Fallen Angel von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 10: Von Trunkenheit und Vampiren ---------------------------------------- Steffis Sicht Kanon hat mich abgeschleppt. Er hat mich, ich wiederhole, mich, abgeschleppt! Die Tatsache drang nur langsam zu mir durch. Lag sicher daran, dass das alles etwas verrückt klang, oder daran, dass ich wieder maßlos mit meinen Gedanken übertrieb. Trotzdem war ich ihm gefolgt, ohne jegliche Rücksicht auf Verluste. Klar, ich hatte Darle einfach allein gelassen und das, obwohl es ihr sowieso schon schlecht genug ging. Wir saßen schon gute zwei Stunden dort, bis überhaupt jemand aufgetaucht war. Nur hatte mich diese Person dann auch nach einer Weile sofort mitgenommen. Nicht das mir das nicht gefallen hätte, im Gegenteil! Es war Kanon und genau das war der Punkt an dem ich wieder fragte: warum ich? Ich wollte ehrlich gesagt nicht wissen was sie mit mir anstellt wenn wir uns wiedersehen. Vielleicht würde sie der Aufenthalt bei Kuina auch wieder fröhlich stimmen. Wäre wunderlich wenn es nicht so wäre, aber wie ich sie kannte, würde sie trotz allem eine Weile ziemlich saurer sein. Klar, ich hab ja auch nie behauptet dass das, was ich getan hab nett war. Ich meine nur es war nötig und nicht ablehnbar, schließlich war es Kanon und für mich war das Argument genug um mich gründlich herauszureden. Kanon und ich liefen nun schon eine ganze Weile nebeneinander ohne auch nur ein Wort zu sagen. Es war so eine unangenehme Stille bei der man einfach nur gehen will um dieser Situation zu entfliehen. Nur ging das im Moment nicht so, wie man es normal tut. Am liebsten würde ich irgendetwas sagen, aber was war dann wieder die andere Frage, und auf genau die wusste ich keine Antwort, also ließ ich es einfach. Es hörte aber trotzdem nicht auf mich aufzuregen. Er lief mit seinem Blick auf die Häuser vor und geheftet ohne auch nur im Geringsten auf mich zu achten oder so freundlich zu sein, sich mit mir zu unterhalten, damit ich mich besser fühlte. Das Netteste was er bereits zu Stande gebracht hatte, war meinen Koffer einigermaßen hinter sich her zu ziehen. Da hab ich ihm schon den Leichteren gegeben, aber abquälen tat er sich trotzdem. Irgendwie denkt man ja nicht, dass sie so schwach sind, die Herren. Von meinem Gedanken amüsiert lachte ich kurz auf. Das schien er gehört zu haben, jedenfalls wandte er sich endlich mal mir zu. „Was hast du?“ fragte er, seinen Blick verwirrt wieder nach vorn wendend. Ich wusste nicht wie ich ihm das jetzt am besten erklären sollte. Es würde so oder so ganz falsch rüberkommen. Das stand fest. Ich hatte wohl etwas länger nachgedacht als zunächst geahnt als mich sein lautes Husten wieder in die Realität zurückholte. „Ich fand es nur seltsam, dass ich den schweren und du den leichten Koffer trägst.“ Verlegen sah ich nach unten, damit er mein rot werdendes Gesicht nicht sofort sehen würde. Sein Kichern verriet mir, dass er es wohl auch ziemlich lustig fand. Nochmal Glück gehabt. Nur hatte ich mich zu früh gefreut, denn im nächsten Moment bekam ich einen eher unsanften Schlag auf meinen Rücken. Kanon blieb nach meinem Schrei abrupt stehen, als hätte es ihn selbst überrascht, dass es wehgetan hat. Verwirrt wanderte sein Blick von mir zu dem eigentlich freien Weg hinter mir. Jedenfalls dachte ich da wäre niemand. Plötzlich verspürte ich einen mehr oder weniger starken Druck an meiner Schulter, der mich zwang mich umzudrehen und der Person die sich einfach an mich herangeschlichen hatte anzusehen. Gut, ich hatte jetzt alles von Kriminellen bis zu irgendwelchen Groupies erwartet, aber nicht einen mehr oder weniger leicht angetrunkenen Gackt. Noch dazu mit MIyavi im Schlepptau. Der überraschte mich aber mittlerweile nicht mehr. Lag sicher daran, dass ich und auch Darle ihn schon mehrere Male hier getroffen hatten. Nett war er ja wirklich, nur warum war er immer überall? Soweit ich wusste hat er doch eine Familie… Danach könnte man ihn wirklich mal fragen. Oder besser nicht? Vielleicht eine schlechte Idee wenn man daran denkt dass er hier jeden kennt und sicher nicht so ganz unschuldig an einem… „Unfall“ sein könnte… Okay, das war genug. Der Arme würde so was doch nie tun. Viel zu freundlich für so was, bis jetzt war er das. Die vor mir stehende Person musterte mich als wäre ich eine Art fremde Spezies oder so. Am liebsten hätte ich jetzt eine Tierähnlich Pose gemacht um die Szene noch gehörig blöder darzustellen. Ich gestand mir dann aber ein es wäre besser ich nicht im betrunkenen Zustand zu verärgern. Klar, es war immer schlecht ihn zu beleidigen, aber jetzt sicher am meisten. „Naaaaaaah, wen haben wir denn da?“ Die Alkoholfahne die mir von dem Gesäusel entgegenkam verriet mir, dass ich, was das mit dem betrunken betraf, definitiv Recht hatte! „Weiche von mir! Du riechst ja widerlich…“ meine Nase streichelnd suchte ich Schutz hinter meinem eigentlichen Begleiter, der sich in der ganzen Zeit noch nicht einmal zu Wort gemeldet hatte. Und so was nennt sich natürlich Gastgeber. „Nebenbei noch danke für deine nette Hilfe…“ murrte ich hinter ihm während ich ihm einen Schubs nach vorn verpasste, damit er auch endlich mal was tat. Miyavi hatte sich seit seinem Frontalangriff auf uns gar nicht mehr zu Wort gemeldet. Ob er Gedanken lesen konnte oder so was? Irgendwie begann ich zu bereuen dass ich vorhin gedanklich die Beziehung zu seiner Familie in Frage gestellt hatte. Aber was soll man schon denken, wenn ein Familienvater mit einem Alkohol Fetischisten durch Tokyo läuft? „Das hätte man auch freundlicher gestalten können Steffi-chan! Gackt hat, mal wieder, ne schwere Trennung hinter sich. Der braucht die Ablenkung…“ Augenrollend untermalte er seine Bemerkung, damit auch allen klar wurde, was hier Sache war. „Leute? Alles in Ordnung bei euch? Seht alle ein bisschen komisch aus…“ Fragend schaute der Älteste unserer Runde sich um woraufhin wir alle in schallendes Gelächter ausbrachen. Lag wahrscheinlich einmal an seinem genialen Blick und andererseits auch an seiner, nun mehr ins Nuscheln gehende, Sprache. Ich war ziemlich überrascht, dass ich es als erste von uns schaffte mich wieder zu beruhigen. Das Miyavi der Letzte war, wunderte mich aber überhaupt nicht. Ich fand es typisch für ihn… Genauso wie ich es typisch fand, dass Gackt schon vor der Bar etwas mehr als genug getrunken hatte. Verträgt wohl doch nicht so viel der Gute. Konnte natürlich auch sein, dass er es nur gern übertreibt. Ich hatte versucht irgendwie zu erklären warum wir hier lachen mussten, hätte auch geklappt wenn unser Konfetti [aka Miyavi] hier, nicht ständig wieder gelacht hätte. Wenn er sowieso noch mit Gackt trinken geht kann er ihn auch da weiter auslachen, aber wozu denn mich ausreden lassen? . Irgendwie kam ich mir so… unnütz oder besser unbeachtet vor. Nicht mal mein sogenannter Gastgeber schien mich auch nur im Geringsten zu bemerken. Schmollen wollte ich nicht, am Ende lässt man mich hier auch noch stehen so wie ich Darle sitzen lassen hab. Konnte mir gut vorstellen, dass sie da jetzt allein da hockt, weil Kuina sich immer noch nicht beeilen konnte. So langsam war es wirklich fragwürdig was ihn so lange aufhielt. Vielleicht findet er ja seine Klamotten nicht…? Okay, falscher Gedanke, ganz falscher Gedanke. Ich musste mich auf die Situation konzentrieren und nicht auf gut aussehende, geflügelte…- Okay, wenn man einmal daran dachte verließ es einen also nie wieder. „Ihr seid doch alle unfair…“ nuschelte ich traurig während ich vergeblich versuchte mich wenigstens etwas von dieser verrückten Gruppe zu entfernen. Gackt war der Erste, der auf mein plötzliches, versuchtes, Verschwinden aufmerksam wurde, aber zunächst nicht dachte, ich würde wirklich gehen wollen. Kanons Blick verriet mir allerdings, dass es ihm ganz und gar nicht in den Kram passte, dass ich weg wollte. Gerade der, der mich am wenigsten beachtete fing jetzt an sich wieder einzukratzen. „Guck, nicht so. Ihr kommt doch super allein klar! Und außerdem hab ich keine Lust mir überflüssig vorzukommen…!“ Kopfschüttelnd wandte ich mich um, wurde dann aber beim Versuch mir meine Koffer zu schnappen, von Miyavi gestoppt, der mich entschuldigend anblickte. Mit einer kurzen Verbeugung entschuldigte er sich bei mir, meinte nur, es sei ja überhaupt nicht seine Art, so unhöflich zu sein. So langsam hatte ich nur meinen Glauben an ihn verloren… „Tut mir leid, ja? Ich kann schlecht mit fremden Menschen umgehen…“ Den Kopf senkend tat es Gackt Miyavi gleich und entschuldigte sich kurz bei mir. „Schon in Ordnung…“ kam es kurz von mir während ich versuchte irgendwie meine Fassung zu behalten als Gackt vor mir stand und mich aus traurigen Augen anblickte. Ich schwöre: Wenn er jemandem direkt in die Augen sieht, fühlt man sich allein davon schon vergewaltigt. Das war seine Magie…egal was man gerade dachte oder was man tat, er sorgte dafür, dass man sich gehörig unwohl dabei fühlte… „Müsst ihr nicht irgendwann mal weiter? Ich dachte ihr wollt was trinken gehen?“ Kanons Worte kamen wohl etwas genervter als zunächst geplant über seine Lippen, welche er sich auch sofort mit seiner Hand verschloss. Er schien überrascht von sich selbst zu sein. Mir ging es zwar nicht anders, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass er plötzlich auch mal eine Reaktion zeigen würde, aber bei ihm lag es wohl eher daran, dass er gedacht hatte, er könnte sich besser selbst beherrschen. „Eigentlich schon, aber Takeru hat gemeint er könnte erst später… Hat noch mit seinem Lover zu tun.“ Lover? Der Kleine hat also auch jemanden… und so wie das klingt ist dieser Jemand auch nicht weniger männlich als die, von denen ich schon gehört hatte. „Wenn man fragen darf… Wer ist denn der ‚Lover‘ von dem du geredet hast?“ Ich hatte nicht vorgehabt Miyavi in seiner Erzählung zu unterbrechen, durch meine Gedanken hatte ich nur völlig vergessen, dass er noch am Sprechen war und nicht ich. „Du wirst es nicht glauben, aber es ist Teruki. Frag mich nicht, wie das passiert ist, das möchte ich nämlich selbst nicht unbedingt wissen.“ Unbeirrt von meiner Frage fuhr er damit fort, seinen Begleiter insofern zu beruhigen, dass er nicht ständig wieder anfing zu meckern. Hätte ich gewusst wie nervig meine eigentlichen Idole waren, hätte ich es sicher nicht mehr so eilig damit gehabt, nach Japan zu kommen um sie alle zu sehen. War jetzt aber ein bisschen spät um über so was nachzudenken. Das wäre definitiv früher notwendig gewesen, die späte Erkenntnis half mir trotzdem nicht weiter. Mittlerweile war ich sowieso offiziell für verloren erklärt worden. Von wem? Natürlich von mir, von wem auch sonst… „Sag mal, hat der auch noch was anderes zu tun? Ständig dieser Teruki… Ich meine, Liebe hin oder her. Es gibt schließlich auch noch andere Leute, die mal was mit ihm unternehmen wollen…!“ Ach, unser einsamer Löwe konnte auch noch reden? Nicht dass ich gehofft hatte, er würde nach seiner Entschuldigung etwas die Ruhe bewahren. Schien aber nicht seine Art zu sein mal etwas ‚freundlich und ruhig‘ zu sein. Mein Gastgeber klopfte ihm beschwichtigend auf die Schulter, wurde aber augenblicklich zu Boden gestoßen. Er hatte wohl genau so wenig damit gerechnet wie alle anderen, von dem Verursacher natürlich mal abgesehen… „Hey!“ war die geistreiche Reaktion Miyavis auf die kuriose Vorstellung auf dem Bürgersteig vor ihm. Vielleicht hätte er nicht versuchen sollen, sein Gegenüber zu verteidigen, da Gackt genau das von Zeit zu Zeit immer aggressiver wurde und ich nur hoffen konnte, dass es mich nicht irgendwann auch traf. „Was?!“ Auch wenn ich damit gerechnet hatte, dass es wohl ziemlich laut weitergehen würde, ließen mich die grellen Stimmen jedes Mal wieder zusammenzucken. Eigentlich war ich nicht jemand, der sich gerne mit seinen Mitmenschen anlegte…also abgesehen von meinen Nachbarn, aber die war ich ja erst mal los. „Beruhig dich mal wieder! Nur weil du allein bist, müssen das Andere noch lange nicht! Denk mal darüber nach, warum es niemand schafft, es lange mit dir auszuhalten!“ Ich sah mich kurz um, um sicher zu gehen, dass mich nun wirklich niemand mehr beachtete und versuchte Kanon wieder auf die Beine zu helfen. Er hatte sich nach seinem Sturz eine Weile nicht bewegt… Ja, ich machte mir Sorgen um meinen Liebling. Dem darf keiner wehtun! „Hallo?...“ Meine Worte waren mehr ein Flüstern, damit die beiden Streithälse nicht wieder auf mich aufmerksam wurden. Das war jetzt wirklich das Letzte was ich brauchen konnte. Ich bekam aber nach wie vor keine Reaktion… nur ein verwirrtes Blinzeln meines Gegenübers. Anscheinend hatte Gackt ihn doch etwas fester getroffen als er es wollte. Okay, ich glaube er wollte ihn treffen. Aber ich redete mir immer wieder ein, es wäre keine Absicht gewesen, sonst würde es dem Verursacher nicht mehr so gut gehen… „Was fällt dir ein so mit mir zu reden? Ich bin älter als du und werde wohl selbst am besten wissen, was für mich gut ist, Idiot!“ Motzte der Ältere während er stetig weiter auf Miyavi zuging… Beim Gedanken daran, dass er ihm dasselbe antun würde wie Kanon, wurde mir sofort wieder unwohl. Ich hatte mir den heutigen Tag um einiges anders vorgestellt, aber wie gesagt: Mein Leben verlief eh nie so wie es sollte, also warum noch darüber aufregen? Ich hatte mich daran gewöhnte, dass Beste daraus zu machen. „Was mir einfällt? Überleg mal: Ich hab eine Familie! Ich weiß wovon ich hier rede… Und außerdem: Von jemandem wie dir, der nichts Besseres zu tun hat als jeden Tag einen Typ nach dem anderen in der Bar aufzureißen und den armen Kerl am nächsten Morgen allein zurücklässt, GAR NICHTS sagen!“ Wie erwartet folgte auf seine Ansage eine schallende Ohrfeige und er ging zu Boden… Blut begann aus seiner Nase zu laufen. Mein unwohles Gefühl hatte mich also nicht zu Unrecht eingeholt. Vielleicht sollte ich mal Seelenklemptner für die Beiden spielen, obwohl einer von ihnen das Ganze wohl nötiger hatte… „Jetzt hör mal zu…!“ Ich griff nach seiner Schulter und dirigierte ihn zu der nächsten Hauswand, damit er mir auch ja nicht abhauen konnte. Ganz Tokyo [oder auch Japan] ist unsicher wenn man den auf freien Fuß loslässt. Erst recht wenn er sturzbesoffen ist. Überrascht von meiner Kraft stolperte er bereitwillig zurück und sah mich abschätzend an. Der hatte also immer noch nicht genug… „…Du kannst nicht einfach so auf deine Freunde einschlagen. Ob er nun Recht hat oder nicht! Guck dir an, was du angerichtet hast!“ Tadelnd wies ich ihn zunächst auf Kanon hin, der sich mittlerweile wieder aufsetzen konnte, aber nicht so aussah als könnte er wieder laufen. Dann wechselte mein Blick zum am Boden liegenden Miyavi. Ihn hatte er echt böse zugerichtet, der Gute hielt sich verständnislos die Nase und versuchte irgendwie sein eigenes Blut zum Stoppen zu bringen. Mein Gegenüber schien langsam zu merken, dass hier etwas gewaltig schief gelaufen war, nur war ich mir nicht sicher ob er wirklich wusste, dass er daran schuld war. Alkohol machte ihn also neben extrem aggressiv auch noch hoffnungslos vergesslich… Kopfschüttelnd ließ ich ihn stehen und half meinem Gastgeber wieder auf die Beine. Der Herr mit dem Nasenbluten hatte sich inzwischen selbst wieder aufgerichtet und schnappte nach einem Taschentuch, das sich glücklicherweise noch in seiner Tasche befand. Ein normaler Mensch wäre jetzt sicher auf Gackt zugestürmt und hätte in gnadenlos in Grund und Boden getrampelt, Miyavi beobachtete ihn nur verständnislos, ging aber nicht weiter auf die Geschehnisse der letzten Minuten ein. „Ich…-Ähh.“ Gut, ich hab schon weitaus schlauere Antworten auf meine Standpauken bekommen, auch von Leuten die eindeutig schon mehr intus hatten als er, nur wussten die auch im Nachhinein noch worum es dabei ging. Ich winkte nur ab und griff nach einem meiner Koffer. Mein Plan: endlich abhauen und hoffen man sieht sie nie wieder. Also Mivy gerne, aber sein Saufkumpel bitte nicht! Kanon schloss sich mir sofort an und krallte sich schnell mein anderes Gepäckstück. „Nichts wie weg hier…“ Das Flüstern meines Gastgebers riss mich wieder aus meinen Gedanken und wies mich dazu an, endlich loszulaufen. Oder auch loszuschleichen, insofern das mit Gepäck möglich war. „Hey, nicht einfach abhauen…“ schmollend platzierte sich Miyavi vor mir und sah mich aus großen, traurigen Augen an. Er hatte mich. Ganz einfach, ohne das er überhaupt etwas getan hatte. „…Will euch wenigstens noch verabschieden. Höfligkeit und so.“, Versuchte er seine Reaktion zu rechtfertigen. Nicht das ihm das Ganze hier nicht peinlich war, aber wenn man über alles nachdenkt was hier passiert ist dann war das erwachsene Kleinkind nichts dagegen. „Na dann: Auf wiedersehen.“ Augenrollend hielt ich ihm meine Hand hin, welche er auch sofort ergriff aber nicht um sie zu schütteln, sondern um mich in seine Arme zu zerren. Ich riss überrascht meine Augen auf und bemerkte das leise Kichern Kanons, der anscheinend schon gewusst hatte wo das enden würde. Dafür würde er definitiv noch eine Strafe bekommen. Gut, das klang jetzt nicht nach dem, woran ich gedacht hatte. Das klang mehr nach: Ich fessele dich an mein Bett und da kommst du mir nicht mehr raus egal wie laut du schreist. Allein die Vorstellung daran veranlasste mich dazu in Gelächter auszubrechen. Das erstarb aber sofort als sich alle Blicke verwirrt an mich hefteten und fragten was denn so lustig sei. Ich schüttelte nur meinen Kopf und löste mich aus der Umarmung um nun endlich gehen zu können. Die Herren schienen dann auch zufrieden zu sein und ließen mich und Kanon verschwinden. Man konnte Gackt noch eine ganze Weile laut vor sich hin grölen. Das wurde von uns aber nur mit einigen genervten Seufzern quittiert. „So, jetzt weißt du, wie es im Leben eines Superstars aussieht!“ Lachend brach mein Gastgeber die Stille, die sich ein weiteres Mal zwischen uns gelegt hatte. Zu meinem Glück war es etwas, worüber man sogar ernsthaft nachdenken könnte. Also nach diesem Tag natürlich nur… „Also macht ihr das auch immer? Besoffen durch die Straßen laufen und andere Leute verprügeln…?“ Vorsicht machte sich in meinen Worten breit. Was wenn dasselbe, das mit Miyavi passiert war, mir in den nächsten Tagen auch wiederfahren würde. „So war das nicht gemeint.“ Beleidigt wandte er seinen Blick nach vorn auf die Straße und versuchte einen bestimmten Punkt zu fixieren um mich nicht ansehen zu müssen. Meine Reaktion war eher traurig als wütend. Es lag sicher nicht in meiner Absicht ihn zu verärgern. Ich wollte nur mitreden, schließlich hat er gemeint es wäre so… „Plötzlich so schweigsam…?“ Schmunzelnd legte er den Kopf schief und blieb stehen. Was sollte das den werden? Also nochmal zusammengefasst: Er labert Mist und jetzt werde ich von ihm umgebracht. Super… „N-nein!?“ Giekste ich ihm entgegen und glücklicherweise lief er auch sofort weiter. Ich blieb noch einige Sekunden wie angewurzelt stehen, setzte mich aber nach einem Räuspern seinerseits wieder in Bewegung. „Also, da du ja nicht schweigsam bist, erzähl mir doch mal was von dir.“ Er klatschte kurz in die Hände und machte eine Geste um mir zu zeigen, dass ich doch bitte anfangen sollte zu reden. „Naja, wie ich heiße weißt du ja schon… Also ich komme aus Deutschland und bin eigentlich nur hier, weil ich meine Freundin hierher begleiten sollte. „ „Aha, und was muss nach noch über dich wissen?“ neugierig starrte er mich von der Seite an. Ich mochte es nicht wenn Leue mich ansahen als wäre man im Zoo und erst recht wollte ich das nicht, weil er es war und er hatte nicht das Recht mich einfach so zu beobachten! „Um genau zu sein: Nichts, was dich noch etwas angeht. Denke ich.“ Die letzten Worte nuschelte ich nur noch um sicherzugehen, dass er vielleicht auch ohne den Rotschimmer auf meinen Wangen und meine zittrige Sprache, bemerkte das mir das ziemlich unangenehm war. „Hey, ich ha nicht vor dich auszufragen, aber da wir ja jetzt eine Woche miteinander verbringen werden, dachte ich es wäre gut, wenn ich etwas mehr über dich wüsste und du vielleicht auch etwas über mich. Insiderwissen und so…“ Beschwichtigend streichelte er mir über die Schulter. Ich kam mir ein bisschen wie eine Katze vor, versuchte nur, das jetzt etwas auszublenden um nicht wieder in Trance zu verfallen. Blamiert hatte ich mich ohnehin schon genug. Von den Geschehnissen vor Kuinas Wohnung bis hin zu meinen kurzen Wutausbrüchen bei Aroganzbestien wie Gackt mal abgesehen. Ich hatte ihn ja auch schon beleidigt, mehr oder weniger. „Ja, du ist ja kein Stalker oder so…“, von meinem verschwörerischen Lächeln mal abgesehen war das das Beste, oder schlauste was ich heute von mir gegeben hatte. Meiner Meinung nach hätte ich das schon mal nicht besser machen können. Stolz von meiner Erkenntnis lief ich leicht dümmlich lächelnd neben ihm weiter. Er betrachtete mich nur belustigt und fragte ab und zu, ob es mir auch wirklich gut ging. Und nein, das tat es mir nicht. Allein schon der Gedanke daran, dass ich jetzt eine Woche mit meinem absoluten Liebling verbringen könnte, ließ jegliche Normalität und Logik von mir weichen. Am Ende würde ich noch einen Grund festmachen, warum er das nicht hätte tun sollen. Meine Gedanken hatten schon wieder etwas die Überhand über mich und ich fragte mich wirklich warum er nicht bemerkt hatte, dass ich die letzten Male, als er was gesagt hatte, nur stumm genickt habe oder einfach nur ein ‚hm‘ von mir gegeben hab. „Du bist echt eine super Zuhörerin!“ Na super. Die Ironie konnte man nun wirklich nicht überhören und allein das er sich über mich lustig machte, machte mich sofort wieder traurig. Besser ließ ich mir das nicht ansehen, sonst lacht er nur wieder. „Ich weiß.“ Sarkastisch kamen meine Worte über meine Lippen und ich war erstaunt dass ich trotz allem, so selbstbewusst klang. Normalerweise wäre ich jetzt im Boden versunken, nur wollte ich ihm den Gewinn nicht auch noch überlassen. Der hatte für heute schon genug. Nach einer Weile stellte ich meinen Koffer kurz ab um eine Pause zu machen. Er hatte echt nicht gelogen als er meinte er würde am Stadtrand wohnen. Aber so weit weg… „Komm schon, nur noch um die Ecke und wir sind da, keine Sorge!“ Tadelnd sah er mich an, aber sein Gesichtsausdruck wechselte plötzlich von tadeln auf erschreckt, oder eher kreidebleich. „Hab ich irgendwas im Gesicht oder warum guckst du so fertig?“ Erst als ich genauer hinsah merkte ich, dass sein Blick nicht auf mich sondern auf etwas oder jemanden hinter mir gerichtet war. „Okay, egal was es ist. Es bewegt sich jetzt sofort vor mich damit ich sehen kann, was es ist!“ Klare Ansage, also warum sollte das nicht klappen. Hinter mir blieb es ruhig und Kanon regte sich auch nicht mehr. Er starrte nur weiter nach vorn und half mir mal wieder gar nicht. „… Keine Sorge, meine Schöne… Ich tue dir schon Nichts!“ Seine Schöne? Ok es war also ein Mann und wer auch immer er war, er schien ziemlich beängstigend zu sein. Ich zwang mich dazu mich wieder umzudrehen und blieb genau wie Kanon sprachlos stehen. Eine kreideblasse Gestalt. Von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet. Lange, schwarze Haare und schillernd rote Augen. Als er dann auch noch lächelte, blitzten diamantweiße Zähne hervor. Eine seiner Hände legte sich auf meine Wange, die urplötzlich ein zartrosaner Schimmer zierte. „Guten Abend, meine Dame…“, säuselte der Fremde mir entgegen. Erst jetzt merkte ich, wie hübsch er eigentlich war, fast wie ein Vampir. Wäre bei seiner Erscheinung nicht mal ungewöhnlich gewesen, nur gibt es die natürlich nicht. „Könnten sie, wenn es ihnen nichts ausmacht, bitte nicht so geschwollen reden und die Gute wieder freilassen?“ Mein Gastgeber schien nicht allzu begeistert von dem Herrn vor mir zu sein. Ich zwar zunächst auch nicht, aber von Zeit zu Zeit wirkte diese Person sehr faszinierend auf mich… „Ich spreche wie ich es für richtig halte, mein Herr. Was die junge Dame angeht… wir werden sehen.“ Ein kalter Schauer durchzog mich, als sein Atem meine Haut streifte. Ich sollte schleunigst von hier weg… schleunigst! Ich stemmte meine Hände gegen seine Brust und drückte ihn so gut es ging von mir weg. Er behielt seinen fesselnden Blick, sah aber zunehmend trauriger aus, desto mehr ich mich von ihm entfernte. „Nicht so schnell meine Schöne… Ich möchte wenigstens deinen Namen erfahren.“ Flehend blickte er in meine Augen. Liefen dort etwa Tränen über seine porzellanweiße Haut? „Nur über meine Leiche!“, kam es von Kanon, der unseren Vampir nur angewidert musterte. Ich hätte ihn dafür ohrfeigen können. Der Herr war doch nur etwas… sonderbar würde ich sagen, aber das hieß noch lange nicht, dass man ihn beleidigen musste. „Meine Name ist Steffi… darf ich ihren auch erfahren?“ Eine kurze Verbeugung seinerseits folgte als er seinen Namen hauchte… „Asagi. Schön sie kennenzulernen, Steffi-chan.“ Ich schloss mich der Verbeugung an und musste leicht auflachen als sein Kopf gegen meinen stieß. Er hatte eine so berauschende Aura… Natürlich kam er nicht an Kanon heran, aber nahe. Sehr nahe. Und das nicht nur bezogen auf die geringe Distanz, die uns noch trennte. „Haaaaaa… Wie schade, dass solch schöne Momente wie dieser so schnell enden müssen.“ Sentimental war dieser mysteriöse Herr also auch noch…Er nahm meine Hand und küsste sie sanft. Danach verschwand er plötzlich ohne ein weiteres Wort. „Ein paar Gestalten wandern hier herum…“ Mein Gedanke amüsierte mich zutiefst wenn ich darüber nachdachte dass das Wort ‚Gestalten‘ diese Leute hier wirklich sehr gut beschrieb. Trotzdem war er anders… etwas Besonderes würde ich sagen. „Das fällt dir jetzt erst auf…?“ Mal wieder laut gedacht. Das hab ich schon viel zu lange nicht mehr gemacht, aber im Moment wollte ich das eigentlich auch nicht. Aber gut, dann musste ich mich nicht mehr für späteres rechtfertigen. Kanon war sichtlich belustigt von meiner Reaktion, jedenfalls lachte er sich super über mich kaputt. Am liebsten wäre ich auf ihn zu gerannt und hätte ihn geschlagen, aber meinem süßen, kleinen Kanon konnte ich natürlich nicht wehtun. Das gehört sich für mich nicht und war auch das Letzte, das ich ihm hätte antun wollen. Trotzdem ging ich auf ihn zu und sah ihn streng an. Vielleicht würde das ja helfen ihn etwas zu beruhigen… Fehlanzeige. „Also im Gegensatz zu dem, was ich davor gesehen habe, war der hier echt seltsam.“ Meine Erklärung ließ ihn nur wieder anfangen zu lachen. Er beruhigte sich aber sofort als er merkte, dass ich mittlerweile nicht mehr so glücklich aussah. Klar war das nur gespielt, aber er hatte es verdient! „Kopf hoch! Ich habs nicht so gemeint…Du sahst nur so niedlich aus.“ Erst bin ich Asagis ‚Schöne‘ und jetzt nennt Kanon mich auch noch niedlich. Da schien mich wer zu mögen… „Schon gut, kann ja vorkommen.“ Lächelnd folgte ich ihm als er sich endlich auf den Weg zu seiner Wohnung machte. Er hatte Recht, es war wirklich nicht mehr so weit, dass es schlimm gewesen wäre, aber als ich vor seiner Tür stand, kam ich mir trotzdem etwas komisch vor. Irgendwie wurde mir erst jetzt so richtig bewusst, mit wem ich hier gerade stand und das ich dank dem Gewinnspiel, eine ganze Woche mit ihm verbringen könnte… Manchmal konnte das Leben also doch nett zu einem sein. „Kommst du dann auch rein? Ich will nicht, dass meine Tür die ganze Zeit aufbleiben muss.“ Ich war wirklich müde und meine Reaktionszeit litt auch noch darunter. Trotzdem raffte ich noch so viel Kraft in mir zusammen um durch seine Tür zu gehen, mit Koffer im Schlepptau, der sich von Zeit zu Zeit immer schwerer anfühlte. Ich hatte, wenn man bedachte wie lange ich hier bleiben würde, nicht mal so viel eingepackt, aber auch das war jetzt zu viel. Ich wollte nur noch schlafen! Meinen Gastgeber schien das aber nicht zu interessieren. Der machte sich nur stumm daran meine Gepäckstücke in eines der vielen Zimmer zu räumen. Seine Wohnung war erstaunlich groß, nicht das ich das nicht erwartet hatte, nur hoffte man immer, dass es etwas anders sein könnte als man dachte… „Willst du noch was essen oder lieber sofort ins Bett?“ Ja, was wollte ich? Abhauen und schlafen oder noch etwas Zeit mit ihm verbringen und zu essen… Ich entschied mich für Ersteres auch wenn es mir innerlich leidtat, dass ich zu müde war um meinen Idol nahe zu sein. Ich verschwand mit allem, was ich brauchte in sein Bad, duschte noch kurz und begab mich zurück in mein eigenes Zimmer. Es war, im Gegensatz zu den anderen, ein kleiner Raum, aber das war mir recht. Ich fühlte mich in großen Räumen nicht wohl, also warum auch noch darin einsam eine Nacht verbringen. Lieber nicht! Ich schlüpfte in meinen Schlafanzug und kroch unter die warme Decke, die er auf das Bett gelegt hatte. Ich redete mir ein, er hätte das extra für mich gemacht. Der Gedanke gefiel mir einfach also warum nicht weiter an so was glauben? Ich hatte in meiner Müdigkeit gar nicht gemerkt, dass mein Gastgeber in das Zimmer gekommen war. Schon wieder dieses unwohle, beklemmende Gefühl. ‚Einfach nicht bewegen‘ dachte ich. Er verließ das Zimmer trotz allem nicht. Er stand nur da und sah mich an… „Gute Nacht, kleine Steffi-chan.“ Lächelnd drehte er sich um und schloss die Tür hinter sich. Sein Lächeln war so perfekt! Und dann galt es auch noch nur mir allein… Dass er mich klein genannt hatte, ignorierte ich völlig. Diesen Moment ließ ich mir nicht zerstören! Niemals! Morgen würde anstrengend werden… schließlich hatte die Band Probe und Kanon wollte mich auch sofort mitnehmen! Das hieß für mich: An Cafe kennenlernen! Na das könnte schon mal interessant werden… Mit dem Gedanken und einem relativ dümmlichen Lächeln, das ich dank Kanon nicht mehr wegbekam, schloss ich die Augen und schlief ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)