Auraya und die Gilde der Schwarzen Magier von Savara ================================================================================ Kapitel 1: Die Auserwählte -------------------------- Lorlen saß in seinem Büro. Er las sich noch einmal den soeben verfassten Brief durch. Seufzend legte er ihn auf den Stapel für die zu versendende Post. Er nahm sich den nächsten Brief und begann zu lesen. Als es an der Tür klopfte hielt er inne. Lorlen wand sich der Tür zu und gab ihr, ohne sich zu rühren, den Befehl sich zu öffnen. „Guten Abend, Administrator“, sagte Lord Yangun während er eintrat. „Lord Yangun, was führt euch zu mir?“, wollte Lorlen wissen, während er mit einer Hand auf den Stuhl der ihm gegenüber stand, deutete. „Ich habe dem Mädchen, welches Eintritt in die Gilde erbittet, einen Boten geschickt. Sie wird innerhalb der nächsten Stunde hier eintreffen“, antwortete Lord Yangun, während er auf dem Stuhl vor Lorlens Schreibtisch Platz nahm. „Gut“, sagte Lorlen. „Die kleine hat Mut. Aber auch wenn es kein Gesetz gibt das es ihr verbietet in die Gilde aufgenommen zu werden, erinnern sie sie bitte nochmals daran, dass sie nach ihrer Ausbildung, falls sie magisches Potenzial besitzt, nicht in ihr Heimatland zurückkehren kann." Lorlen blickte stirnrunzelnd auf den Brief in seiner Hand. "Außer Ithania würde sich mit uns Verbünden, was ich bezweifle, da es so weit weg am anderen Ende des großen Meeres liegt“, sagte der Administrator mehr zu sich selbst gemeint. Lord Yangun runzelte ebenfalls die Stirn, Administrator Lorlen schien im Moment sehr gestresst zu sein. Aber so wirkte er auf normale Menschen immer. Yangun richtete sich in seinem Stuhl auf, dann antwortete er: „Ok, ich werde es ihr noch einmal sagen. Aber der eigentliche Grund für meinen Besuch ist die Frage ob Ihr vielleicht persönlich die Prüfung des Mädchens durchführen wollt.“ Lorlen dachte kurz darüber nach, dann antwortete er: „Nein, ich glaube das wird nicht nötig sein.“ „In Ordnung, dann wünsche ich Euch noch einen schönen Abend, Administrator.“ sagte Yangun und nickte mit dem Kopf dem Mann am Ende des Schreibtisches zu. „Haltet mich bitte auf dem Laufenden über dieses Mädchen“, fügte der Administrator hinzu als Yangun die Tür aus dem Büro bereits geöffnet hatte. Yangun nickte bevor er die Tür hinter sich schloss und machte sich auf den Weg um Anny zu empfangen. Die Sonne stand schon sehr tief und er fluchte leise, da er nicht schon vorher den Administrator aufgesucht hatte um ihm Bericht zu erstatten, nun würde er wahrscheinlich auch noch zu spät kommen. Hoffentlich wartet sie auf ihn. Da war er, der Brief auf den sie nun schon seit über 2 Monaten wartete. Also hatte Lord Yangun ihre Bitte doch weiter gegeben. Sie hatte schon fast nicht mehr damit gerechnet, dass überhaupt irgendeine Reaktion kommen würde. Seit dem Gespräch im Bolhaus hatte er sich nicht mehr bei ihr gemeldet und auch sonst war sie keinem weiteren Magier begegnet. Nun lag er da, der Brief, und wartete nur noch darauf, dass er geöffnet wurde. Sie schaute sich den Umschlag genauer an. Es stand drauf „An Anny Schreiber im Bratapfel“, Bratapfel hieß die Unterkunft, in der sie für diese Zeit eingemietet hatte. „Auch wenn der Name wohl eher unpassend ist, da ich hier noch nie auch nur einen einzigen Apfel gesehen oder gerochen hab, hier gibt es nur Bol und damit scheinen die Menschen auch zufrieden zu sein", dachte Auraya sich im stillen. Sie fand keinen großen Gefallen an diesem bitter schmeckenden Trunk, der einem nur den Geist vernebelte. Und dann noch dieser Name: Anny. Aber was sollte sie machen ihr Name war legendär. Sie mochte es überhaupt nicht andere Namen zu benutzen, aber für den Moment blieb ihr wohl nichts anderes übrig. Sie konnte ja nicht zugeben, dass sie eine der mächtigsten Magier der vergangenen Zeit war. Sie wendete sich wieder ihrem Brief zu. Das Siegel der Gilde war ungebrochen. Sie holte tief Luft und öffnete ihn. Ein kleiner Zettel kam zum Vorschein. Sie faltete das Stück Papier auseinander und eine Nachricht, in kunstvollen Buchstaben geschrieben, kam zum Vorschein. Sehr geehrtes Fräulein Anny, auf Ihren Wunsch hin wurde eine Prüfung ihrer magischen Fähigkeiten heute bei Sonnenuntergang angesetzt. Bitte finden sie sich zu dieser Zeit auf dem Hauptplatz der Gilde ein. Dieses schreiben ist eine persönliche Einladung und ermächtigt Sie dazu alle nötigen Tore zu durchqueren. Hochachtungsvoll Lord Yangun Auraya stieß den Atem aus den sie angehalten hatte. "Sie geben mir eine Chance... Aber das Magie empfinden der Gilde ist nicht mehr das, was es zu meiner Zeit war", schoss es ihr durch den Kopf. Dann fiel ihr wieder ein was Yangun zu ihr sagte: "Jeder Mensch mit magischem Potenzial trägt eine Art Blase in sich. Es ist vergleichbar mit einem Magiespeicher..." Also musste sie nur genug Magie in sich hineinziehen, so dass die Magier es sehen konnten. Größere Sorgen machte ihr ihr Gedankenschild. "Wenn ich ihn fallen lasse, finden sie wahrscheinlich die Wahrheit eher heraus als ich es geplant hatte. Allerdings wird es nicht möglich sein den Gedankenschild aufrecht zu lassen, da sie so die Magie in ihr nicht sehen konnten", grübelte sie mit einer steilen Falte auf der Stirn. "Ich muss es irgendwie schaffen mein Schild soweit sinken zu lassen, dass er all die Dinge sehen kann, die ihm nichts verraten und den Rest verborgen halten. Aber ist das möglich?" Sie hatte so etwas noch nie zuvor benötigt und dementsprechend auch noch nie ausprobiert. Mit ein wenig Konzentration konnte sie den Schild spüren, der über ihre Gedanken wachte. "Er existiert nun schon so lange, dass ich mit gar nicht mehr dessen bewusst bin das er überhaupt noch da ist", dachte sie. Langsam lies sie ihren Schild sinken bis zu einem gewissen Punkt, an dem sie glaubt, dass sie nichts preisgeben würde was verdächtig ist. "Ich hoffe das klappt", sagte sie laut zu sich selbst, als würde sie es, wenn sie diese Worte laut aussprach eher glauben. Kurz bevor es draußen zu dämmern begann schnappte sie sich ihren Mantel und machte sich auf den Weg zur Gilde der Magier. Es klingelte und Sonea erhob sich von ihrem Platz, verbeugte sich vor ihrem Lehrer und machte sich auf den Weg in die Novizenbibliothek um dort ihrer allabendlichen Arbeit nachzugehen. Als sie durch die Seitengänge huschte, wählte sie ihre Schritte mit bedacht und achtete auf jedes noch so kleine Geräusch. Es war nun schon fast 3 Wochen her, dass sie Regin das letzte Mal begegnet ist und er sie wie die unzähligen Male davor mit Hilfe seiner Novizenfreunde bis zur endgültigen Erschöpfung gebracht hatte. Sie schauderte bei dem Gedanken und zuckte im nächsten Moment zusammen, als ein Geräusch aus dem zurückliegenden Seitengang kam. Sie beschleunigte ihre Schritte und stieß im nächsten Flur mit Lord Yangun zusammen. Sie entschuldigte sich bei ihm doch er schien es sehr eilig zu haben und sie gar nicht wahrzunehmen. Sie nutze die Gelegenheit um einen kurzen Blick auf den hinter ihr liegenden Flur zurück zu werfen, vielleicht würde sie ja die Ursache für das Geräusch finden. Doch es war niemand zu sehen. Ihr graute es vor dem Gedanken das hinter einer der hohen Säulen Regin oder einer seiner Freunde wartete bis sie aus der Bibliothek zurückkam. Sie eilte auf die großen Flügeltüren der Bibliothek zu und schloss sie rasch hinter sich. Zu ihrer Verwunderung war niemand in der Bibliothek. Erst zu spät merkte sie, dass sie in eine Falle getappt war. Irgendjemand muss Lady Tya unter einem Vorwand aus der Bibliothek gelockt haben und nun saß sie hier drinnen gefangen. Sie hoffte nur, dass die Lady nicht zu lange fernbleiben würde. Als sich nach Stunden die Tür noch immer nicht geöffnet hatte, fing sie an sich sorgen zu machen. Aber selbst wenn Regin so gemein mit ihr war. Er würde doch gewiss nicht irgendeinem Magier etwas antun nur damit er seine Streiche mit Sonea weiter spielen konnte. Oder etwa doch. Sie schauderte. Aber sollte es so sein wäre das wahrscheinlich das letzte was Regin in der Gilde getan hat. Einen Magier anzugreifen war schließlich was anderes als mit einem anderen Novizen zu „Üben“, wie er ihre Streiche nannte. Aber sie konnte auch froh sein über ihre Situation. Solang die Tür verschlossen war, drohte ihr vor Regin keine weitere Gefahr. Auraya war verblüfft, dass sie sich so frei in der Stadt bewegen konnte. Obwohl sie eine Genehmigung zum durchqueren der Tore hatte, machte keine Wache, der sie begegnete, Anstalten sie aufzuhalten und ihre Genehmigung zu sehen. Einzig am Tor der Gilde musste sie das Schreiben vorzeigen. Doch auch dort wurde sie durchgelassen, ohne dass es sich jemand genauer angesehen hat. Anscheinend reichte das Siegel der Gilde, was groß auf den Umschlag gestempelt wurde. Auraya folgte der Straße hinter dem Torbogen bis sie einen großen Platz erreichte. Da sie davon ausging, dass das der im Brief genannte Treffpunkt sei, setzte sie sich auf eine Bank und schaute sich, auf den Magier wartend, um. Sie entdeckte ein paar Magier die hier und da in kleinen Gruppen oder auch allein durch den großen Garten zu ihrer Linken liefen. Direkt vor ihr erhob sich ein großes Gebäude, das von dicken Säulen getragen wurde. Eine Art der Baukunst, die hier öfters zu sehen war. In ihrer Heimat hat sie schon viele Jahre nicht mehr ein so präzise erbautes Gebäude gesehen wie dieses hier. Das einzige was für sie eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Gebäude vor ihr hatte war der alte Tempel in Si. Der einzige der noch erhalten geblieben war. Sie dachte wieder zurück an längst vergessene Zeiten. Ja, da gab es tatsächlich mehrere Gebäude, die eine ähnliche Baukunst aufwiesen wie dieses. Aber all die Gebäude wurden breites vor Jahrhunderten abgerissen und durch neuere, modernere Häuser ersetzt. Als sie den Mann, mit dem sie bereits auf dem Markt gesprochen hatte, auf sie zukommen sah erhob die sich von ihrer Bank und wartete bis er sie erreicht hatte. "Guten Abend, Lord Yangun", sagte sie mit einer anmutigen Verbeugung, als er sie erreicht hatte. "Guten Abend Anny, herzlich Willkommen in der Gilde von Imardin", antwortete er ihr förmlich. Sie schlenderten etwas durch die Gärten der Gilde, welche im sommerlichen Abendschein wirklich nahezu atemberaubend waren. Sie ließen sich nach einigen Minuten auf eine Bank, die umgeben von hohen Hecken war, nieder. Der Mann erklärte ihr noch einmal was ihr Eintritt in die Gilde bedeuten würde und streckte ihr dann ihre Hände hin. Auraya wusste nicht was das auf einmal bedeuten sollte. „Gib mir deine Hand, damit ich sehen kann ob du überhaupt in der Lage bist eine Magierin zu werden“, sagte er höflich und keineswegs aufdringlich, als hätte sie genug Zeit all das gehörte noch einmal zu verarbeiten. Sie zog Magie in sich hinein, damit er auch was entdecken konnte und versicherte sich das ihr Gedankenschild noch immer an dem Punkt war, an dem er nur einen Teil ihrer Gedanken Preis gab. "Ich hoffe das klappt", dachte sie abermals und griff nach der Hand des Magiers. Der Magier schloss nur für wenige Sekunden die Augen, dann öffnete er sie wieder und sie sah wie sich ein Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. „Dein magisches Potenzial ist größer als ich es erwartet habe. Wahrscheinlich sogar größer als alles andere was ich bis jetzt gesehen habe. Obwohl ich erwähnen muss, dass ich noch nicht so viele Novizen auf magisches Potenzial getestet habe“, er zwinkerte ihr zu, „deiner Aufnahme in die Gilde steht also nichts mehr im Wege. Allerdings wirst du in den wenigen Wochen die dir noch bis zum Beginn des Sommersemesters bleiben alle Regeln und Gepflogenheiten lernen müssen. Wenn du willst helfe ich dir gerne dabei“, sagte er strahlend. Die kommenden 3 Wochen vergingen wie im Flug. Lord Yangun kam jeden Abend zu Besuch in die Herberge, in der sie wohnte. Er lehrte sie die Gesetze der Stadt und Umgangsformen mit Magiern. Seine „Unterrichtsstunden“ waren immer sehr interessant. Auch an diesem Abend saß der Lord mit Auraya in ihrem spärlich eingerichteten Zimmer und erzählte ihr von dem Krieg mit Sachaka und der Gründung der Gilde. „Es ist ja schon wieder so spät geworden“, sagte er plötzlich, „Ich fürchte ich muss dich nun langsam verlassen Anny. Du weißt nun eigentlich alles was du benötigst um dir in der Gilde Respekt und Achtung zu verschaffen. Ich denke wir sehen uns dann nächste Woche bei der Aufnahmezeremonie.“ „In Ordnung Lord Yangun. Könnt ihr mir schon sagen wann diese Zeremonie genau beginnt?“ „Nein Anny. Ich werde einen Boten zu dir schicken, um dir den Termin mitzuteilen“, erwiderte er. „Vielen dank Lord Yangun und noch einen schönen Abend“, sagte Auraya bevor sie sich verbeugte. „Vielen dank, dir auch noch einen schönen Abend Anny“, erwiderte er lächelnd bevor er die Tür hinter sich zuzog. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)