Valeria von Azaera (Dämonensklavin) ================================================================================ Kapitel 8: Das Band zwischen Meister und Sklave ----------------------------------------------- Valeria umfasste ihr linkes Handgelenk. Sie musste auf irgendeine Art und Weise ihren Magen beruhigen. Nachdem sich die Flügellose übergeben hatte, begab sie sich an irgendeinen Ort im Dämonenschloss. Sie hatte sich mit Sicherheit verlaufen, doch das konnte der Blonden egal sein. Valeria befand sich in einem Garten. Dieser war mit hohen Mauern umgeben, deren ein Dach fehlte. Der immerdunkle Himmel über dem Dämonenreich schimmerte dunkelrot und golden und ließ kein Sonnenlicht durch. Nun ja, wahrscheinlich gab es sowas wie eine Sonne hier überhaupt nicht. Überhaupt fiel der Flügellosen auf, dass sie so rein gar nichts über das Reich der Dämonen wusste. Sowas wurde nur denen gelehrt, die eine ehrenvolle Aufgabe in der Menschenwelt zu verrichten hatten. Und sie war noch weit davon gewesen. Seufzend sah sich die Blonde um. Überall standen dunkle Bäume an denen Blüten hingen. Das Gras wirkte vertrocknet, doch als sie sich bückte und es mit der Hand fühlte, spürte sie wie weich es war. Die Landschaft wirkte trist, war aber dennoch lebendig. Valeria ging ein weiteres Stück hinein und fand einen Springbrunnen mit rotem Wasser. Ein Schauder lief ihr über den Rücken, als sie die Vermutung aufstellte, dass es sich hierbei um Blut handeln konnte. Sie vertrieb den Gedanken, indem sie sich auf eine seltsam aussehende Blume konzentrierte. Sie war schwarz und hatte orangenfarbene Kugeln in unterschiedlichen Größen an ihr hängen. Sie fasste eine dieser Blüten behutsam an, die dann runterfiel. „Das ist das Huumekraut“, ertönte eine Stimme hinter ihr. Erschrocken drehte sich Valeria um und blickte in das leicht gerötete Gesicht von Neal. Mit einem Mal erinnerte sie sich plötzlich wieder daran was sie erst vor Kurzem mit ansehen musste. „Geh weg!“, spie die Flügellose wütend. Neal wusste doch, dass sie zurückkommen würde, warum musste er ihr eine derartige Show abliefern? „Weg aus meinem eigenen Garten?“, fragte er mit einer hochgezogenen Augenbraue. Seine roten Augen fixierten Valeria. „Ich will nur meine Ruhe!“, meinte sie daraufhin. „Gut, die kann ich dir gerne geben. Ich will nur gesagt haben, dass es mir leidtut, dass du mich in einer dieser unangenehmen Situationen erwischt hast. Mia ist nichts weiteres als ein altes Spielzeug, welches man ab und zu mal wieder aus der Schublade herauskramt“, verteidigte sich der Dämonenmeister. „Und ich bin dein neues Spielzeug, wie?“, fauchte sie ihn an und drehte ihm den Rücken zu. „Nein! Glaubst du, dass wir Dämonen uns einfach aus Spaß einen Sklaven nehmen?“, fragte er etwas irritiert. „Ja, ist doch wohl klar!“ Seufzend strich sich Neal durch sein langes, offenes Haar, welches ihm bis über die Schultern ging. „Du verstehst nichts von unseren Gesetzen, oder?“ Valeria schüttelte nur den Kopf und ging weiter. Als sie eine Bank erblickte, setzte sie sich nieder. Ihr Magen zog sich wieder zusammen, als sie an Neal und Mia dachte. Eigentlich hatte sie den Succubus nur ganz kurz wahrgenommen. Ihr Blick war mehr an Neals durchtrainiertem Körper hängen geblieben. Wenn sie jedoch an diese breiten Schultern dachte, dann löste das einen Zwiespalt in ihr aus. Einerseits fand sie das berauschend, aber andererseits nur widerwertig. Mit einem Mal musste sich der gefallene Engel schon zum zweiten Mal übergeben. Neal, der nun neben ihr saß, seufzte genervt. Er verstand nicht, wie jemand so empfindlich sein konnte. „Was hat Lilith nun schlussendlich gesagt?“, wechselte Neal das Thema um sie von allem abzulenken. Valeria zögerte für eine Weile, aber da es auch ihn anging, erzählte sie ihm es widerwillig: „Ich darf meine Unschuld behalten.“ „Und was fordert sie von dir?“, fragte er skeptisch. „Nichts“, log die Blonde. „Nichts? Ich kenne meine Meisterin mehr als gut genug um zu wissen, dass sie nie was umsonst gibt!“, bemerkte er spitz. „Mein Blut“, flüsterte sie anschließend kaum merkbar. Ein Schweigen brach über die beiden aus und Neal legte den Kopf in die Hände. Seine Ellbogen hatte er auf seinen Knien abgestützt. „Nicht gut!“, meinte er ruhig, doch Valeria konnte spüren, dass Wut in ihm aufkochte. Das war das erste Mal, dass sie eine Gefühlsregung ihres Meisters vernahm. Kommt das durch das Mal zustande?, fragte sie sich. „Warum soll das nicht gut sein?“, fragte sie ihn und legte den Kopf leicht schief, als sie ihn beobachtete. „Es heißt, dass Engelsblut wahre Schönheit bringen kann. Andere wiederum vermuten, dass es das Leben verlängert. Doch für den Engel ist das ganz und gar kein Vorteil. Wenn du Lilith dein Blut gibst, dann wird dein Leben stetig verkürzt. Ein Tropfen reicht schon aus, um deine Lebenserwartung um ein Jahr zu kürzen. Es soll aber immer unterschiedlich sein. Aber das steht alles nur in Büchern. Ob da was Wahres dran ist, weiß ich nicht so recht. Aber das könnte einer der Gründe sein, warum ihr Engel euch von uns fernhaltet“, erklärte der Rothaarige und ballte die Fäuste zusammen. Erschrocken sah Valeria ihn an. Sie hatte definitiv nichts davon gewusst. In der Engelsschule wurde das auch nicht gelehrt. Wesen, wie sie lebten über Hunderte von Jahren, gar tausende von Jahren, doch nie wurden sie über so etwas aufgeklärt. Warum wohl? Um Panik zu vermeiden? Oder gar, damit es noch immer Gesandte gab, die sich auf der Erde niederlassen? Darüber nachdenkend, fiel ihr auf, dass Neal noch etwas zu sagen hatte. Sie spürte es regelrecht. „Es gibt da aber noch mehr?“ „Ja. Sicher gibt es das! Du bist mein Eigentum! Selbst Lilith hat nicht das Recht sich an dir zu vergreifen! Aber da du ja so unwissend bist, hast du eingewilligt. Sie hat einfach dein Unwissen genutzt, weil sie weiß, dass ich es ihr verbieten würde!“ Neal brüllte sie an. Er war gereizt und hätte seine ehemalige Meisterin am Liebsten geköpfte. „Das heißt, selbst die Königin darf mir ohne dein Einverständnis nichts antun?“ Valeria schluckte schwer. Hätte sie das gewusst... Was sollte sie nun als Schlimmer empfinden? Die Gefahr hin, ihr Leben auf ungewisse Zeit zu verkürzen oder ihre Unschuld zu verlieren? Sterben wollte sie nicht. Sie hatte einen furchtbaren Drang zu leben und das, obwohl sie aus dem Paradies verbannt wurde. „Nein. Solange ich nicht einverstanden bin, darf sie gar nichts! Abgesehen von den Gesetzen natürlich. Solange das Wohl des Reiches nicht auf dem Spiel steht, braucht sie meine Erlaubnis. Und die würde ich ihr nicht dann mal geben, wenn ich dich loswerden will!“ „Dieses Sklaven – Meister Bündnis... Kannst du mich darüber aufklären?“, fragte sie etwas leise. Sie war viel zu neugierig, um nicht danach zu fragen. Außerdem konnte sie sich so vom Beischlaf zwischen Mia und Neal ablenken. Nicht, dass sie nicht aufgeklärt gewesen wäre, aber es sah einfach zum Kotzen aus. Und so fühlte sie sich auch. „Wesen mit Rang und Namen, wie ich, dürfen sich einen Sklaven aussuchen. Eigentlich ist es schon fast Gesetz einen Sklaven zu haben. Wer keinen hat, verliert ganz schnell seinen Ruf. Thronerben dagegen müssen so oder so ein anderes Wesen an ihrer Seite haben. Dieses wird nämlich späterhin als rechte Hand dienen. So wie Lilith mich auserwählt hat ihre rechte Hand zu sein. Und solange ich keinen Sklaven an meiner Seite habe, solange darf ich mit Sicherheit auch nicht König dieses Reiches werden und –“ Neal wurde durch Valerias Gekreische unterbrochen. „Du wirst irgendwann König sein? Das ist nicht dein Ernst oder?“, verspottete sie ihn. Sie konnte sich ihn als Machthaber überhaupt nicht vorstellen. Er hielt sich doch ebenso wenig an die Gesetze wie sie selbst. „Ja, das werde ich mit aller Wahrscheinlichkeit. Und, wenn du einen guten Ruf hast, kann es sogar sein, dass ich dich als nächste Königin erwähle. Aber nicht zwingend. Aber darüber kläre ich dich ein andermal auf“, meinte der Dämonenmeister leicht gereizt. Valeria nickte und verstand, dass sie die Klappe halten und zuhören sollte. Was ihr gegen den Strich ging, doch der Schmerz in ihrem Bein hatte ihr das deutlich gemacht. Sehr deutlich. „Der Ruf eines Dämons oder sonst irgendwelchem dunklen Wesen zeichnet die Rangfolge ab. Ich stehe direkt unter Lilith, weil ich der Thronerbe bin. Abgesehen von mir gibt es drei verschiedene Klassen: Die Klasse der Mächtigen, die Klasse der Bürger und die Klasse der Unsichtbaren. Wer einen guten Ruf hat – und sei es nur, weil er ein guter Arbeiter ist, steigt in die Klasse der Mächtigen. Nicht so einfach, wie es sich vielleicht anhört, denn nur Lilith kann jemanden erheben. Nun, wer sich in dieser Klasse befindet, darf am monatlichen Rat teilnehmen, darf sich einen Sklaven aussuchen und darf über das einfache Volk herrschen. Diese Wesen sind sowas wie Polizisten in der Menschenwelt. Sie haben viel Macht, aber unterstehen noch immer der Königin.“ Der Rothaarige atmete einmal tief durch und streckte sich. Bevor er in seiner Erklärung weitermachte, nahm er seine Pfeife aus seinem dunkelblauen Mantel hervor und stopfte sie mit frisch getrockneten Huumekraut, welches er auch immer bei sich hatte. Dann fing er die Pfeife an und nahm einen tiefen Zug. Valeria sah ihm dabei zu und wollte noch mehr hören. Obwohl sie ihn noch vor einem Monat abgrundtief hasste, konnte sie ihm jetzt wenigstens ein wenig zuhören. Was schonmal ein Anfang war, denn ihre Klappe hielt sie noch lange nicht. Auch, wenn er ihr Meister war, so hatte er noch lange nicht das Sagen! „Die Klasse der Bürger sind einfache Wesen, die ihrer tagtäglichen Arbeit nachgehen und sich um ihr Leben kümmern. Die Höheren kennen sie nicht und interessieren sich auch nicht sonderlich für sie. Aber es wird nach deren Wohl gehandelt. Immer. Und die Klasse der Unsichtbaren... Tja, das sind so niedere Wesen, die sind es nicht wert in einem Atemzug erwähnt zu werden. Die werden meist beim Stehlen oder sonst irgendwelchen gesetzlosen Aktivitäten ertappt und landen in die Todesschlucht. Die heißt so, weil man als Gefangener dort nie wieder rauskommt. Ist sowas wie ein Gefängnis in der Menschenwelt.“ „Und was hat das jetzt mit den Sklaven zu tun?“, fragte die Flügellose neugierig und überkreuzte ihre Beine. „Sklaven befinden sich zwischen all diesen Klassen. Sie haben einen Sonderstatus. Sie werden weder beim Namen genannt, noch wirklich beachtet. Sie müssen das tun, was man ihnen sagt und sei es noch das Grausamste. Sie haben praktisch keine Rechte. Boxen sie sich jedoch gut durch und ihnen wird Aufmerksamkeit geschenkt, so kann es sein, dass sie eines Tages wieder frei sein werden. Dann gehören sie automatisch in die Klasse der Mächtigen. Das Ganze hört sich ganz schön fies an, aber glaub mir, Sklaven brauchen nie zu hungern und sonst geht es ihnen gut. Wer seinen Sklaven nämlich gut behandelt, der wird auch reichlich belohnt. In Form von guter Arbeit, versteht sich. Und je weniger ich das Mal benutzen muss, umso besser ist unsere Beziehung“, meinte er beiläufig und lächelte. Das Huumekraut stank fürchterlich und Valeria hielt schon fast den Atem an. „Ich bin also nur dein Hund?“, meinte sie giftig und von einem Moment zum Anderen wollte sie ihn wieder abgrundtief hassen. „Genau. Wenn du also brav bist und wir uns verstehen, kann es sein, dass du schneller von mir wegkommst als du denkst.“ „Und wie lange hast du gebraucht bis Lilith dich gehen lassen hat?“ „Zweihundertvierundachtzig Jahre um genau zu sein. Und ich kenne sie nun schon seit dreihundert Jahren.“ Der Dämonenmeister erhob sich und legte die Pfeife auf die Bank. Dann streckte er sich und bot Valeria seine Hand an. „Ich will dir was zeigen!“, meinte er lächelnd. Zögerlich nahm die Gefallene sein Angebot an. Er ging voraus und zog sie hinter sich her, irgendwohin, wo sie noch nie war. Aber noch immer im Garten, wie es schien, denn sie wanderten durch hohes Gestrüpp. „Ich werde also lange bei dir sein?“, meinte sie seufzend und schüttelte den Kopf. Sie durfte nicht an sowas denken. Laut Neal ging es ihr hier besser als auf der Straße. So zumindest interpretierte sie das. „Und warum ist dieses Mal was Besonderes?“, fragte sie nun. „Du, als Gezeichnete, wirst von nun an fühlen, was ich fühle und ich werde fühlen, was du fühlst. Je stärker dieses Band zwischen uns wird, umso ausgeprägter werden die verschiedenen Fähigkeiten sein, die so ein Band hat.“ „Und welche sind das?“ „Wir spüren gegenseitig unsere Gefühle, wir wissen immer wo der andere ist, wir können gemeinsame Zauber entwickeln, die stärker sind als alles was wir je alleine geschafft haben und wir werden unsere eigenen Fähigkeiten entwickeln. Einige können selbst ohne Flügel fliegen, andere werden durch Körperkontakt Visionen haben. Es gibt sogar einige die ihre Gedanken untereinander austauschen können. Das, was am häufigsten vorkommt, ist das Gedankenlesen. Kann gut sein, dass das auch bei uns der Fall sein wird. So, hier sind wir nun!“ Neal machte einen Schritt zur Seite und ließ Valerias Hand los, die er schon die ganze Zeit gehalten hatte. Als sie am hinteren Ende des Gartens angekommen waren, erstreckte sich eine große, dunkle Mauer. Genau vor Valeria befand sich eine Leiter, die sie hochklettern musste. Sie blickte hinauf und fragte sich, was er ihr zeigen wollte. „Geh nur“, forderte er sie lächelnd auf. Zögerlich setzte sie einen Fuß auf die erste Sprosse und prüfte die Stabilität. Es schien sicher zu sein und sie kletterte die Leiter hinauf. Als sie oben ankam, blieb ihr fast der Atem weg. Diese angebliche Mauer war so breit, dass sich darauf ein weiterer Garten erstreckte. Er war zwar wesentlich kleiner als der Erste, aber hier wuchs richtiges, saftiges, grünes Gras und hier gab es auch Rosen! Valeria kam nicht mehr aus dem Staunen raus, besonders dann, als sie den Pavillon sah. So weit Valeria erkennen konnte, bestand es aus einem hellen Material, dass sie sehr an Knochen erinnerte. Von diesem ging ein beruhigendes Glühen aus. „Schön, nicht wahr? Wenn du jetzt ganz rauf gehst, wirst du auch was anderes sehen!“, rief Neal ihr von unten zu, bevor er selbst die Leiter hinaufstieg. Valeria setzte einen Fuß auf das schöne Gras und ging geradewegs auf das zu, was sie noch nicht gesehen hatte. Sie erblickte den Dämonenhimmel, der mit diesem schönen Grün gar nicht mehr so kalt und gefährlich aussah, wie sie es sonst immer wahrnahm. Als sie hinunterblickte, sah sie die Klippen, auf denen das Schloss stand. Und dann, ganz unten, sah sie belichtete Dörfer. Es war ein schöner Ausblick. Irgendwie sah es friedlich aus. „Das ist meine Welt“, flüsterte Neal ihr zu. „Und nun zu dem, was ich dich schon vorhin fragen wollte: Was wirst du tun? Willst du Lilith dein Blut geben, nachdem du eingewilligt hast oder willst du lieber deine Unschuld verlieren?“ Neal, der das Zwischenspiel mit Mia unterbrechen musste, war nämlich spitz auf sie. Aber das musste sie nicht wissen. Noch konnte sie es nicht fühlen, weil das Band noch zu frisch war. „Wenn ich jetzt mit dir schlafe... Dann muss ich auch nicht mehr mein Blut abgeben, oder?“, fragte sie zögerlich. Von Neal kam ein knappes Ja. Valeria, die unschlüssig war wie sie handeln sollte, schloss die Augen. Sie wusste einfach nicht, was sie tun sollte. Am Liebsten würde sie alles hinschmeißen, doch Lilith noch einmal um Erbarmen anflehen würde wahrscheinlich nicht mehr klappen. Sie würde das Eine oder das Andere verlangen. Sollte sie es versuchen? Oder sollte sie sich lieber entscheiden? „Lilith wird sich sicherlich nicht von deinem Blut abbringen lassen. Du kannst es ja ruhig versuchen, aber dann wird sie wahrscheinlich nur ausrasten und grausam werden. Und wenn du leidest, werde ich mitleiden müssen. Und das nur aus reiner Unfähigkeit“, fügte der Halbdämon ihren Gedanken, die er zwar noch nicht lesen konnte aber nur vermutete, zu. „Gut, dann bringen wir es hinter uns!“, meinte Valeria entschlossen und ballte die Fäuste zusammen. Ich werde mich auf ewig dafür hassen!, dachte sie verbittert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)