Genesis legte in schönster Denkerpose einen Finger an die Lippen. „Lass mich überlegen … Hm… Schwere Frage…“ Ein Schlag gegen den Oberarm unterbrach sein kleines Schauspiel und er beließ es bei einem müden Grinsen. Er hatte einen kleinen Tisch in der hintersten Ecke des Raumes entdeckt, der gerade erst frei geworden war und bedeutete Angeal, ihm zu folgen. Manchmal störte es ihn, sich so krampfhaft unauffällig im Hintergrund halten zu müssen, dass es schon fast wieder verdächtig war, doch es war besser, als in die Fänge seines neu gegründeten Fanclubs zu geraten, der zwar deutlich kleiner war als der von Sephiroth, aber nicht weniger nervig. Es war durchaus angenehm, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, solange sich die Leute darauf beschränkten, ihn aus gebührender Entfernung anzuhimmeln, aber die meisten seiner Fans hielten 0,3 Millimeter für eine gebührende Entfernung und wenn er sich dazu hinreißen lassen würde, Zivilisten niederzuschlagen, würde es nur negative Presse hageln. Alles hatte seine Schattenseiten. Sie bestellten zwei Bier und Genesis heimlich noch eine Flasche Rum, weil er hoffe, dass Angeal nichts dagegen würde sagen können, wenn sie erst einmal auf dem Tisch stand. „Genesis, was soll das?“ Gut, die standardisierte Beschwerde und eine kleine Diskussion ausgeschlossen. „Das, mein Lieber, soll ein schöner Abend werden. Für ein Bierchen hätten wir nicht unter die Platte fahren müssen.“ Angeal seufzte tief. „Schön, dass du deinen Urlaub ganz offensichtlich genießt, aber ich hoffe, ich muss dich nicht alle zwei Minuten daran erinnern, dass ich morgen einem Haufen hochmotivierter Kadetten die Grundlagen strategischer Kriegsführung erklären soll.“ „Was bitte?“ „Kriegsführung. Strategische. Grundlagen.“ Genesis prustete los. „Ausgerechnet! Und ich dachte, du wärst mehr der Typ fürs Praktische!“ Nicht, dass Angeal ein schlechter Stratege gewesen wäre, ganz im Gegenteil, aber Genesis konnte sich nicht vorstellen, dass er geduldig über Landkarten brütete und versuchte, desinteressierten pubertären Idioten mit der Aufmerksamkeitsspanne einer Rennmaus ausgerechnet diese trockene Materie nahe zu bringen. Angeal konnte Strategie erklären, aber es wirkte nicht natürlich. Er wirkte am besten in Aktion, mit dem Schwert in der Hand, wenn er auf den Feind zustürmte, unaufhaltsam, unerbittlich. Ihn die Grundlagen strategischer Kriegsführung unterrichten zu lassen, war eine Verschwendung von Talent. „Lazard will erst sehen, wie ich mich schlage, bevor er mir Übungsgruppen zuteilt“, erklärte Angeal ungerührt. „Das ist die normale Prozedur. Wenn mich die Kadetten nicht respektieren, kann ich ihnen keine Waffen in die Hand geben. Wer weiß, was dann passiert.“ „Lazard ist ein Idiot“, diagnostizierte Genesis, ohne erst lange zu überlegen. „Du hast doch gesehen, wie sie auf dich reagiert haben. Wahrscheinlich würden sie von der Platte springen, wenn du sie darum bittest.“ „Genesis!“ „Schon klar, dass du das nicht machen würdest. Aber es stimmt. Und jetzt trink was. Von dem bisschen wirst du eh nichts merken.“ Tatsächlich war es für einen SOLDAT erster Klasse unverhältnismäßig teuer, sich richtig zu betrinken, weil das viele Mako in ihren Körpern den Alkoholabbau enorm beschleunigte. Genesis hatte es trotzdem schon geschafft. Für ein halbes Monatsgehalt. Und er würde es wieder tun, wenn es notwendig war. So wie an dem Abend, als er aus Wutai zurückgekehrt war und ihn die Stille in seinem Zimmer fast erschlagen hätte. Eine Weile saßen sie schweigend und Genesis genoss das trügerische Gefühl, ein Teil der Slums zu sein. Hier unten, wo man den Nachbarn nicht trauen und den Himmel nicht sehen konnte und jeder Tag ein Kampf ums Überleben war, herrschte ein Gefühl der Freiheit, das in Shinra nicht zu finden war. Er war gerne SOLDAT und konnte sich nicht vorstellen, das Leben eines unbedeutenden, schwachen Normalbürgers zu führen, aber manchmal wünschte er sich, etwas anderes kennengelernt zu haben, bevor er sich Shinra übereignet hatte. Außer der kleinstädtischen Hölle von Banora und dem goldenen Käfig von SOLDAT kannte er nichts; keine Träume, keine Abenteuer, nur die vage Hoffnung, dass alles besser werden würde, wenn er es irgendwann fertig brachte, Sephiroth zu besiegen. Wenn er erst einmal der Stärkste war, konnte ihn niemand mehr an der kurzen Leine halten. Aus dem Augenwinkel betrachtete er Angeal und fühlte sich schlecht. SOLDAT war der Traum. Wieso konnte er sich nicht damit zufrieden geben? „Es sind Turks hier“, bemerkte Angeal nüchtern und riss Genesis grob aus seinen Gedanken. „Wenn die uns sehen, macht Lazard uns die Hölle heiß.“ Genesis hatte den Nachteil, mit dem Rücken zum Raum zu sitzen und konnte die Gesichter der anderen Gäste nicht sehen, ohne sich umzudrehen. Und auch, wenn er Angeals Sorge nicht teilte – allein, weil er es nicht einsah, sich von Lazard bevormunden zu lassen -, verzichtete er ihm zu Liebe darauf, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und blieb still sitzen. „Wo?“ „An der Bar, schräg rechts hinter dir“, beschrieb Angeal. „Zwei, glaub ich. Ohne Sakko, aber noch in Uniform. Man sieht die Waffen.“ Angesichts dieser offenen Zurschaustellung von Macht und Gewaltbereitschaft schüttelte er verständnislos den Kopf und Genesis sah sich genötigt, den Sachverhalt näher zu erklären. „Das muss sein“, meinte er. „Du kannst nicht in Uniform in die Slums gehen, ohne irgendwie darzustellen, dass du nicht ganz wehrlos bist. Shinra ist hier nicht gerade beliebt. Wegen der Platte.“ Angeal machte ein Gesicht, als hätte er noch nie in Erwägung gezogen, dass es dort draußen in der Welt jemanden geben könnte, der nicht gut auf Shinra zu sprechen war und Genesis wunderte es nicht sonderlich. Soweit er wusste, war Angeal bislang kaum unter der Platte gewesen, und wenn, dann nur auf Monsterjagd. In der Vergangenheit war Genesis immer alleine hierher gekommen, wenn ihm zu Hause die Decke auf den Kopf fiel. Er hatte die Erfahrung teilen wollen. Aber vielleicht war es ein schlechter Ort, um Angeals neuen Job zu feiern. „Nimm’s nicht so schwer“, versuchte er, die Stimmung wieder ein bisschen zu lockern. „Irgendwer ist immer unzufrieden. Kennst du die Turks?“ Noch immer etwas betreten schüttelte Angeal den Kopf. „Ich glaube, in letzter Zeit sind viele Neue dazu gekommen. Eine blonde Frau und so’n Typ mit dunklen Haaren. Sieht nach Wutai aus. Beide nicht älter als wir.“ Genesis hatte sich umgedreht, bevor ihn sein Verstand daran erinnern konnte, dass er gerade das nicht tun sollte. Er sah die zwei Turks in Bluse und Hemd wie Angeal sie beschrieben hatte und sein Verdacht bestätigte sich: Es war derselbe Mann, der ihm am Morgen so respektlos begegnet war. Es war dasselbe fein geschnittene, maskenartige Gesicht, dieselben dunklen Augen, wenn auch weniger nichtssagend und leer. Die Frau neben ihm wirkte wie ein Model, auch wenn er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Dass sie dennoch kaum Blicke auf sich zog, musste daran liegen, dass niemand verrückt genug war, sich einem Turk ungebührlich zu nähern. Genesis hatte nichts für die Abteilung übrig, aber er musste zugeben, dass die uniformen Anzüge ideal gewählt waren. Vielleicht hatte er sie zu lange beobachtet, vielleicht war es nur Zufall, doch mit einem Mal hob der Mann mit dem Puppengesicht den Kopf und sah ihn an. Er brach den Blickkontakt nicht sofort, um nicht ertappt zu wirken, wandte sich aber rasch wieder Angeal zu. Er wusste, dass es zu spät war. Und so wie es aussah, war auch seinem Freund nicht entgangen, dass der Turk ihn erkannt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)