The Sin Verse von P-Chi ================================================================================ Kapitel 5: Beschluss -------------------- „Nur?“, wiederholte ich lahm. „Nur!“ Ich hatte Achlys meine ganze Existenz zu verdanken. Ohne sie wäre ich nie so weit gekommen und würde mich wahrscheinlich jetzt noch in Selbstmitleid suhlen. Mein Leben wäre eine Episode aus belanglosen Körperwechseln, während die Zeit scheinbar ohne mich weiter lief und ich in meinem Wahnsinn noch immer den Himmel anschrie, auch wenn meine Stimme längst versagt hatte. „Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung was du da eigentlich von mir verlangst? Warum sollte ich das tun?!“ „Weil Achlys außer Kontrolle gerät.“ „Ein kleiner Mord rechtfertigt noch lange nicht ihre Auslöschung“, erwiderte ich ernst. Götter spielten in einer vollkommen anderen Liga. Sicher, eine Reihe aus Leichen pflasterte ihren Weg – ich war auch nicht ganz unschuldig daran, aber ich hatte bis jetzt niemanden dazu gezwungen, meine Dienste in Anspruch zu nehmen. All dies geschah aus dem freien Willen der Menschen, daher mussten sie auch die Konsequenzen dafür tragen. Allerdings trieb sie ihre Spielchen schon seit ewig langer Zeit, warum also wurden die Engel ausgerechnet jetzt auf sie aufmerksam? „Ein Mord? Ich spreche hier von einer ganzen Reihe an unschuldigen Opfern.“ Der Geschmack von Sand breitete sich in meinem Mund aus und ich widerstand dem Drang zu würgen. „Sei still. Ich will nichts mehr hören.“ „Du musst, Grace. Achlys versucht eine passende Hülle zu finden, die ihre Seele beherbergen kann. Sollte es ihr gelingen, könnte ein Riss in der anderen Dimension entstehen, die andere Götter dazu veranlassen könnte ihr zu folgen. Das reinste Chaos würde ausbrechen.“ „Warum klingt das nur so schrecklich apokalyptisch für mich?“ „Weil es apokalyptisch ist“, stellte er sachlich fest. „Danke, Einstein, darauf wäre ich nicht gekommen.“ „Du hast gefragt.“ „Das war Sarkasmus.“ Ich seufzte gedehnt. „Vergiss es. Was hat das Ganze jetzt mit mir zu tun? Warum kümmert ihr euch nicht selbst darum?“ „Weil Engel keine Götter töten können, wie du sehr wohl weißt.“ „Ach ja, ich erinnere mich. Ich verstehe nur nicht, was ich damit zu tun habe. Ich bin weder stark, noch besonders und könnte nichts gegen eine Göttin wie Achlys ausrichten.“ „Du bist besonders“, sagte er leise, doch bevor ich seine Worte auch nur analysieren konnte, fuhr er fort: „Du bist ihre erste Tochter. Ihr Blut fließt durch dich, ihre Seele lebt in dir und das bedeutet, dass du sehr wohl die Macht besitzt sie zu vernichten.“ Langes Schweigen breitete sich aus, als mir die Brandbreite seiner Worte bewusst wurde. Er verlangte von mir meine Mutter zu töten. Weil ich es konnte. Allein das ließ mein Blut bereits zu Eis gefrieren, weil ich mich immer für schwach und angreifbar gehalten hatte, lediglich dazu fähig Gifte zu mischen, die Menschen in ihr Verderben lockten. Ich schüttelte ungläubig den Kopf und taumelte zurück. „Nein. Nein, ich kann nicht. Das ist zu groß für mich. Findet jemand anderen.“ „Es gibt nur dich“, sagte er mit solchem Nachdruck, dass sich mir die Kehle zuschnürte. „Das hier ist dein Freiticket in den Himmel. Denk darüber nach.“ Und dann war er weg. Seine erdrückende Präsenz, ebenso wie das eisige Gefühl in meinem Nacken, war verschwunden und auf einmal strömten all die anderen Geräusche wieder auf mich ein, die ich zuvor völlig ausgeblendet hatte. Das Zwitschern der Kanarienvögel. Der plötzliche Regen, der gegen die Fenster des Gewächshauses prasselte. Und vor allem die nagende Sehnsucht in meinem inneren, die ich solange verschlossen gehalten hatte, bis Dalquiel mit einem einzigen Blick alles ruiniert hatte. Er ist gefährlich, rief ich mir in Erinnerung. Lass nicht zu, dass er dir wieder wehtut. Am nächsten Morgen, noch bevor die Sonne aufgegangen war, platzte Marina herein und entdeckte mich sofort in der Küche mit mörderischen Augenringen und einer leeren Flasche Brandy vor mir. „Was willst du denn hier?“, fragte ich alles andere als begeistert. Ich wollte sie nicht hierhaben. Nicht jetzt, nicht morgen, am liebsten gar nicht mehr. Aber ich hatte meine Verantwortung ihr gegenüber, denn meinetwegen könnte sie schon bald den Tod finden und auch wenn ich es die meiste Zeit versuchte zu verdrängen, fühlte ich mich schuldig. „Keenan hat gesagt, ich soll vorbei schauen“, zwitscherte sie fröhlich. „Er hat gesagt, du wärst komisch drauf.“ Ach, natürlich. Weil Keenan es ihr gesagt hatte. Und Keenans Wünsche waren in ihrer Welt Gesetz. „Es geht mir bestens“, murrte ich. „Uhuh, das sehe ich“, erwiderte sie mit einem Seitenblick auf die Brandy-Flasche. „Je eher du mir sagst, was los ist, desto eher bist du mich wieder los.“ „Ist das ein Versprechen?“, fragte ich hoffnungsvoll und seufzte geschlagen als sie wild nickte. „Na schön. Auch auf die Gefahr hin, dass du nichts verstehst, hier hast du die Kurzfassung: Meine Mutter hat … etwas angestellt und jetzt hat mein Ex mich aufgespürt und verlangt von mir, dass ich sie ausliefere.“ „Du hast einen Ex?“, fragte Marina perplex. „Ist das alles, was bei dir hängen geblieben ist?“ Sie zuckte die Schultern. „Und weiter?“ Ich nahm einen weiteren Schluck aus meiner Flasche. „Das Problem ist, dass, ähm, Dallas etwas hat, was ich unbedingt will, andererseits kann ich doch nicht meine Mutter verpfeifen! Ich schulde ihr mehr, als ich je gutmachen kann, aber Dallas kann mir etwas geben von dem ich geglaubt habe, alle meine Chancen verspielt zu haben.“ Marina legte den Kopf schief und biss sich nachdenklich auf die rote Unterlippe. „Das klingt kompliziert.“ „Was du nicht sagst.“ Ich blickte enttäuscht in das leere Innere meiner Brandy-Flasche und stieß erneut einen tiefen Seufzer aus. „Irgendeine Idee, die mich aus meiner Misere befreit?“ „Allerdings, die hätte ich“, überraschte sie mich und hatte sofort meine ungeschlagene Aufmerksamkeit. „Ich bin ganz Ohr.“ „Schon einmal daran gedacht mit deiner Mutter zu reden? Vielleicht ändert sie sich und dann wird es gar nicht mehr nötig sein, sie auszuliefern. Oder ist dieser Dallas etwa ein Cop?“ „Was? Oh, nein“, murmelte ich abwesend und ließ mir ihre Worte noch einmal durch den Kopf gehen. Ich hätte nicht erwartet, dass Marina tatsächlich etwas beitragen konnte, aber was sie sagte machte Sinn. Dalquiel und die anderen Engel wollten verhindern, dass Achlys eine Hülle fand und weiterhin dafür mordete. Wenn ich sie also davon abbringen konnte, hätten die Engel keinen Grund mehr ihren Tod zu wollen und dank dieser guten Tat, würde man mir vielleicht sogar erlauben in den Dritten Himmel zurückzukehren. „Ich kann es kaum glauben, dass ich das sage, aber du hast recht“, stellte ich fest und stand auf. „Du musst gar nicht so ungläubig klingen“, erwiderte Marina und schulterte ihre Tasche. „Also, wenn das alles ist, werde ich jetzt gehen. Heute hat Keenan Sport und er sieht in Shorts einfach zum anbeißen aus!“ Irgendwie tat mir mein Schützling leid, aber was er sich selbst gewünscht hatte, musste er nun ertragen wie ein Mann. „Sag ihm, dass ihr heute nicht zu kommen braucht. Wir haben geschlossen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)