The Sin Verse von P-Chi ================================================================================ Kapitel 7: Blutmal ------------------ „Die Sonne geht auf, Grace.” Ich zuckte zusammen. Während ich auf dem unbequemen Asphalt zusammen gebrochen war und mich wie ein kleines Kind zusammen gekauert hatte, musste ich mehrmals bewusstlos geworden sein. Mir war klar geworden, dass das Gift in meiner Hand nichts war, mit dem ich fertig werden konnte. Diese Art von Gift war mir gänzlich unbekannt und stärker als all jene, die ich bis jetzt angefertigt hatte. Stark genug um einen Engel zu töten. Oder mich. Ich blinzelte zu der Gestalt über mir. Dalquiel hatte mich also gefunden. „Ich wollte mit Achlys reden.“ „Du musst dich nicht rechtfertigen.“ Verdammt richtig, das musste ich nicht. Dennoch hörte mein Mund gar nicht mehr auf, sich zu bewegen. „Ich wollte von ihr selbst hören, was sie zu den Morden sagt. Sie hat es nicht abgestritten.“ Dalquiel schwieg und kniete sich zu mir hinab. Ich drückte die Hand mit dem Blutmal fest an mich, um sie vor seinem Blick zu verstecken. Ich konnte ihm nicht sagen, dass einer von uns beiden würde sterben müssen. Ich hatte diesbezüglich noch keine Entscheidung getroffen. Ich lachte. Wahrscheinlich würde er sich sogar selbst dazu bereitstellen, solange ich seinen Auftrag fortführte und Achlys zur Strecke brachte. Solange es ihm von Nutzen war, würde dieser gefühlskalte Engel alles opfern. „Wieso lachst du?“ Ich grinste, auch wenn es mir etwas misslang. „Ich weiß es nicht. Vielleicht werde ich ja verrückt?“ Er überging meine merkwürdige Aussage und beschloss nach einer kurzen Pause: „Ich bringe dich nach Hause.“ Er hob mich hoch, woraufhin ich zu einer unbeweglichen Salzsäule erstarrte und in der nächsten Sekunde standen wir in meinem Wohnzimmer. Der plötzliche Ortswechsel bescherte mir Brechreiz. Morgenlicht flutete den Raum, die in der Luft wirbelnden Staubpartikel wurden sichtbar und das Holz der Mahagonieschränke bekam eine rötliche Färbung. Die alten Teppiche, die kobaltblauen Vorhänge und das Sofa waren noch von den Vorbesitzern. Die Bücher und leeren Kartons, die sich an den Wänden stapelten, waren von mir. Ich konnte im Vornherein nie wissen, wie schnell ich die Stadt verlassen musste, deswegen standen sie immer griffbereit. Ich wurde von Dalquiel auf dem Sofa abgesetzt. Danach brachte er Sicherheitsabstand zwischen uns und stellte sich an den Kamin, in welchem er mit einem Fingerschnipsen ein kleines Feuer entfachte. „Hast du dich entschieden?“ Ich ballte die Hand zur Faust. „Nein.“ Er nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. Dann griff er in seine Jackentasche und holte eine kleine Pralinenschachtel hervor, die er auf den gläsernen Wohnzimmertisch stellte. Es waren Godiva-Schokoladentrüffel. „Du hast mich doch nicht etwa ernst genommen, oder?“, fragte ich zweifelnd, als wollte er mich auf den Arm nehmen. Aber ein Engel mit Sinn für Humor? So etwas existierte nicht. „Natürlich“, erwiderte er schlicht. „Ich erwarte morgen eine Entscheidung, Grace.“ Puff. Weg war er. Keine aufbauenden oder verabschiedenden Worte, die mir die Sache vielleicht vereinfacht hätten, damit ich mir nicht unnötig das Hirn zermartern musste. Wenigstens konnte ich wieder normal atmen. Dalquiels Gegenwart machte mich immer unglaublich nervös und schwach. Ich fühlte mich bei ihm viel zu behaglich. Das war absolut inakzeptabel. Allein als er mich hochgehoben hatte, hatte mein Herz einen schmerzhaften Sprung gemacht und fast doppelt so schnell weitergeschlagen. Seine Gegenwart war ein einziger, lang andauernder Adrenalinschub, der für mich mit dem Tod enden konnte. Ich seufzte, lies mich tiefer in die Polster sinken und starrte auf meine vergiftete Handfläche. Das Mal hatte sich zu demselben Zeichen gebildet, wie die der gefundenen Leiche. Mir den Arm um die Augen legend, flüsterte ich: „Gott, was mache ich nur?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)