In Ketten gelegt von Shinoito ================================================================================ Kapitel 2: Uruhas Anwesen ------------------------- Ein langer Korridor aus dunkelgrauem Stein führte zu einer Metalltür, welche Aoi nun aufschloss. Wir befanden uns nun in einem Raum mit sechs Türen. Ohne die anderen zu beachten, öffnete Aoi eine davon – natürlich ebenfalls mit Schlüssel – und führte mich in einen riesigen Raum. Vor Erstaunen blieb mir der Mund offen. Der Boden war reinster Marmor, die Wände voll von kleinen Verzierungen aus Gold, sowie geschmückt mit Bildern, die ziemlich teuer aussahen. Es hätte mich nicht gewundert, wenn hier noch diese teuren Statuen – die Dinger, die ich immer so hässlich fand – rumgestanden hätten. Doch die Halle war bis auf drei Sofas in einer Ecke und einer riesigen Treppe, ebenfalls aus Marmor, leer. „Da müssen wir rauf“, erklärte Aoi und deutete auf die Treppe. Jeder unser einzelnen Schritte waren zu hören, als wir die Halle durchquerten. Das Ganze war mir etwas unheimlich und ich war froh, dass ich wenigstens nicht ganz alleine war. Aoi wirkte auf mich irgendwie doch recht vertrauenswürdig, auch wenn ich ihn gerade mal eine halbe Stunde kannte. Aber in manchen Menschen konnte man sich auch täuschen, deswegen nahm ich mir vor, doch eher vorsichtig zu sein. Der erste Stock war voller flauschiger, aber teurer, Teppichen, in denen man leicht versank, wenn man darauf trat. Auch dieser Stock war beinahe leer bis auf eine zweite Marmortreppe. Im Gegensatz zum Erdgeschoss, welches kaum Türen, die in andere Räume führten, hatte, befanden sich hier dafür umso mehr. „Der oberste Stock gehört dem Boss alleine.Wenn wir nicht ausdrücklich gerufen werden, ist dieser absolut tabu für uns“, erklärte mir Aoi, der meinen Blick vorher auf die Treppe bemerkt zu haben schien. „Mein Zimmer befindet sich in diesem Stock. Es ist nicht sonderlich groß aber ich denke, wir werden uns schon irgendwie arrangieren können!“ Dabei öffnete Aoi eines der Zimmer und machte eine Geste, die ich als „Eintreten“ interpretierte. Anders als die edlen Hallen,war sein Zimmer eher einfach eingerichtet. Die Wände waren weiß gestrichen, der Teppich auf dem alten Holzboden war hart und hatte die Farbe eines alten, verschmutzten Graus. Das Bett bestand aus einem Eisengestell, einer dünnen Matratze und drei Wolldecken. Es befanden sich auch noch ein Büchergestell mit ein paar wenigen Büchern darin im Zimmer, sowie ein beinahe leerer Schreibtisch und ein Kleiderschrank. Ansonsten schien er nichts Persönliches in diesem Zimmer zu haben. Jedenfalls nichts, was auf den ersten Blick sichtbar war. „Ich gehe noch was besprechen, ja? Könnte allerdings länger dauern. Leider muss ich dich währenddessen aber einschließen. Wenn du die Toilette suchst; das Bad ist gleich hier“, meinte Aoi und deutete dabei auf eine Tür zwischen Bett und Büchergestell. Ich nickte, trat dann aber ans Fenster, nachdem Aoi sein Zimmer verlassen und abgeschlossen hatte. Von hier aus konnte man auf eine große Parkanlage mit einem Weiher, Hecken, Bäumen und Blumen blicken. Trotz, dass der Park unzählige Pflanzen beinhaltete, war er symmetrisch und alles perfekt zurück geschnitten. Dieser „Boss“,oder auch Uruha, von dem alle immer redeten, war bestimmt einer dieser Menschen, die alles perfekt haben mussten und bei jedem kleinsten Blatt, das in die falsche Richtung schaute, meckerten.Obwohl sonderlich angetan von solchen Menschen war, musste ich zugeben, dass der Park wunderschön war. Wie gerne hätte ich mich jetzt unter einer dieser Bäume gesetzt und die Sonnenstrahlen auf mein Gesicht fallen lassen. Aber sogar zum Öffnen dieser Fenster brauchte man einen Schlüssel. Und auch wenn man diesen besaß, brachte einem das nicht viel weiter; dicke Eisenstäbe verhinderten das Ausbrechen. War ich hier in einem Gefängnis oder was? Wovor hatte dieser Uruha nur Angst? Musste er etwa befürchten, dass ihm seine eigenen Arbeiter, Angestellten oder was auch immer, abhauten? Aber das grenzte ja schon an Sklaverei! Betrübt ließ ich mich auf Aois Bett sinken und dachte an meine Familie. Bestimmt machten sie sich Sorgen. Vielleicht suchte die Polizei ja auch bereits nach mir. Ob sie dafür auch Hausdurchsuchungen machten? Es erschienen mir Stunden, bis Aoi wieder auftauchte. Er wirkte müde, lächelte aber, als er mich auf dem Bett sitzen sah. „Du wirst nicht in das Verlies zurückmüssen!“, erklärte er „Allerdings habe ich die Anweisung bekommen, dich nachts in das Bad zu schließen!“ „Wie bitte?“, fragte ich entsetzt und meinte mich verhört zu haben. „Wer denkt sich sowas denn bitte aus??“ Aoi zog eine gequälte Grimasse. „Uruha“, erklärte er. „Wer ist dieser Uruha eigentlich?“ „Unser Boss!“ „Darauf bin ich auch schon gekommen“, grummelte ich „Wovon der Boss? Was arbeitet ihr?“ „Keine Angst, ich werde dich schon nicht im Bad schlafen lassen“, meinte Aoi. Verwirrt blickte ich ihn an. Ich hatte ihn doch gerade etwas ganz anderes gefragt und er hatte meine Frage einfach ignoriert… Vielleicht waren sie ja eine Organisation, die aus Dieben bestand… Aber dann wäre doch so ein luxuriöses Anwesen zu auffällig gewesen, oder etwa nicht?? „Du müsstest dich allerdings mit dem Boden begnügen“, redete Aoi weiter. Unsere Blicke fielen gleichzeitig auf den grauen Teppichboden. Sonderlich bequem sah er nicht aus, aber immerhin besser als die kalten, harten Fliesen im Bad. „Das ist okay für mich“, nickte ich. „Ich habe es sogar geschafft, Reita eine Wolldecke abzuluchsen. Und zwei kannst du von mir haben!“, meinte Aoi und begann in seinem Bett zu wühlen, ehe er zwei Wolldecken hervor zog. „Reicht dir eine?“, fragte ich ihn schüchtern. Es war mir gar nicht recht, dass er wegen mir solchen Umstände machen musste und nun auch nur noch eine Wolldecke für sich alleine hatte. „Du wirst sicher zwei als Matratze benützen müssen, um etwas weicher zu liegen und die andere als Decke. Ich denke das ist fair“, antwortete Aoi, während er sein Bett wieder einigermaßen herrichtete. „Danke“, meinte ich leise und sah ihm dabei etwas unschlüssig zu. Schließlich hielt er kurz inne und drehte den Kopf zu mir. „Komm, mach schon. Wir haben noch was anderes zu tun!“ „W-Was?“, fragte ich nach, da ich einen kurzen Moment nicht wusste, was er von mir verlangte. „Richte dir dein Bett ein!“, befahl er mit genervter Stimme. Hastig nickte ich und begann die einen zwei Wolldecken zu falten und auf den Boden zu legen, ehe ich die dritte schließlich auf den anderen zweien ausbreitete. Zufrieden betrachtete ich mein Werk, doch Aoi hatte es anscheinend wirklich eilig. „Bist du fertig? Dann komm!“ Er zerrte mich aus dem Zimmer in die große Halle des ersten Stockes. Sofort roch ich den Geruch von Reis und Entenbraten, wobei mir das Wasser im Munde zusammenlief. „Gibt es Essen?“, fragte ich hoffnungsvoll, da sich nun auch mein Magen meldete. „Das was du riechst ist nicht für uns bestimmt“, erklärte Aoi, während er mich zwei Räume weiter zerrte „Das ist Uruhas Essen. Wir müssen selber für uns schauen. Kannst du kochen?“ Der Raum, in den er mich nun führte war eine Küche mit einem Esstisch, welcher am Fenster stand. Ich schüttelte auf seine Frage hin den Kopf. Wie auch, wenn man eine Mutter hatte, die einen immer mit Liebe bekocht hatte? Die Vorstellung, dies vielleicht nie mehr erleben zu können, war schmerzhaft für mich. „Ich kann auch nicht kochen“, gab Aoi zu „Aber ich denke, Pasta werden wir schon irgendwie schaffen!“ Dabei deutete er auf den Plastiksack, mit dem ich heute schon hatte Bekanntschaft machen müssen. „Pack schon mal das Zeug aus, ja?“, bat er mich, worauf ich nickte und es auch gleich tat. „Wo ist Reita? Isst er auch mit?“, fragte ich währenddessen. „Natürlich. Allerdings ist er momentan noch bei der Arbeit. Wir wechseln uns täglich ab mit kochen“, erklärte Aoi. „Was arbeitet er?“, wollte ich sofort wissen. „Stell nicht so viele Fragen“, schnauzte Aoi mich an, worauf ich zusammenzuckte. „Ich würde sagen, du kochst die Spaghetti und ich die Sauce. Fang schon mal an, die Spaghetti für vier Personen abzuwägen“, ordnete er mich an, seine Stimme klang nun bereits wieder etwas milder. „Für vier? Isst noch jemand mit?“ „Mann, bist du neugierig! Aber wenn du es unbedingt wissen willst, ja, Kai. Und bevor du noch weiter fragst, er arbeitet ebenfalls für Uruha, lebt aber nicht hier und nein ich sage dir nicht, was wir arbeiten“ Etwas überrumpelt starrte ich ihn an. Für diese kurze Zeit, in der wir uns schon kannten, hatte er mich aber schon recht gut durchschaut. „Du musst für jede Person etwa neunzig Gramm rechnen, das heißt, vier mal neunzig gibt…gibt…“, angestrengt dachte er nach. „360 Gramm“, half ich ihm nach. „Ah ja? Wieso kannst du das so schnell?“, wollte er wissen, worauf ich mir ein Lachen verkneifen musste. „Ich gehe nicht umsonst täglich zur Schule, ich meine, ich BIN nicht umsonst täglich gegangen“, meinte ich, das „bin“ besonders betonend. „Ich habe knapp Plus Minus rechnen gelernt und einfache Multiplikationen und Divisionen aber mehr nicht“, erklärte Aoi, meine Betonung ignorierend. Mit großen Augen sah ich ihn an. „Nur das? Was ist das denn für eine seltsame Schule?!“ Nun sah Aoi so aus, als hätte er besser nichts gesagt. „Eine spezielle eben“, wich er aus „Wäg jetzt endlich diese verdammten Spaghetti ab. Ich will heute noch essen!“ Ich nickte gehorsam und befolgte seine Anweisungen, ohne ein weiteres Wort mehr zu sagen. Aoi währenddessen war vollständig auf seine Arbeit konzentriert, sprich die Tomatensauce, oder jedenfalls, tat er so. Als die Spaghetti schließlich am kochen waren, wies er mich in einem knappen Satz an, den Tisch zu decken. Gerade als ich damit fertig geworden war, platze Reita hinein. „Schon wieder Spaghetti? Die wollte ich doch morgen machen“, beschwerte er sich und setzte sich bereits an den Tisch. „Unser Grundnahrungsmittel“, meinte Aoi grinsend zu mir „Wir essen selten was anderes“ Reita grummelte. „Die Dinger hängen mir zum Hals raus. Und mein Arbeitstag war auch ziemlich ärgerlich. Uruha hat-“, er stoppte, als Aoi ihm einen warnenden Blick zuwarf. „Wo ist eigentlich Kai?“, fragte er stattdessen und wechselte damit abrupt das Thema. „Ist er schon hier?“ „Woher soll ich das wissen?“, gab Aoi zurück „Aber wir warten nicht auf ihn, die Sauce ist jetzt nämlich fertig!“ „Und ich bin hungrig“, ergänzte Reita. Ich half Aoi unsere Teller zu füllen, indem ich die Spaghetti mit Geschick in die Teller beförderte und er die Sauce darauf kippte. Danach setzten auch wir uns an den Tisch. Währenddessen hatte eine weitere Person die Küche, beinahe lautlos, betreten. Erst als sie sich mit einem Teller Spaghetti ebenfalls zu uns setzte, bemerkte ich sie. Sprachlos starrte ich sie an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)