Der letzte Raubzug von Cookie-Hunter ================================================================================ Kapitel 9: Zufall? ------------------ Tags darauf besuchten die beiden Männer das Händlerviertel in der Stadt, wo sie sich mit neuen Lebensmitteln, wie Reis und Eiern, eindecken wollten. Auf ihrer Suche kamen sie an einem Händler mit Büchern und Schriftrollen vorbei, was den Geistlichen dazu brachte stehen zu bleiben. „Sumimasen. Was ist das für ein Buch?“ „Das ist eines über Medizin. Das Wissen darin stammt aus dem Westen. Die Holländer in Deshima haben es mitgebracht.“ „Wirklich?“ „Nun, es ist eine Abschrift. Aber viele der Begriffe wurden dabei ins Japanische übersetzt. Ihr dürftet also keine Schwierigkeiten haben beim Lesen.“ Nachdenklich sah der Kleinere das Buch an. Er wollte schon gerne dieses neue Wissen erlangen. Von diesen Büchern hatte er vieles gehört. „Ikura desuka.“ „Nur einhundertzwanzig Yen, mein Herr.“ Hideto musste stark überlegen. Wenn er dieses Buch mitnehmen wollte, dann würden sie bei ihrem weiteren Einkauf Einschränkungen machen müssen. Zwar besaß er mehr in seinen Taschen, seitdem der Größere bei ihm lebte, dennoch achtete er auf jede Münze, weil es trotz allem oft vorne und hinten kaum reichte. „Nehmt es mit“, flüsterte Camui ihm zu, weshalb er kurz überrascht angeblinzelt wurde. „Nein, das geht nicht. Wir können sonst nicht-“ Dem Kleineren wurde das Wort abgeschnitten, als der Blauäugige meinte: „Nehmt es! Ich merke doch, wie gerne Ihr dieses Wissen haben wollt. Außerdem weiß ich, wie es ist zu...fasten. Und ich bin gerne bereit es zu tun.“ Dennoch haderte er mit sich, wenngleich er auch ein wenig gerührt war von diesem Angebot. „Na los“, forderte der Japaner mit den blauen Augen ihn noch einmal sanft auf. Aber noch immer zögerte er, sah das Buch erneut an. „Könnte ich vielleicht erst einmal einen Blick hinein werfen?“ „Natürlich, mein Herr. Seht nur, seht.“ Sich bereits auf ein Geschäft freuend, überreichte der Händler das Werk, wartete ungeduldig auf das Ergebnis. Währenddessen wurde Hideto-sans Interesse erst recht geweckt. „Welch unglaubliche Erkenntnisse diese Holländer doch haben. Das geht doch weit weg von dem, was ich gelernt habe.“ „Dann ist es als nicht so gut?“ „Das kann ich so noch nicht sagen, Camui-san. Es ist eine völlig andere Herangehensweise, als das, was ich kenne. Aber es würde mein Wissen vertiefen. Wodurch ich den Menschen womöglich noch weitaus besser helfen könnte, als bisher.“ Auf Camui wirkten die Zeichnungen in dem Buch eher erschreckend und auch ein wenig verstörend, aber die Begeisterung seines Retters steckte auch ihn ein bisschen an. Jetzt mussten sie es erst recht kaufen. Wenn er dem Anderen irgendwie eine Freude machen konnte, dann verzichtete er gerne auf ein paar Mahlzeiten. „Es ist wirklich interessant.“ Zögerlich sah er zu seinem Begleiter hoch. „Und ihr seid wirklich sicher bereit ein Opfer zu bringen? Nur damit ich...?“ „Hai.“ Hideto seufzte, lächelte ihn dann aber dankbar an. „Dann kaufe ich es.“ „Wie Ihr wünscht, mein Herr.“ Immer wieder verbeugte sich der Händler, als er das Geld entgegen nahm. „Ich wünsche den werten Herren noch einen angenehmen Tag.“ Sie erwiderten, dann zogen sie weiter, um ihre eigentlich Besorgungen zu erledigen. Während sie die Straße entlang gingen und sich an verschiedenen Ständen umsahen, besprachen sie, was sie wirklich brauchten und auf was sie notfalls auch verzichten konnten, sollte ihr Geld einfach nicht für alles ausreichen. So kauften sie bei mal hier, mal da und Camui versuchte sich sogar am Handeln, „Wir haben Reis und Essig bekommen, sowie ein paar Eier, etwas Tofu und Sojasoße. Für mehr wird es heute nicht reichen.“ „Das macht doch nichts“, lächelte der Größere. „Es ist doch immer noch eine ganze Menge.“ Was er nicht nur deshalb sagte, weil der Sack Reis auf seiner Schulter so schwer war. „Und das, was wir am dringendsten brauchen.“ „Das stimmt.“ „Camui!“ Erschrocken blieben die beiden Männer stehen und sahen sich um. „Camui! Du kannst nicht gehen.“ Misstrauisch blickte der Gerufene sich um, bis er an einem Straßenkünstler hängen blieb, der Kindern mit Hilfe von Bildern eine Geschichte erzählte. Ein älterer Mann, der schon leicht gebeugt stand. Erste graue Strähnen zogen sich durch sein langes, schwarzes Haar, welches er in seinem Nacken zu einem Zopf gebunden hatte. Typisch für jemanden, der viel umherzog, trug er mehrere Lagen Kleidung. Sauber, aber abgenutzt. Nur seine Augen wollten nicht ganz dazu passen. Sie waren klar, strahlten die Weisheit von vielen Jahrzehnten aus und wirkten dabei frisch, wie die eines jungen Mannes. „Aber der Gott der Musik wollte unbedingt auf die Erde. Er wollte Leben, wie ein Mensch, um neue Lieder schaffen zu können.“ Angezogen von der Stimme des Straßenkünstler und seinen bunten Bildern ging der ehemalige Dieb näher heran. Aus irgendeinem Grund wollte er mehr hören. Über die Figur, die denselben Namen trug, wie er. „Niemand konnte ihn davon abhalten zu tun, was er wollte. Also verließ er die wunderbare Welt der Götter und betrat unsere.“ „Und hat er seine Lieder gefunden?“, fragte eines der Kinder, die vor dem Geschichtenerzähler auf dem Boden saßen. „Das weiß niemand.“ „Warum nicht?“ „Nun, weil er bereits einige Male wiedergeboren wurde. Er hat ein paar sehr kurze Leben geführt. Vielleicht wandert er hier durch unsere Straßen und ihr seid ihm schon einmal begegnet.“ Ein aufgeregtes Flüstern ging durch die Reihen. „Aber durch die Wiedergeburten hat er sein Gedächtnis verloren.. Und damit auch die Lieder, die er gefunden haben könnte.“ „Wie schade“, kam es mehrfach von den Kindern. „Ja, sehr schade. Denn einige der anderen Götter würden sie sehr gerne hören.“ „Ich auch“, stimmten die Kleinen im Chor ein. „Was passiert“, fing Camui an zu fragen, „wenn er seine Erinnerungen nicht wieder bekommt? Wenn er sich nicht daran erinnert ein Gott zu sein?“ Lächelnd räumte der Mann seine Sachen ein. „Götter leben, weil wir an sie glauben. Tun wir das nicht, so sterben sie.“ „Wie verlieren die Menschen ihren Glauben?“, erkundigte er sich weiter. „Wenn de Menschen spüren, dass der Gott, den sie anbeten, nicht mehr zuhört. Wenn sie keine kleinen Wunder mehr erleben, die sie auf diesen zurückführen können.“ Der Geschichtenerzähler hatte zu Ende gepackt und sah wieder auf. „Wer seid Ihr, wenn ich fragen darf?“ Interessiert und eindringlich musterte der Wanderer den neugierigen Zuhörer. „Mein Name ist Camui.“ Gemurmel entstand unter den Kindern. Währenddessen musste der Erzähler lachen. „Welch ein Zufall. Dann verstehe ich eure Neugier. Sagt, wo kommt Ihr her? Eure Augen sind sehr ungewöhnlich. Habt Ihr vielleicht europäische Wurzeln?“ Camui wurde verlegen und ihm rutschte der Reissack von der Schulter. „I-Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts, weil ich sehr früh zur Waise geworden bin.“ Vielleicht stimmte es ja und er hatte wirklich Wurzeln im Ausland. Eine Möglichkeit war es. „Könntet Ihr mir die Geschichte vielleicht ganz erzählen?“ „Tut mir Leid, aber ich muss leider weiter.“ Der Fremde schulterte seine Tasche mit all seinem Hab und Gut, verabschiedete sich und verschwand in der Menge. „Wir können dir die Geschichte erzählen, Onkel.“ Freudig grinsend sammelten sich die Kinder um ihn herum. „Das wäre sehr nett von euch, Kinder. Aber ich muss zum Schrein zurück.“ „Können wir mitkommen?“ Unsicher sah Camui zu Hideto, schließlich war es immer noch dessen Haus und somit seine Entscheidung. Die Kinder taten es ihm gleich, allerdings weitaus bittender. „Wie kann ich da 'Nein' sagen?“, lachte der Priester. Während die Kinder in Freudenschreie ausbrachen, schulterte Camui den Sack wieder und alle zusammen machten sich auf den Weg zum Schrein. Die Kinder konnten es kaum erwarten die eben gehörte Geschichte weiter zu erzählen und fingen sofort an los zu plappern. Von einer Seitengasse aus wurde der kleine Trupp von dem Geschichtenerzähler beobachtet. Er lächelte. „Tja, Camui-dono, damit habe ich Euch nicht nur ein bisschen mehr Zeit verschafft, sondern hoffentlich euren Erinnerungen auch einen Anstoß gegeben wieder zu erwachen.“ Als er sich umdrehte, um zu gehen, verwandelte sich seine Gestalt in die eines Fuchses, der sich nach wenigen Schritten in Luft auflöste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)