Küchentussi vs. Schwertschwuchtel von abgemeldet (SanjixZorro; ?x?) ================================================================================ Kapitel 29: Die faszinierende Fauna La Coutas --------------------------------------------- Sanjis Part: Von allen Inseln, die wir hätten anlaufen können, war diese hier mit Sicherheit nicht die romantischste. Sie hieß La Couta und so weit das Auge reichte, erstreckte sich ein Meer aus Schilf, Riedgräsern und anderen Sumpfpflanzen darüber. Für Abwechslung sorgten nur kleine Wäldchen aus Erlen und Bruchweiden und einige karge Hügel. Der erdige Geruch nach modrigem Schlamm war allgegenwärtig, ebenso wie das trügerisch schmatzende Geräusch, wenn man sich seinen Weg durch die Rohrkolben bahnte und die Schuhe im Morast stecken blieben. Einzig interessant war die Vielfalt an essbaren Tieren und Pflanzen, die hier vorzufinden war. Was aber auch keine besonders gute Entschädigung für die vielen Mücken war, die Zorro und mir unser abendliches Date am Balkon vor der Werkstatt zur Hölle gemacht hatten. Keine halbe Stunde hatte es gedauert und wir waren freiwillig lieber nach drinnen gegangen. Vor allem deshalb, weil Zorro auf das Gift einiger Exemplare leicht allergisch reagierte. Am nächsten Morgen dann hatte uns Nami die erste gute Nachricht über die Insel mitzuteilen. Es gab, nicht allzu weit von unserem Ankerplatz entfernt, eine große Stadt namens Reveille-City. Sie schien vor allem auf den Tourismus ausgerichtet zu sein, weshalb wir uns nicht lumpen ließen, ihr einen morgendlichen Besuch abzustatten. Nur Zorro blieb auf dem Schiff zurück, da jemand darauf aufpassen musste und er dem Trubel sowieso nicht viel abgewinnen konnte. Mir blieb also nichts anderes übrig, als mich Nami, Robin und Lysop anzuschließen, um die Klamottenläden unsicher zu machen. Dass ich dabei eine kleine (und vielleicht etwas außergewöhnliche) Überraschung für Zorro erstand, bekam keiner von ihnen wirklich mit. Und ich würde sie auch erst wieder auspacken, wenn ein paar Tage vergangen waren. Immerhin brauchte ich erst einen Plan, sie geschickt in Szene zu setzen. Als wir um die Mittagszeit herum zum Schiff zurückkehren wollten, mussten wir erst Frankie, Chopper und Brook zwischen den Souvenir-Ständen ausfindig machen; mitsamt Tonnen von unnützem Krempel. (Den Vogel schoss wortwörtlich eine Kopfbedeckung von Brook ab, aus der zur vollen Stunde ein Kuckuck herauskam und »Kikeriki« rief.) Ruffy und Ace hingegen brauchten wir bloß von der nächstgelegenen Pizzeria abzuholen. Ein Glück für den armen Pizzabäcker, der schon am verzweifeln war, weil sich seine Vorräte so schnell dem Ende zuneigten. Den Nachmittag nutzte jeder für sich auf seine ganz eigene Weise. Robin und Chopper machten sich auf den Weg, die Insel ein wenig auf wissenschaftlicher Ebene zu erkunden, während Frankie in Begleitung von Brook und Zorro seine verbesserte Harpunenangel testete. Wenn die drei sich ordentlich anstrengten, gab es heute Abend vielleicht einen der hier vorkommenden Monsterhechte zu essen. Lysop indessen baute zuerst zwei geschlagene Stunden an seinem Terrarium herum, nur um sich dann gemeinsam mit Ace und Ruffy in ein ausgedehntes Krabbelkäfer-Fang-Abenteuer zu stürzen. Ich konnte bloß hoffen, dass sie nichts allzu Ekliges oder Giftiges mitbrachten. Auf der Gryphon blieben nur Nami und ich, da wir beide die unübersichtlichen Grasbüschel und den in der Sonne vor sich hin miefenden Dreck an Land gleichermaßen einladend fanden. Selbstverständlich aber ließen wir die Zeit nicht ungenutzt, sondern machten uns daran, das Schiff einer Generalreinigung zu unterziehen. Ob das wirklich sinnvoll war, auf einer mit Schlamm bedeckten Insel, das war uns einerlei. Die anderen würden schon sehen, was sie davon hatten, sollten sie auch nur einen schmutzigen Schuh auf den blank gewienerten Boden setzen. Das gut durchgebratene Hechtsfilet, welches ich zum Abendessen mit gedünstetem Fenchel und Kartoffeln in einer leicht säuerlichen Tomatensoße servierte, fand großen Anklang. Wir saßen im Gemeinschaftsraum um den Esstisch (weil oben an Deck zu viele Mücken umherschwirrten) und vergaßen über das Essen sogar den großen Krach, der entstanden war, als Ruffy und Lysop triefend vor Moorwasser bis in Lysops Zimmer getrampelt waren und dabei eine schöne, schlammige Spur Fußabdrücke hinterlassen hatten. Nun ja, ganz vergaßen wir es dann doch nicht. Kaum hatte auch Ruffy seinen letzten Bissen hinuntergeschlungen, verkündete Lysop nämlich: »Also, ich weiß ja nicht, was ihr alle noch vorhabt, aber ich geh dann nochmal raus. Ich muss nämlich die Brille ausprobieren, die ich mir heute Morgen gekauft hab. Die hat eine Nachtsichtfunktion.« »Ich warne dich!«, schnaubte Nami, »Nochmal, wenn du sternvoll Dreck wiederkommst, erwürg ich dich eigenhändig!« Eine üble Drohung; noch dazu, weil Nami sie ausgesprochen hatte. »Ist ja schon gut«, beschwichtigte Lysop sie schnell, »Ich pass auf, dass das nicht wieder passiert. Und wenn doch, wisch ich alles selber auf.« »Ich will's hoffen!« Sie setzte ein mürrisches Gesicht auf und verschränkte die Arme. »Ich komm mit nach draußen!«, bot Ruffy sich da begeistert an, »Vorhin haben wir so coole, bunte Fröschchen gefangen. Die sind jetzt alle im Terrarium und ein Tier passt noch rein. Vielleicht finden wir ja eine Schlange.« »Fressen die Fröschchen nicht die Tausendfüßler?«, fragte ich gelangweilt. Was war das überhaupt für ein Gesprächsthema? »Ach, Unsinn!«, belehrte mich Lysop, »Ich hab zwei Zwischenböden eingebaut. Jetzt hab ich insgesamt drei Terrarien!« Und Platz für noch mehr Ungeziefer. Wie schön. »Ruffy«, kam es auf einmal in bittersüßem Tonfall von Nami, »Du kannst gar nicht mit, falls du das vergessen haben solltest.« »Hä, wieso?!« »Frankie und ich gehen jetzt gleich in die Oper«, antwortete Robin an Stelle von Nami, »Wir fanden das Theater auf Rococo so unterhaltsam. Brook und Nami wollten auch mit.« »Und du hast versprochen, mich zu begleiten«, lächelte Nami in Ruffys Richtung. »Oh, stimmt. Hab ich«, er zog ein langes Gesicht, »Manno, Mist!« »Keine Widerrede! Wir gucken die Zaubergeige. Das ist ein echter Klassiker, den man gesehen haben muss.« »Oh, oh, darf ich auch mit?!«, piepste Chopper begeistert, »Ich will auch eine Zaubergeige sehen!« »Natürlich darfst du mit«, versprach Nami. An Ruffy gewandt fügte sie hinzu: »Außerdem gibt es da mit Kakaocreme gefüllte Waffeln und gebrannte Mandeln zu kaufen. Wäre schade, wenn du keine davon abbekommst, Ruffy.« Sie wusste genau, wie man ihn ködern konnte. Und natürlich klappte das auch. »Na gut! Wenn ich Waffeln und Mandeln krieg, dann guck ich mir auch eine Zaubergeige an!« »Aber nur eine kleine Portion«, entgegnete Nami, »Ich muss auf meinen Geldbeutel achten.« »Nein, eine große! Ich muss nämlich auf meinen Hunger achten!« Der Streit ging noch eine Weile weiter, doch das bekam ich nicht mehr mit. Zorro lenkte mich ab. »Du, Koch«, meinte er leicht besorgt, »Wir müssen aber nicht mit zur Zaubergeige gehen, oder?« »Nein, müssen wir nicht«, grinste ich und fing an, die leeren Teller zu stapeln, »Für uns beide hatte ich etwas anderes im Sinn. Ich hab dir nämlich immer noch ein Date versprochen.« »Ja? Hast du das?« »Ist schon ne ganze Weile her«, gab ich zu, »Das war noch auf der Flying Lamb. Da hatten wir beide zusammen in der Küche geschlafen.« Daraufhin sah Zorro mich wütend und verwirrt zugleich an. »Nee, Koch, niemals! Wir haben auf der Flying Lamb nicht in der Küche miteinander geschlafen! Haben wir sowieso noch überhaupt nicht, weil du das nicht erlaubst!« Ich seufzte auf. Manchmal war er doch etwas hohl. »Mensch, Marimo, du kannst auch immer nur an das eine denken!«, zischte ich, »Natürlich haben wir nicht miteinander geschlafen! Aber beide in der Küche. Das war nach dem Untersuchungstest. Du hattest mich gefragt, wo ich andere Typen kennen lerne.« Es dauerte einen Moment und ich fragte mich bereits, ob er sich überhaupt noch daran erinnern würde. Dann schien es ihm jedoch zu dämmern. »Ach so! Ja, stimmt, das hatte ich. Und da gehen wir jetzt hin?« Ich nickte und stand auf, mir die Hände an dem Geschirrtuch abtrocknend, das ich aus der Küche mitgebracht hatte. Was Ruffy natürlich nicht verborgen blieb. »Boah! Die müssen nicht in die Oper! Wo gehen die hin, Nami!? Da will ich mit!« »Schwulenkneipe«, antwortete sie schlicht, »Und nein, Ruffy: Da willst du nicht mit.« Ruffy wollte schon voller Ungläubigkeit etwas erwidern, doch das ging in einem lauten Krachen und Rumpeln unter. Lysop war dafür verantwortlich. Mit einem undefinierbaren Quietschen war er auf Namis Worte hin mit dem Stuhl hintenüber gefallen und saß nun leicht schockiert am Boden. Alle Aufmerksamkeit war auf ihn gerichtet. »Ich will da auch nicht mit!«, sprudelte es hastig aus ihm hervor. »Sollst du ja auch gar nicht«, antwortete ich mit einem Stirnrunzeln. Wie kam er bloß auf sowas? »Na, dann ist ja gut!« Mit einem hektischen Grinsen rappelte er sich wieder auf. Dass ich nicht länger über sein seltsames Verhalten nachdachte, daran war Ruffy Schuld. »Nee, nee, Nami!«, gluckste er, »Sowas gibt’s nicht! Das hast du dir ausgedacht!« »Hab ich nicht«, seufzte sie und erhob sich von ihrem Platz, »Komm jetzt. Wir gehen.« Sie nahm ihn bei der Hand und zog ihn – immer noch gackernd – mit sich zur Tür hinaus. Ich sah mit einem bedauernswerten Blick hinterher und fragte mich nicht zum ersten Mal, wie jemand so hinterm Mond leben konnte. »Koch?«, wie auf Kommando wandte ich meinen Blick Zorro zu, »Gibt es sowas wirklich?« Ich schmunzelte. Stimmte ja; Nami war nicht die einzige mit einem unterbelichteten Freund. »Klar gibt es das. Da gehen wir jetzt ja hin.« »Na, dann halt ich dich lieber fest«, auch er stand auf und packte mich mit einem Arm um die Mitte, »Sonst bleibst du noch irgendwo hängen...« »Ach, Marimo!«, lachte ich, wobei ich mich darüber freute, dass er einen so ausgeprägten Beschützerinstink entwickelt hatte, was mich anbelangte, »Das tu ich schon nicht. Versprochen.« »Sicher?« »Ganz sicher.« Ich küsste ihn auf die Wange, dann umschlang auch ich ihn mit einem Arm. Noch im Gehen wandte ich mich zu Lysop um. »Räumst du dann den Tisch bitte ab, bevor du rausgehst? Kannst ja Ace aufwecken, damit er dir hilft. Wir sind dann weg. Danke!« Und wir verschwanden. Zufrieden lächelnd und froh darüber, einen Ort für ein Date gefunden zu haben, an dem uns nicht die Mücken attackieren würden. Lysops Part: Plötzlich war ich wieder mit Ace alleine. Es hatte sich ohne mein Zutun ganz einfach so ergeben – alle hatten sie einen Grund gefunden, den Abend in der Stadt zu verbringen. Ich wusste nicht genau, ob ich glücklich darüber sein sollte. Zumindest Namis Gefasel von einer Schwulenkneipe hatte mich schlagartig wieder daran erinnert, wie ich die gestrige Nacht noch verbracht hatte. In meinem Bett sitzend hatte ich den Ratgeber zu Ende gelesen und dabei festgestellt, dass die Kennenlern- und Sextipps aus dem dritten Kapitel durchaus nützlich sein konnten. Nur so war ich auf einige interessante Ideen gekommen, die ich vielleicht in die Tat umsetzen würde, sollte Ace nichts dagegen haben, und die alle irgendwie Honig oder Schokolade beinhalteten. So viel dazu, wie unanständig ich doch war. Nur bei Kapitel Nummer vier hatte ich mir wieder die Decke über den Kopf ziehen müssen. Drei Geschichten waren es. Drei nette, wenn auch nicht gerade jugendfreie Geschichten, die mich immer mehr darin bestärkten, dass ich tatsächlich schwul war. Es war immer noch schwer für mich, diese Erkenntnis einfach zu akzeptieren, weshalb ich auch mitten in der zweiten Geschichte wieder zu heulen angefangen hatte. Richtig erbärmlich musste der Anblick gewesen sein, hätte mich denn jemand sehen können, wie ich unter der Decke dasaß, Schwulenpornos las, mir einen runterholte und dabei auch noch flennte. Doch das war gestern gewesen. Heute sah die Sache schon ein klein wenig anders aus. Ich hatte den ganzen Tag über versucht, herauszufinden, inwiefern ich an mir selber spürte, dass ich zu 82 Prozent in Ace verknallt war. Ob es dieses warme Gefühl in meiner Bauchgegend war, wenn ich mit ihm sprach oder ihn ansah, oder dieser Wunsch nach Zweisamkeit, während Ruffy um uns herumhopste, oder doch eher die Sicherheit, die mich an seiner Seite überkam – das wusste ich nicht genau zu sagen. Ich wusste nur, dass ich bei Weitem nicht so überdreht reagierte, wie es Sanji tat, wenn er mir von Zorro vorschwärmte. So gesehen konnte dieses Verlangen in mir auch ganz einfach darauf hindeuten, dass ich Ace als meinen besten Freund haben wollte. Doch aus mehreren guten Gründen glaubte ich mir in dieser Hinsicht selber nicht. Nachdenklich blickte ich hinüber zu diesem Kerl, zu welchem ich eine zusehens komplizierter werdende Beziehung pflegte. Er war mit dem Kopf voran in seinem Teller voller Tomatensoße eingepennt. Zugegeben, ich hatte schon appetitlichere Dinge gesehen, doch besser als wenn es Karamellsoße gewesen wäre; die hätte zusätzlich auch noch geklebt. »Ace!«, zischte ich über den Tisch hinweg, »Ace, wach auf!« Er rührte sich nicht. Stattdessen schnarchte er selig weiter. »Ace!!!« Ich trat gegen den Tisch, so dass ein Ruck nicht nur diesen, sondern auch Ace durchfuhr. Augenblicklich saß er kerzengerade da. Ein Anblick, bei dem ich krampfhaft ein Lachen unterdrückte. Es sah zu komisch aus, wie die Tomatensoße an seinem Gesicht hinablief, um dann von der Nase zu tropfen. »Was ist?«, brummte er, »Wo sind die anderen?« »In der Stadt«, brachte ich mit Mühe und Not hervor, »Die Zaubergeige gucken. Und Ace: Bitte wisch dir das Gesicht ab; du siehst aus, als hättest du eine fette Platzwunde!« Haltlos in mich hineinkichernd tauchte ich unter dem Tisch ab. Als ich mich heftig atmend wieder aufsetzte, hatte Ace meinem Rat glücklicherweise bereits Folge geleistet. Nur seine vorderen Haarsträhnen sahen nicht allzu trocken aus. Nun, das konnte man durchgehen lassen. »Die sind in der Oper?«, fragte er gerade, »Ernsthaft alle?« »Sanji und Zorro sind einen trinken gegangen«, klärte ich ihn auf, »Aber sonst sind alle in der Oper, ja. Nami hat es sogar irgendwie geschafft, Ruffy mitzuschleppen.« »Ha, ha, so ein Opfer! Ich bin ja froh, dass mich keiner zwingend dabei haben wollte!« »Wär auch rausgeschmissenes Geld gewesen bei dir«, grinste ich und stand auf, »Du wärst bloß wieder eingeschlafen. Aber freu dich nicht zu früh: Du kannst den Tisch abräumen.« »Und was ist mit dir?« »Ich geh noch raus«, antwortete ich und übersah ein bisschen, dass Sanji eigentlich mich mit dem Abräumen beauftragt hatte, »Meine neue Brille ausprobieren. Vielleicht find ich irgendwas Nachtaktives für mein Terrarium.« »Na, okay, dann bleib ich hier und les noch was, bis die anderen wieder da sind.« Er streckte sich mit einem herzhaften Gähnen, dann erhob er sich, um seiner Pflicht nachzukommen. Es mochte zwar stimmen, dass er absolut faul war und nur das Nötigste tat, aber wenn er eine Aufgabe zu erfüllen hatte, dann möglichst zügig und gewissenhaft. »Viel Glück!«, rief er mir noch fröhlich zwinkernd hinterher, während ich das Esszimmer verließ. Schade eigentlich, dachte ich und schritt auf das Deck hinaus, Ich hätte ihn fragen können, ob er mitkommen möchte. Zumindest war La Couta im Mondschein von einer ganz speziellen Romantik umgeben. Es wäre nett gewesen, alleine mit Ace durch den Sumpf zu spazieren. Sehr nett sogar, wenn ich genauer darüber nachdachte.... Mit Nachtsichtbrille, Kescher und Transportkiste bewaffnet, kletterte ich hinab auf die Insel. Es war dunkel und ein leichter Wind fuhr durch die Sumpfgräser, die daraufhin Unheil verkündend raschelten. Das war nicht gerade das, was ich mir unter einer Insektenjagd vorgestellt hatte. Noch dazu schienen mich tausend leuchtende Augen aus den Büscheln heraus zu beobachten, wie ich langsam einen Fuß vor den anderen setzte. Mein Atem ging viel zu schnell und zu laut. Bestimmt würde mich, was auch immer in den schlammigen Tümpeln lauerte, schon von Weitem hören und mich mit Freuden in seine Falle locken. Hilfreich war es da nicht unbedingt, dass durch die Brille hindurch betrachtet alles bleich und gespenstisch wirkte. Es war furchtbar! Geradezu abscheulich! Wenn nicht sogar grauenhaft! »Okay!«, quietschte ich, ließ meine Ausrüstung fallen und machte auf dem Absatz kehrt, »Ich hol doch Ace!« Als wäre ein Heer von Dämonen hinter mir her, preschte ich zurück zum Schiff. Weit war ich eh nicht gekommen; allerhöchstens zehn Meter. Ace staunte nicht schlecht, als ich heftig keuchend die Tür zum Gemeinschaftsraum aufriss. Er hatte in einem Buch über Katzen gelesen und sah mich nun unverwandt an, wie ich nach Luft ringend auf der Schwelle stand. »Du musst – mitkommen!«, japste ich, »Ich brauch – jemanden – der mir – hilft!« »Bist du dir sicher, dass du nicht ganz einfach Angst hast, alleine im Finstern?«, entgegnete er mit hochgezogener Augenbraue und hatte damit den Nagel auf den Kopf getroffen. »Ja! Nein! Vielleicht!«, ich ärgerte mich natürlich maßlos über meine eigene Feigheit, »Komm einfach mit!« Ich sah ihn zornig mit den Zähnen knirschend an, doch er lächelte bloß, zuckte die Schultern und legte das Buch bei Seite. Dann erhob er sich von der Couch. »Kein Grund, so wütend zu werden«, meinte er und ging mir voraus, »Das Moor bei Nacht ist vielleicht doch nicht gerade ein Ort, an dem man sich alleine aufhalten sollte. Man könnte versinken.« »Und da lässt du mich vorhin einfach gehen?!«, beschwerte ich mich. »Ach, ich hab mir schon gedacht, dass du gleich wiederkommst.« Er stieg über die Reling und kletterte von Bord. »So, hast du das?«, schnaubte ich, während ich hinterher kletterte, »War das so absehbar?« Wir erreichten festen Boden und blieben nebeneinander stehen. Ace grinste breit. Natürlich war es absehbar für ihn gewesen; dass ich ein Feigling war, daran gab es nun einmal nichts zu rütteln. »Ach, ist doch auch egal«, murrte ich halblaut, »Hilf mir lieber tragen.« Ich hob den Kescher auf und überließ Ace die Kiste, dann holte ich tief Luft. Jetzt war ich nicht mehr alleine, folglich brauchte ich auch keine Angst mehr vor dem haben, was sich im Sumpf versteckt hielt. Hatte ich aber. Mit jedem Schritt, den ich zwischen den Rohrkolben hindurch tat, jagte mir ein erneuter eiskalter Schauer den Rücken hinab. Absichtlich ließ ich mich immer weiter zurückfallen, bis Ace mir beinahe von hinten auf die Fersen trat. Doch selbst das war angesichts der meterhohen Stängel, die sich bedrohlich über unseren Köpfen auftürmten, nicht ausreichend genug, um das Grauen fernzuhalten, welches mit klammen Klauen von mir Besitz ergriff. Jedes noch so winzige Rascheln ließ mich zusammenzucken und eine vorbeiflatternde Motte von der Größe eines Handtellers erschreckte mich halb zu Tode. War es am Ende doch keine so gute Idee gewesen, nachts auf Käferfang zu gehen? »Sag mal, zitterst du?« Ace' Stimme war tief und warm und überhaupt das einzig Freundliche im Umkreis. »Nein!«, sagte ich schnell. Es war schon erbärmlich genug, dass ich ihn hierher zitiert hatte. »Doch, tust du«, beharrte er, »Das bild ich mir nicht bloß ein. Du hast immer noch Angst.« Mittlerweile ging er direkt neben mir und ich glaubte aus dem Augenwinkel zu erkennen, dass er in meine Richtung sah. Ganz konnte ich das nicht feststellen, weil ich meinen Blick auf meine Schuhe geheftet hatte. »Ich hab keine Angst!« Sicher und fest hatte ich klingen wollen, doch irgendwie war ein klägliches Quieken daraus geworden. Das würde er mir nie und nimmer abkaufen. »Und selbst wenn«, seufzte er, »Ist doch nicht weiter schlimm. Komm her.« Mein Magen zog sich zusammen, als eine große, starke Hand nach der meinen griff. Ace' Finger umschlossen mich mit einer wärmenden Selbstverständlichkeit und nahmen jede Furcht von mir. Ich war mir zwar sehr wohl dessen bewusst, dass wir nun Händchen haltend durch den Sumpf spazierten, doch es war ein beruhigendes Gefühl. Seine Nähe hatte immer diese Wirkung auf mich. Ob sich das umgekehrt ähnlich verhielt, wusste ich natürlich nicht, hoffte es dafür aber umso mehr. Wenigstens schien er es nicht widerstrebend getan zu haben, was an sich ein gutes Zeichen war. Weit mehr als nur Freundschaft verband uns miteinander, als wir unseren Weg fortsetzten, und das spürten wir alle beide. Die anfängliche Anspannung zwischen uns wich sehr bald einem angenehmen Einheitsgefühl, über das keiner von uns ein Wort verlor. Auch sonst sprachen wir nicht miteinander, sondern schlängelten uns Hand in Hand aus dem Schilfdickicht hinaus. Ich lächelte kaum merklich, als der laue Nachtwind sanft die hügeligen Grasbüschel umwehte, die sich in einem weit verzweigten Labyrinth vor uns erstreckten. Endlich konnte ich meine Umgebung ohne der an mir nagenden Panik wahrnehmen. Die Nachtsichtbrille hing ungenutzt um meinen Hals, da das kristallene Licht des Mondes hell genug war und dem Moor etwas Geheimnisvolles verlieh, das mir andernfalls völlig entgangen wäre. Das leise Rauschen der Gräser vereinte sich mit dem Zirpen von unzähligen Zikaden, während von den Tümpeln und Teichen ringsum der Nebel aufstieg. Jeder Schritt, den Ace und ich taten, führte uns weiter fort von der Realität, hinein in ein Reich unerforschter Gefühle. Wir waren vollkommen alleine und es hätte mir nichts ausgemacht, wenn er beschlossen hätte, mich hier und jetzt zu küssen. Wenn das hier war, was der Ratgeber mir hatte klar machen wollen, dann war es wunderschön; mit nichts auf der Welt vergleichbar. Eine Sackgasse, gesäumt von Riedgrashügeln, markierte das Ende unseres Weges. Wir blieben stehen, einander immer noch festhaltend, und blickten hinaus auf eine weite, silbrig schimmernde Wasserfläche. Ich wollte nicht mehr loslassen, ich wollte so nahe wie möglich bei Ace bleiben. Seine Gegenwart vermittelte mir Sicherheit und obwohl ich nicht sagen konnte, ob das, was ich fühlte, Liebe war, wusste ich dennoch, dass es richtig sein musste. Wenn es nicht so offensichtlich gewesen wäre, hätte ich mich am liebsten an ihn geschmiegt, um in seinem Arm die Aussicht zu genießen. »Schau mal«, flüsterte er plötzlich und nickte hinüber zu einem aus dem Wasser ragenden Strauch, »Glühwürmchen.« Er hatte Recht. Die kleinen, leuchtenden Käfer schwirrten über den Teich hinweg und malten ihre feurigen Liebesbotschaften lautlos in den Himmel. Unwillkürlich verstärkte ich den Druck meiner Hand. Mittlerweile sehnte ich mich sogar danach, dass er irgendetwas tat. Irgendetwas Unglaubliches, etwas, das die kaum mehr erkennbaren Grenzen zwischen uns überschritt. Doch darauf wartete ich vergebens. Alles, was Ace einfiel, war, die mitgebrachte Kiste auf den Boden zu stellen und dann die Hand zu heben. Mit hell flackernden Flammen stieben auf einmal winzige Funken davon. Ich starrte ihnen gebannt hinterher. Es war schon erstaunlich, zu was dieser Mann an meiner Seite befähigt war. Er hätte viel grausamer und zerstörerischer mit dieser Kraft umgehen können, doch dies ohne Grund zu tun, entsprach nicht seinem Charakter. Zu Spielereien hingegen ließ er sich ohne Weiteres hinreißen. So wie gerade, stellte ich fest. »Ha, ha, wie ulkig!«, grinste er und ich wusste, dass der romantische Teil unseres Ausflugs vorüber war, »Ich kann mit den Dingern kommunizieren!« Auf einen erneuten Funkenregen hin sah es wirklich danach aus, als würden einige der Leuchtkäfer – von den vermeintlichen Partnerinnen angelockt – zu uns herüberfliegen. »Ja, wetten, du hast sie beleidigt«, sagte ich abfällig und ließ seine Hand los, weil sich die Situation ganz einfach nicht mehr danach anfühlte, »Und jetzt kommen sie rüber, um dir eine Abreibung zu verpassen.« »Geschieht mir doch Recht«, lachte er weiter, »Guck mal, wie gemein ich zu ihnen bin.« Er fing das übermütigste Käferchen mit der Hand ein, die gerade noch die meine fest umschlungen gehalten hatte. Ich schüttelte daraufhin nur den Kopf, lächelte aber. Dann zog ich mir doch die Brille über die Augen. Ich war eigentlich aus einem ganz anderen Grund hier und nicht, um Ace dabei zuzusehen, wie er die Glühwürmchen ärgerte. »Bleibst du hier in Sichtweite?«, bat ich ihn, »Nur für den Fall, dass...« »Geh du schon deine Schlangen, Kröten oder was auch immer fangen«, fiel er mir amüsiert ins Wort, »Ich rühr mich hier nicht weg.« »Na dann...« Erleichtert drehte ich mich um. Solange ich Ace, der die Grasbüschel um ein paar Zentimeter überragte, noch sehen konnte, war alles in Ordnung. Im Notfall würde er schon zur Stelle sein und mich retten, sollte mir etwas passieren. Mit dieser Zuversicht im Herzen stapfte ich abenteuerlustig davon, die schmalen Pfade zwischen den Hügeln entlang. Es war Dank der Brille beinahe taghell für mich und ich konnte sehr gut sehen, wo das Ufer aufhörte und die tückischen Schlammlöcher begannen. Einige der bunten und völlig harmlosen Frösche kreuzten meinen Weg, als ich mich mit dem Kescher bewaffnet vorbeischlich, doch von diesen hatte ich schon vier besonders hübsche Exemplare auf dem Schiff. Was ich suchte, war etwas Aufregenderes. Eine große, giftige Kröte käme mir gerade Recht. Oder aber auch eine Wasserratte, sollte ich eine finden. Auf jeden Fall irgendetwas, das Nami mit »ekelhaft« betitelt hätte. Behände und eifrig auf der Suche kletterte ich über einen abgeknickten Baumstamm hinweg. Dass mir das Umherstreunen im Dunkeln plötzlich nichts mehr ausmachte, das lag an Ace. Jedes Mal, wenn ich mich nach ihm umdrehte, war er immer noch in abschätzbarer Entfernung zu sehen und spielte mit den Leuchtkäfern. Ein Anblick, der mich aufgrund seiner unverfälschten Kindlichkeit zum Schmunzeln brachte. Allerdings nicht lange. Als ich mich wieder einmal umdrehte, war Ace weg. Sogar das Flackern seiner Flammen war verschwunden. Sofort blieb ich stehen und sah mich hektisch nach ihm um. Er hatte doch versprochen, an Ort und Stelle zu bleiben. »Ace?« Mein verzweifeltes Flüstern war nicht besonders laut, doch traute ich mich nicht, weiter aufzufallen. Vielleicht gab es ja Fleisch fressende Riesenbiber hier im Sumpf. Von solchen wollte ich nicht gerade entdeckt werden. »Ace?!« Zunehmend panisch setzte ich mich in Bewegung und rannte zurück dorthin, wo Ace auf mich hatte warten wollen. Er wird doch nicht ins Wasser gefallen sein?!, hämmerte es in meinem Kopf. Was für mich vielleicht nicht weiter schlimm gewesen wäre, konnte für ihn fatale Folgen haben. Doch da ich nichts platschen gehört hatte, war diese Möglichkeit glücklicherweise auszuschließen. »Ace, wo bist du?!« Es war unvermeidlich, dass meine Rufe nun doch lauter wurden. Bei der Transportkiste angelangt stellte sich nämlich heraus, dass Ace wie vom Erdboden verschluckt war. »Ace, jetzt mach keinen Scheiß! Wo bist du, verdammt nochmal?!« Ich wandte meinen Kopf gehetzt nach links und nach rechts. War da nicht ein Rascheln hinter mir? War das Ace oder doch ein Monster? »Ich find das nicht lustig!«, jammerte ich, »Ace!« Wieder keine Antwort. Meine Hände schlossen sich um den Stiel des Keschers, als wäre er ein Schwert. Ich war vollkommen unbewaffnet und auf mich alleine gestellt inmitten eines von Dunkelheit umhüllten Moors. Das war doch ein schlechter Scherz! »BUH!« Ogott!!! Der Biber!!! Mit einem Entsetzensschrei warf ich den Kescher von mir und machte einen Satz vorwärts. Ein wenig zu weit. PLATSCH! Warmes, schlammiges Wasser drang in meine Stiefel ein und durchtränkte meine Hose vom Bauch abwärts. Eine wahre Flutwelle ergoss sich über mir, verschleierte mir die Sicht und ließ mich erschrocken prusten. Wenn der Tümpel tiefer gewesen wäre, wäre ich vielleicht untergegangen. So jedoch steckte ich »bloß« mit den Füßen im morastigen Grund fest. Hinter mir ertönte Gelächter. Hatte ich es mir doch gleich gedacht, dass Ace mich nur an der Nase herumführte. »Du bist gemein!«, schrie ich ihn an, wandte mich zu ihm um, so gut es in meinem Zustand ging, und zog mir die nasse Brille vom Gesicht, »Du weißt genau, dass ich im Dunkeln hier draußen Angst habe und dann schockst du mich so!« »Kann ich denn wissen, dass du so austickst?!«, gackerte er und hielt sich den Bauch dabei, »Aber ich muss schon sagen: Sah ziemlich cool aus, wie du da reingehopst bist!« »Ha, ha, sehr witzig! Hol mich hier raus!« Ich funkelte ihn bitterböse an. Meine Schwachstelle so auszunutzen – das hätte ich ihm nie im Leben zugetraut. Zwar war es nur ein Spaß gewesen, mehr um mich ein klein wenig zu necken als mir in irgendeiner Weise zu schaden, aber lachen konnte ich darüber trotzdem nicht. Ace merkte das sehr schnell. Sein Gelächter verebbte, dann sah er mich ernst an. »Bist du mir jetzt böse?«, fragte er kleinlaut und kam näher. »Nein, bin ich nicht«, erwiderte ich genervt, »Zieh mich ganz einfach raus, dann sind wir quitt.« Ohne sich weiter bitten zu lassen, streckte er eine Hand aus. Ich zögerte kurz, bevor ich sie ergriff. Das wäre dann heute Abend bereits das zweite Mal, dass wir einander so berührten. Bevor meine Regungslosigkeit jedoch auffallen konnte, packte ich zu. Schließlich hatte ich keine Lust, noch länger in dem trüben Nass zu bleiben, von dem niemand wusste, was sich darin verbarg. »Oh Mann, bist du schwer!«, stieß Ace zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und umfasste auch meine andere Hand, »Oder steckst du fest?!« »Natürlich steck ich fest! Sonst wär ich schon längst von selber rausgekommen!« Ace warf sich gegen den Sog, der mich in die Tiefe hinabziehen wollte, und stemmte mit aller Kraft beide Füße in den aufgeweichten Boden. Mir kam es dabei so vor, als würde er mir nur die Arme ausrenken wollen, anstatt mich aus meiner misslichen Lage zu befreien. Plötzlich jedoch ging ein Ruck durch uns beide und mit einem Schmatzen gab mich das Wasser frei. Ich flog in hohem Bogen durch die Luft und die Gesichter, die Ace und ich dabei jeweils zogen, waren mehr als nur intelligent. Letztendlich prallten wir zusammen, ich stieß ihn um und er setzte sich mit einem dumpfen Aufprall in den Schlamm. Der Vorsatz, das Schiff nicht wieder schmutzig zu machen, hatte sich hiermit erübrigt. »Du bist ja gar nicht kalt«, war das erste, was Ace feststellte, nachdem ich einige Momente stumm auf seinem Schoß verbracht hatte. »Das Wasser war auch von der Sonne aufgeheizt«, erwiderte ich ganz automatisch, meine Aufmerksamkeit eigentlich gar nicht bei dem, was ich sagte, sondern bei dem, was Ace tat. Seine Hände hatten mich vorsichtig, aber fest an den Schultern gepackt und der endlos weite Blick seiner Augen durchdrang mich mit einvernehmender Ernsthaftigkeit. Ich konnte gar nirgends anders mehr hinsehen, denn diese Tiefe war es, in der ich liebend gerne ertrunken wäre. Beruhigende Stille senkte sich über uns und ich wartete. Was auch immer Ace tun würde, ich würde ihm ohne zu zögern folgen. »Deine Hose ist ja total nass«, murmelte er, während er auch schon die Träger bei Seite schob, »Meinst du nicht, du solltest sie...« »...ausziehen«, vollendete ich, meine gänzliche Zustimmung damit ausdrückend. Meine eigenen Hände wanderten dabei immer weiter an seinem so perfekten Oberkörper hinab. Hatte ich jemals zuvor schon darauf geachtet, wie begehrenswert er mit diesen Muskeln auf mich wirkte? Oder war das ein neues Gefühl? Mein Herz klopfte wie wild, als ich mit zitternden Fingern seinen Gürtel öffnete. Die Male zuvor hatte ich mit Sicherheit noch nicht so viel dabei empfunden, was mich immer wieder zusammenzucken ließ und mich von innen heraus zum Glühen brachte. Ein Glück, dass es finster war, während wir uns gegenseitig auszogen; sonst hätte er meine in tiefes Rot getauchten Wangen sehen können. Schließlich strich die kühle Nachtluft über meine bloße Haut, wie ich mit Ace am morastigen Ufer unser Versprechen brach. Ich saß auf seinem Schoß und er hielt mich dicht an sich gepresst, mit Händen, die er zuvor noch hinter sich im Schlamm vergraben hatte, um sich abzustützen. Doch es störte mich nicht; meine eigenen sahen nicht viel anders aus. Wenn ich ehrlich war, dann fachte die Sumpfromantik unserer unmittelbaren Umgebung das Verlangen und die Erregung in mir sogar noch zusätzlich an. Immer wieder warf ich mich ihm entgegen, zitternd und mit dem Wunsch, dass es nie vorüber sein möge. Gerne hätte ich ihn geküsst, um der gierigen Nähe endlich den zärtlichen Unterton zu verleihen, den ich vermisste. Doch so sehr ich auch mit mir kämpfte, ich traute mich nicht. Einzig und alleine der Blick in seine Augen war mir geblieben, während ich ihn heftig keuchend an mich drückte. Tiefer als die ringsum liegenden Seen waren sie, im Dunkel der Nacht schwärzer als der Schlamm, der uns umgab, und sie erzählten mehr, als einer von uns beiden auszusprechen gewagt hätte. Ace' Part: Wir trieften vor Wasser und Dreck, als wir den Heimweg antraten. Beinahe sahen wir aus wie zwei Bengel, die im Sumpf Fangen gespielt und sich dann geprügelt hatten. Nur die Tatsache, dass ich Lysop wieder bei der Hand hielt, verriet uns. Wir schlängelten uns zwischen den Schilfhalmen hindurch zum Schiff zurück, welches in der Ferne friedlich dalag und mit seiner heimeligen Wärme auf uns wartete. Währenddessen unterhielten wir uns über dies und jenes, fast so, als ob uns der gemeinsame Sex gesprächig gemacht hatte. Ein Thema umgingen wir dabei allerdings rigoros und das war die Beziehung zwischen uns. Ich wusste, dass es ihm unangenehm gewesen wäre, hätte ich ihn damit konfrontiert, und war gleichzeitig froh, dass auch er kein Wort darüber verlor. Im Moment reichte es aus, zumindest so zu tun, als stünde der Status immer noch auf »Freundschaft«. Dass es in Wahrheit weit darüber hinausging, das war uns beiden klar genug. Als wir die Gryphon endlich erreichten, stellten wir erleichtert fest, dass die anderen wohl immer noch in der Oper – beziehungsweise Kneipe – saßen. So konnten wir uns ungesehen an Bord und auf direktem Wege ins Bad begeben. Dies allerdings nicht, ohne vorher noch eine Giftschlange einzufangen, die sich ironischerweise direkt beim Bug aufgehalten hatte, wie um uns zu zeigen, dass wir nur in die Sümpfe hinaus spaziert waren, um unsere Triebe ein wenig zu befriedigen. Die Müdigkeit, die ich bisher so erfolgreich unterdrückt hatte, überkam mich unter der Dusche umso heftiger. Im Halbschlaf half ich Lysop noch, unsere verräterischen Schlammspuren wegzuwischen und die unbrauchbar gewordenen Klamotten in den Wäscheraum zu tragen. Wie ich dann letztendlich auf seine Couch geraten war, sollte ein Rätsel für mich bleiben. Ich sah ihm mit halb geöffneten Augen dabei zu, wie er seine Schlange in das unterste Terrarium-Abteil verfrachtete, dann nuschelte ich: »Sag mal, braucht sie nicht noch einen Namen?« »Weißt du denn einen guten?« »Wie wär's mit Paulchen?« Ich grinste ihn müde an. »Das ist doch kein Schlangenname!«, rüffelte er mich, »Außerdem glaube ich, dass es ein Weibchen ist.« »Dann Paulinchen...« »Ich nenn sie ganz einfach Reticella; das Muster da erinnert mich an die Spitzendeckchen von Robin«, überging er mich, dann gähnte er herzhaft. Und das soll jetzt ein besserer Name sein? Na, wie schon gesagt: Ich hoff ja, dass ich mich mit ihm mal nicht eines Tages auf einen Namen für irgendwas einigen muss. »Ace?«, er blickte nachdenklich die Couch an, »Kann ich...? Also, darf ich... mich vielleicht...?« »Komm schon her.« Sein Gestammel ganz richtig gedeutet, drehte ich mich auf die Seite, um Platz zu schaffen. Was aufgrund der lächerlichen Größe der Sitzfläche aber auch nicht sonderlich schwer war. Lysop indessen hatte das Licht ausgeschaltet und kam nun mit wenigen Schritten zu mir herüber, als hätte ich ihm Kekse angeboten. Er kroch unter die Decke, die ich für ihn aufhielt, dann spürte ich seinen warmen Körper dicht an meinem, mit dem Rücken zu mir. »Wir haben vorhin das Kuscheln ja ganz vergessen«, schmunzelte ich und legte ihm vorsichtig einen Arm um. Er nahm daraufhin ganz unerwartet meine Hand in die seinen und antwortete ebenso sarkastisch: »Da hättest du im Moor auch bestimmt große Lust dazu gehabt, was?« »Wer weiß...?« »Na, also ich nicht«, gab er zu, »Mir war kalt.« Er legte sich auf einem der Kissen zurecht, dann schwieg er eine ganze Weile. Bis ich von einer Erkenntnis beseelt zu kichern begann. »Was ist?« »Nichts«, gluckste ich, »Ich hab nur gerade festgestellt, wie toll wir uns an unsere eigenen Abmachungen halten können.« »Ist doch egal. Dann haben wir das eben nicht getan. Schadet auch keinem. Im Gegenteil: Ich frag mich gerade, ob alle drei Tage nicht doch ein bisschen wenig ist.« »Alle zwei Tage dann also?«, hakte ich nach. Das wurde ja immer besser. »Hmm, ja, meinetwegen«, murmelte er, »Aber jetzt lass mich schlafen. Ich bin hundemüde.« »Da bist du nicht alleine. Schlaf gut.« »Du auch.« Kaum spürbar drückte er meine Hand, doch es reichte aus, um mir zu verstehen zu geben, wie sehr er meine Gesellschaft auf genau diese Weise genoss. Und nicht nur er, auch ich fand es wunderschön, so wie es war. Wir beide auf seiner Couch nur in Bademäntel gehüllt und er in meiner beschützenden Umarmung. Seine noch feuchten Locken versperrten mir widerspenstig das Sichtfeld, was mich aber nicht weiter störte. So wusste ich wenigstens, dass es wirklich er war, der da bei mir lag und mich zaghaft festhielt. »Hey«, flüsterte ich, »Hey, schläft du schon?« Keine Antwort. Nur ein leises Atmen. Weshalb ich mich kurzerhand über ihn beugte und ihm einen kleinen Gutenacht-Kuss auf die Wange hauchte. Fast wie vor zwei Tagen im Krähennest. Mit dem Unterschied allerdings, dass ich jetzt tatsächlich nur noch ihn vor Augen hatte. Marco war mir egal; ich hatte ihn beinahe schon wieder vergessen. Schließlich lag ich da und lächelte in die Dunkelheit des Zimmers hinein. Was ich gestern einfach so hingenommen hatte, hatte sich letztendlich als komplett falsch erwiesen. Es war nicht so, dass ich in Lysop verknallt war – ich liebte ihn. Selbst, wenn ich keine Ahnung hatte, wohin mich das noch führen würde. Für den Augenblick war es ganz einfach ein wunderbares Gefühl, welches ich nie mehr wieder loslassen wollte. Schon gar nicht, weil Lysop neben mir lag und friedlich träumte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)