Der letzte Raubzug von Cookie-Hunter ================================================================================ Kapitel 20: Ich kenne es ------------------------ Mit den wärmeren Temperaturen kamen auch wieder mehr Besucher in ihren Schrein. Einige brachten auch wieder kleine Geschenke für Camui. Wobei sich manche Leute noch ehrfürchtiger verhielten, als er es aus der Anfangszeit gewohnt war. Ob das Mädchen ihre Behauptung auch anderen erzählt hatte? Und diese wenigen Menschen glaubten das? Fragen tat er jedoch keinen nach dem Grund. Es gab aber auch genug Ablenkung. So hatte er durch Hidetos Hilfe und Unterstützung eine kleine Arbeit bei einem Papiermacher gefunden, wo er für ein paar Stunden am Tag mit anpackte. Es war nicht viel Lohn, den er dort jede Woche erhielt, doch Camui war nach dem Erhalt seines ersten Geldes beinahe geplatzt vor Stolz. Dies hier war ehrlich verdientes Geld und niemand würde ihn deswegen schief ansehen können. Ihm war bei einem Instrumentenbauer in der Stadt auch schon etwas ins Auge gefallen, das er sich von diesem Geld gerne kaufen würde: Eine Shamisen. Seit er auf einer hatte spielen dürfen, verspürte er zunehmend mehr das Verlangen danach dies erneut tun zu können. Jedoch war es ein kostspieliger Traum. Zudem gab er jede Woche freiwillig einen nicht gerade kleinen Teil seiner Entlohnung an Hideto weiter, damit sie Essen und andere Notwendigkeiten kaufen konnten. Dagegen hatte sich der Kleinere allerdings zu Anfang vehement gewehrt. „Es hat doch auch bisher gereicht“, war seine Begründung gewesen. Doch der Blauäugige war stur geblieben. Er wollte das gute Gefühl haben auf diese Weise etwas zu ihrer kleinen Gemeinschaft beitragen zu können. Zudem machte es ihr Leben doch auch ein wenig leichter. Irgendwann war sein Retter dann doch eingebrochen und hatte sich dem Willen seines Freundes gebeugt. Und weil die blauen Augen, die am Ende ausschlaggebend gewesen waren, so geleuchtet hatten vor Freude, fand er seine Niederlage auch nicht sehr schlimm. Überhaupt verlor er sich zunehmend mehr und öfter in dem Anblick seines Mitbewohners, wie Hideto sich eingestehen musste. Das konnte doch nicht noch immer daran liegen, dass sie sich nun 'Freund' nannten. Es war zwar noch immer ungewohnt für ihn einen anderen Menschen so zu nennen, doch jedes Mal, wenn er an diesen einen dachte, dann musste er lächeln und in seinem Inneren kribbelte es so seltsam. Vielleicht waren das auch nur erste Anzeichen für eine Krankheit. Nur welche? „Hideto-kun?“ Jetzt machte sein Herz schon einen Hüpfer, nur weil der Größere seinen Namen rief. Aber wie konnte er seinen Namen rufen, wenn er doch bei der Arbeit sein müsste? Suchend sah er sich in dem Garten, in dem er sich befand, nach dem anderen Mann um. Vergessen war die Arbeit, die er hier hatte erledigen wollen. „Hideto-kun?“, hörte er erneut und er konnte spüren wie sein Herz schneller schlug. „H-Hier!“, rief er, damit er schneller von dem Anderen gefunden wurde. Gleich darauf trat Camui auch schon hinter einer Ecke hervor. In dem Kleineren breitete sich ein wohliges Gefühl aus, als er den vertrauten Anblick sah. Was jedoch nicht lange hielt, sobald er den verbundenen Arm bemerkte. Sofort ließ er die Harke, mit der er den Boden hatte bearbeiten wollen, fallen und stürmte auf den Größeren zu. „Was ist passiert?“ Besorgt huschte sein Blick über den Verband hin zu den blauen Augen. „Das ist nichts schlimmes. Ein kleiner Unfall bei der Arbeit“, erklärte Camui. „Ein Arzt hat sich das bereits angesehen. Er meinte, dass ich den Arm ruhig halten soll und dass er sich in den nächsten Tagen wohl auch noch etwas blau färben wird.“ Er lachte etwas verlegen. „Aber das ist ja auch nichts Neues bei mir, nicht wahr?“ Irgendwie ließ ihm der besorgte Blick des Kleineren das Herz schwer werden. „Damit es nicht noch schlimmer wird, durfte ich heute auch eher gehen und soll mich auch die nächsten beiden Tage nicht dort blicken lassen. Auf das es besser heilt.“ „Gut“, murmelte Hideto und strich vorsichtig über den Stoff, der sich um den Arm des Anderen wand, „dann sollten wir auch dafür sorgen, dass du ihn ruhig hältst.“ Camui nickte und freute sich ein wenig darüber, dass es jemanden gab, dem sein Wohlbefinden so am Herzen lag. Wenngleich ihm die Sorge im Gesicht des Freundes irgendwie ein schlechtes Gewissen machte. Da fiel ihm ein... „Ich habe auf dem Heimweg noch eine Kleinigkeit besorgt.“ Zum Beweis hielt er den anderen Arm hoch und zeigte dem Anderen ein hübsch verpacktes Bündel. „Sakura-Mochi. Ich habe gedacht, die wären ganz passend, wo doch jetzt überall die Kirschblüten fallen.“ „Ja, das sind sie wirklich“, stimmte Hideto ihm zu, klang aber immer noch ein wenig bedrückt. „Ano... Magst du mit mir zum Hanami gehen?“, fragte der Mann mit den blauen Augen vorsichtig, weil er nicht voraussagen konnte, wie sein Freund auf diese Frage reagieren würde. „Zum Hanami?“ Dieser Vorschlag kam doch etwas überraschend für den Kleineren. Dabei hatte er vor wenigen Wochen doch selbst noch daran gedacht dieses Fest mit Camui zu begehen. „Uhm.. Gerne. Sehr gerne sogar.“ „Hontou? Großartig.“ Camui strahlte übers ganze Gesicht. „Wollen wir dann zum See? Ich mag es, wenn die Blütenblätter auf das Wasser fallen und sich dann darauf treiben lassen.“ Er wusste von alten Streifzügen her, dass dort viele Kirschbäume standen. Außerdem hatte er die Leute auf der Straße davon reden hören. Mit einem Mal hatte der Kleinere einfach vergessen, wie man atmete. Diese ehrliche Freude ließ es in seinem Körper kribbeln und er hatte mit einem Mal Schwierigkeiten sich auf den Beinen zu halten. Zudem könnte er schwören, dass er gerade nicht wusste, wie man 'Nein' sagte. „Zum See klingt gut. Vielleicht finden wir noch einen schönen Platz.“ Irrte er sich oder war die Freude des Anderen gerade noch größer geworden? „Ich hole uns nur schnell eine Decke, auf die wir uns dann setzen können.“ Vorausgesetzt er wurde wieder Herr über sich selbst und schaffte es, seinen Körper wieder in Bewegung zu setzen. „Gut, ich warte hier. Beeil dich.“ Jetzt konnte Camui es kaum noch erwarten. Ungeduldig sah er Hideto hinterher. Am liebsten wäre er gleich los gegangen. Auf eine so vernünftige Idee wie mit der Decke wäre er derzeit nicht gekommen. Unter einem Kirschbaum, der etwas Abseits der anderen lag, fanden sie noch ein Plätzchen, um sich nieder zu lassen. Dafür hatten sie einen recht guten Blick über die anderen Bäume und einen Teil des großen Sees, während sie sich von den Blütenblättern berieseln ließen. „Ich habe irgendwie ein schlechtes Gewissen, wenn ich daran denke, dass ich die nächsten Tage nicht arbeiten kann. Das ist immerhin die erste richtige Arbeit, die ich habe und die anderen, die dort arbeiten sind sehr freundlich. Zudem bin ich Hagate-san sehr dankbar dafür, dass er jemanden wie mich überhaupt erst genommen hat. Dass ich jetzt für ein paar Tage ausfalle, ist bestimmt nicht besonders gut.“ „Mach dir darüber doch keine Gedanken. Wenn ich überlege, wie schnell dein Rücken damals verheilt ist, dann dürfte das mit deinem Arm bereits übermorgen wieder in Ordnung sein.“ Zuversichtlich lächelte Hideto seinem Begleiter zu, dann wandte er seinen Blick wieder hinaus auf das Meer an rosa Blüten, die sich in dem sanften Wind wiegten und zu Boden tänzelten. „Die Männer bei mir auf der Arbeit waren vor ein paar Tagen alle sehr erstaunt, als ich ihnen sagte, dass es in meinem Leben kein Mädchen oder eine Frau gab“, begann Camui ein neues Thema. „Sie meinten jemandem wie mir, müssten sie scharenweise hinterher laufen.“ Nachdenklich sah er in dieselbe Richtung wie der Kleinere und biss in ein weiteres Mochi. „Du ziehst ja auch viele Blicke auf dich.“ „Mag ja sein, aber … Da war auch bisher niemand. Ich habe nie dieses Gefühl erlebt, dass sich 'Liebe' nennt. Und wenn ich jemanden frage, dann kommen so unterschiedliche Beschreibungen dabei heraus. Manchmal antworten die Leute auch nur: Du wirst es wissen, wenn du es fühlst. Aber so war es bisher noch nie.“ Traurig senkte er den Blick. Er hatte Menschen sagen hören, dass es neben Ehre und Stolz ein sehr wichtiges Gefühl sei. Ehre kannte er in Ansätzen. Stolz begriff er erst seit einigen Monaten. Nur Liebe war ihm immer noch ein Geheimnis. In den Geschichten in seinem Buch hatte er oft davon gelesen. Aber er hatte sich nicht vorstellen können, was in diesen Figuren vorgegangen war. „Ist es dir so wichtig das zu erfahren?“, fragte Hideto und musterte den Mann neben sich mit versteckter Neugier. „Schon. Ich kann dir nicht sagen warum, aber ich fühle mich irgendwie unvollständig ohne dieses Wissen.“ Seine niedergeschlagenen blauen Augen blickten, leicht beschämt, zu seinem Freund. „Kennst du es denn?“ Eine gute Frage. Kannte er es? Grübelnd sah er zu Boden. Ein wenig wusste er darüber schon, aber hatte er es jemals gefühlt? Man sollte ja Herzklopfen bekommen, wenn die geliebte Person bei einem war. Frauen sagten, dass man dazu auch noch ein Kribbeln in seinem Bauch spürte. Zudem fühlte man sich immerzu glücklich. War es ihm jemals so ergangen? „Ich-“, begann er und sah zu Camui, dessen Anblick ihm wieder einmal die Sprache verschlug. Er hatte verneinen wollen, aber jetzt wurde ihm bewusst, dass er doch bereits unter diesen Symptomen litt. Darum konnte er nicht anders, als leise zu sagen: „Ich kenne es.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)