The World Ends with You von abgemeldet (Another Game) ================================================================================ Kapitel 6: Tag 6 ---------------- Die Sonne stand hoch am Himmel. Es gab kaum einen Weg, ihr am Scramble Crossing zu entkommen. Aber das war auch nicht weiter schlimm: angesichts des letzten Tages, der sehr kalt ausfiel, war ihm die Hitze am heutigen Tage nur recht. Er saß auf einer Bordsteinkante, die Arme auf den angewinkelten Knien verschränkt, sie saß neben ihn und schlief noch an ihn angelehnt. Er dachte an gestern – an das, was Higashizawa sagte. War er wirklich so schwach? Er war nach wie vor der Meinung, dass er durch die Erfahrung und die Stärke, die er sich seit seinem letzten Spiel erarbeitet hatte, wirklich einen Vorteil hatte. Dass er eine Kampfstärke besaß, die sonst kein Spieler so schnell an den Tag legen würde. Die Kämpfe gestern waren in dieser Woche die ersten, die mal eine Herausforderung für ihn waren. Dennoch beunruhigten ihn einige Dinge, die Higashizawa sagte. Sein Beitrittspfand… er konnte sich nicht erinnern, was es diesmal war. Er konnte sich an so vieles nicht erinnern. Nur daran, dass er für etwas Wertvolles kämpfte. Für etwas, was für IHN wertvoll war. Doch abgesehen von dieser vagen Motivation… viel ihm nichts ein, was es in seinem Leben sonst noch gäbe. Wofür er sonst zurück ins Leben wollen würde. In dem Punkt musste er Higashizawa Recht geben. Doch es gab diesen einen Grund für ihn und das reichte. Er vermutete, dass sein Beitrittspfand etwas mit der Erinnerung zu tun hatte, die ihm jetzt fehlten. Also würde sich alles klären, sobald er das Spiel gewinnen würde. „Stört es dich?“ sagte sie plötzlich, ohne sich zu bewegen. Er vermutete dass sie meinte, dass sie an ihm lehnte. „Nein.“ sagte er. „Gut… ich bin noch müde.“ Er hätte gerne „Lass dir Zeit.“ gesagt, doch das wäre nicht 100%ig seine Meinung gewesen. Genauer wäre es gewesen, wenn er sagte „Lass dir Zeit, biss die Mission reinkommt.“, doch so etwas wollte er ihr jetzt nicht an den Kopf knallen. Davon mal abgesehen würde sie vermutlich selbst aktiv werden, wenn die Mission rein käme. Er legte die Stirn auf die vor ihm verschränkten Arme und ließ sich die Sonne in den Nacken scheinen. Er spürte den sanften Druck, den seine an ihn angelehnte Partnerin auf ihn ausübte. Wie lange war es her, dass er so mit einem anderen Menschen in Berührung kam? Lang… er wusste es nicht. Und er genoss es für den Moment, auch wenn sich komischerweise ein winziges Schuldgefühl in ihm breitmachte. So döste er auch noch mal eine Weile weg. Wie lange, wusste er nicht. er wurde schließlich geweckt, indem Reiko ihn neckisch in die Seite piekte. Es kam immer noch keine Mission rein. Sie entschieden sich also wieder, sich umzuschauen und zu prüfen, welche Gebiete offen sind. Dabei stellten sie etwas recht beunruhigendes fest: alle Wege waren mit unsichtbaren Mauern blockiert. Es standen keine roten oder schwarzen Reaper rum. Es gab also keine Möglichkeit, das Scramble Crossing zu verlassen. Würde die Mission etwa nur hier stattfinden? Für’s Erste blieb ihnen nichts anderes übrig, als auf die Mission zu warten. Alles Weitere sollte sich dann klären. Sie stellten sich spaßeshalber genau in die Mitte der großen Kreuzung. Mit der Zeit lief er ungeduldig hin und her. Dabei lief er… gegen jemanden? Er und der Angerempelte sahen sich ungläubig an. „Bist du ein Spieler?“ fragte Shuyin schließlich. Der andere WAR ein Spieler und natürlich auch von seinem Partner begleitet. Sie kamen kurz ins Gespräch und die Tatsache, dass es momentan keinen Ausweg vom Scramble Crossing gab, bestätigte sich. Sie warteten weiter. Shuyin merkte, dass immer mehr Spieler sich in der Mitte der Kreuzung versammelten – immer dann, wenn sich zwei aneinanderrempelten. Das war eine Angewohnheit vieler Spieler: durch andere einfach durchgehen zu wollen. Rein vom Äußeren konnte man einen Lebenden schließlich nicht von einem Spieler unterscheiden, außer der Spieler trug richtig offensichtlich seinen Player-Pin. Die Zeit verging und mittlerweile hatten Shuyin und Reiko das Gefühl, nur noch von anderen Spielern umgeben zu sein. Schließlich schlug es 13 Uhr. Mit einem Mal durchschnitt eine Frauenstimme das Stimmendurcheinander der Spieler. „Seid gegrüßt, Spieler.“ sagte sie. Alle Blicke der Spieler richtete sich in die Richtung, aus der die Stimme kam; von der Nordseite der Kreuzung. Dort stand plötzlich eine Frau. Eine blonde Frau mit einer weißen Bluse, darüber ein enges, schwarzes Einteilerkleid, das in einem kurzen Rock endete, kurz darunter zierten lange dunkle Strumpfhosen ihre langen Beine. Ihre Haare waren zu einer strengen Frisur zusammengesteckt und sie trug eine Brille mit kleinen ovalen Gläsern. Ihre dunkelvioletten Fingernägel waren erstaunlich lang und sie trug ein Klemmbrett mit sich. Obendrein war sie sehr attraktiv, mit einem auffallend stattlichen Vorbau. Sie sah aus, wie die fleischgewordene stereotype „sexy Sekretärin“. Shuyin und Reiko standen relativ weit nördlich der Gruppe, weshalb sie die Frau schnell bemerkten. Shuyin erkannte sie und wurde leicht unruhig. „Ich bin Konishi, der Game Master für den heutigen Tag, und ich begrüße euch zum letzten Spieltag der Woche.“ sagte sie und rückte sich dabei ihre Brille zurecht. Ein minimales Raunen ging durch die Spielermenge. Shuyin unterbrach die Stille und sprach sie an: „Ähm… ich glaub, du hast da was falsch verstanden, Konishi. Morgen ist auch noch ein Tag… .“ Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf Shuyin. „Wie ungewöhnlich; ein bekanntes Gesicht. Nun, ich bin mir sehr wohl bewusst, dass eine Spielwoche aus 7 Tagen besteht. Doch das nur unter der Vorraussetzung, dass am letzten Tag noch Spieler übrig sind, die spielen können. Doch das wird nicht der Fall sein.“ Einige Spieler machten ein fragendes Gesicht, ein paar wenige verstanden sofort, was sie damit andeuten wollte und regten sich ob dieser Beleidigung auf. Auch Shuyin verstand, doch er ließ sich dadurch nicht weiter beunruhigen. Denn er wusste, wie ernst die Sache war. Nachdem einige Spieler ihren Unmut direkt an Konishi richteten, sprach diese weiter. „Ihr wisst, dass ihr nur weiterkommt, wenn meine Mission erfüllt wird. Doch meine Analysen ergaben, dass ihr das nicht schaffen werdet. Es liegt an euch, mich vom Gegenteil zu überzeugen.“ Mit einem Mal klingelten überall Handys. Auch Shuyins und Reikos Handy. Die Mission kam also rein. Alle schauten wie gebannt auf ihre Mobiltelefone. „Besiegt die 4 Pig-Noise, die sich irgendwo in Shibuya verstecken. Zeitlimit: 8 Stunden. Auf Scheitern folgt Auslöschung.“ hieß es. Viele lachten bei dieser Nachricht. „Vier läppische Noise besiegen? Und dann auch noch bei dem Zeitlimit? Das ist ja wohl ein Kinderspiel!“ und ähnliches hörte man von einigen. Alle Handys klingelten kurz darauf noch mal. „PS: Nur die, die am Erfüllen der Mission beteiligt sind, werden dieses Mal weiterkommen.“ hieß es in einer weiteren SMS. Stille unter den Spielern. Im ersten Moment kochte eine höllische Unruhe in Shuyin auf. „Das ist gar nicht gut…“ sagte er. „Warum?“ fragte sie. „Überleg mal… das Ziel sind 4 Noise. Nur, wer eins davon besiegt, kommt weiter. Das heißt, dass maximal 4 Teams weiterkommen. Alle anderen können sie Segel streichen.“ Bevor Reiko ihm mitteilen konnte, wie schrecklich sie diese Sonderregelung fand, erhob Konishi erneut das Wort: „Der Fairness halber möchte ich euch noch eine Kleinigkeit wissen lassen. Alle Missionen, die diese Woche soweit erteilt wurden, wurden immer vom gleichen Spielerteam gelöst. Der Zusatz der heutigen Mission dient dazu, dass sich keiner mehr auf die Taten eines anderen verlässt und dass EIN Team nicht mehr für das Weiterkommen ALLER Spieler verantwortlich ist.“ Sie wollte schon gehen, als Shuyin sie noch kurz zurückhielt: „Hey, Konishi! Was soll das? Ist das überhaupt erlaubt? So eine Regel? Widerspricht das nicht dem eigentlichen System des Spiels?“ „Ich fühle mich nicht genötigt, dir das zu erklären. Ich wünsche euch viel Glück bei eurem letzten Tag. Euch steht übrigens ganz Shibuya offen.“ sprach sie und verschwand. Einen Moment lang herrschte noch Stille unter den Spielern. Dann breitete sich bei einigen Panik aus und ein par Teams machten sich hastig auf den Weg. Er und sie blieben stehen, und sie sah ihm seine innere Unruhe deutlich an. „Was ist los? Du wirkst durcheinander. Ist es wegen dieser Frau oder wegen der Mission?“ „Beides…“ sagte er, verschränkte die Arme und ließ nachdenklich hastig seinen blick über den Boden schweifen. „Oh, magst du sie etwa?“ scherzte sie. Ihn brachte das etwas aus der Fassung. „Was? Äh, nein, das ist es nicht, es ist nur…“ „Also doch!“ „Nein, es ist wirklich nicht so, wie du denkst!“ Ihr blick ließ keine Widerworte zu. Er seufzte und setzte dann zu einer kurzen Erklärung an. „Also gut, ich gebs zu: ich find sie sehr anziehend. Ich meine, du musst doch zugeben, dass sie wirklich verdammt heiß ist, oder?“ Sie grinste selbstgefällig in sich hinein. „Aber ich will nichts von ihr, denn ihr Charakter ist alles andere, als toll. Sie ist ein manipulatives, berechnendes, eiskaltes Miststück.“ Kurze Stille, in der sie ihr Grinsen wieder verlor. „Ich mach mir wesentlich mehr Sorgen wegen der Mission.“ „Ja… sollten wir uns nicht auch auf den weg machen?“ Er verschränkte die Arme und sah wieder ganz nachdenklich aus. „Nein, ich denke nicht…“ „Was? Warum nicht? Wenn wir nicht wenigstens eins dieser Noise finden, war es das für uns! Das hast du selbst gesagt!“ „Richtig, aber ich glaube, dass da mehr dahinter steckt… In Panik verfallen ist auf jeden Fall der falsche Weg.“ „Was schlägst du dann vor? Was glaubst du, ist denn dann der richtige Weg?“ Er dachte verbissen nach. Sogar im wörtlichen Sinne, denn er biss sich dabei auf den Finger. Seine Gedanken rasten hin und her, doch er kam zu keinen Schluss, er konnte sie nicht ordnen. „Shuyin, sag mir, was du denkst! Wenn du alleine nicht weiterkommst, dann lass uns gemeinsam nachdenken! Dafür sind wir doch Partner!“ Das riss Shuyin aus seinen Gedanken. Und brachte ihn auf eine andere Herangehensweise. „Also schön. Sag mir, was du angesichts der Mission und Information, die wir bis jetzt haben, am liebsten machen würdest.“ „Ich… würde so einen Pig-Noise suchen… und wenn ich ihn finde, natürlich hoffentlich besiegen… . Ach ja, ich würde Shibuya wohl lieber systematisch absuchen.“ „OK… . Du findest einen Pig-Noise und besiegst ihn. Was machst du dann?“ „Hm… ich würde… mich wohl auf die Suche nach den anderen machen? Obwohl… es ist doch sehr wahrscheinlich, dass jemand von den anderen sie findet und besiegt. Also wäre das wohl nicht mehr nötig?“ „Du würdest dich also nach dem ersten besiegten Noise in Sicherheit wiegen und quasi die Beine hochlegen?“ „Ja… gut möglich. Aber es ist noch so viel Zeit. Zur Sicherheit kann man ja trotzdem nach weiteren Pig-Noise suchen.“ „OK. Belassen wir es erstmal dabei. Konishi wäre nicht Konishi, wenn es so einfach wäre. Vermutlich ist das Verhalten, was du mir grad beschrieben hast, genau das, was sie erreichen will. Folglich ist es die falsche Herangehensweise. Und die große Zeitvorgabe, sowie die Zusatzinformation sollen uns sicher auch auf eine falsche Spur locken. Ich glaube sogar fast, dass die Zusatzinformation eine Farce ist.“ „Wir sollen also das Gegenteil von dem machen, was sie will? Sollen wir etwa nichts machen?“ „Doch doch, irgendwas müssen wir machen. Das Missionsziel ist eindeutig vorgegeben. Die Frage ist nur, wie wir es erreichen. Du kennst doch sicher das Sprichwort >Der Weg ist das Ziel<.“ „Ja, schon. Aber sag mal, warum sollte es eigentlich falsch sein, das zu tun, was sie will?“ „Weil sie damit erzielen will, dass Spieler dabei draufgehen. Das ist schließlich das Ziel eines jeden Reapers. Und Konishi hat bisher mit Abstand die höchste Quote beim Spielerausschalten. Es ist also höchste Vorsicht geboten.“ „Au Backe, das klingt echt übel… aber mir fällt auch nichts ein, was wir stattdessen machen sollen.“ „Ich… schlage vor, dass wir trotz allem erstmal die Pig-Noise suchen und besiegen, wenn wir eins finden. Und in jedem Fall sollten wir uns beeilen.“ „Auf einmal? Hast du nicht gesagt, dass wir das nicht tun sollten?“ „Es ist sicher nicht der richtige Weg, die Mission zu erledigen, aber es könnte weitere Hinweise geben. Und ein guter Weg, eine Falle zu entschärfen, ist sie kontrolliert auszulösen.“ Bis hierhin standen noch drei weitere Spielerteams um Reiko und Shuyin und hörten ihren Überlegungen zu. Eines von ihnen war das Team von demjenigen, mit dem Shuyin erst zusammengestoßen ist. Bevor sie sich auf den Weg machten, versicherten die anderen Teams ungefragt, dass sie es genauso machen würden wie Shuyin und Reiko und dass sie auch andere Teams, wenn sie ihnen begegneten, von den bisherigen Überlegungen in Kenntnis setzen würden. Er überlegte sich mit ihr zusammen eine Route durch Shibuya, die wohl am effektivsten wäre. Zuerst hielten sie sich westlich Richtung Hachiko und liefen weiter bis zur Bahnlinienunterführung. Bis dorthin scannten sie jedes Gebiet. Bei der Bahnhofsunterführung fanden sie schließlich ein Spielerteam, welches offensichtlich sehr zufrieden mit sich war. Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie hier ein Pig-Noise fanden und besiegten. Einer der beiden präsentierte sogar stolz einen wertvollen Pin, den er von dem Noise gewann. Ansonsten machten sie es genau so, wie Shuyin und Reiko es sich erst ausmalten: wegen einem besiegten Noise legten sie die Beine hoch. Er scannte die Umgebung… und hörte ein Grunzen. Er sah sich um und entdeckte bald ein Noise-Symbol, das wie eine grüne Schweinsnase aussah. Reiko war gewissermaßen überrascht. Ein Nicken zwischen den beiden und der Kampf ging los. Der Schweins-Noise schlief merkwürdigerweise zu Kampfbeginn. Auch ihr fiel das auf und machte erstmal gar nix. Er wartete kurz ab und schlich sich an den schlafenden Noise. Dann zündete er einen Angriff, auf den er noch gewartet hatte. Der Noise war gleich beim 1. Treffer besiegt und hinterließ einen Pin – den gleichen Pin, den der andere Spieler vorher stolz präsentierte. Als sie wieder im UG waren, witzelte der andere Spieler über sie: „Hey, wogegen habt ihr denn jetzt gekämpft? Den Pig-Noise hier haben wir doch schon besiegt.“ Wortlos zeigte Shuyin ihm den Pin, den er gerade erbeutet hat. Der andere Spieler war darüber über alle Maßen erstaunt. Shuyin scannte die Umgebung erneut. Ein Grunzen. Das Noise-Symbol war wieder da, an genau der gleichen Stelle. Da war also schon mal ein Haken an der Sache, wenn nicht sogar DER Haken. Es war schon mal gut, davon zu wissen, auch wenn noch nicht klar war, was das zu bedeuten hatte, oder wie man damit umgehen sollte. Sie wussten beide, dass es keinen Sinn haben würde, den Noise hier immer wieder zu besiegen, also machten sie sich wieder auf den Weg, auf die Suche nach dem nächsten Noise. Bis zum Scramble Crossing rannten sie zurück, von dort aus liefen sie zu 104 und nahmen die linke Straße nach Dogenzaka. Kurz vor der Abbiegung, die zu A-East führte, war er heilfroh, doch noch eine unsichtbare Mauer zu finden: die die zu Pork City führte. Er erklärte ihr schnell auf dem Weg, dass dieser Ort für Spieler besonders tückisch sei, da es die Pins beeinflusst, die man trägt. Als sie dann vor A-East waren, kamen zwei erleichtert aussehende Leute aus dem Gebäude. Shuyin sprach sie an und es stellte sich heraus, dass diese Spieler im Gebäude ebenfalls einen Pig-Noise besiegten. Als wäre es nur eine Beiläufigkeit erkundigte er sich, ob sie von dem Noise einen bestimmten Pin bekamen, woraufhin sie stolz ihre Errungenschaft präsentierten. Es war nicht der gleiche Pin, wie bei dem anderen, aber das Design war ähnlich. Daraufhin betraten er und Sie die dunkle Halle von A-East, scannten… und fanden wieder einen Pig-Noise. Sie starteten den Kampf. Diesmal griff sie zuerst an – und erledigte den wieder schlafenden Noise mit dem ersten Treffer. Sie erbeutete den gleichen Pin, den die zwei Spieler vor A-East auch hatten. Noch ein Scan. Der Noise war wieder da. Keiner von beiden stellte irgendwelche Fragen an den anderen, sie machten sich einfach weiter auf den Weg. Am Shibukyu Main Store über 104 zurück zum Scramble Crossing, wo sie in die Straße zum Center St. Entrance einbogen. Im hintersten Teil der Udagawa-Hinterstraßen trafen sie auf 2 Spielerteams, die sich schon darüber unterhielten, dass die Pig-Noise immer wieder auftauchen. Hier waren sie also richtig. Kurzer Scan, ein Grunzen, ein grünes Schweinenasen-Noise-Symbol, ein Kampf gegen einen schlafenden Pig-Noise, der nach dem ersten Treffer besiegt war und ein erbeuteter Pin, den auch schon die anderen Spieler (mehrfach) besaßen. Wieder zogen sie ohne Verzögerung weiter ihres Weges. Bei Tipsy Tose Hall bogen sie zu Spain Hill ab, weiter über Molco nach Cadoi City. Dort machten sie noch einen kleinen Abstecher zum Shibu Department Store, doch auch da gab es nichts. Also wieder zurück nach Cadoi City und weiter Richtung Cat Street – ihrem vorerst letzten Ziel. Dort fanden sie zwar keine anderen Spieler, doch direkt vor Hanekomas Wild Cat fanden sie den letzten Pig-Noise. Bevor sie diesen Kampf starteten, änderte er noch etwas an seinen ausgerüsteten Pins. Er wollte etwas ausprobieren. Wie nicht anders zu erwarten, schlief auch dieser Pig-Noise. Zuerst betrachtete Shuyin den Noise noch mal eingängig in der Hoffnung, irgendwas zu finden, was sie weiterbringen könnte. Doch er fand nichts. Also setzte er den Pin ein, den er sich extra für diesen Kampf angelegt hatte. Es war der Schwächste Pin, den er besaß. Und er griff auch nur ein einziges, ganz behutsames Mal damit an. Der Noise war sofort besiegt und hinterließ wieder einen Pin. Noch ein Scan und wieder war das grüne Noise-Symbol da. Ein Blick auf die Hand: der Timer war noch da. Er hatte zwar irgendwo doch die winzige Hoffnung, dass die Mission so einfach sei, wie sie scheinen mag, aber er hat ja auch damit gerechnet, dass dem nicht so ist. Eine letzte Information wollte er noch einholen, wozu sie gleich noch mal den Kampf starteten. Anstatt den Noise anzugreifen, tippte er ihn nur an, ganz leicht, um ihn zu wecken. doch als der Noise aufwachte, rannte er plötzlich los, wie von der Tarantel gestochen und war weg. Ein fliehender Noise… das hat er auch noch nicht erlebt. Und damit wäre auch bewiesen, dass es nichts bringt, den schlafenden Noise einfach nur zu wecken. Jetzt wollte er erstmal wieder seine Gedanken sammeln und sie Ordnen. Da es sich anbot, setzten sie sich dazu ins Wild Cat und bestellten beide jeweils einen Schoko-Milchshake. Auch diesmal saß wieder der grauhaarige Junge in der hintersten Ecke und beobachtete die beiden Spieler unbemerkt. Hanekoma erkundigte sich kurz bei den Beiden, wie es ihnen erging, bei der Gelegenheit fragte Shuyin ihn gleich, ob diese Zusatzregel denn rechtens sei. „Im Normalfall ist das überhaupt nicht Rechtens. Es sei denn, die Mission weißt bestimmte Eigenschaften auf, die eine solche Zusatzregelung rechtfertigt. Wenn man es richtig dreht, kann man sicher Ausnahmefälle für solche Regelungen erzeugen. Und dieser Konishi würde ich es locker zutrauen, dass sie sich solche Missionen zurechtlegen kann.“ Richtig, der wäre so etwas zuzutrauen. Von allen Reaper hatte sie den höchsten IQ; die einzige, die Minamimoto diesbezüglich schlagen konnte. Das war aber auch schon alles, wo Hanekoma helfen konnte, zur Lösung der heutigen Mission konnte er nichts beitragen. Also ließ er sie auch größtenteils in Ruhe, während sie noch mal ihre Informationen durchgingen. „Also, was wissen wir? Wir kennen die Aufenthaltsorte der Pig-Noise. Wir wissen, dass sie immer wieder auftauchen. Diese Mission ist im Prinzip unlösbar. Das wiederum ist definitiv gegen die Regeln. Also muss es eine Lösung geben.“ fasste Shuyin zusammen. „Wenn diese Frau wirklich so clever ist, hat sie bestimmt alles bis ins kleinste Detail geplant… also sollten wir vielleicht auch jedes noch so kleine Detail beachten, meinst du nicht?“ „Denkst du da an was Bestimmtes?“ „Hm… mal überlegen… fandest du es nicht auch merkwürdig, dass vor der Mission so viele andere Spieler auf einen Haufen versammelt waren? Und dass sie noch vor der Mission höchstpersönlich auftauchte?“ „So was meinst du… in der Tat, das war merkwürdig. Das kann sie durchaus absichtlich so eingefädelt haben. Nur zu welchem Zweck?“ „Hm… vielleicht… damit wir uns der anderen Spieler bewusst werden?“ „Wie kommst du darauf?“ Naja, bis gestern hatte ich fast das Gefühl, wir seien die einzigen beiden Spieler. Mich hat das heut echt überrascht. Und weißt du noch, wo du mich fragtest, was ich am liebsten machen würde?“ „Was war da“? „Ich hab schon in etwa mitbekommen, worauf du hinauswolltest. Ich merkte es in dem Moment, als ich selbst sagte, dass ich die restlichen Noise anderen Spielern überlassen würde. So etwas mein ich.“ „Hm… ja, doch. Das klingt einleuchtend. Ich denke, du hast recht damit, dass sie wollte, dass wir uns der anderen Spieler bewusst werden. Ich hab sowieso schon seit einiger Zeit das Gefühl, dass wir bei dieser Mission gezwungen sind, mit anderen Spielern zusammenzuarbeiten.“ „Nur in welcher Form? Was können 2 oder mehr Teams erreichen, was ein Team nicht erreicht?“ „Gute Frage… mir fällt da nichts Konkretes ein.“ Hanekoma mischte sich kurz ein, während er nebenbei ein paar abgespülte Gläser abtrocknete: „Was ist mit den Pins, die ihr bekommen habt? Ist irgendwas an denen besonders?“ Daraufhin holten sie die 4 Pins raus, die sie von den schlafenden Noise erbeuteten und legten sie vor sich auf den Café-Tisch. Shuyin legte sie sich in der Reihenfolge vor sich, in der sie die Pins erhielten. Bei genauerem Hinsehen erkannte er, dass auf den Pins Worte standen. Sie waren aber ein wenig unleserlich, weil sie in so einem undeutlichen Graffiti-Stil geschrieben waren. Aber mit etwas Mühe konnte er sie doch entziffern. get her to work „Get her to work… das ist englisch. Was soll das denn?” “Hm… ein Pin für jedes Wort… vielleicht müssen wir sie nur umlegen, sodass eine andere Nachricht rauskommt?“ „Was soll man da schon groß draus machen?“ Er legte die Pins um und sagte jedes Mal seine Zusammenlegung laut mit. „Get work to her… work her to get… nein, das is Blödsinn… to get her work… get to work her... nein, das ist auch Blödsinn… get to her work… wer ist denn >sie<, verdammt noch mal? Work to get her…” “Halt, warte, ich glaub ich habs!“ „Was?“ „Das letzte! Hier, schau mal…“ Sie legte die Pins so, wie er es zuletzt hatte, aber mit unterschiedlichen Abständen, sodass eine etwas andere Nachricht ans Tageslicht trat. work together „Oh…“ stellte er verwundert fest. „Da haben wir es. Oder fällt dir was Besseres ein?“ „Nein… schätze, das ist ein Hinweis. Gut gemacht.“ „Ach komm, du hattest es doch schon so zurechtgelegt.“ „Ja, aber ich hab nur blindlings drauflos geschoben.“ „Naja, ist ja jetzt egal. Wir sind schon mal ein Stückchen weiter. Jetzt… müssen wir in erster Linie wohl wieder andere Spieler suchen, oder? Nur was machen wir dann mit ihnen?“ „Wir dürfen nicht mehr so denken, als spielten wir das Spiel nur für uns selbst… was können mehrere Spielerteams, was ein einzelnes nicht kann?…“ satte er und tippte sich dabei wieder nachdenklich gegen die Stirn. „Was hältst du davon, wenn wir erstmal ein paar andere Spieler zusammentrommeln? Die können wir ja dann auch fragen. Zusammen finden wir vielleicht eher eine Lösung. Und unterwegs können wir auch noch grübeln.“ „Gut, machen wir es so. Lass uns keine Zeit vertrödeln.“ Zeit hatten sie schon genug vertrödelt. Es waren schon fast 4 der 8 Stunden um und die Spätnachmittagssonne war mittlerweile gar nicht mehr so heiß. Sie zahlten fix und machten sich wieder auf den Weg. Unterwegs teilten sie sich ohne Absprache die Aufgaben: Shuyin grübelte weiter darüber nach, wie die Teams zusammenarbeiten sollten, Reiko hielt nach anderen Teams Ausschau. Es dauerte nicht mal lang, bis sie permanent nach Spielern schrie. Keine dumme Idee, schließlich würde sie auch nur von Spielern gehört werden. Sie hatte auch Erfolg: bis sie wieder am Scramble Crossing waren, begegneten ihnen 3 Teams, die ihnen im Endeffekt auch alle folgten. Das erste der Teams war sogar das, was sie zu allererst gesehen haben. Um mehr Überzeugungsarbeit zu leisten, zweckentfremdete Reiko die M’sieur Lapin-Puppe, die sie von Princess K bekommen hat, als schwarzes Brett und befestigte dort die 4 Pins so, dass die Nachricht deutlich zu lesen war. Auch Shuyin kamen unterwegs ein paar kleine aber feine Ideen, wie andere Teams hilfreich sein könnten. Mit der Zeit wurde er immer besser darin, nicht so konventionell zu denken und auf neue Ideen zu kommen. Am Scramble Crossing angekommen verlautbarte Shuyin, dass er wieder einen kleinen Plan hatte, den er gerne mit der Hilfe eines weiteren Teams umsetzen möchte. Der Typ vom Anfang – seinh Name war Marco – meldete sich freiwillig. Offenbar hatte er von Anfang an ein gewisses Vertrauen zu Shuyin. Die anderen beiden Teams stellten sich bereitwillig der Aufgabe, mehr Teams zu versammeln. Reiko überlies ihnen sogar bereitwillig den „Message M’sieur“, wie sie die Stoffpuppe jetzt nannte. Zufällig hatten die anderen Teams auch schon genug dieser Pins gesammelt, sodass die Nachricht ein zweites Mal zusammengesetzt werden konnte, so konnten sie besser getrennt voneinander suchen. Shuyins und Marcos Team machten sich noch mal auf den Weg zur Unterführung; Shuyin wollte mit der Hilfe des anderen Teams 2 Dinge anhand der Kämpfe gegen die Noise herausfinden. Am Zielort angekommen, startete er erstmal einen Kampf gegen ein normales, rotes Noise-Symbol. Er wollte, dass das andere Team während des gesamten Kampfes mit dem Playerpin scannt und sich das Symbol anschaut, mit dem Shuyin und Reiko kämpften. Er machte eine interessante Entdeckung: Marco beschrieb es so, dass während des Kampfes das Symbol zittert oder vibriert und dabei permanent seine Farbe ändert. Genau in dem Moment, in dem die beiden Kämpfer wieder auf der UG-Ebene auftauchten, war das Symbol verschwunden. Soweit so gut. Als nächste sollte die wichtigere Information geprüft werden. Das gleiche Spielchen noch mal, aber diesmal mit dem Pig-Noise. Auch hier gab es eine Information, die Shuyin sehr wichtig war: nachdem der Kampf beendet war und die Spieler sich wieder auf dem UG befanden, dauerte es ein paar Sekunden, bis das Noise-Symbol wieder erschien. Noch ein Kampf, um genau zu testen, wie lange. Marcos Partner stoppte die Zeit mit seiner Armbanduhr. Genau drei Sekunden. Sehr gut, Shuyin hatte gehofft, dass es etwa so laufen würde. Ein dritter Versuch, wieder am Noise-Symbol des Pig-Noise. Diesmal wollte Shuyin wissen, was passiert, wenn ein anderer Spieler ein Noise-Symbol berührt, welches gerade in einen Kampf verwickelt ist. Er und seine Partnerin zogen den Kampf künstlich in die Länge, indem sie gar nichts machten. Das Ergebnis: als Marco das Symbel berührte, wurde er davon zurückgeschleudert und Shuyin und Reiko wurden aus dem Kampf geschleudert. Das Symbol verschwand nicht. Es wurde also wie ein Kampfabbruch behandelt. Jetzt hatte er einen konkreten Plan. Dieser musste zwar nicht die Lösung aller Probleme sein, aber angesichts aller bisher gesammelten Informationen, der geheimen Nachricht und der besonderen Missionsregeln schien dies die beste Chance. Es musste einfach klappen. Sie machten sich abermals zurück zum Scramble Crossing. Dort warteten sie erst eine kleine Weile, sie hatten noch etwas knapp 3 Stunden übrig. Nach kurzer Zeit stießen auch die anderen Teams wieder zu ihnen, die sich vorher von ihnen trennten und sie hatten weitere Teams im Schlepptau. Ein Team jedoch sträubte sich offenbar gegen die Idee der Zusammenarbeit und musste hergeschleift werden. Er war zufrieden mit der Menge an Teams, die nun hier waren. Es waren mehr als die Hälfte der Teams, die sich zu Anfang hier versammelten. Das sollte reichen, um seinen Plan auszuführen. Auch sie war zufrieden mit sich, dass sie so viele Teams zusammentrommeln konnte. Er begann nun, allen die bekannten Informationen so kurz und verständlich wie möglich zu vermitteln. Auch seinen Plan beschrieb er. Alle hörten ihm aufmerksam zu, wenn es Fragen gab, wurden sie zu gegebener Zeit gestellt. Offensichtlich war er für die Anderen Teams so etwas wie ein Anführer geworden. Nun ja, für die meisten. Das Team, das nichts mit alledem zu tun haben wollte, stellte seine Autorität, die er ja eigentlich auch gar nicht hatte, in Frage. Er wurde dabei relativ grob in seiner Wortwahl, war offenbar drauf und dran, auf Shuyin loszugehen, doch dieser blieb ruhig. „Was glaubst du Spinner eigentlich, wer du bist, hä? Hältst dich wohl für was besonderes, oder warum spielst du hier den Anführer?“ „Ich spiele hier überhaupt nicht den Anführer. Ich mache mir lediglich Gedanken, wie man diese Mission zu Ende bringen kann. Das sollte auch in deinem Interesse sein.“ „Willst du mich damit etwa locken? Das zieht bei mir nicht. Hier kämpft dich jeder für sich allein. Was hast du schon davon, anderen zu helfen? Du weißt doch, dass nur 4 Teams weiterkommen, oder nicht? Du willst wohl unbedingt dazugehören, was?“ „Wenn wir die Mission nicht beenden, kommt keiner weiter. Auch, wenn jeder einen Solotrip macht, kommt er bei dieser Mission nicht weiter. Deswegen möchte ich gern mit den anderen zusammenarbeiten.“ „Du bist so n Klugscheißer, weißt du das? Redest, als hättest du die Weißheit mit Löffeln gefressen. Was macht dich bitteschön zu etwas Besonderem? Nenn mir einen guten Grund, warum ich dir folgen sollte!“ „Ich hab nie behauptet, etwas Besonderes zu sein…“ Etwas Besseres wusste er an dieser Stelle nicht zu erwidern. All seine Argumente hatte er bereits genannt und sich zu wiederholen brächte wohl nichts. Aber Reiko konnte ihm da raus helfen. „Ich sag dir, warum er etwas Besonderes ist und warum du ihm wenigstens zuhören solltest.“ Den Nächsten Satz sprach sie sehr langsam und betont auf und zeigte dabei noch mal bedeutungsvoll auf ihren Partner. „Er hier… mein Partner Shuyin… spielt das Spiel nämlich schon zum 2. Mal. Er hat also mehr Ahnung von dem ganzen, als wir alle. Reicht das als Antwort?“ Ein Raunen ging durch die Menge. Die Sonne war bereits hinter den vielen Hochhäusern verschwunden und nur noch das Restlicht beleuchtete die Szenerie. Der Querulant verstummte erst. Offenbar traf ihn diese Information genauso wie alle anderen. Aber er ließ dennoch nicht locker. „Ach so ist das… na schön, dann hast du eben mehr Ahnung von diesem Spiel. Aber weißt du was? Wenn dem so ist, denke ich, dass du allen anderen hier lieber den Vortritt lassen solltest.“ Ein anderer Spieler fragte, was er damit meinte. „Na ist doch klar: der Typ hat schon mal eine zweite Chance bekommen. Und er war so blöd, sie nicht vernünftig zu nutzen! Wenn ihr mich fragt, hat er Pech gehabt! Warum sollte er eine dritte Chance bekommen, wenn einige von uns nicht mal die zweite bekommen sollen, hä?“ Marco haute ihm eine rein. Dann geigte er ihm mal die Meinung. „Und warum solltest du überhaupt das Recht auf eine zweite Chance haben? Du bist so ein Ekel, du denkst nur an dich selbst! Er versucht wenigstens für alle das Beste rauszuholen! Aber du verdienst es meiner Meinung nicht mal, um eine zweite Chance zu spielen.“ Stille. Der Typ auf dem Boden hielt sich die Wange und sah Marco ungläubig an. Marcos Worte zeigten offenbar auch Wirkung. Er fuhr fort: „Außerdem… ist das denn die Art, es demjenigen zu danken, der uns überhaupt erst bis Tag 6 gebracht hat?“ Überraschte Blicke auf Shuyin und Reiko. Shuyin blickte überrascht zu Marco zurück. „Sag schon. Ihr zwei seid das Team, die bisher alle Missionen erledigt haben, stimmts?“ „Woher… weißt du das?“ „Das hatte ich so im Gefühl. Schon von Anfang an. Du hast die ganze Zeit den Eindruck gemacht… naja, wie soll ich sagen? Als ob es… Alltag für dich wäre? Als ob du einfach hier rein gehörst? Außerdem… wenn du schon zum 2. Mal spielt, ist es doch recht wahrscheinlich, dass du weniger Probleme mit den Missionen hast, oder?“ antworte ihm Marco mit einem Grinsen. „Huh…“ Als ob es Alltag für ihn wäre. All ob er hier rein gehört… er wusste gar nicht, wie richtig er damit lag. Doch damit wollte Shuyin jetzt weder sich noch andere belasten. Sie hatten nur noch etwas mehr als 2 Stunden. Die Diskussionen mit dem Querulanten nahmen viel zu viel Zeit in Anspruch. Also ging er noch mal über den Plan. „Also gut. Wir brauchen 4 Gruppen, sie sollten nach Möglichkeit aus einer gleichgroßen Anzahl Teams, aber mindestens 2 Teams bestehen. Jede Gruppe begibt sich zu einem Standort der Pig Noise. In jeder Gruppe wird ein Team gewählt, dass den entscheidenden Kampf ausführt. Unser Ziel ist es, die Pig-Noise an jedem Ort genau zum gleichen Zeitpunkt zu erledigen. Wir haben nur eine Zeittoleranz von 3 Sekunden, also ist Timing das A und O. Bedenkt, dass die Noise schon beim kleinsten Angriff besiegt sind, aber fliehen, wenn sie ohne Angriff aufgeweckt werden. Also nehmt einen Angriff, den ihr sehr genau timen könnt. Ich persönlich würde zu einem Shockwave-Pin greifen. Denkt außerdem daran, dass es egal ist, wann der Kampf beginnt, sondern wann er Endet. Startet im Zweifelsfall den Kampf schon ein, zwei Minuten vorher, Hauptsache, ihr schlagt im richtigen Moment zu. Die anderen Teams müssen nichts weiter tun, als zu verhindern, dass Spieler, die nichts von diesem Plan wissen, die Kämpfe unterbricht. Ihr wisst, dass ihr Spieler daran erkennt, dass ihr sie nicht scannen könnt? Gibt es soweit Fragen?“ Blick in die Runde. Überall Einverständnis. „Gut. Als gemeinsame Zeitorientierung richten wir uns nach dem Timer. Der sollte in jedem Fall gleich gehen und auf den kann man auch im Kampf schauen. Wollen wir mal vergleichen?“ Alle hielten Ihre Hand mit dem Timer hin. Die Timer aller Spieler liefen ohne die kleinste Zeitabweichung auf die Hundertstel Sekunde genau. Der gemeinsame Klang der tickenden Timer war ein kleines Erlebnis für sich. „Also schön. Die vorletzte Stunde ist angebrochen. Ich schlage vor, dass wir den ersten versuch auf 1:30 Stunden Restzeit ausrichten. Sollte es nicht klappen, gehen wir erstmal davon aus, dass das Timing nicht stimmte. Dann versuchen wir es alle 5 Minuten erneut. Wenn die Mission bis zur letzten angebrochenen Stunde noch nicht vorbei ist… sammeln wir uns einfach noch mal schnellstmöglich hier und denken über eine andere Lösung nach. Ich sehe keine bessere Chance für uns. Hat noch irgendwer etwas loszuwerden?“ Keiner meldete sich. Dann bildeten sich die Gruppen und die Kampfteams wurden ernannt. Zur Sicherheit übten die Kampfteams, zu denen auch Marcos und Shuyins Team gehörten, das gleichzeitige Zuschlagen als Trockenübung. Dann machten sich auch schon alle auf den Weg zu den 4 Orten. Einige sprachen Shuyin noch mal kurz an und fragten voller Anteilnahme, wie es dazu kam, dass er zum 2. Mal spielt. Er wies sie alle jedes Mal freundlich ab und sagte, er wolle nicht drüber reden. Auch Marco, der in eine Andere Richtung aufbrach, verabschiedete sich noch mal gesondert von Shuyin und Reiko und wünschte den beiden Glück. Shuyins Gruppe machte sich auf den weitesten weg: zurück zur Cat Street. Bis zum Myashita Park rannten alle, das letzte Stückchen liefen sie. Reiko wollte Shuyin dafür loben, dass er die Spieler so souverän anführte, doch dieser schnitt ihr im Gehen das Wort ab und meinte, dass er sie jetzt nicht ansprechen sollte. Er wolle die ganze Sache erstmal hinter sich bringen. Da fiel ihr auf, wie nervös Shuyin war. Zu Recht, sein Plan mag zwar plausibel klingen, gut durchdacht sein und alles, aber es gab keine Garantie, dass sie es auf diese Weise schaffen würden. Würde es nicht klappen… wäre es das wohl gewesen. Doch sie wollte lieber hoffen statt zweifeln. Und sie wollte, dass er das gleiche tat. Also nahm sie nur seine Hand. Als er sie daraufhin ansah, schenkte sie ihm nur ein Lächeln und sagte vollkommen zuversichtlich „Das schaffen wir.“. In ihrem Blick lag kein Fünkchen Zweifel. So schaffte sie es, dass auch er wieder zuversichtlicher an die Sache ranging und seine Grübeleien, womit auch immer sie sich gerade befassten, wenigstens für den Moment ein Ende finden. Als sie in der Cat Street ankamen, war alles bereits wegen der Abendröte in ein leuchtendes kräftiges Orange getaucht. Die ersten Straßenlaternen gingen bereits an. Restzeit 1:37. Er hätte sich am liebsten einen Tee mit extra Valium bei Hanekoma bestellt, so aufgeregt war er innerlich. Doch zum Wohle der anderen ließ er sich nichts anmerken. Sie hielt weiterhin seine Hand, bis sie schließlich bei einer Restzeit von 1:32 in den „Ring stiegen“. Sie mussten sich nicht absprechen, beiden war von vornherein klar, dass Shuyin den entscheidenden Angriff ausführen würde. Die letzten 1,5 Minuten blickte er unentwegt auf seinen Timer, während er schon hinter dem schlafenden Noise stand und die andere Hand schon zum Schlag ausgeholt hielt. Die letzten 5 Sekunden. 4. 3. 2. 1. Schlag! Er war wieder in der Ebene des UG. Vor ihm fiel der Pin zu Boden, den es von dem Pig-Noise gab. Er traute sich nicht, auf seine Hand mit dem Timer zu schauen, die er zusammen mit dem Schlag schloss. Doch das musste er auch nicht. Das leise Ticken… war noch da. Entsetzt blickte er doch wieder auf seine zitternde Timer-Hand. Der Timer war noch da. Sein Herz raste. Was war passiert? Hatte er sich im Timing vertan? Hatte sich jemand anderes im Timing vertan? Oder wurde eine der anderen Gruppen gestört? Also seine Gruppe wurde nicht gestört. Die einzigen, die sich gerade in der Cat-Street befanden, waren die Spieler, die mit ihm gekommen sind. Keine anderen Spieler waren zu sehen und auch keine Menschen auf der RG-Ebene. War sein Plan letztendlich doch eine Niete? Blickwechsel mit den anderen Spielern. Nervosität machte sich breit. Doch die meisten redeten sich ein, dass wohl irgendwo jemand einen Fehler machte. Einige vermuteten, dass der Typ, der sich vorher geweigert hat, Shuyins Plan zu folgen, absichtlich die Sache sabotierte. Shuyin bewunderte diese Einstellung: trotz des ersten Fehlschlages setzten sie mehr Hoffnung in den zweiten Versuch, als dass sie über den ersten Fehlschlag verzweifelten. Seine Verzweiflung mischte sich mit Ehrgeiz. Er versuchte sich Mut zu machen. Er war so weit gekommen, hat sich so dermaßen den Arsch aufgerissen, dass er jetzt nicht einfach so aufgeben wollte. Stattdessen wollte er gleich wieder in den Kampf, auch wenn noch über 4 Minuten bis zum nächsten Versuch übrig waren. Ihr war es recht, denn sie wusste, dass er nur dadurch ruhiger werden würde. 3 Minuten. 2 Minuten. 1 Minute. 10 Sekunden. 5 Sekunden. 3. 2. 1. Schlag Wieder zurück im UG. Wieder den Klang des Pins, der zu Boden fiel. Diesmal blickte er sofort auf seinen Timer, mit einer verzweifelten Wut. 1:24:58 1:24:57 Dann verschwand der Timer. Sein Herz raste für einen kurzen Moment wieder, obwohl er jetzt endlich das gewünschte Ergebnis erzielte. Dann sackte er auf die Knie, immer noch auf seine nun leere Handfläche starrend. Stille. Kein Ticken. Nicht mal der Wind war zu hören. Er blickte zu den anderen Spielern. Auch sie blickten in ihre Handflächen. Einige grinsten zufrieden in sich hinein, andere vollführten Freudentänze und Luftsprünge, wieder andere legten sich erleichtert die Hand auf die Brust und atmeten erstmal tief durch. Sie kniete sich vor ihm hin. „Wir haben es geschafft.“ sagte sie ruhig und relativ leise. Er sah ihr ins Gesicht. Sie lächelte, doch die Freude in ihrem Gesicht sah merkwürdig aus. Irgendwie… unvollständig? „Ja… wir haben’s geschafft…“ gab er zurück. Dann fiel sie ihm um den Hals und rief diesmal erneut „Wir haben es geschafft!“ Er konnte nicht anders, als die Umarmung zu erwidern und die Augen zu schließen. Die vielen Steine, die ihm vom Herzen fielen, ließen ihn innerlich mit fallen und diese Umarmung gab ihm den Halt, den er sich gerade so sehnlichst wünschte. In seinem Kopf liefen die letzten paar Sekunden immer wieder ab, wie in einer Endlosschleife, was sein Herz in schneller Folge abwechselnd zu Rasen brachte und dann wieder beruhigte (das ist bestimmt ungesund…). An seinem Ohr vernahm er ein leicht quiekendes Glucksen, dem er entnahm, dass sie wohl vor Freude und Erleichterung weinte. Auch bei ihm machte sich endlich Erleichterung breit und er atmete einmal tief aus. Als sie sich beide wieder fingen und aufrichteten, blickte er noch mal zu den anderen Spielern rüber. Sie lösten sich nicht auf oder so was. Also war die Sonderregel entweder wirklich ausgedacht, oder sie konnte so ausgelegt werden, dass man auch dazu zum Erfolg beitrug, indem man einfach beispielsweise denen, die das wichtige taten, einfach nicht im Wege stand. Oder würde er es erst am nächsten Tag merken? Die anderen anwesenden Spieler versammelten sich alle um Shuyin und Reiko und alle sprachen den beiden noch mal ihren Dank aus und wünschten jeden, dass das Spiel ein gutes Ende für alle nehmen würde. Der letzte Tag stand also bevor. Er freute sich zwar… doch er hatte auch ein gewisses Stechen in der Magengegend. Ende Tag 6 „Alle für Einen und Einer für Alle“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)