The World Ends with You von abgemeldet (Another Game) ================================================================================ Kapitel 2: Tag 2 ---------------- Lautes Rattern und das Quietschen von Bremsen, die einer großen Maschine gehören mussten, weckten ihn. Schnell erkannte er, wo er war: bei der Bahnhofsunterführung. „Prinzesschen“, wie er sie bereits in seinem Kopf nannte, war noch nicht wach. Das sollte sich ändern, auch, wenn die Mission noch nicht rein gekommen ist. Er machte keine Anstalten, sich zu bücken. Ein paar Stupse mit dem Fuß taten es auch. Ein paar viele Stupse. „Uah…. hey, was ist los? Wo sind wir hier und was mach ich auf dem Boden?“ fragte sie verschlafen. „Wir sind hier in der Bahnhofsunterführung vom Westbahnhof.“ sprach er mit verschränkten Armen auf sie herabblickend. „Wie denn das? Wir waren doch grade eben noch bei 104? Oder nicht?“ „Wir waren bei 104 – und zwar gestern. Es ist bereits der 2. Tag dieser Spielwoche.“ „Aber… wie kann das sein? Wir waren doch gerade-“ stotterte sie. „Wir waren GESTERN bei 104. Bis wir die Mission erledigten. Das ist nun mal so. Nachdem eine Mission erledigt wurde, fallen alle Spieler, die noch im Spiel sind, in eine Art Schlaf und wachen dann am nächsten Tag irgendwo anders auf, kurz bevor die nächste Mission reinkommt.“ Und wie auf Kommando klingelte bei beiden das Handy. Sie war schneller am Apparat. „>Erlöse Cat Street von den bösen Geistern. Zeitvorgabe: 60 min. Scheiternde treten ihrem Schöpfer gegenüber.<… sollen wir Geisterjäger spielen, oder was? Die erwarten doch nicht, dass ich das Ernst nehme.“ Zinnnnng! Der Timer war da. „60 Minuten?! Cat Street ist am anderen Ende von Shibuya! Selbst wenn wir rennen, brauchen wir mindestens 15 Minuten bis dahin! Und dann auch noch alle Noise besiegen… Komm, wir müssen los!“ hetzte er rum, und er sah aus, als ginge es um Leben und Tod – ging es ja auch. „Noise besiegen? Ist das die Aufgabe?“ fragte sie, noch vergleichsweise ruhig. „Ja, ist es. Die drücken sich gern in Rätseln aus, aber das wird es sein! Komm schon, uns rennt die Zeit davon!“ Und da rannten sie auch schon los. Glücklicherweise kannte er sich in Shibuya gut aus und nahm gleich den kürzesten Weg; sie folgte ihm auf den Fuß, blieb aber stehen, als sie an einem Laden vorbeikamen. Ein Schaufenster beim Shibuya Department Store erregte ihre Aufmerksamkeit. Er bemerkte etwas spät, dass sie anhielt. Er ging nicht zurück, sondern rief ihr quer über die Straße zu, sie solle sich doch beeilen. Weiter ging es. Für gewöhnlich rannte er voraus, doch nachdem sie Towa Records hinter sich ließen, überholte sie ihn. „Komm schon, du lahme Ente, ich denke wir haben keine Zeit!“ scherzte sie ihm über die Schulter zu und streckte ihm frech die Zunge entgegen. Er sah ihr an, dass sie sich bereits genauso abgehetzt hat, wie er – dennoch schien es ihm, dass es ihr irgendwie Spaß machte, sich so abzuhetzen. Ein Verhalten, was ihm vollkommen unverständlich war. Außerdem wunderte er sich, wie sie mit diesem Kleid rennen konnte – schneller als er. Endlich kamen sie bei Cat Street an. Beide mussten erstmal verschnaufen. „13 Minuten vergangen… wir waren gar nicht mal so schlecht. Und das, obwohl Prinzesschen einen Schaufensterbummel einlegen wollte.“ stichelte er. „Entschuldige, bitte, Herr >Ich mach immer alles Richtig<“ stichelte sie zurück. „Aber das musste einfach mal sein…“ fügte sie leise hinzu – so leise, dass er es nicht mitbekam. „Ruhen wir uns etwas aus, bevor wir loslegen. Sag mir Bescheid, wenn der Timer 45 Minuten schlägt.“ sagte er und setzte sich prompt auf den Boden, in eine Haltung, als ob er meditieren würde. „Wie? Gerade eben hast du noch Panik geschoben und jetzt machst du wieder einen auf cool? Kannst du dich mal entscheiden?“ „Ich sagte doch, ich will mich ausruhen. So abgehetzt können wir keine vernünftigen Kämpfe führen. Du kannst ja mal währenddessen die Gegend nach Noise abscannen.“ „Wie mach ich das?“ „Wende den Player Pin einmal in der Hand.“ Sie erinnerte sich sofort, dass der Playerpin der Schwarze mit dem weißen Totenkopf war. Einmal wenden… und alles um sie herum hatte einen Blauton angenommen – und viele rote Symbole hingen plötzlich in der Luft. Sie erschrak und kreischte kurz auf. „Ahh! Da sind auf einmal so viele rote Dinger! Und ich höre Stimmen! Was soll ich tun?“ „Nichts. Die roten Symbole sind die Noise. Solange du keins von ihnen berührst, passiert nichts. Und die Stimmen sind die Gedanken der Lebenden.“ sagte er, immer noch im Schneidersitz und mit geschlossenen Augen.“ „Das sind ziemlich viele von den Noise-Symbolen… müssen wir gegen alle von denen kämpfen?“ sagte sie und war sichtlich eingeschüchtert. „Ja… die ganze Straße muss gesäubert werden. Wir werden Kettenkämpfe machen müssen, das geht schneller. Steck dir mal den grünen Pin mit der orangefarbenen Dose an.“ Sie tat, wie ihr befohlen. „Wozu soll das gut sein? Ach, der Timer steht bei 45 Minuten.“ fragte sie. Er richtete sich wieder auf und stellte zu seiner Verwunderung fest: „Du legst den Pin ohne Widerworte an?“ Ihre Miene verfinsterte sich etwas, aber sie blieb ernst und sachlich: „Das mit den Pins geht mir zwar immer noch gegen den Strich, aber… alles, was du mir bisher gesagt hast, hat sich als richtig und hilfreich herausgestellt. Du wirst dir schon was dabei denken. Ich… vertraue dir. Ich kann ja nur dir Vertrauen.“ Diese Worte brachten ihm etwas ins Gedächtnis, was in genau dem Moment jemand in ihrer Nähe aussprach. „Richtig Mädel. Dein Partner ist der Einzige in diesem Spiel, dem du vertrauen kannst. Also vertrau ihm.“ Ein schlanker Mann mit Drei-Tage-Bart, modischer Brille und Frisur, weißen Hemd und dunkler Jackett-Weste drüber, stand plötzlich bei den beiden. „Hanekoma?!“ entglitt es ihm. „Kommt selten vor, dass ein Spieler so schnell von alleine die wichtigste Überlebensregel vergisst. Oh, was haben wir denn hier? Mal wieder im Spiel, Grunty?“ entgegnete der Mann ihm fröhlich. „>GruntyDer Kleine hier< etwas lächerlich. „Oh, Sie haben ein Café?“ bemerkte sie positiv überrascht. „Oh, ja. Das Wild Cat, gleich hier um die Ecke. Ziemlich hip, findest du nicht? Was treibt euch denn hierher?“ „Was wohl? Ne Mission. Alle Noise in Cat Street ausradieren. Wir haben nur noch… (Blick auf den Timer) 41 Minuten.“ „Oh, dann will ich euch mal nicht länger aufhalten. Ich wünsch euch viel Erfolg. Haut rein, ihr Zwei. Wenn ihr fertig seid, kommt doch mal in meinem Café vorbei. Ich lad euch auf ne Tasse House Blend ein – kostet nur 680 Yen, Hahaha.“ „Ich denk, es is ne Einladung…“ dachten sie sich gleichzeitig. „Naja, wir sollten wirklich keine Zeit verlieren. Der Pin mit der Dose… tippe ihn an, wenn du dich zu erschöpft fühlst, um weiterzukämpfen. Er wird dich wieder zu Kräften bringen. Aber setze ihn mit Bedacht ein.“ „Verstanden.“ nickte sie. „Und wie war das mit den Kettenkämpfen?“ „Wenn wir die roten Symbole berühren, startet ein Kampf gegen Noise. Wenn wir mehrere Symbole schnell hintereinander antippen, folgen die Kämpfe ohne zeitliche Verzögerung. Bereit?“ Sie war bereit. Einmal den Player Pin wenden und schnell 4 rote Symbole angetippt und die Kämpfe gingen los. Kleine Fische soweit; nur Dixie-frogs und Garage Wolfs. Nach der ersten Viererkette erkundigte sich Shuyin: „Alles klar? Musstest du den Dosenpin einsetzen?“ „Nein, war nicht nötig. Es kann weitergehen.“ sagte sie, und war nur leicht außer Atem. „Gut, dann erhöhen wir die Kette mal um eins.“ Auch die Fünferketten überstanden sie. Bei Fünferketten beließen sie es auch. So kamen sie mit der Menge der zu besiegenden Noise ganz gut klar. Die meisten Gegner erledigte zwar er, aber auch sie besiegte den ein oder anderen. So waren sie, als der Timer auf noch 11 Minuten stand, mit dem letzten Noise-Symbol der Cat Street fertig. Beide waren recht erschöpft, hätten aber noch weitere Kämpfe bestreiten können. „Das war der letzte…“ keuchte sie. Ein Blick auf die Hand – der Timer war weg. „Meinen Glückwunsch. Der allmächtige Herr war euch offenbar gnädig.“ tönte eine butterweiche, aber desinteressiert und emotionslos klingende Stimme hinter ihnen. Beide erschraken und drehten sich zu der Stimme um. Da stand ein Junge, nicht älter als Shuyin mit sehr kurzem Haar und ganz einfachen hellblauen Klamotten. Scheinbar war er nicht japanischer Abstammung. Er trug eine Kette mit einem Kreuz am Hals und hatte die Hände permanent wie zum Gebet zusammengefaltet. „Was bist du denn für einer?“ fragte Shuyin und war sich jetzt schon sicher, diesen Kerl nicht zu mögen. „Mein Name ist Yashoro. Ich bin heute der Proxy-GM und für die göttliche Mission zuständig, die ihr soeben erledigt habt. Mir scheint, der Große Herr hat auch euch noch den Eintritt in die heiligen Himmel verwehrt. Wie Schade.“ sprach er weiter mit tonloser Stimme. „Was will der Spinner von uns?“ fragte sie, die sich doch sehr über dieses sonderbare Verhalten und Gerede des Proxy-GMs wunderte. „Ich bin ein Diener und Botschafter des Heiligen Vaters auf Erden. Meine göttliche Mission ist es, in diesem Spiel die verirrten Seelen der Schäfchen, die sich noch zu sehr an das irdische Leben klammern, auf ihre Letzte Reise zu schicken und ihre letzten Bande mit der Irdenheit zu lösen.“ „Mit anderen Worten: du bist nur wieder einer dieser Freaks von Reaper, die die Spieler ausmerzen wollen. Deswegen auch die harte zeitliche Begrenzung dieser Mission.“ blaffte er den Jungen an. „Der Herr hat dich scheinbar mit einer bemerkenswerten Auffassungsgabe beschenkt. Doch deine groben Worte zeugen von einem unruhigen Geist, der geläutert werden will. Nur leider verbietet mir eine andere hohe Macht, dir diesen Wunsch jetzt und hier zu erfüllen. Doch sollte euer irrationaler Drang, wieder Teil des irdischen Lebens zu werden, bis zum Letzten Tag andauern, so werde ich mich der verantwortungsvollen Aufgabe stellen, dir zu geben, wonach dir verlangt.“ Shuyin war sichtlich gereizt. „Ach ja? Mir verlangt es aber gerade ziemlich danach, dir dein vorlautes Maul zu stopfen!“ „Lass das, das bringt doch nichts.“ versuchte sie ihn zu beruhigen. „Deiner unverständlichen Reaktion nach urteile ich, dass du die Worte des Herren aus meinem Munde vernommen hast. Doch unsere Wege müssen sich hier trennen, auf dass sie sich am letzten Tage wieder treffen. Bis dahin, gehabt euch wohl, Oh ihr verirrten Seelen.“ sprach er und verschwand. Was nicht verschwand, war Shuyins Rage. „Was ist denn los mit dir? Beruhige dich.“ „Ach… ich kann solche Typen einfach nicht ausstehen… solche militanten Gläubigen.“ „Was hast du gegen einen festen Glauben?“ „Nichts, aber gegen solche, die denken, ihre Glaubensrichtung sei absolut und die nichts anderes zulassen. So was nennt man Intoleranz. Und solche predigen meist Menschlichkeit und gegenseitige Akzeptanz! Pah! Alles Heuchler, solche Typen. Der einzige, auf den du dich verlassen kannst, bist du selbst.“ Bis auf den letzten Satz stimmte sie ihm zu. Doch der letzte Satz bereitete ihr auch Sorgen. „Bist du deshalb so groggy? Weil du nicht mir sondern nur dir vertraust und deshalb die ganzen Kämpfe so gut wie alleine kämpfst?“ Auch wenn er sie verachtete, wollte er ihr nicht sagen, dass sie damit vollkommen Recht hatte. „Du siehst aber auch ziemlich fertig aus… .“ sagte er stattdessen, in der Hoffnung, etwas vom Thema ablenken zu können. „Ich weiß, aber ich hab es etwas übertrieben… bin mehr rumgerannt, als nötig. Ich wollte es einfach nutzen, mich mal an der frischen Luft bewegen zu können.“ sagte sie und schien dabei in melancholischen Erinnerungen zu schwelgen. „Egal. Wollen wir nicht zu dem Café von diesem Hanekoma? Er hat uns doch diese merkwürdige Einladung angeboten.“ sagte sie plötzlich und setzte ein verschmitztes Lächeln auf, das wohl auch vom Thema ablenken sollte. Sie besuchten Hanekoma. Shuyin gönnte sich nen großen Schoko-Milchshake, den er etwas missmutig und ohne Worte wegschlürfte; sie ließ sich wirklich auf die House Blend ein. Sie ließ sich auf Shuyins Hinweis hin alles Mögliche bezüglich des Spiels der Reaper von Hanekoma erklären. Er erzählte ihr auch, dass er so was wie der Aufpasser des Spiels ist. Dass während ihrer angeregten Unterhaltung mit Hanekoma ein Jugendlicher mit grauen Hemd und grauen längeren Haaren der einzige Gast neben den beiden war und sie eindringlich beobachtete, bekam weder sie noch Shuyin mit. Ende Tag 2 „Glaube & Vertrauen“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)