Küchentussi vs. Schwertschwuchtel von abgemeldet (SanjixZorro; ?x?) ================================================================================ Kapitel 15: Das Geheimnis der Pyramide -------------------------------------- Sanjis Part: Vor uns erstreckte sich eine meterhohe Halle, deren Ausmaße nach hinten hin kaum auszumachen waren. Erhellt von kryptischen, gelblich glühenden Zeichen an den Wänden unterschied sie sich völlig von dem, was wir bisher von der Pyramide zu sehen bekommen hatten. Erstaunlich war auch die Hitze, die hier vorherrschte. Gemeinsam mit den Dampfschwaden, welche die Sicht bis auf wenige Meter einschränkten, verschaffte sie mir das Gefühl, sich in einem überdimensionalen Kochtopf zu befinden. Nach einer Weile des Dastehens und Staunens bemerkte ich, wie verdächtig lange ich den Marimo nun schon bei der Hand hielt. Natürlich war dieser Vorschlag von mir nicht ganz uneigennützig gewesen, trotz allem jedoch nötig. Bis gerade eben noch, bevor das gespenstische Licht die Tatsachen erhellt hatte. Eigentlich wurde es jetzt allmählich Zeit, diese beruhigende Verbindung zwischen uns aufzulösen und seine Hand loszulassen. So warm, so voller Kraft, so perfekt... eine Schande eigentlich! Ein Seufzen unterdrückend gab ich ihn letztendlich frei, obwohl ich viel lieber das Gegenteil getan und ihn mit einem Kuss an mich gezogen hätte. Er dankte mir das Ganze mit einem unwirschen Brummen. »Und jetzt? Stehen wir einfach so rum, oder gehen wir rein, Koch?« Ohne zu antworten, setzte ich mich in Bewegung. Irgendetwas sagte mir, dass es unklug wäre, in unserer Situation einen Streit anzufangen. Na, hier gehört aber auch mal aufgeräumt... In unwillkürlichen Abständen standen kurios geformte Felsen auf dem steinernen Boden. Manche winzigklein, andere an die drei Meter hoch. Und alle schienen sie mir auf eine seltsame Weise vertraut, auch wenn ich dieses Gefühl nicht wirklich zuordnen konnte. »Ist das ein Labyrinth?«, fragte der Marimo, der mit prüfendem Blick einen der Steine unter die Lupe nahm. »Hoffen wir für dich, dass es keins ist«, entgegnete ich, während ich mich zielstrebig zwischen den Felsen hindurchschlängelte, »Für mich sieht das eher wie ein versteinerter Garten aus. Hoppla, was haben wir denn da?« Ich blieb stehen, da ein in den Boden eingelassenes Becken voll mit brodelndem Wasser mir den Weg versperrte. Es sah so aus, als hätte ich den Ursprung des saunahaften Klimas gefunden. Zwei Blicke nach links und rechts sagten mir zudem, dass es allem Anschein nach kein daran Vorbeikommen gab. Das Wasser trennte den Raum sauber ab, da ich auf der anderen Seite mit Mühe und Not ein weiteres steinernes Ufer ausmachen konnte. Irgendwo musste dann doch... Ahh, wie ich mir dachte: Ein Ruderboot. Das werden wir wohl oder übel noch brauchen. Der Marimo schien allerdings die harte Tour zu bevorzugen. Bevor ich überhaupt realisierte, was er vorhatte, hatte er sich sein T-Shirt vom Leib gerissen und war kopfüber in das dampfende Becken gesprungen. »Verdammt, ist das heiß!!!« Er kletterte postwendend wieder heraus, blankes Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Gegen Verbrühungen war selbst er nicht gefeit. »Tja, was hast du dir denn gedacht?«, feixte ich, während er die glühend heißen Schwerter von sich stieß, »Das Wasser hier hat an die 100 Grad. Wie in meinen Kochtöpfen.« Ich kicherte. »Nettes Rezept fällt mir dazu ein: Blanchierter Marimo. Man nehme einen halb geschälten Marimo und lege ihn für fünf Minuten in siedendes Wasser. Abschließend kann das Ganze mit etwas Salz abgeschmeckt werden. Passt hervorragend zu Fisch und Kartoffeln.« Unter gehässigem Grinsen zog ich einen kleinen Salzstreuer aus meiner Hemdtasche hervor, um einige der Salzkristalle auf das algengrüne Haar rieseln zu lassen. »KOCH! LASS ES! JA?!« Ich wich ein paar Schritte zurück, um aus seiner Reichweite zu gelangen. Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, es nicht wieder zu einem Streit kommen zu lassen, aber diese Gelegenheit war einfach zu verführerisch gewesen. »Okay, okay«, ich streckte beschwichtigend die Hände vor, »Aber wozu musstest du da unbedingt reinspringen?« »Vielleicht, um auf die andere Seite zu kommen, Schlaumeier!?« Er stand auf, machte sich aber nicht die Mühe, sein T-Shirt wieder anzuziehen. Nur die Schwerter durften ihren ursprünglichen Platz behalten. Willst du mich killen, Marimo?! Du und oben ohne! Da weiß ich ja gar nicht mehr, was ich machen soll! So tat ich das einzige, was mich jetzt noch ablenken konnte: Sachlich bleiben. »Zum Hinüberkommen ist das Boot da drüben da«, meinte ich beiläufig und benutzte das vorletzte Streichholz, um mir eine neue Zigarette anzuzünden. Das war ein sehr guter Zeitvertreib, wenn man nicht in Richtung Marimo sehen wollte. »Mann, sag das doch gleich!« Säuerlich stapfte er hinüber. Um der Rivalität zwischen uns jedoch den Schein zu bewahren, legte ich einen Kurzstrecken-Sprint hin, um mich noch vor ihm in das Boot zu drängeln. »Erster!« »Ja, sehr schön!«, brummte er und setzte sich mir gegenüber, »Dann kannst du auch gleich rudern!« Konnte ich nicht. »Scheiße, verdammt!«, ächzte ich, während ich mich mit den Rudern aus Stein abrackerte, »Wie schwer sind die denn?« Ich versuchte noch ein paar Male vergebens, sie in irgendeiner Weise zu bewegen, und umso länger ich mich abmühte, desto breiter wurde das Grinsen, welches der Marimo aufgesetzt hatte. Schließlich hielt er es für angebracht, sich herablassend meiner zu erbarmen. »Soll ich vielleicht...? Wo du doch allem Anschein nach zu schwach bist...« »Versuch's und verzweifle!« Wütend überließ ich ihm die Ruder. Wenn er meinte, er konnte alles besser, dann sollte er seinen Angebereien erst einmal Taten folgen lassen. Ärgerlicherweise schaffte er es tatsächlich, das Boot in Bewegung zu setzen. Was zuerst jedoch purer Neid auf seine Kraft war, schlug sehr bald in ein unverhohlenes Gaffen um. Ich konnte einfach nirgendwo anders hinsehen als auf seinen durchtrainierten Oberkörper, die breiten Schultern und die sehnigen Arme, deren Muskeln sich mit jeder Bewegung aufs Neue strafften und anspannten. Wenn ich nicht rosa angelaufen wäre, hätte ich die Situation sogar genossen. Wobei es natürlich noch besser gewesen wäre, er würde mich mit diesen Armen festhalten und mich an diesen beneidenswerten Körper heranziehen. Warum konnte ich nicht auch ein Ruder sein? Das Boot stieß an den gegenüberliegenden Beckenrand an und mit einem Ruck war ich wieder in der Realität. »Ich hoffe, wir müssen nicht noch einmal zurück«, brummte der Marimo und kletterte aus dem Boot, »Die Ruder sind echt verflucht schwer.« Wozu hast du das jetzt gesagt? Das sieht dir so gar nicht ähnlich, dir Schwächen einzugestehen. Er konnte mir unmöglich Recht geben wollen. Viel plausibler war es da, dass es eine Ausgeburt seiner zynischen Ader gewesen war, die mir noch einmal vorhalten sollte, wie erbärmlich er mich fand. Einige wütende Rauchschwaden ausstoßend kletterte ich ihm hinterher, dann starrte ich das an, was da vor uns lag. »Als ob eine Tür nicht gereicht hätte...«, murmelte ich, überwältigt von der schieren Sinnlosigkeit der hinteren Wand. Es waren insgesamt neun Vertiefungen hineingemeißelt, die alle irgendwie nach Abdrücken von Gipsfiguren aussahen. Vor jeder dieser Vertiefungen prangte am Boden ein reich verziertes Relief, in welches ein Text geschrieben stand. Glücklicherweise jedoch nicht in Runen, sondern in normalen Buchstaben. »Und wo ist hier jetzt der Ausgang?« Auch der Marimo konnte nicht so ganz fassen, dass all die Mühen umsonst gewesen waren. »Nix hier mit Ausgang!«, knurrte ich, »Neun so Scheißrätsel können wir uns durchlesen! Das ist alles!« Moment mal! Rätsel...? Etwas klingelte da bei mir. »Marimo, warte!« Er hielt auf halbem Wege in eine der Vertiefungen hinein inne und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an, wie ich hinüberlief zu dem Rätsel ganz rechts. Zwar war das hier eigentlich eine Aufgabe, bei der Robin vor Entzückung und Begeisterung ihr Notizbuch zerfleddert hätte und die bestimmt nicht für einen räudigen Schiffskoch wie mich gedacht war, aber Probieren ging über Studieren. Weshalb ich rasch die einen halben Meter großen Buchstaben überflog. Eine Blume ohne Stiel, Löffel ohne Teller zweierlei, Flucht ist mein einz'ges Ziel. Nun sag, wer ich denn sei. Grimmig lächelnd legte ich die Stirn in Falten. Die vorherrschende Hitze war nicht wirklich hilfreich, während ich nachdachte, und so lief mir der Schweiß bereits in Strömen den Rücken hinab. All das hier war ein sorgfältig ausgeklügeltes System, um Eindringlinge zu zermürben und ihnen auch das Letzte Bisschen Widerstandskraft zu rauben. Doch zu welchem Zweck, das war mir schleierhaft. Es konnte niemand hier leben, der seine Existenz geheim halten wollte. Auf einer Insel ohne Vegetation war das unmöglich. Und dass es hier einen sagenumwobenen Schatz gab, glaubte ich auch nicht so recht. »Marimo!«, rief ich, »Wer oder was hat denn zwei Löffel und braucht dazu keinen Teller?!« Er sah mich zuerst irritiert aus dem Loch in der Wand heraus an, dann erwiderte er leicht von sich selbst überrascht: »Ein Hase! Oder?!« »Ein Hase, genau...« Unter an Wahnsinn grenzendem Gekicher wandte ich mich um. Was hatten ein Hase, die Felsvertiefungen und die Steine auf der anderen Seite miteinander zu tun? »Koch! Ein Hase war auf einem der Steine da drüben eingraviert! Hilft uns das irgendwie weiter?!« Es machte KLICK in meinem Hirn. »Und wie es das tut, Marimo! Komm hierher!« Murrend, aber doch gehorchend sprang er von seinem Sitzplatz herab. Als er bei mir angelangt war, begann ich zu erklären, wie wir meiner Vermutung nach das Problem lösen konnten. »Pass auf, Marimo, ich denke, dass es folgendermaßen funktioniert: Einer von den vielen Steinen dort drüben passt in die Vertiefung, zu der das Rätsel gehört. Wenn wir alle neun Steine rübergekarrt und eingesetzt haben, geht eine Tür auf oder die Wand hoch oder was-auch-immer. Fakt ist nur, dass wir als erstes diesen Stein brauchen, den du gesehen hast.« »Und der soll in das Loch mit dem Hasenrätsel?« Allmählich schien es ihm zu dämmern. »Genau das. Wir müssen also wieder auf die andere Seite.« »Sonst noch Wünsche?!« Als würde er lieber nicht an die schweren Ruder denken wollen, schloss er die Augen. »Es hilft ja nicht!«, entgegnete ich, »Oder willst du hier drin verhungern?! Außerdem wissen wir immer noch nicht, wo Lysop abgeblieben ist!« »Ja, ja, meinetwegen...!« Er machte sich auf den Weg, zum Boot zurück. Als wir wieder auf der anderen Seite standen, dauerte es nicht lange, bis der Marimo mich zu sich rief. »Hier! Das ist er!« Er deutete auf einen ziemlich breiten, etwas niedrigeren Stein. Leider sah es gar nicht danach aus, als würde er in die eher schmale Vertiefung gehören. »Bist du dir sicher?« »Na, da ist doch der Hase, oder etwa nicht?!« »Das schon...« Ich ließ meinen Blick über die Gravur zu einem der anderen Steine hinübergleiten. Auf diesem prangte ein Lagerfeuer, auf dem nächsten ein Zahnrad und auf dem übernächsten... »Ich glaub, die wollen uns hier mächtig verarschen«, stellte ich voller Unmut fest, »Da ist noch ein Stein mit Hase.« »Hier drüben auch.« »Ganz toll! Das heißt, wir können uns jetzt einen oder zwei aussuchen, rüberschippern, gucken ob er passt, und wenn er's nicht war, dann geht der Spaß von vorne los, oder wie?!« »Ich hasse Pyramiden mit Rätseln!« Voller Zorn rammte der Marimo eine Schwertklinge in den falschen Felsen, der daraufhin in mehrere kleine Brocken zerbarst. »Nicht nur du!«, rief ich lauthals und machte ebenfalls meinem Ärger Luft, indem ich dem nächstbesten, sowieso viel zu kleinen Stein einen kräftigen Tritt verpasste. Auch er zerfiel zu Geröll, dann sog ich scharf Luft ein. Arbeit wartete auf uns. Eine Menge Arbeit. »Lass es uns anpacken!« Ich zog meine Weste aus und krämpelte die Hemdsärmel hoch, dann machten wir uns daran, die ersten beiden Steine in das Boot zu laden. Wieder bei der Wand mit den Löchern angelangt, mussten wir leider feststellen, dass der eine Stein die verkehrte Form hatte und der andere zu groß war. »Boah, ich kann die Dinger schon nicht mehr sehen!«, tobte ich, »Schmeißen wir sie ins Wasser!« »Mit Vergnügen!« Wir versenkten sie in den brodelnden Tiefen des Beckens, dann fuhren wir los, um die nächsten beiden zu holen. Robins Part: Ich hatte den Text über dem Pyramidentor übersetzt und brach augenblicklich in schallendes Gelächter aus. Frankie, der neben mir vor sich hin grummelte, erschrak so sehr, dass er mit weit aufgerissenen Augen aufsprang. »Was ist los?! Was hast du?!« Vor lauter Lachen konnte ich ihm nicht antworten. Dieser Zufall war einfach zu köstlich. »Robin! Hat es mit den Runen da oben zu tun?!« Ich nickte, während mir eine Träne übers Gesicht lief. So gelacht hatte ich nicht mehr, seit Nami mir erzählt hatte, sie habe sich beim Sex versehentlich mit Ruffys Armen an ihm festgeknotet. »Schatz«, brachte ich endlich heftig atmend hervor, »Schatz, du erinnerst dich doch noch an den Freizeitpark mit dem Verschwindekabinett.« »Das, wo wir Brook verloren haben?! Ja, natürlich! Wieso?!« Wieder begann ich zu kichern, worauf mich Frankie immer ratloser anstarrte. »Nun, dessen Erbauer war niemand anderes als Elbrecht Elfstein, ein – wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf – ebenso verrückter wie auch brillanter Physiker und Wahrsager.« »Und was ist mit dem?« Immer noch hatte er keine Ahnung, worauf ich hinaus wollte. »Besagter Professor Elfstein hat nicht nur das Verschwindekabinett erbauen lassen«, schmunzelte ich, »Sondern auch diese Pyramide hier. Und hier in diesem Text steht, dass sie nur dem einen Zweck diene – ich zitiere – zusammenzubringen, was zusammengehört. Was genau das bedeutet, weiß ich nicht, aber da er in die Zukunft sehen konnte, habe ich so eine Vermutung.« »Du meinst doch nicht die zwei schwulen Volldeppen? Wer sollte sich wegen denen denn so Mühe geben?« Sein Blick hatte sich in etwas völlig Ungläubiges verwandelt. Nun gut, es klang ja auch seltsam, aber nach allem, was geschehen war... »Juhuu! Seht doch mal! Ihr werdet nicht erraten, wen ich hier oben gefunden habe!« Wir wandten uns alle beide rasch der Pyramide zu. Dort, auf dem balkonartigen Sims, welches die Spitze von den schätzungsweise ersten beiden Stockwerken trennte, stand Lysop und winkte breit grinsend. »Was machst du denn da oben?!«, brüllte Frankie ihm zu, »Und wo sind Zorro und Sanji?!« »Ich bin auf einen Schalter getreten und wurde plötzlich nach oben gesaugt!«, antwortete Lysop, »Zorro und Sanji sind noch unten in der Pyramide! Aber guckt mal!« Er deutete überdreht auf ein seltsames Häuflein Elend in Anzug, welches er mit sich auf den Balkon geschleppt hatte. »BROOK!?!« Ich mach mir allmählich Sorgen um Frankie. Noch eine Überraschung mehr heute und er kriegt wieder einen seiner Anfälle... Aber es war tatsächlich Brook, der dort oben neben Lysop lag und außer einem schwächlichen »Yohohoho...« gar nichts mehr von sich geben konnte. Der lange Aufenthalt auf dieser verfluchten Insel musste ihn ausgezehrt haben. »Das ist mega genial, was?!«, schnatterte Lysop, »Und ich hab ihn gefunden! Ich, Käpt'n Lysop, der...« »...wunderbar Ace knutschen kann«, vollendete ich schmunzelnd. Das Flaschendrehen der Jungs hatte ich nicht vergessen. »Wahh! Nein, Robin, erinner mich nicht dran!!!« »Frankie, sei so gut und hol die beiden da runter.« »Wird gemacht, Madame!« Es benötigte nur einen einzigen Griff seiner Rechten und er hatte die beiden Unglücksraben von der Pyramide heruntergeangelt. Dann lag Brook neben mir, der genauso aussah wie ich mich fühlte, und murmelte: »Hocherfreut, euch wiederzusehen. Beinahe wäre mir ein Bart gewachsen da oben. Nicht, dass das ginge...« »Es reicht wieder!«, rief Frankie, während sich Lysop vor Lachen kugelte. Ja, jetzt war unsere Chaotentruppe wieder vollständig. Fehlten nur noch Sanji und Zorro, die sich wohl Ernst auf Ernst durch die Pyramide schlugen. »Hör auf zu schimpfen, Schatz«, sagte ich beschwichtigend, »Geh lieber in die Pyramide und hol die anderen beiden da raus. Wir wissen ja jetzt, dass es ungefährlich ist.« »Und wenn das Tor wieder zufällt?«, fragte Lysop mit bangem Blick. »Das ist nichts, womit Frankie-Schatz nicht fertig werden würde, nicht wahr?« »Ich bin SUPER in Form!« Das dachte ich mir. Lächelnd sah ich ihm hinterher, wie er voller Tatendrang das Tor durchschritt. Wie erwartet schloss es sich hinter ihm und ich war mit Lysop und Brook alleine. Nun, meine Gesellschaft hätte schlechter sein können. Zorros Part: Fünf der nichtsnutzigen Felsen hatten wir schon an die vorgesehene Stelle gebracht, jetzt suchten wir nach einem riesenhaften mit eingraviertem Zahnrad. Ich schritt die Reihen der Steine ab, wobei ich die offensichtlich falschen entweder dem Erdboden gleich machte oder im Wasser versenkte. Zumindest das Gefühl hatte ich, dass die Auswahl dadurch etwas eingeschränkt wurde. Plötzlich hörte ich den Koch rufen. »Sag mal, Marimo, war das Wasser vorhin auch schon so niedrig?!« Ich wandte mich zu dem Becken um. Bei näherer Betrachtung konnte ich feststellen, dass er Recht hatte: Als wir gekommen waren, war der Wasserspiegel fast gleichauf mit dem Boden gewesen. Jetzt schien er um gut einen Meter gesunken zu sein. »Vielleicht hat die Pyramide irgendwo ein Leck«, schlug ich vor, doch der Koch meinte natürlich wieder, er wüsste alles besser. »Eine Pyramide ist doch kein Schiff, Marimo!«, schimpfte er, »Nein, das liegt an etwas anderem...« Er tat so, als müsse er dringend überlegen, was mir jedoch zu langweilig war. Lieber beförderte ich noch einen der Steine in das Becken hinein. Es platschte laut und der Koch fuhr zusammen. »Mach das nochmal!« Ich zuckte die Schultern, dann schubste ich einen zweiten Stein hinterher. »Mach das nicht nochmal!« »Hä, wieso?« »Die Steine!«, rief er, als wäre ihm gerade etwas klar geworden, »Die Steine sind daran Schuld, dass das Wasser sinkt! Umso mehr wir hineinwerfen, desto mehr geht der Pegel zurück!« Kurz ließ ich mir das durch den Kopf gehen, dann entdeckte ich die Unlogik daran. »Nee, Koch, niemals! Wenn man etwas ins Wasser wirft, steigt der Pegel!« »Für gewöhnlich, ja! Hier aber nicht!« »Mann! Ich hasse Orte, an denen die Naturgesetze verrückt spielen!« »Du weißt etwas über Naturgesetze?« Er sah mich schräg an. »Wieso sollte ich denn nicht!?«, erwiderte ich, dann schlug ich einen der nahestehenden Felsen voller Zorn entzwei. Fast zwei Stunden trödelten wir hier schon herum. Hätte nicht besser ein fieses Monster hier auf uns warten können? »Lass es sein, Marimo!«, schrie der Koch voller Entsetzen, »Der Wasserspiegel sinkt sogar, wenn du einen Felsen kaputt machst!« Und wie mir das hier alles schon auf die Nerven geht!!! Schnaubend steckte ich mein Schwert wieder weg. Besser, wir wurden schnell fündig auf unserer Suche nach dem Zahnrad-Felsen. Nachdem wir erfolgreich den Stein auf die andere Seite gebracht und ihn eingesetzt hatten, machten wir eine kurze Pause. Der Koch besah sich eine Weile unser bisher verrichtetes Werk, dann sagte er: »Marimo, guck doch mal. Findest du nicht auch, dass der große Felsen da Frankie verdammt ähnlich sieht?« »Wo?« »Na, der von gerade eben.« Ich sah genauer hin. Doch, er hatte Recht. Von der Haltung bis hin zur Frisur stimmte alles überein. »Kann sein, dass er nach Frankie aussieht, aber an diesem Ort wundert mich eh schon gar nichts mehr.« »Na, aber wenn das Frankie ist«, überging er mich, »Dann ist das da ganz rechts Lysop. Und das daneben Chopper.« »Und dann Ace.« »Und Robin und Ruffy.« Wir sahen hinüber zu den drei noch leeren Vertiefungen. »Das sind Nami und Brook«, stellte der Koch fest, »Aber wer ist denn das ganz links?« »Na, ich werd das sein. Dich haben sie vergessen.« »Hättest du wohl gern! Bestimmt haben sie dich vergessen!« »Wer überhaupt, Koch?« Meine Wut war in Ratlosigkeit umgeschlagen. Mittlerweile fühlte ich mich wie in einem bescheuerten Traum. Dass ich mich zuvor an dem heißen Wasser verbrüht hatte, widerlegte diese Theorie jedoch. »Ja, genau, Marimo«, murmelte der Koch nachdenklich, »Wer ist so verrückt und bastelt ein Steinrätsel mit uns als Figuren?« »Frag mich nicht, ist doch egal!« Ich stand auf. Über derartige Spinnereien zerbrach ich mir doch nicht den Kopf. Wenn wir dafür herhalten mussten, dann war das eben so. »Machen wir weiter«, brummte ich, »Ich will hier nicht am Ende noch festwachsen.« Irgendwann, nach weiteren 20 Minuten voller Gefluche und Gezeter, fehlte uns nur noch der letzte Stein. Wir wären vielleicht etwas schneller gewesen, wenn der Koch nicht auf einmal beschlossen hätte, er müsse sich dringend das Hemd ausziehen. Auf meine Arbeitsmoral wirkte sich ein halb nackter, obergeiler Koch nämlich nicht gerade positiv aus. Ich stand im Boot und hievte den Stein nach oben, wo ihn der Koch in Empfang nehmen sollte. Bald war der Unsinn durchgestanden, dann konnte ich mich wohlverdienterweise in mein Bett legen, an den Koch denken und ein wenig schmollen. Und da finden immer alle, es gibt nichts Schöneres auf der Welt als die Liebe. Pah! Es gibt keinen größeren Quälgeist auf der Welt als die Liebe! Ich spürte, wie der Koch seine Arme um den glatten Fels schlang und ließ los, um von unten anzuschieben. Einen Moment zu früh jedoch, wie sich herausstellte. »Marimo, spinnst du!?! Ich... hab doch... noch gar nicht...!« Der Stein drohte zur Seite wegzurutschen, weshalb ich hinüberhechtete, um ihn wieder ins Boot zu ziehen. »Ich dachte, du hast ihn schon!«, brüllte ich, vergeblich nach dem immer weiter absackenden Felsen greifend. »Ja, denken! Denken kannst du viel! Aber anstatt mal etwas richtig zu machen...!« Mit einem letzten, Unheil verkündenen Schleifgeräusch entglitt dem Koch die Felsenspitze. Ein lautes Platschen ertönte, heißes Wasser besprengte mich und wir konnten zusehen, wie unsere letzte Hoffnung auf den Beckenboden trudelte. Fassungslos glotzten wir hinterher. Es war der einzige noch verbliebene Stein gewesen, der ein Herz eingraviert hatte. »Ja, wunderbar!!!«, heulte der Koch wutentbrannt, »Da rackert man sich ab und schuftet für vier und dann machst du sowas!!!« »Wieso denn ich, Koch!?! Du hast den Felsen doch reinfallen lassen!« »Weil du ihn mir nicht richtig gegeben hast!« »Wenn du nichts zu mir sagst, kann ich das doch nicht wissen! Und jetzt hilf mir hoch!« Wütend streckte ich eine Hand nach oben. Dieser letzte Fehler war daran Schuld, dass ich nun von selbst nicht mehr aus dem Becken heraus konnte. Der Koch zog mich nur widerwillig zu sich herauf, doch als wir beide mehr oder weniger abgenervt dasaßen, meinte er: »Scheiße gelaufen, aber was soll's? Sehen wir uns nach einer Alternative um.« »Die deiner Meinung nach was sein soll?« Wir erhoben uns fast gleichzeitig vom Boden und ich folgte dem Koch mit etwas Abstand hinüber zu dem einzigen noch leeren Loch in der Wand. Währenddessen sagte er mürrisch: »Na, wir haben ja vorhin schon festgestellt, dass diese ganzen Felsen unseren Mannschaftsmitgliedern ähnlich sehen. Und alles, was fehlt, sind entweder ich oder du. Wenn sich einer von uns beiden in die Vertiefung reinstellt, dürfte das doch auch funktionieren.« »Ja, mach du nur«, entgegnete ich und postierte mich mit verschränkten Armen vor der Öffnung, »Und wenn es bei dir nicht klappt, lach ich.« Er warf mir daraufhin einen bösen Blick zu, kletterte aber dennoch hinein. Er erhob sich und versuchte, mit seiner schmächtigen Figur den ganzen Hohlraum auszufüllen. Nichts geschah. »Hab ich ja gleich gesagt«, grinste ich gehässig, »Dich haben sie vergessen.« Mir meiner ziemlich sicher tauschte ich mit dem zornig paffenden Koch Platz. Doch auch ich war zu schmal für die Vertiefung. Wer bitte war denn so fett, dass er hier reinpasste? »Das wird so nichts«, grummelte der Koch und entledigte sich seiner Zigarette, »Lass mich das Rätsel nochmal... Ach, Mist! Hab ja keine Streichhölzer mehr!« In sich hineinschimpfend stellte er sich vor das Rätsel. Anstatt dieses noch einmal durchzulesen, wandte er sich jedoch plötzlich der Vertiefung zu, in der ich immer noch an die Wand gelehnt dastand. »Das wird doch nicht...«, murmelte er und aus irgendeinem Grund tauchte ein Hauch rosa auf seinen Wangen auf. Hatte ich etwas Bestimmtes nicht mitbekommen? »Was ist?!« Ungeduldig blickte ich auf ihn hinab. Wenn er eine Lösung hatte, sollte er gefälligst sofort damit herausrücken. »Könnte es nicht sein, dass wir zusammen da reinpassen sollen?«, schlug er vor. »Ja... Geht das denn?« Ich betrachtete skeptisch die Nische, in der ich stand. Für eine Person war sie ohne Zweifel zu groß, zu zweit allerdings... könnte es gerade ausreichend sein. Allerdings würde das eng werden. Sehr eng... Bevor ich einen Rückzieher machen konnte, war der Koch auch schon auf das Sims gesprungen. Dann quetschte er sich ebenfalls in die Nische. Direkt vor mir! Und so nah! Was mach ich denn nur, was mach ich denn nur...?! Der Platz, der jedem von uns zuteil wurde, war mehr als knapp bemessen. Es wäre schon schwierig genug gewesen, sich hier mit ihm zu arrangieren, wenn ich nicht in ihn verknallt gewesen wäre. So kam es jedoch einem nicht enden wollenden Kampf zwischen den-Koch-bloß-nicht-berühren und den-Koch-irgendwie-doch-berühren-wollen gleich. Wenn ich nicht aufpasste, würde sich meine unkontrollierbare Natur schon bald bemerkbar machen. »Nein, Marimo, so wird das nichts!«, der Koch schien mächtig sauer zu sein, »Geh du nochmal raus! Dann kann ich mir das in Ruhe ansehen!« Nichts lieber als das! Ich sprang hinunter und während der Koch das Innere der Vertiefung inspizierte, atmete ich ein paar Male tief ein und aus. Es durfte einfach nicht passieren! Schon gar nicht, weil der Koch mir gleich wieder so verdammt nahe sein würde. »Hmm... wenn das eine Hand... und das da auch...« Ich hörte, wie er hinter mir herumüberlegte. Hoffentlich lief es sich auf nichts allzu Peinliches hinaus. Denn das würde ich – so kam es mir zumindest vor – nicht überleben. Vorher würde ich vor Scham und Schuldgefühlen tausend Tode sterben. »Marimo?« Obwohl er mich, wie sonst auch, nicht bei meinem Namen genannt hatte, wandte ich mich um. Er hatte ein gezwungenes Lächeln aufgesetzt und machte ein betretenes Gesicht. »Ich denke, ich weiß jetzt, wie das gehört, aber...«, er fuhr fort, ohne mich anzusehen, »Wahrscheinlich wird dir das weniger gefallen.« »Was?!« Er konnte doch nicht meinen, was ich dachte, dass er meinte? »Komm einfach hierher und frag nicht lange nach. Tu lieber, was ich dir sage, dann haben wir das schneller hinter uns.« »Ja, aber was denn genau?!« Zögerlich stieg ich wieder in die Öffnung hinein. Es war mir unangenehm, nicht zu wissen, was er vorhatte. »Stell dich zuerst mit den Füßen da und da hin.« Er deutete auf zwei Punkte jeweils links und rechts von ihm. Na, wenn er meinte... Völlig unbeabsichtigt hatte ich ihn auf einmal zwischen meinen Beinen eingeklemmt. Das war ungut! Ganz und gar ungut! »Koch!«, keuchte ich, »Wo du deine Beine jetzt hast!« »Ja, als ob ich was dafür könnte!«, fauchte er mich an. So ganz aus der Nähe betrachtet, fand ich das sogar beinahe niedlich. »Hier«, knurrte er, »Leg deine Hände da hin.« Ohne darauf zu achten, wie das eigentlich aussah, zog er meine Arme zu sich heran. Zittrig und eigentlich mit dem Verlangen, ihn noch viel fester zu packen, kamen meine Hände an seiner Hüfte zu liegen. Das war reine Folter! Ich war ihm näher als jemals zuvor, aber nichts durfte ich mir anmerken lassen; keine zärtliche Berührung, kein Kuss, kein gar nichts! Vielleicht half es ja, sich vorzustellen, ich sei eine seelenlose Maschine? Maschine, Maschine, Maschine... »Nein, Marimo! Die Hand muss weiter hier runter! Da ist so eine Ausbuchtung im Fels!« Er brachte meine Hand in entsprechende Position. Jetzt funktionierte meine Ablenkung kein Stück mehr. Ihn um die Mitte festzuhalten, wäre ja noch annehmbar und gerade eben zu verkraften gewesen; mit einer Hand auf seinem Hintern aber war das einzige, was mich noch von ihm trennte, die Versuchung, ihn mit aller Kraft an mich zu drücken. Glücklicherweise legte er jedoch im selben Moment, in dem ich diesem ungehörigen Wunsch nachgab, seinen rechten Arm um meinen Hals. Glücklicherweise?! Nein, eigentlich schreckte ich so fürchterlich zusammen, das ich erschauderte. Mein bloßer Brustkorb wurde in einer engen Umarmung an den seinen gepresst, die ich vielleicht hätte genießen können, wenn ich nicht genau gewusst hätte, dass er all das nur tat, weil wir mussten. Meine Hand verstärkte den Druck auf seinen Hintern. Dumm wäre ich gewesen, würde ich diese Situation, in der er zwischen meinen Beinen gefangen war, nicht ausnutzen. »Reicht das?!, knurrte ich, wobei ich krampfhaft den Drang unterdrückte, meine Hand noch viel weiter nach unten in seine Hose zu schieben. »Noch nicht ganz«, erwiderte er mürrisch, »Ich weiß, dass ich dir damit jetzt wahrscheinlich zu nahe trete und ich mach es auch nicht gerne, aber... es geht nicht anders, ja?!« »Was?« Ich sah ihn an. Sein Gesicht war ungefähr so rot angelaufen wie sich meines anfühlte. Ein stechend blauer Blick nagelte mich an der Wand fest, während ich unter süßen Qualen darin versank. Bisher hatte ich es noch nicht einmal in Erwägung gezogen, dass mein Körper zu diesen intensiven wie auch vielfältigen Gefühlsregungen fähig war. Ich hätte den Koch am liebsten überall auf einmal gespürt und wusste, dass es gleich so weit sein würde; gleich würde ich ihn aller Vernunft zum Trotz einfach... »Das hier, Marimo...«, antwortete er schon gar nicht mehr so wütend, dann spürte ich seine Hand seitlich an meinem Kopf. So vorsichtig, dass es hätte zärtlich sein können, legten sich seine Finger in meinen Nacken. Ich zuckte zusammen. Mit geschlossenen Augen kam sein Gesicht dem meinen immer näher. Dann, nach einem unendlich langen Augenblick voller Zweifel, Erwartungen und Unsicherheit, wiederholte sich, was ich damals auf dem vom Nachtwind umwehten Schiffsdeck schon einmal hatte spüren dürfen. Auch ich schloss die Augen. Er küsste mich und ich küsste ihn. Die Zeit schien stehen zu bleiben, nur damit ich hier in dieser so lange ersehnten Umarmung seine Lippen bis ins kleinste Detail erforschen durfte. Ich wollte, dass es niemals mehr aufhörte, denn das erste Mal seit wir uns kannten gab es ein einheitliches Gefühl von Verständnis zwischen uns. Da war kein Hass und keine Verachtung mehr, nur noch das Verlangen danach, dem anderen Zärtlichkeit und gegenseitiges Vertrauen entgegenzubringen. Für immer wollte ich ihn hier an mich gedrückt festhalten und wissen, dass er dort in Sicherheit war. Schon einmal hatte ich eine geliebte Person verloren, doch ein zweites Mal würde ich das niemals zulassen. Er war mein Koch. Der einzige, den ich jemals auf diese Weise an meinen Gefühlen teilhaben lassen würde. Für diese wenigen, wundervollen Sekunden zumindest. »Marimo...« Es war nur ein Flüstern, als er zögerlich die Verbindung zwischen uns auflöste und seinen Blick an mir hinab auf meine Brust wandern ließ. Die Hand, die mich bis gerade eben noch in einem leidenschaftlichen Kuss an ihn gebunden hatte, folgte diesem Blick mit einem kaum spürbaren Zittern. »Koch...«, erwiderte ich und wusste mit einemmal tausend Dinge, die ich ihm gerne sagen würde. Alle auf einmal am besten. Als er jedoch plötzlich wieder zu mir aufsah, machte Leere der Überfülle an Gedanken Platz. Er war wunderschön in diesem unheimlichen Licht, welches ihm gemeinsam mit seinem an Hilflosigkeit grenzenden Gesichtsausdruck eine magische Aura der Melancholie verlieh. Würde sich mein Wunsch jetzt erfüllen? Konnte ich von ihm erwarten, dass seine Gefühle für mich dieselben waren wie die, welche ich für ihn hegte? »Marimo«, flüsterte er wieder, »Ich...« Sag es! Bitte sag, dass du mich liebst! Das ist es doch, was du sagen willst?! Ich sah ihn hoffnungsvoll an, keinen Gedanken mehr an den eigentlichen Grund für unser Tun verschwendend. KRACH!!! Das tosende Knirschen des zerbröckelnden Gesteins der Wand übertönte den Koch, als er den Mund wieder aufmachte. Doch der Zerfall unserer Umgebung bedeutete im Moment gar nichts. Den Koch weiterhin festzuhalten war das einzige, was zählte. Vielleicht, wenn ich Glück hatte, würde er seine Worte noch einmal wiederholen. Durchdringlich blickte ich ihn an. Ich brauchte diese Information, die er mir geben wollte. Ich brauchte sie als Anlass, um ihn noch einmal zu küssen; und diesmal zwar richtig. Und dann, als sich Lärm und Staub zu legen begannen, sah es tatsächlich danach aus, als würde er mir das Verpasste gleich zuteil werden lassen. »OH GOTT, DAS IST SO TRAURIG!!! DIE GEFÜHLE FÜREINANDER MÜSSEN SIE GEHEIM HALTEN, DAMIT DER KAPITÄN NICHTS DAVON ERFÄHRT!!! DAS – IST – HERZERGREIFEND!!!« Frankies verschnupfte Stimme irgendwo hinter mir und einige schräge Gitarrenakkorde machten alles zunichte, was zwischen uns entstanden war. Zuerst war es Schock, den ich in dem so endlos blauen Auge des Kochs ausmachen konnte, dann war es glühender Zorn. Und auch mir fiel endlich wieder ein, was ich mir da eigentlich erlaubt hatte: Ich hatte den Koch geküsst! Ihn, der mich auf den Tod hasste! Wie von der Tarantel gestochen ließen wir uns los, dann fuhren wir alle beide herum, um wutschnaubend zu brüllen: »DAS IST NICHT, WONACH ES AUSSIEHT!!!« »Ist, ist es nicht?« Frankie hielt in der Bewegung inne. Hätte er eine Ahnung gehabt, was er gerade zerstört hatte, er hätte sich in Grund und Boden geschämt, anstatt so blöde dreinzuglotzen. »Nein, ist es nicht!!«, fauchte der Koch und stapfte durch die Geröllhaufen davon. Die eingestürzte Wand hatte den Blick auf einen weiteren Gang freigegeben, der nach hinten hin schmäler zu werden schien. »Aber ich war mir so sicher...«, begann der bedröppelte Frankie, verstummte jedoch, als ich ihn mit meinem bösesten Blick streifte. »Glaub nicht immer das, was du siehst!«, grollte ich und folgte dem Koch in den Gang hinein. Nur eine Sekunde länger und...! Ja, was eigentlich? Hatte der Koch überhaupt vorgehabt, mir zu sagen, dass er mich liebte? Oder war es etwas anderes, völlig Unwichtiges gewesen? Ich wusste es nicht und das ärgerte mich. Das, und die Tatsache, dass ich es auch niemals herausfinden würde. Denn selbst wenn ich die Traute gehabt hätte, den Koch einfach danach zu fragen... Was würde er mir schon antworten? Alles, was ich von ihm erwarten konnte, waren Sticheleien und scharfzüngige Bemerkungen. So traurig es auch war; er würde niemals sein, für was ich ihn kurzzeitig gehalten hatte. Er hatte sich vorgenommen, auf ewig niemandens Koch zu bleiben; der seiner unzähligen Bekanntschaften nicht und meiner schon gar nicht. Ich seufzte tief auf und trottete den Weg entlang, der uns aus der Pyramide hinausführte. Es hatte sich echt angefühlt, als wir dicht an dicht dastanden. So echt, dass ich gar nicht wirklich glauben konnte, wie angewidert die Reaktion des Kochs gewesen war, nachdem Frankie uns erwischt hatte. Wieso kann er mich nicht einfach gern haben? Ein bisschen wenigstens. So ein kleines Bisschen wie vorhin. Das würde mir doch schon reichen! Stur eine Träne zurückkämpfend trat ich ins Sonnenlicht hinaus. Wen scherte es schon, dass durch irgendeinen Zufall Brook wieder da war und Lysop auch nicht gänzlich verloren gegangen war? Wurde wirklich von mir verlangt, mir deshalb vor Freude ein Bein auszureißen? Obwohl ich doch gerade die bitterste Enttäuschung meines Lebens hinter mir hatte? Tief in Selbstmitleid und Liebeskummer versunken, klemmte ich mir das Skelett unter den Arm, um es zum Schiff zu tragen. Das Leben ging weiter. Unsere Reise auch. Egal, wie sehr ich mir den Koch an meine Seite sehnte. Und vielleicht würde ich ja in Zukunft eine Möglichkeit finden, ihn zu vergessen. Selbst, wenn alleine der Gedanke daran schon wehtat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)