The Sin Verse von P-Chi ================================================================================ Epilog: Zufall -------------- 1952   Es war reiner Zufall gewesen.   Dalquiel war auf der Erde. Es war Nacht, doch wegen den grellen Lichtern der Großstadt, nicht wirklich. Es waren keine Sterne zu sehen, wenn er in den Himmel blickte. Aber das machte nichts. Er hatte schon vor vielen, vielen Jahrtausenden aufgehört irgendwelche Lichter zu sehen. Alles war für ihn grau. Farblos. Natürlich wusste er woran das lag. Wer dafür verantwortlich war. Doch er ignorierte es und verbannte die Gedanken in den hintersten Winkel seiner endlosen Erinnerung. Das war nicht der Grund, weshalb er in der menschlichen Sphäre war. Sensenmänner hatten nach ihm gerufen. Ein Haus voller gefangen genommener und gequälter Kinder war mittags in Flammen aufgegangen. Die Kinder brannten bis auf die Knochen ab; konnten nicht fliehen, weil die Ausbeuter sie zuvor in ein kleines Zimmer gesperrt hatten, um anschließend einen trinken gehen zu können. Sie hatten vergessen, das Gas in der Küche auszuschalten. Zwei der Männer rauchten. Nun stand Dalquiel in den kohlschwarzen Überresten der kleinen Wohnung. Der Grund, weshalb er überhaupt in den Himmel blicken konnte, war der, weil es kein Dach mehr gab und die letzten Asche Partikel von dem kalten Novemberwind in die Nacht hinaus getragen wurden. „Die Seelen weigern sich mitzukommen“, sagte der Sensenmann neben ihm. Normalerweise nahmen sie gestalten an, die Seelen beruhigen und Sicherheit geben sollten. Weshalb dieser ausgerechnet wie Trinity aussah, war ihm ein Rätsel. Nun, so ähnlich wie es ging, die Gestalt eines Engels zu kopieren. Selbst Sensenmänner, so alt sie auch sein mochten, konnten diese Gestalt nicht meistern. Und sie konnten keine Seele zwingen, mit ihnen zu kommen. Dalquiel versuchte den Sensenmann nicht anzustarren und wandte sich wieder den bitter weinender Kinder zu, die sich zu einem sanft leuchtenden Bündel zusammen drückten. „Ich verstehe. Ich kümmere mich darum“, antwortete der Engel und nickte dem Sensenmann, der normalerweise die Seelen über eine weitere Sphäre, allein für die Todesengel bestimmt, in den dritten Himmel brachten, zu. Für Dalquiel war nichts anderes übrig geblieben, als persönlich zu erscheinen, obwohl es normalerweise nicht üblich war. Was ihn dazu veranlasst hatte, auf den Ruf zu reagieren, war ihm nicht begreifbar. Es war vermutlich nur eine Laune gewesen, die ihn hin und wieder ergriff. Ihn auch dazu verleitete nach einer ganz bestimmten Essenz Ausschau zu halten, die ihn vermutlich in den tiefsten Tiefen der Hölle zu sehen wünschte. Er hätte es verdient, wenn er im selben Moment nicht gewusst hätte, dass diese Essenz es sich niemals vergeben hätte, wenn der dritte Himmel nach ihrem Fall zusammen gefallen wäre. Rabacyal versicherte ihm, dass er der Einzige wäre, der ihren Platz einnehmen konnte. Es war Chaos gewesen. Chaos, welches mittlerweile veraltet und verstaubt war; sich bröckelnd wie eine Ruine in seiner Erinnerung hielt und ihn niemals, niemals vergessen lassen würde, was er damals hatte geschehen lassen. Er hatte den einzigen Engel, der je etwas Besonderes für ihn gewesen war, alleine gelassen. Dalquiel dachte nicht mehr daran. Oder das Verlangen sich selbst zu vernichten, wäre zu überwältigend. Der Engel kniete sich vor die Kinder und streckte die Hand nach ihnen aus. Sie begannen ihre menschliche Form zu verlieren und wollten auseinander stoben, doch Dalquiel kesselte sie mit seinen Flügel, die in den ersten fünf Sphären nicht zu sehen waren, ein. Trotz seiner langen Zeit als Prinz von Shehaqim, hatte er nie den Eindruck gehabt, richtig mit den Seelen umzugehen. Er erledigte seine Aufgabe pflichtbewusst, doch ob er ihnen die Kraft und den Frieden gab, wiedergeboren zu werden, wie seine Vorgängerin es getan hatte, bezweifelte er. Warmes Licht flutete den Raum, wie Wasser, das das Feuer, durch die die Kinder umgekommen waren,  löschte und die jungen Seelen erstmals realisieren ließ, dass sie nicht mehr in Flammen standen. Das es vorbei war. Endgültig. „Kommt“, sagte Dalquiel und löste mit einer schwachen Handbewegung ihre Formen auf. Wie sieben kleine Glühwürmchen schwirrten sie um den Engel, ehe sie die auffordernde Hand des Sensenmannes akzeptierten. „Habt Dank“, antwortete dieser mit hohler Stimme und verschwand. Das Bild eines Skeletts blieb in der dritten Sphäre zurück, verblasste jedoch nach wenigen Sekunden. Dalquiel war bereit ebenfalls wieder in den Himmel zurück zu kehren, doch dann spürte er es. Nur kurz. Weniger als eine Sekunde. „Trinity“, hauchte er. Er fand sich in einer Allee wieder. Mindestens fünf Blocks von der abgebrannten Wohnung entfernt. Dalquiel erkannte den ehemaligen Prinzen sofort. Oder jedenfalls das, was von ihr übrig geblieben war. Ihre Essenz war nur noch ein kümmerlicher, schwarzer Haufen aus Schmerz, Reue und Sehnsucht. „Huh“ Der Engel fasste sich an die Brust, wo ihn ein dumpfer Schmerz heimsuchte, als er zusah, wie sie ihre neue menschliche Hülle begutachtete und Schutzsigile auf ihrer Haut aufflackerten. Dalquiel wollte näher treten, sie ansprechen, doch sobald er auch nur einen Schritt tat, wirbelte Trinity herum und starrte in seine Richtung. Er war wie erstarrt, wusste aber, dass sie ihn nicht sehen konnte. Ihr erschrockener Gesichtsausdruck sprach jedoch Bände. Natürlich, sie wollte nicht gefunden werden. Nicht nach allem, was Dalquiel angerichtet hatte. Der unerträgliche Drang, seine Schuld zu büßen, wurde übermächtig. Jetzt, wo er Trinity endlich wiedergefunden hatte, konnte er diese Chance nicht verstreichen lassen, sie wieder an ihren rechtmäßigen Platz zu stellen. Trinity würde wieder ein Prinz werden. Und Dalquiel würde den Preis dafür zahlen.   Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)