Das Leben Hält Manche Überraschungen Bereit von laleo ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Niemals hätte ich an diesem sonnigen Morgen gedacht, ich könnte auf mein Schicksal treffen. Immer hatte ich geglaubt, bei uns wäre alles in Ordnung und ich hätte ein wundervolles Heim, eine glückliche Familie, nette Kinder, eine liebe Frau. Wir hatten gearbeitet, uns ein kleines Reich geschaffen, indem wir zufrieden zusammen leben könnten. Dachte ich. Doch dann traf mich ein Blitz. Wir beginnen aber wohl doch besser am Anfang. Mein Name ist Morten Hallstedt, 32 Jahre alt und ich arbeitete als Lehrer mit den Hauptfächern Sport und Deutsch an einer Grundschule im Nachbarort. Meine Frau war einige Jahre älter als ich und ebenfalls dort Lehrerin. Wir kannten uns schon, als sie noch auf mich aufgepasst hatte und mein Babysitter war. Ganz langsam ergab es sich, dass wir zusammenkamen, heirateten und schließlich zwei Jungen, Zwillinge, bekamen. Wir wohnten in einem Endhaus in einer Sackgasse, die direkt in ein Feld und anschließend in einen Wald mit einem kleinen See darin führte. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass mir irgendetwas in meinem Leben fehlen könnte. Gut, überschwängliche Gefühle waren nicht so meine Sache, noch nie gewesen - dachte ich - deshalb war es wohl normal, dass der Sex mit meiner Frau Carola nur sehr selten vorkam. Sie selbst hatte wenig bis gar keine Lust darauf und so war mir das auch ganz Recht. Unsere Überraschung war riesig, als wir feststellten, dass sie schwanger war. Nachdem die Kinder geboren waren, mieteten wir auf Erbpacht ein Haus mit großem Garten; fanden durch Zufall beide einen Arbeitsplatz an der gleichen Schule; sehr schnell eine nette Tagesmutter für unsere Söhne; zielten darauf ab, dieses Haus irgendwann einmal unser eigen nennen zu können und vermissten nichts. Gut, wir hatten beide ein eigenes Schlafzimmer, da ich nach Carolas Ansicht schnarchte. Schon lange war ich mir sicher, dass das eine Ausrede war. Doch da es mich nicht störte und sie noch viel weniger, machte es uns beiden nichts aus. Wir hatten uns zu unserer Zufriedenheit eingerichtet und das war es. Gerade hatte ein neues Schuljahr begonnen, ich stand an der Abtrennung zum Sekretariat, da hörte ich hinter mir eine leise, klare Männerstimme fragen: „Guten Morgen. Bin ich hier richtig in der Grundschule? Ich werde von Direktor Haberlein erwartet. Mein Name ist Justin Sieler und ich bin der neue Referendar.“ Ich weiß nicht, wie ich euch das erklären kann, aber nur diese Stimme alleine hatte eine Wirkung auf mich, als wäre ich plötzlich in eine Badewanne voll kochendheißem Wasser getreten. Gleichzeitig war mir eiskalt zumute. Mein Herz begann zu rasen und leichter Schweiß trat mir auf die Stirn. Was passierte hier mit mir? Irgendetwas musste ich heute Morgen nicht vertragen haben. Bestimmt, ganz sicher, das war es. Ich reagierte auf irgendetwas allergisch. Unauffällig und sehr vorsichtig drehte ich mich leicht zur Seite, um diesen Menschen nur aus den Augenwinkeln zu betrachten. Was ich sah, war eigentlich ein ganz normaler junger Mann - Anfang bis Mitte zwanzig – ein Stück kleiner als ich - dunkle, im Nacken längere Haare - ein etwas unordentlicher Seitenscheitel, von dem eine Locke immer wieder abirrte und sich in Richtung Nase davon machte – schlank, aber muskulös gebaut - mit den unglaublich blauesten Augen, die ich jemals bei einem Menschen gesehen hatte – ein schmales, ernstes, bartloses Gesicht mit etwas volleren Lippen, die einen gleich zum Küssen einluden. Es gab in mir einen Ruck, als er mich streifte und ich dachte, mein Herz springt mir aus der Brust. Dann begann ich leicht zu zittern. Voller Bedacht sah ich nach unten auf meine Liste, von der ich gerade nicht mehr wusste, was ich damit sollte oder wollte. Alles in mir war in Aufruhr, ich bibberte, als wäre ich fünfzehn Jahre alt und gerade dem Mädchen meines Lebens begegnet. Doch hier, neben mir, stand ein junger Mann, keine Frau. Was für ein Gefühlstumult. Wie konnte das sein? Ein paar Räume weiter stand meine Frau in einem der Klassenräume und bereitete sich auf den heutigen Tag vor und mir schlotterten hier die Knie wegen eines mir total fremden Menschen, zumal einem jungen Mann. Mit mir konnte doch definitiv etwas nicht stimmen. Ich war sicherlich plötzlich krank geworden, hatte mir eine Grippe eingefangen. Bestimmt war es eine Sommergrippe, die sollte ja manchmal komische Symptome zeigen. Ohne die Leute im Sekretariat eines weiteren Blickes zu würdigen, stürmte ich durch die Tür und aus dem Raum, eilte, so schnell es gerade noch vertretbar war, auf die Turnhalle zu, wo mich eine Klasse von Erstklässlern schon erwartete. Dass Herr Haberlein hinter mir herrief, hörte ich nicht, ebenso wenig wie ich mitbekam, dass mir Justin Sieler gefolgt war und gleich nach mir durch die Tür der Turnhalle trat. Eine warme Hand legte sich auf meinen Rücken und diese heiter, warme Stimme neben mir ertönte. – Ich wäre fast schreiend an die Decke gegangen, so sehr wurde ich von ihm überrascht. Gerade eben noch konnte ich mich zusammenreißen, aber ich musste sehr blass geworden sein. „Geht es Ihnen nicht gut, Herr Hallstedt? Hatten Sie mich nicht gehört? Direktor Haberlein hat mich hinter Ihnen her geschickt. Ich bin Ihr neuer Referendar, Justin Sieler. Erfreut Sie kennen zu lernen.“ Sein Händedruck war ganz normal: eine warme, muskulöse Hand mit schlanken Fingern, an denen kein Ring zu finden war. Leicht gebräunte Haut, als würde dieser Mensch gerade frisch aus dem Urlaub kommen, was wohl auch so stimmen konnte. Schließlich waren erst vor drei Wochen die Sommerferien zu Ende gegangen. „Nein, nein, danke sehr. Es geht mir ausgezeichnet. Vielen Dank. Wollen wir jetzt die Kinder in die Halle schicken?“ Gott sei Dank, der Alltag, die Routine hatte mich wieder. Mit langsamen Schritten gingen wir an den Umkleideräumen vorbei, nicht ohne dass ich die Jungs einmal verwarnte, ihre Turnbeutel nicht so durch die Gegend zu pfeffern, da sich sonst leicht jemand verletzen könnte. Den Mädchen rief ich zu, dass die Jungs schon fast fertig waren, um so die Kinder ein wenig anzutreiben. Justin Sieler blieb stets an meiner Seite. Ein leichter Duft seines sommerlichen Aftershaves blies mir in die Nase, als ich mit Schwung die Hallentür öffnete. Wir machten uns daran, aus dem Geräteraum für die Kinder Bälle und Springseile, Matten und zwei kleine Trampolins zu holen. Diese Handreichungen beruhigten mich noch weiter, so dass ich schließlich in der Lage war, offen in Justin Sielers Augen zu blicken. „Ich hoffe, Ihnen gefällt es hier an unserer kleinen Grundschule. Dieses Jahr haben wir leider keine Vorschulklasse, unsere Kinder mussten in den nächstgrößeren Nachbarort ausweichen. Mit nur drei Kindern kann man schließlich keine Klasse bilden, das rechnet sich nicht. Das Kultusministerium würde uns strangulieren, wenn wir für diese wenigen Pimpfe einen Lehrer abstellen würden. Mit unserer Nachbarschule haben wir eine stille Übereinkunft getroffen, dass wir uns gegenseitig aushelfen, wenn es darum geht, wer mehr oder auch mal weniger Schüler hat“, versuchte ich meine Aufgeregtheit weg zu lachen. Was mir irgendwie nicht so richtig gelang. „Interessant zu hören und auch ökonomisch. Hat das Kultusministerium nichts dagegen?“ fragte Justin Sieler. Alleine bei seinem Namen, den ich in Gedanken immer voll aussprach, kribbelte mir der Bauch. Noch bevor ich antworten konnte, stürmten die Erstklässler die Turnhalle und nahmen uns in Beschlag. So ging es während des gesamten weiteren Vormittags. Mittags, nach Beendigung der Stunden, folgte eine Diskussion über einige eilige Änderungen im Stundenplan und das Umlegen von drei meiner Stunden auf andere Tage. Ich war froh, als ich mit meiner Frau in unser Auto, einen Opel Combo, steigen konnte. Gerade, als wir anfahren wollten, klopfte es oben auf unser Autodach. Direktor Haberlein öffnete die Tür an der Fahrerseite, wo zufällig heute ich als Fahrer saß. „Sag mal, kannst du den neuen Referendar mitnehmen? Durch die ganzen Diskussionen hat er seinen Bus verpasst und wie du weißt, fährt der nächste Bus erst in einer Stunde. Seine Wohnung liegt direkt auf eurem Weg, nur zwei Straßen bevor es zu euch ans Ende der Welt geht. Was ist? Geht das?“ Ohne mir noch die Chance einer Antwort zu geben, winkte Georg Haberlein schon Justin Sieler zu, er möge doch hier an unser Auto kommen. Gleichzeitig teilte er ihm mit, dass wir ab jetzt eine Fahrgemeinschaft wären. Carola kicherte an meiner Seite und rief unserem Direktor gleich ein „Hast du gut gemacht, aber du kannst es einfach nicht lassen, oder Georg? Wenn es mal einen Tag nicht nach deinem Kopf geht, dann streichen wir den rot im Kalender an.“ Sie stieg aus und überließ dem Referendar ihren Platz, räumte noch ein wenig auf dem Rücksitz herum, schob die Kindersitze so weit beiseite, das sie Platz hatte, setzte sich und ich fuhr los. Einfach so, mit dem Duft dieses unglaublichen Aftershaves in der Nase. Justin Sieler entschuldigte sich noch mehrfach, bis Carola ihm mittendrin sagte, dass es kein Problem wäre, wir hätten sowieso die gleiche Strecke. „Wie ich eben auf dem allgemeinen Plan mitbekommen habe, sind Sie morgens ebenfalls wie Morten immer schon für die erste Stunde eingeteilt. Dann machen wir es doch so, dass wir an der Ecke zu ihrer Straße warten und Sie dort morgens aufgabeln und mit zur Schule nehmen. Wir müssen nur ein wenig früher los, da wir unsere Jungs noch zur Tagesmutter bringen. Dienstags, mittwochs und donnerstags sind Sie allerdings alleine mit meinem Mann, denn dann bringe ich die Kinder später weg. Wenn Ihnen das passt, können wir das doch so halten, oder was meinen Sie dazu?“ Wie immer überrumpelte Carola die Menschen genauso gerne, wie Georg Haberlein. Nach einer kleinen Weile des Schweigens, in der sich meine Sinne einfach nicht an diesen Mann an meiner Seite gewöhnen konnten, meinte sie: „Jetzt holen wir aber erst die beiden Racker ab. Jan und Jens haben bestimmt ihre Tagesmutter schon wieder ein paar Nerven gekostet. Sie sind sehr aufgeweckt und immer bereit, neue Dinge zu erkunden.“ Ihre Stimme klang mütterlich stolz und auch ich konnte mich eines Anflugs von Stolz nicht erwehren. Unsere Jungs waren schon zwei Fälle für sich, zwei richtige Schelme. Immer neugierig, immer auf der Suche nach neuen Fragen, neuen Erlebnissen, neuen Taten. Und das lief ganz sicher nicht besonders sauber ab. Gleich würden sie auch wieder aussehen, als hätten sie den ganzen Morgen über in einer Schweinesuhle gebuddelt. Der Stolz auf unsere Kinder verflog aber schnell wieder. Mein Magen machte mir gerade Probleme. Morgen war Mittwoch. Der erste Morgen, an dem ich neben Justin Sieler sitzen würde. Ich nahm mir fest vor, gleich, wenn wir nach Hause kamen, eine extra Ration an Vitamin- und Mineralstofftabletten zu nehmen. Das müsste doch wirken und dieses Kribbeln, das ich in der Nase und im Magen hatte, verschwinden lassen. Wir kamen bei Uschi, unserer Tagesmutter an, Carola stieg aus dem Wagen und schon stürmten unsere beiden Wildfänge auf sie zu. Natürlich hatten sie sofort entdeckt, dass wir sie heute nicht alleine abholen kamen. Während der Prozedur des Einsteigens kamen immer wieder Fragen von den beiden Rackern. „Ist das auch ein Lehrer?“ „Geht der in eure Schule?“ „Kommt der jetzt immer mit?“ „Spielt der mit uns?“ „Kann er mit zum Mittagessen kommen?“ Tausend und eine Frage. Doch endlich hatten meine Frau und ich es geschafft, die Kindersitze so zurecht zu rücken, dass sich zwischen ihnen noch genügend Platz für Carola fand. Was die beiden zu neuen Fragen anstiftete. Ihr Mund stand bis zur Ecke, an der wir Justin Sieler hinauslassen mussten, nicht mehr still. Carola machte noch einmal klar, dass ich morgen früh pünktlich hier warten würde, um ihn mit zur Schule zu nehmen. Ein letztes Winken von ihm in Richtung der Kinder und ich fuhr weiter. - Sehr erleichtert. „Ein netter Mensch oder was meinst du, Morten? Ein bisschen ruhig vielleicht. Aber das legt sich sicherlich in der nächsten Zeit, wenn er etwas auftaut“, erklärte Carola ruhig und überlegt. Dann beschäftigte sie sich weiter mit den Kindern. Unser Haus war schnell erreicht und ich blieb noch still einen kurzen Moment im Auto sitzen, grübelte darüber nach, was zum Teufel heute geschehen war und warum ich so vollkommen unnormal auf einen anderen Mann reagierte. Kopfschüttelnd sah ich blicklos durch die Frontscheibe. Das passte alles so gar nicht zu mir. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)