Der letzte Raubzug von Cookie-Hunter ================================================================================ Kapitel 22: Sinn meines Lebens ------------------------------ Verträumt hielt Camui den Kleineren in seinen Armen, genoss sein Streicheln, während er ihm den Nacken kraulte. Von dem Kuss eben war ihm immer noch etwas schwindlig. „Ich danke dir“, flüsterte er irgendwann und schmiegte sein Gesicht an den Kopf des Anderen. „Wofür?“, bekam er die Gegenfrage gestellt und wurde fragend angesehen. „Dafür, dass ich dank dir endlich weiß, was Liebe ist.“ Glücklich lächelte er ihn an. „Und: Ich habe meinen Platz in dieser Welt gefunden. Nämlich hier an deiner Seite.“ Seine Arme schlangen sich wieder etwas fester um den anderen Körper. „Das hier fühlt sich gut an.“ „Ich“, begann Hideto und schmiegte sich noch etwas mehr an die breite Brust vor sich, „empfinde genauso. In deiner Nähe, da fühle ich mich irgendwie... sicher. So... beschützt. Gerade in einem Moment wie diesem.“ Als ob ihm nichts und niemand auf dieser Welt mehr etwas antun könnte. Sollte es doch jemand versuchen, dann würde Camui ihn abwehren. Dessen war er sich sicher. „Ich bin aber auch dankbar.“ „Wofür?“ „Dafür, dass du damals den Weg zu mir gefunden hast. Dafür, dass du meinen Alltag ein wenig durchbrochen und mir seitdem die Einsamkeit vertrieben hast.“ Wobei er sich leider auch eingestehen musste, dass ihm erst wirklich aufgefallen war, wie einsam sein Leben gewesen war, als Camui ihn gebeten hatte, bleiben zu dürfen. Sanft lächelnd kraulte der Größere weiter den Nacken seines Partners. „Das ist doch das Mindeste, was ich tun konnte, nachdem du mir das Leben gerettet und ihm wieder einen Sinn gegeben hast.“ Angenehmes Schweigen legte sich über das Paar, während sie sich an dieses neue Gefühl gewöhnten. An das Herzklopfen, das Kribbeln im Bauch, dem Schwindel vor Glück. Hinfort waren Hidetos traurige Gedanken der letzten Nacht. Als hätte es sie nie gegeben. Dennoch, so ganz fassen konnte er noch nicht, dass Camui ebenfalls solche Gefühle für ihn hatte. Und dass sie beide sich das so einfach hatten sagen können. „Du liebst mich“, murmelte er, um es sich besser begreiflich machen zu können. „Und du liebst mich“, raunte Camui, was dem Kleineren einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. Er hatte wirklich eine einzigartige Stimme. „Ano...Wollen wir... vielleicht frühstücken?“, fragte er nach kurzer Zeit, spürte er doch neben den vielen Faltern in seinem Bauch auch ein wenig Hunger. „Gerne. Immerhin wollten wir heute noch ein wenig Arbeit verrichten. Und für die sollten wir gestärkt sein.“ Erneut verstrich Zeit, aber keiner der Beiden löste sich oder stand gar auf. „Eto... Ich fürchte, wir haben ein kleines Problem, Hideto-kun. Ich mag dich gerade nicht los lassen“, erklärte sich der Mann mit den blauen Augen verlegen, aber lächelnd. „Und ich nicht von dir weg gehen.“ Ein wenig rötlicher im Gesicht als noch gerade, saßen sie da, trauten sich nicht, irgendwas zu tun. „Uhm... Camiu-kun?“ „Hai?“ „Wür- Würdest du mir einen kleinen Gefallen tun?“ „Natürlich.Was immer du möchtest.“ „Sag...meinen Namen.“ Erwartungsvoll sah der Kleinere auf und in das verwunderte, fesselnde Blau. „Einfach nur meinen Namen, ohne das 'kun'.“ Er wollte wissen wie das klang. Einfach nur wissen, wie es sich anfühlte seinen reinen Namen mit der Stimme dieses Menschen zu hören. Camuis Mund klappte auf und wieder zu, weil er für den Moment ein wenig sprachlos war von dieser Bitte. Das verschwand jedoch schnell, weil er zu Lächeln begann und liebevoll über die Wange des geliebten Gesichts strich. Sanft raunte er: „Hideto.“ Ein wohliges Zittern durchfuhr den kleineren Körper. So hatte er seinen Namen noch nie gehört. „Das klingt... wundervoll.“ Wenn Camui wollte, dann durfte er ihn den ganzen Tag so rufen. Vertraut bettete er seinen Kopf wieder an dem warmen Körper vor sich. Jetzt, wo diese Wärme ihn und sein Herz umfing, bemerkte er erst, wie sehr sie in seinem Leben gefehlt hatte. Wie mochte es dann erst dem Anderen gehen, der seit vielen Jahren nur Negatives erfahren hatte? Das würde er, so nahm es Hideto sich vor, nun ausgleichen. Aber fürs Erste, sollten sie doch etwas zu sich nehmen. Langsam löste er sich aus den beschützenden Armen und stand auf, hielt seinem Gegenüber eine Hand hin. „Hilfst du mir beim Frühstück machen?“ Camui, der für einen Augenblick unsicher geworden war, durch Hidetos tun, lächelte nun wieder und erklärte sich mit einem Nicken einverstanden. Er ergriff die dargebotene Hand und ließ sich aufhelfen. Doch kaum stand er, krümmte er sich vor Schmerz. Sofort legte er seine Hände an seinen Kopf und schrie. Es lärmte in seinem Inneren. Als wenn jemand mit einem glühenden Eisen darin herumstochern würde. „Camui-kun! Was ist los?“, rief Hideto panisch, nachdem er den ersten Schrecken überwunden hatte. Jedoch war jener nicht in der Lage irgendetwas zu sagen. Gepeinigt ging er in die Knie und schrie. Weil er sich nicht anders zu helfen wusste, schlang der Kleinere seine Arme und drückte ihn fest an sich, hoffte, dass es irgendwie half. In seinen Ohren dröhnten allerdings auch weiterhin die Schmerzensschreie des geliebten Mannes. Was hatte er nur mit einem Mal? Und dann war es von einem Moment auf den Anderen still. Totenstill. „Camui-kun?“ Jetzt war er noch fast besorgter um ihn, als vorher. Was er nicht wusste: Seine Stimme drang nicht zu jenem durch. Eine Flut an Erinnerungen überschwemmte gerade Camuis Kopf und beraubte seinen Körper jegliche Konzentration, um noch irgendetwas anderes wahrnehmen zu können. So viele Bilder rauschten durch seine Gedanken, sodass er kein einziges zu fassen bekam. Nur das letzte, welches die leuchtende Frau zeigte, die ihm sagte: „Komm bald zu uns zurück, Camui.“ Ohnmächtig sank er in den stützenden Armen zusammen. Hilflos und von der Situation maßlos überfordert hockte Hideto da, hielt seinen Liebsten fest. „Was ist hier nur los?“ Nur Augenblicke zuvor war doch noch alles so schön gewesen. Vorsichtig legte er Camui auf den Rücken, strich ihm über eine verschwitzte Wange. „Wenn ich dir doch nur helfen könnte.“ Ein Scharren an der Tür schreckte ihn auf. Ein wenig ängstlich rappelte er sich auf und näherte sich dem Gebilde. Was war das nur? Vorsichtig schob er die Shogi auf, konnte aber niemanden davor erkennen. „Wah!“, erschrocken sprang er zur Seite, als etwas Pelziges seine Beine streifte. Schnell sah er sich um und entdeckte so auch sofort einen Fuchs, der einfach so immer weiter ins Innere des Raumes spazierte. Nein, nicht irgendein Fuchs, sondern der Fuchs. Der, der so auf Camui fixiert war. „Eh?“ Was wollte der nur hier drinnen? War er am Ende eine Art Schutzgeist und damit beauftragt auf den Anderen aufzupassen? Noch verwirrter als vorher und eher mechanisch schob er die Tür wieder zu, ließ die Augen nicht von dem Tier, welches sich vor seinen Augen in einen Menschen verwandelte. Spätestens jetzt verstand er diese Welt nicht mehr. Was, im Namen aller Götter, ging hier nur vor sich? Der Fuchs-Mensch legte den Kopf etwas schief und sah auf Camui hinab. „Wie lange will er denn noch in dem Zustand bleiben? Seine Erinnerungen sind zurück. Was soll also dieses Theater?“ „Seine...Erinnerungen?“ Was meinte das Wesen damit? Woran sollte sich Camui denn-? „Iie“, hauchte er fassungslos. Dann war der Mann, den er Freund hatte nennen dürfen und den er liebte, wirklich ein Gott? Er hatte es ja bereits geahnt, aber es nun wirklich zu wissen, war schmerzhaft. Seine Augen richteten sich auf den Ohnmächtigen, der sich langsam zu regen begann. Was würde jetzt passieren? Wie sollte es weiter gehen? Ein gequälter Laut kam von dem Mann mit den blauen Augen, nachdem er diese geöffnet und gleich wieder zugekniffen hatte. „Mein Kopf.“ Jammernd legte er sich seinen rechten Unterarm über die Augen. Der Fuchs-Mensch kniete sich neben ihn und senkte ehrfürchtig den Kopf. „Es freut mich, dass Ihr erwacht seid, Camui-dono.“ „Eh?“ Überrascht von der Stimme lugte er unter seinem Arm hervor. „Ah, du bist es Kitsune-kun. Was führt dich hierher?“ Vorsichtig öffnete er die Augen ganz und sah sich um. „Und wo ist eigentlich hier?“ Sich die Stirn reibend sah er sich um. „Was muss das für eine Feier gewesen sein... Ich kann mich nicht erinnern, wie ich hier her gekommen bin. Geschweige denn, was für eine Feier es war und zu welchem Anlass.“ Er heulte auf. „Aber bei meinen Kopfschmerzen war es wohl ein Sake zu viel.“ Stillschweigend schmunzelte das Wesen neben ihm. Der Gott hatte wohl die einen Erinnerungen gegen die Anderen ausgetauscht. Doch es war nicht der Zeitpunkt, um ihn jetzt über alles aufzuklären. Wichtiger war, dass Camui als Gott erwacht war und so schnell wie möglich wieder in die Sphäre der Götter gebracht werden sollte. Auf persönlichen Wunsch Amaterasus hin. „Wir sind auf der Erde, Camui-dono. Allerdings wird es Zeit aufzubrechen. Die anderen Götter erwarten Euch bereits.“ „Eh? Wieso erwarten? Was ist vorgefallen?“ „Das zu erläutern steht mir nicht zu, Camui-dono.“ „Also gut. Brechen wir auf. Bevor ich mir wieder einen langen Vortrag anhören darf.“ Grinsend stand er auf und streckte sich. Bekam jedoch einen furchtbaren Schreck, als er sich durch seine Haare fuhr. „Nani? Meine Haare! Was ist mit meinen Haaren passiert? Warum sind die so kurz?“ Panisch sah er den Diener an. „Auch das werdet ihr bei Eurer Rückkehr erfahren. Vorher solltet Ihr Euch jedoch umziehen. Diese Kleidung ist für jemanden Eures Standes mehr als nur unwürdig.“ Mit einem Wink seiner Hand schob sich die Tür zum Schlafraum auf und etwas flog heraus. Es war das Paket mit der edlen Kleidung, dass Camui vor einer Weile erhalten hatte. Der Fuchs-Mensch entnahm den Inhalt und legte alles bereit. Seufzend ließ Camui die Hüllen fallen. Für seinen Körper schämte er sich nicht und ständig halfen ihm Diener in seine Kleidung. Hideto unterdessen fühlte sich innerlich leer und zerbrochen. Nicht nur, dass der Mensch, der einen Platz in seinem Herzen inne hatte, eben keiner war, er hatte die letzten Monate, nein, sein ganzes Leben hier auf der Erde, einfach vergessen. Er hatte ihn vergessen. Fassungslos hockte er einfach da und starrte den Gott an. Warum war nach diesen wenigen Augenblicken des Glücks nun alles kaputt? Das war doch nicht fair. Kurz darauf bekam der Gott seinen Mantel über gelegt und war somit bereit zur Abreise. „Wenn Ihr noch einen Moment warten würdet, dann rufe ich nur noch schnell Euer Gefährt.“ Mit einer leichten Verbeugung verabschiedete sich das Wesen und schritt hinaus. Camui, der ihm einen Blick hinterher warf, bemerkte erst jetzt, dass sich noch jemand in diesem Raum befand. „Oh, ich habe gar nicht bemerkt, dass wir nicht alleine sind. Sumimasen.“ Lächelnd kam er ein paar Schritte näher. „Ist dies hier dein Heim? Tut mir Leid, wenn ich hier einfach eingedrungen bin.“ Der Kleinere war den Tränen nah. Welch Ironie diese Worte doch war. Ja, er war damals hier eingedrungen. Und es hatte ihm da bereits Leid getan. Doch er hat es wieder gut gemacht. „Viel sagen tust du ja nicht.“ Mit seinem charmanten Lächeln beugte er sich hinab. Vermutlich war der Mensch ein wenig verblüfft davon einem Gott einmal so nah sein zu können. Auch, wenn dieser hier aussah, als würde er jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Seltsam. „Anô... irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir uns kennen. Aber ich könnte gerade nicht sagen, woher...“ Bevor er jedoch noch länger darüber nachsinnen konnte, trat der Fuchs-Diener wieder ein. „Eure Kutsche steht bereit, Camui-dono.“ „Ah, gut“, sagte er, nahm aber nicht den Blick von dem Menschen, der ihn so unverhohlen anstarrte. „Magst du mir noch deinen Namen verraten? Vielleicht weiß ich dann, woher ich dich kenne.“ Wartend sah er ihn an. Ein paar Anläufe benötigte der Andere schon, ehe er etwas sagen konnte. Zu schwer lastete die Trauer auf ihm. „Watashi wa Hi- Hideto desu.“ „Hideto-san also.“ Glücklich darüber, dies in Erfahrung gebracht zu haben, lächelte Camui noch mehr und richtete sich wieder auf. „Nun denn, Hideto-san. Ich danke dir, dass ich dein Gast sein durfte.“ Mit dem Gespräch fertig, ließ er sich von dem Fuchs noch ein passendes Schuhwerk anlegen, ehe er an ihm vorbei nach draußen Schritt, wo eine blaue und goldene Kutsche auf ihn wartete, die von zwei Kirin gezogen wurde. Zurück blieb Hideto. Allein. All die Schmetterlinge, die nur Minuten zuvor durch seinen ganzen Körper geflattert waren, tot. Und sobald sich die Shogi nach außen schloss, drückte ihn die Einsamkeit nieder. Bittere Tränen flossen über sein Gesicht und sein Körper krümmte sich zusammen. Er war allein und leer. Hatte an einem Tag den Sinn des Lebens gefunden und wieder verloren, noch bevor er richtig angefangen hatte. Hideto war nicht mehr. Nur noch allein und leer... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)