The silent girl von KleinerDickerPinguin (Eine etwas andere Geschichte über Gajeel und Levy) ================================================================================ Kapitel 1: The silent girl -------------------------- Als er sie das erste Mal sah, stand sie vor seinem Schaufenster und starrte mit großen leeren Augen auf die dort ausgestellten Fotografien von Tätowierungen und Piercings. Sie fiel ihm auf, weil ihre Haare seltsam blau waren, weil ihre großen braunen Augen so leer waren wie ein Blatt Papier und weil sie über eine Stunde da stand und nichts tat außer zu schauen. Nur ihr Blinzeln, das sehr schwache Heben und Senken ihrer Brust und die seltenen Bewegungen ihrer Augen wenn sie ein anderes Bild fokussierte verrieten ihm, dass sie überhaupt am Leben war. Sie war hübsch... aber leblos. Wie eine kleine fragile Puppe stand sie da und starrte. Gajeel wurde abgelenkt als ein Kunde hereinkam der einen Termin für eine Tätowierung hatte. Als er das nächste Mal zum Fenster schaute, war die junge Frau verschwunden. Am nächsten Tag, fast zur gleichen Zeit verabschiedete er eine Freundin, die er soeben frisch mit einem Piercing versorgt hatte. Sie erinnerte ihn mit ihren wallenden blauen Haaren an die junge Frau vom Vortag. Und als er just in diesem Moment aus seinem Austellungsfenster sah, stand sie wieder da. Fast wie ein Geist... sie stand und schaute. Er stellte seinen Ellenbogen auf seiner Theke ab, ließ seinen Kopf auf seiner Handinnenfläche ruhen und beobachtete sie. Irgendetwas an ihr ließ ihn selber starren... wobei er sich sicher war, dass er dabei lebendiger aussah als sie. Die Zeit verging und sie stand nur und sah sich seine Auslagen und Fotos an. Nichts verriet woran sie dachte, ob ihr gefiel was sie sah oder ob sie überhaupt dachte. „Verknallt?“ Eine Stimme riss ihn in die Realität zurück und er starrte seinen pinkhaarigen Mitarbeiter an, der gerade aus einer Tätowiersession kam. „Halt die Klappe Natsu!“, brummte Gajeel ungehalten, drehte sich wieder zum Fenster und stellte fest, das sie erneut verschwunden war. Danach kam sie jeden Tag und es war fast wie ein Ritual. Sie kam, stand und schaute. Es gab nichts neues in seinem Schaufenster und doch verbrachte sie jeden Tag Stunden damit, durch dieses Fenster zu schauen. Einmal hatte Natsu versucht sie anzusprechen, doch als er sich der Tür näherte und sie ihn sah, verschwand sie genauso schnell wie sie immer erschien. Sie war Gajeel ein einziges Rätsel. Doch etwas in seinem Bauchgefühl maß dieser Frau größere Bedeutung zu und so beobachtete er sie jeden Tag, mehr als zwei Wochen lang. Es war Mittwoch, er musste den Laden heute früher schließen weil der Ablesedienst sich ausgerechnet heute ausgesucht hatte, um seinen Stromzähler zu prüfen. Und da niemand seiner Freunde zu so einer Uhrzeit seine Arbeit niederlegen konnte, Natsu seinen freien Tag hatte und er nicht undankbar über ein wenig Freizeit mitten im Sommer war, schloss er einfach eher. Er hatte gerade den Schlüssel herausgezogen und wollte das Rollgitter herunterziehen, als er eine kleine Präsenz bemerkte, die vor dem Fenster stand und sehr verloren wirkte. Er hielt inne und starrte nach unten... Sie war klein, wirklich sehr klein für eine Frau die wahrscheinlich nur wenig jünger war als er, ihre blauen Haare rochen dezent nach Apfel, ihre haselnussbraunen Augen waren so groß wie sie von seinem Beobachterposten immer gewirkt hatten. Sie trug ein einfaches oranges Kleid, ein dazu passendes Haarband hielt ihre Locken aus ihrem schmalen, blassen Gesicht. Sie schmal und ihre Haut fast weiß... vielleicht war sie doch ein Geist. „Tut mir Leid, Kurze. Du bist heute zu spät... ich muss zumachen.“ Seine raue Stimme machte sie Aufmerksam und sie sah langsam zu ihm hoch. Sie war die erste Person, die nicht sofort zusammenzuckte, als sie ihn sah. Er war groß, muskulös, seine Augen waren rot und er war über und über gepierct, inklusive Nase, Augenbrauen, Kinn... Seine lange schwarzen Haare waren zu einem wirren Zopf zusammengefasst um ihn nicht bei der Arbeit zu behindern. „Schade...“ Er zuckte zusammen. Ihre Stimme war sanft, weich und doch von einer tiefen Traurigkeit durchzogen. Ihre Augen waren fest mit seinen verlinkt. „Kann ich morgen wiederkommen?“ Er nickte ganz automatisch, dann fasste er sich und zog das Rollgitter endgültig herunter. „Warum kommst du jeden Tag und starrst durch das Fenster?“, fragte er schließlich und stemmte seine Hände in die Hüfte. Sie wandte sich ab und legte eine schmale Hand an das Metallgitter. „Ich weiß es nicht. Es gibt mir Kraft zu sehen, dass so viele Leute so mutig sind freiwillig solche Schmerzen zu ertragen.“ Überrascht hob Gajeel eine Augenbraue. „Das ist doch Bullshit.“ Seine Stimme war ein tiefes Rumpeln und er sah sie unverwegt an. „Das hat doch nichts mit Mut zu tun. Die Leuten wollen einfach etwas an sich verändern worüber sie die Kontrolle haben. Sie wollen sich verschönern, anders sein als andere, was auffälliges oder rebellisches tun. Ist doch wohl einer Frage der Lebenseinstellung.“ Jetzt fand er sie verwirrend. „Vielleicht. Aber trotzdem nehmen sie alle Schmerzen in Kauf...“ Er konnte nicht recht nachvollziehen was sie ihm damit sagen wollte. „Wenn du das sagst...“, murmelte er ausweichend und kratzte sich am Hinterkopf. Dann fiel ihm ein warum er überhaupt hier stand. „Ach fuck... ich komme zu spät. Komm morgen einfach rein! Dann mach ich dir nen Kaffee und dann kannst du mir das mit den Schmerzen noch mal erklären!“ Er drehte sich um, winkte noch einmal kurz und rannte los um nicht noch später nach Hause zu kommen. Ihre nachdenklichen Blicke bemerkte er nicht mehr. Am gleichen Abend saß Gajeel vor dem Fernseher und sah sich irgendetwas sehr belangloses an als plötzlich sein Telefon klingelte. „Redfox...“, murrte er als er abgenommen hatte. „Gajeel? Du musst unbedingt Nachrichten anmachen!“ Der Angesprochene setzte sich gerade auf und blickte ein wenig verwirrt in sein Wohnzimmer. Deswegen rief Natsu ihn um diese Uhrzeit an? „Was...“ Er wurde von Natsus aufgeregter Stimme unterbrochen. „Das Mädchen von unserem Laden ist in den Nachrichten, sieh zu Alter!“ Sofort griff Gajeel nach der Fernbedienung, schaltete um und starrte auf das Bild. Das war wirklich die junge Frau mit der er heute Worte gewechselt hatte. „... Warum sich sich Levy McGarden, die berühmte Schriftstellerin mit der einzigartigen Büchersammlung das Leben nehmen wollte, ist allerdings nicht bekannt. Im Moment ist sie im Krankenhaus ******* untergebracht und wird medizinisch notversorgt....“ Gajeel ließ den Hörer fallen und starrte auf das Bild dieser jungen Frau, die ihn seit Wochen in seinem Bann hielt ohne das er hätte erklären können. Er hasste Krankenhäuser wie wenig anderes in seinem Leben. Nicht das er besonders viel mochte, aber Hass empfand er nur für weniges. Krankenhäuser war eines dieser Sachen. Er hatte sich durch eine ganze Pressemeute kämpfen müssen um überhaupt an den Empfang zu kommen und die Schwester die dort saß wollte ihm zuerst keine Auskunft über Levys Zimmernummer geben. Aber ein paar böse Blicke und eine lautstarke Diskussion später stand er vor ihrer Zimmertür und war sich auf einmal sehr unsicher, was er eigentlich hier wollte. Es war nicht so das er sie kannte, geschweige denn irgendwie nahe stand. Aber er fühlte eine seltsame Art der Verbindung zu ihr... Er klopfte, ein leises herein erklang und er trat ein. Sie saß aufrecht in einem Bett, ein Buch auf ihren Knien. Ihre Handgelenke waren dick einbandagiert, sie trug nur ein einfaches weißes Nachthemd und sah ihn aus ihren großen Augen ein wenig irritiert an. „Was... machst du hier?“, sie klang fast ein wenig ängstlich. Er hatte nichts mitgebracht, keine Blumen oder so etwas. Was sollte man jemandem mitbringen, der versucht hatte sich umzubringen? Einen spontanen Lebenswillen hatte er nicht zufällig in seiner Tasche. „Dich besuchen.“ Gajeel zog sich einen Stuhl an ihr Bett, ließ sich darauf fallen und beäugte das Buch in ihrem Schoß. „Faust?“, fragte er und sah wieder zu ihr. „Goethes Faust? Denkst du das ist die richtige Lektüre nach dem Versuch dich umzubringen?“ Sie wirkte ein wenig sprachlos, klappte das Buch zu und legte es auf ihren Nachttisch. „Ich hätte nicht gedacht das jemand wie du Goethes Faust kennt.“ Ihre Stimme war schwach, ein wenig distanziert und war wieder von dieser unendlichen Traurigkeit durchzogen. Sein Herz verkrampfte sich ein wenig. „Nur weil ich einen Tatooshop leite heißt das nicht, dass ich keine Bildung genossen habe.“ Sie brachte ein schmales Lächeln zustande. Wenigstens wirkte das nicht aufgesetzt. „Aber mal ehrlich. War dein Gespräch mit mir so schlimm, dass du dich deswegen gleich umbringen musst? Wenn mein Anblick so schrecklich ist, hättest du gar nicht wieder zum Laden kommen sollen, Kurze.“ Sie wandte ihren Blick ab. „Ich heiße Levy.“, sagte sie ohne seine Frage zu beantworten. „Das weiß ich. „Kurze“ passt aber wesentlich besser zu dir. Ich könnte auch shrimp zu dir sagen, wenn dir das besser gefällt.“ „Ich würde es vorziehen, wenn du mich Levy nennst... Ich mag keine Kosenamen.“ Etwas in diesem letzten Satzteil ließ ihn aufhorchen. „Okay, Levy. Ich bin übrigens Gajeel... nur falls es dich interessiert... also. Warum der Versuch dir was anzutun, wenn du offensichtlich einiges an Berühmtheit genießt?“ Sie ließ ihre Schultern hängen, ihre schmalen Finger krampften sich in die Bettdecke die auf ihren Beinen lag und sie biss sich auf die Unterlippe. Aber kein Wort kam über ihre Lippen. Sie saß nur, starrte und gab keinen Mucks von sich. „Okay...“, Gajeel lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Du musst nicht gleich reden wie ein Wasserfall.“ Er seufzte und beobachtete sie weiter. Offensichtlich war ihr Leben nicht halb so toll, wie die Medien es immer wieder darstellten. Er hatte sich ein wenig über sie erkundigt.... Sie hatte Schule und Universität mit Bestnoten abgeschlossen, hatte seitdem sowohl Fachbücher über alte Sprachen und Kulturen als auch einen Roman herausgebracht, verdiente offensichtlich gutes Geld und war in keine Skandale verwickelt. Allerdings sah sie auf keinem einzigen Pressefoto glücklich aus. Was also war in ihrem Leben vorgefallen, dass sie derart unglücklich damit war? „Okay pass auf. Ich komme morgen wieder...“ Er lächelte sie schief an und verließ das Zimmer. Draußen angekommen zündete er sich eine seltene Zigarette an und starrte zu ihrem Fenster hoch. Was für eine Frau... sie hatte einen seltsamen sehr emotionalen Einfluss auf ihn. Die darauf folgenden Tage besuchte er sie regelmäßig und solange wie er konnte. Ihre Bandagen wurden dünner, ihre Hautfarbe ein wenig gesünder. Nachdem sie sich zwei Treffen lang angeschwiegen hatten, hatte er am dritte Tag angefangen aus seinem Leben zu erzählen, die guten und die vielen schlechten Dinge. Wie sein Vater, der ihn alleine großgezogen hatte in seinem siebten Lebensjahr einfach verlassen hatte, wie die Fürsorge ihn in ein Heim gesteckt hatte und wie er früher oder später in einer der zahlreichen Straßengangs gelandet war. Wie er Natsu und seine Freunde kennen gelernt hatte, wie es zu seinem Shop gekommen war, wie er sich sein erstes Piercing selber gestochen hatte... Warum er immer Stress mit der Polizei hatte, wie er schließlich seinen abgebrochenen Schulabschluss nachgeholt hatte um sein Leben in den Griff zu bekommen. Er erzählte ihr sogar von dem Jungen der Rogue hieß und den er versucht hatte mit auf die gute Bahn zu ziehen und gescheitert war, weil er ebenso wenig eine Vaterfigur war wie sein eigener alter Herr. Und Levy saß und hörte ihm zu, fragte sehr selten nach wenn sie etwas nicht nachvollziehen konnte, aber schwieg sonst. Und er begann ihr Bücher mitzubringen, Dinge die in seinen Regalen standen und aus seiner Welt berichteten, über Piercing- und Tatookultur, über Musik, über Bandenkriminalität und anderes. Ihre Gespräche wurden lebhafter und irgendwann kam der Tag, an dem sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde. An diesem Abend fragte er sich, ob er diese schweigsame Frau die sich inzwischen einen festen Platz in seinem Leben hatte wiedersehen würde. Er war verwirrt über die Zuneigung die er ihr gegenüber empfand und wusste nicht, was er damit anfangen sollte. Am nächsten Tag betrat Levy seinen Shop und Gajeel blickte verwirrt zu ihr auf. Sie lächelte leicht, setzte sich auf einen der hohen Hocker vor seinem Thresen und legte ihre Hände auf den Tisch. „Ich ertrage keinen Schmerz.“ Er sah auf und hob überrascht beiden Augenbrauen. Doch er fragte nicht, etwas sagte ihm, dass sie erzählen würde. „Weder körperlichen noch emotionalen. Mein Vater fing an mich zu missbrauchen als ich fünf war. Es hörte auf als er starb als ich gerade 16 geworden bin...“ Ihr Blick war sanft, ihre Stimme ruhig, aber ihre Finger zitterten. „Ich habe mit niemandem darüber geredet, denn es hätte nichts geändert. Er war die einzige Familie die ich je besessen habe und ich will keinen Groll gegen einen Toten hegen.“ Gajeel wollte etwas sagen, war bereits aufgesprungen und hatte einen wütenden, verzweifelten Gesichtsausdruck, aber Levy hob nur ihre Hand und sah ihn an. „Aber heute würde ich gerne etwas neues Beginnen. Vielleicht schaffe ich, vielleicht nicht...“ Sie zog einen kleinen Zettel aus ihrer Handtasche und schob ihn Gajeel hin. Darauf abgebildet war so etwas wie... eine stilisierte Fee? Mit einem stachelförmigen Schwanz, einem seltsamen Flügel und einem Schnabel. „Das ist das Zeichen meines Lieblingsphilosophen Makarov Dreyar... ich möchte das du es mir tätowierst...“ Ihr Lächeln wurde ein wenig breiter. „Und dann, wenn es möglich ist, würde ich dich gerne weiter jeden Tag sehen...“ Gajeel Hand griff nach dem Zettel und schließlich sehr zögernd nach ihrer Hand. Levys Lächeln wurde noch ein wenig breiter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)