Der letzte Raubzug von Cookie-Hunter ================================================================================ Kapitel 26: Wiedersehen ----------------------- „Wohin muss ich als nächstes, wenn es nach deinem dummen Plan geht?“, fragte Camui, erschöpft von den vielen Reisen in den vergangenen drei Tagen. Kaum zu glauben, dass es so viele unglückliche Musiker gab. Dann gab es immer noch wieder Treffen mit den anderen Göttern, die ihn nach der langen Zeit persönlich hatten sehen wollen. Sein Blick war nach draußen gerichtet, aber da es dort nichts als Wolken zu sehen gab, fokussierte er nicht richtig. Mit einem zurückhaltenden Grinsen sah das Fuchswesen auf seine Schriftrolle und berichtete, dass es nur noch einen einzigen Termin für heute gab. Erleichtert seufzte der Gott: „Das sind gute Nachrichten.“ Vielleicht konnte er es sich dann bequem machen. Oder zu Hideto-kun schleichen... „Und was muss ich da machen?“ „Das werdet Ihr dort sehen.“ Böse wanderten seine Augen zu dem Diener. „Reiz mich nicht. Deine dummen Scherze kannst du mit wem anders treiben.“ Im Moment war er wirklich nicht in der Stimmung dazu. Er wollte zu diesem Menschen. Um seine Antworten zu bekommen, wie er sich selbst sagte. „Nun, wir sollten gleich angekommen sein, Camui-dono. Ich denke, Ihr werdet sehr schnell erkennen, was für Euch zu tun sein wird.“ „Ich könnte ja damit anfangen dir für deine Frechheiten gerade den Hals umzudrehen.“ Beschwichtigend hob der Fuchs seine Hände, verkniff sich aber erneut deutlich ein Grinsen. Das war ganz deutlich in seinen Augen zu sehen. In der Zwischenzeit glitt die Kutsche durch die Wolkendecke, was dem Gott für einen Moment die Sicht nahm, ehe es tiefer ging und man nun einen Wald sah, der in einem saftigen Grün strahlte. Darin lag ein großer See, an dessen Ufer sich eine Stadt erhob. Im Bauch des Gottes begann es zu Kribbeln, weshalb er die Stirn runzelte. Was wollte ihm sein Körper damit sagen? Skeptisch musterte er das Land unter ihnen. Die Kirin hielten nicht direkt auf die Stadt zu, dafür näherten sie sich einem kleinen Grundstück etwas Abseits. „Ist das-?“ „Ja, Herr. Das ist es.“ Tatsächlich. Es war der kleine Schrein, in dem Hideto-kun lebte. Er erkannte ihn wieder. Sanft landete die Kutsche auf dem Boden und kaum, dass sie hielt war der Gott auch schon ausgestiegen. Suchend sah er sich um. Wo mochte dieser Sterbliche nur wieder stecken? „Camui-dono?“ „Was denn noch?“ Sein Diener sollte ihn ja nicht aufhalten. „Ich habe mir gestattet die Dauer Eures Aufenthaltes bis zum morgigen Abend zu planen. Solltet Ihr allerdings schon früher-“ „Nein, nein. Morgen Abend ist früh genug. Und jetzt: Verschwinde. Ich brauche dich vorerst nicht mehr.“ Während seine vor Freude strahlenden Augen auf die Gebäude vor ihnen gerichtet waren, wedelte er mit seiner Hand nach hinten, um den lästigen Untergebenen endgültig fort zu scheuchen. Er lauschte noch darauf, dass die Kutsche davon fuhr, weil er sich erst danach sicher sein konnte, dass es kein Scherz gewesen war. „Hideto-kun“, kam ihm leise über die Lippen. Er musste ihn jetzt sehen. Und die Betonung lag auf 'Jetzt'. „Hideto-kun?“, rief er und machte sich auf die Suche nach dem Menschen. Für heute hatte sich Hideto vorgenommen, sich um sein Gemüse zu kümmern. In den Beeten breiteten sich wieder Pflanzentriebe aus, die er nicht hier haben wollte. Sie würden seine zarten Sprösslinge nur beim Wachsen behindern. Wenn er schon so viel Chaos in seinem eigenen Leben hatte, dann sollte hier zumindest etwas Ordnung herrschen. In seine Arbeit war er so vertieft, dass er von dem, was sich vor dem Schrein abspielte, gar nichts mit bekam. Erst als er seinen Namen hörte, gerufen von einer vertrauten Stimme, die sein Herz höher schlagen ließ, schreckte er auf. „Camui?“ Hektisch suchend sah er sich nach ihm um. War er wirklich hier oder hatten ihm seine Ohren einen Streich gespielt? „Bitte“, flehte er leise, „bitte sei wirklich hier.“ Schnellen Schrittes ging er zu der Hausecke, an der der Weg in den vorderen Bereich lang führte. „Camui?“, rief er und beschleunigte seinen Schritt. Ob hinter der nächsten Ecke wirklich der Gott auf ihn wartete? Gerade wollte er an ihr vorbei, da stieß er gegen jemanden, taumelte erst Mal ein Stück zurück, wurde aber sofort festgehalten, damit er nicht fiel. „Ich hab dich.“ Hidetos Kopf schnellte nach oben und fast sofort traf sein Blick wieder auf das geliebte Blau. Er war wirklich wieder da. War wirklich zu ihm zurück gekehrt. Eine Hand strich federleicht über sein Gesicht und durch sein Haar, woraufhin sich seine Augen schlossen, um seine anderen Sinne zu schärfen und die Berührung noch besser wahrnehmen zu können. „Du siehst besser aus, als bei meinem letzten Besuch. Fühlst du dich auch so?“ „Hai“, kam es sanft über seine Lippen und er begann unbewusst sich in die Hand zu schmiegen, die ihm erneut über die Wange streichen wollte. „Wollen wir reingehen? Ich... kann uns einen Tee aufsetzen.“ „Muss ich erst noch wieder Wasser holen?“, fragte der Gott lachend. „Ah... Iie. Müsst Ihr nicht. Es ist alles da. Folgt mir. Bitte.“ Etwas nervös ging er voran, sah sich immer wieder nach seinem Begleiter um, aus Angst, er würde wieder verschwinden. Es ging den kleinen Weg wieder zurück in den Garten und von dort weiter in das Innere des Heims. „Setzt Euch doch, bitte.“ Er selbst machte sich sofort daran den Tee für sich und seinen Gast aufzusetzen. Gebannt sah der Gott dem Sterblichen dabei zu. Er trank ja immer nur welchen, doch was man tun musste, um welchen zu erhalten, dass war ihm weites gehend unbekannt. „Ich hoffe übrigens, dass du dir nichts vorgenommen hattest für den Rest des Tages. Ich gedenke nämlich bis morgen Abend hier zu bleiben und all die Antworten zu bekommen, die du mir noch schuldig bist.“ Mit großen, leicht glänzenden Augen wurde er angesehen. „Ihr bleibt bis morgen?“ Ein freudiges Lächeln zeigte sich auf Hidetos Gesicht. „Das sagte ich doch gerade, oder nicht?“ Ein wenig verwundert blinzelte er den Kleineren an. „Und während ich hier bin will ich auch ein paar der Dinge tun, die ich in meiner Zeit als Mensch ebenfalls getan habe.“ Wenn es dabei half, dass er sich wieder erinnerte, war er bereit auch ein wenig zu arbeiten. Wobei ihm der Mensch wohl alles erst einmal erklären durfte. In seinem Leben als Gott, brauchte man nicht viel selbst erledigen. Man ordnete an und ließ es andere Leute machen. „Anô... Hideto-kun. Du hattest vor einigen Tagen gesagt, dass ich ein Dieb war. Ist das wahr? War ich wirklich einer?“ Etwas betrübt sah er den Menschen an. Hatte er wirklich so ein zwielichtiges Leben geführt? Das Lächeln auf dem Gesicht des Kleineren verschwand. Seufzend wandte er sich dem Teekessel zu, welchen er über das Feuer hing. Wie schnell die Stimmung doch gekippt war. „Ja, das wart Ihr. Wir haben zwar nie viel über Euer Leben als solches geredet, da Ihr das hinter Euch lassen wolltet, aber durch das wenige, was ich weiß, kann ich Euch versichern, dass es Euch belastet hat. Diese Art zu Leben war Euch zuwider, das habe ich schnell gemerkt. Außerdem... Ihr saht sehr kümmerlich aus. Eure Haut war sehr dunkel von dem ganzen Schmutz auf ihr und Eure Haare...Ich schnitt sie Euch ab, weil es keinen Weg gab, um wieder einen Kamm da durch zu bekommen. So zerzaust waren sie. Zudem trugt ihr viele Narben auf Euch, die aber mit der Zeit, die Ihr hier verbrachtet, verblassten.“ „Soudeska“, murmelte der Gott und sah nun ebenfalls der Feuerstelle zu. „Warum war ich verletzt?“ „Ihr hattet stehlen wollen und seid dabei erwischt worden. Als Ihr hier ankamt, war eine große Schnittwunde auf Eurem Rücken. Sie wurde Euch wohl von einem Eurer Verfolger zugefügt.“ Begierig darauf mehr zu erfahren rückte er näher an den Sterblichen heran. „Mehr. Erzähl mir mehr. Und lass nichts aus.“ Hideto musste schlucken. Diese Bitte konnte er dem Gott unmöglich erfüllen. Ihm fehlte die Kraft ihm zu sagen, dass sie begonnen hatten, etwas füreinander zu empfinden. Doch er erzählte. Wie er es sich vorgenommen hatte für den nächsten Besuch des Gottes. Also redete er. Wie er ihn bei sich aufgenommen und später auch Lesen und Schreiben gelehrt hatte. Von den seltsamen Ereignissen, wie dem Blitz, den Stimmen und wie sie sich wunderten, dass sich Augen plötzlich blau färbten. Worauf es nun alles eine Antwort gab. Zwischendurch brühte er ihnen den Tee auf und reichte eine Tasse ehrfürchtig an den Gott weiter. „Den ersten Hinweis darauf, wer Ihr wirklich seid, bekamen wir durch einen Geschichtenerzähler in der Stadt. Wir haben ein paar Vorräte besorgt, als wir hörten, wie er ein paar Kindern die Legende von Camui, dem Gott der Musik, erzählte.“ „Eh? Hontou?“, fragte Camui nach und senkte nachdenklich seinen Kopf. „Aber woher sollte ein Mensch das Wissen? Es war geheim gehalten worden, soweit ich weiß.“ Ob es einer der anderen Götter gewesen war? Er würde sich in nächster Zeit etwas umhören und sich bedanken für diesen Versuch seine Erinnerungen zu wecken. „In der Zeit danach habt Ihr viel nachgedacht. Wir hatten beide das Gefühl, dass diese Legende, sollte sie wahr und Ihr die Reinkarnation dieses Gottes sein, vieles erklären würde. Doch... Wir verschlossen beide unsere Augen davor, weil wir es nicht so recht glauben konnten. Ihr nicht, weil ihr ein so trauriges, hartes Leben hinter Euch hattet, welches nicht annähernd eines Gottes würdig war. Und ich nicht, weil...“ „Ja?“ Neugierig legte Camui seinen Kopf schief und beugte sich vor, damit er in das Gesicht des Anderen sehen konnte, der etwas beschämt zu Boden sah. „Ich habe in Euch einen guten Freund gefunden. Den ersten, den ich in meinem Leben hatte. Sollte es wahr sein, dann hätte ich Euch verloren“, flüsterte der Kleinere und senkte seinen Kopf noch weiter, damit man nicht sehen konnte, wie er gegen seine Gefühle kämpfte. Sanft strich der Gott ihm über die Wange, wischte so eine Träne hinfort. Es hatte den Anderen bestimmt etwas Überwindung gekostet ihm das zu sagen. War es das, wovon Hideto-kun vor einigen Tagen gesprochen hatte? Als er ihm vorwarf, er hätte etwas gestohlen? „Und jetzt ist es doch geschehen“, murmelte er schuldbewusst und zog den Mann an seine Brust und in seine Arme, wo er ihm erlaubte sich auszuweinen. Stumm bebte der zierliche Körper und schien beinahe in den Größeren hinein kriechen zu wollen. „Es tut mir so Leid“, flüsterte der Gott und strich mit einer Hand sanft über den Rücken des Anderen. Er bedauerte wirklich, diesem Sterblichen unwissentlich so viel Schmerz bereitet zu haben. Wie kam es eigentlich, dass auch er selbst sich schlecht fühlte, wenn Hideto-kun litt? „Anô... Hideto-kun? Ich... Ich werde dir diesen Camui nicht wieder geben können. Demô... würde es dich freuen, wenn ich stattdessen dein Freund werden würde?“, bot er an und sah neugierig nach unten. Das Schluchzen erstarb und langsam entfernte sich der Mensch etwas von ihm, ehe er ihn mit seinen roten, verweinten Augen ansah. „T-Tomodachi? Ihr?“ Camui, der das Gefühl bekommen hatte, dass jemand gerade einen ganzen Berg Steine in seinen Bauch geworfen hätte, strich die Spuren der Tränen von den Wangen des anderen Mannes. „Nur, wenn du willst.“ Ein ganz anderes Rot erschien auf dem Gesicht Hidetos. „Es... Es wäre mir eine Ehre, Camui-dono.“ Selbiger begann zu Lächeln. Er hatte es geschafft, dass der Mensch aufgehört hatte zu weinen. Und als Freund wollte er ab sofort dafür sorgen, dass er es auch nicht mehr so häufig tat. Dann vernahmen seine Ohren ein Geräusch, welches er erst vor kurzem kennen gelernt hatten: Das Grummeln eines hungrigen Bauches. Lachend sah er Hideto an, der verschämt seinen Kopf senkte. „Vielleicht sollten wir dir etwas zu Essen machen? Das hört sich ja schlimm an.“ „Eh? Wir?“, kam es fragend von dem Kleineren, der vorsichtig zu dem Gott linste. „Natürlich. Ich will dir helfen. Das... macht man doch so als Freund, nicht? Außerdem möchte ich das gerne mal ausprobieren.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)