Schneeflocken von abgemeldet (Eine Reise) ================================================================================ Winter ------ Der Schnee wirkte noch schöner im silbernen Glanz des Mondes, beinahe zu schön um dieses Bild mit Fußstapfen zu zerstören, und doch wanderte eine einsame Gestalt durch das Weiß. Bis über die Knöchel reichte die kalte Decke dem Mädchen, das nur in ein Hemdchen gehüllt in der Nacht stand und sich seinen Weg bahnte. Ein leichter und doch beißend kalter Wind fuhr ihr durch die Kleider und zerzauste ihr Haar, doch sie ließ sich nicht beirren. Ihr Blick blieb auf den Schatten gerichtet, der den Hügel hinauf am Horizont stand und auf sie wartete. In der Stille wirkte alles so unwirklich, geisterhaft, ebenso wie sie sich fühlte. Die Kälte spürte sie nicht, nicht einmal an ihren nackten Füßen, die ihre Spuren in den Schnee schrieben. Eine Träne lief über ihre Wange und gefror, noch bevor sie hinabtropfen konnte. Vor ihr erhob sich der kleine Hügel und mit jedem Schritt, den sie hinauf trat, wuchsen dahinter die Lichter der Stadt empor. „Du bist gekommen“, hauchte der Wind an ihrem Ohr und aus dem Schatten löste sich eine Gestalt. Das Mädchen starrte an ihrem Gegenüber auf. Ein junger Mann schaute auf sie hinab. „Warum sind wir hier?“, fragte sie, die Tränen in den Augen. Er lächelte und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Weil die Welt uns noch nicht gehen lassen wollte, Schwester“, flüsterte der Wind. Der Arm um ihre Schultern war warm und doch nicht mehr als eine Böe. „Warum nennst du mich Schwester?“, fragte sie leise und ließ den Kopf sinken. Es war alles so still. „Wir sind alle eine Familie, ohne Familie wäre es doch zu trostlos hier“, antwortete ein Luftzug, „außerdem, teilen wir alle das gleiche Schicksal.“ Sie seufzte und ließ eine dampfende Atemwolke in den Himmel steigen. Früher hatte sie hier Drachen steigen lassen, mit ihrem Vater, wenn es warm war und der Herbst den Sommer ablöste mit seinen Winden, hatten sie Stunden hier oben verbracht und dem Tanz der bunten Flieger zugesehen. Es war ihr als wäre da immer noch das Lachen, dass sie vergeudet hatte, wie ein Geist der Vergangenheit. Traurig blickte sie auf die Stadt hinunter und dachte daran wie ihre Familie nun zusammensaß vor dem Kamin, ihre Eltern sich in den Arm nahmen und beteten, dass sie wiederkommen möge. Das würde sie nicht. „Ich glaube es ist Zeit, Schwester“, weckte sie der Wind und sah sie mit traurigen Augen an. Sie nickte und schloss die Augen. Sie wusste nicht, was geschehen würde, und doch hatte sie keine Angst. Die Arme des Windes legten sich sanft um ihre Schultern und hoben sie in den Himmel. Über den Wolken öffnete sie ihre Augen wieder und blinzelte den Sternen entgegen. Es war wie ein Wunder, das man den Menschen nicht gönnte, weil es zu prächtig war für ihre Augen. „Wird es wehtun?“, fragte sie in das Nichts, das sie weiter hinauf trug. „Nein“, hauchte der Wind und ließ los. Sie fiel durch die Wolkendecke und zerbrach, nur um sich in tausenden kleinen Flocken wieder auf der Erde niederzulassen und sie noch ein wenig weißer zu machen… ein wenig schöner. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)