Schneeflocken von abgemeldet (Eine Reise) ================================================================================ Frühling -------- „Aufwachen“, flüsterte der Wind in einer warmen Brise und trug sie durch den Himmel. „Aufwachen, Schneeflöckchen, der Frühling ist da“, sprach er sanft und müde blinzelte sie in das Blau. „Frühling“, gähnte sie und reckte die müden Arme, lange hatte sie auf der Erde gelegen und geschlafen, doch jetzt spürte sie, dass etwas anders war. Sie war nicht mehr in tausend Stücken, aber sie war auch nicht wieder die Alte. Jetzt war sie ein Nichts. Wenn sie sich umsah, sah sie nicht ihren Körper, sie spürte nur, dass er da war und dass sie ihn bewegen konnte, wie den alten. „Was passiert mit mir?“, fragte sie den Wind und versuchte zu sehen, wohin er sie diesmal trug. Er antwortete ihr nicht, trug sie nur immer weiter hinauf zu den Wolken. Eine Weile beobachtete sie, wie alles unter ihnen kleiner wurde. Menschen wie Ameisen schaufelten Schneereste von den Straßen, winzige Autos rollten langsam über den Asphalt. Aus ein paar Spielzeughäusern stieg Rauch in den Himmel, ein paar andere schienen noch zu schlafen. Und am Horizont kletterte die erste warme Frühlingssonne den Himmel hinauf. „Du hast dich verändert“, stellte sie fest und konzentrierte sich wieder auf den Wind, der sich wärmer und sanfter um sie schmiegte und einen ganz neuen frischen Duft mit sich trug. „Ich bin nicht mehr die kalte Briese und du bist nicht mehr der Schnee“, antwortete er in einem Hauchen und drehte ein paar Schlaufen während er weiter flog. „Aber was macht der Schnee im Frühling?“, fragte sie weiter. Der Wind hatte das ganze Jahr zu tun. Im Frühling half er den Blumen beim Wachsen. Im Sommer kühlte er die Welt, im Herbst wechselte er den Bäumen ihr Kleid und im Winter trug er den Schnee übers Land. Doch sie hatte noch nie Schnee im Frühling gesehen. Sie hatte akzeptiert, dass sie kein Mensch mehr war und jetzt sollte sie kein Schnee mehr sein. „Du wirst schon sehn“, antwortete er nur und dann brachen sie durch die Wolken. „Da vorne, siehst du, das sind Regentröpfchen“, wies der Wind und wehte sie in eben jene Richtung. Auf einer Wolke saßen ein paar Kinder und lachten tropfend. „Ist es das, was ich jetzt bin? Ein Regentröpfchen?“, fragte sie und beobachtete den Regen beim Spielen. „Nein“, flüsterte der Wind, „aber du darfst sie begleiten.“ Der Wind kicherte und sauste voran und im nächsten Augenblick schon saß das Schneeflöckchen, das keines mehr war, zwischen dem Regen. „Oh schaut, der Wind hat uns die neuen Farben gebracht“, plätscherte eines der Tröpfchen und lachte sie an. „Hallo Flöckchen“, grüßte ein anderes und schüttelte ihr die Hand. Da musste sie lachen. Wo das Tröpfchen sie berührte kitzelte es ganz schrecklich und auf einmal schimmerte es kunterbunt, wo sie ihre Hand spürte. „Huch“, staunte sie und hob die Hand hoch, doch schon einen Moment später war das Schimmern wieder verschwunden. Die Tröpfchen kicherten und ein drittes kam zu ihr. „Du bist jetzt unser Regenbogen“, tröpfelte es und sah die anderen verschwörerisch an. „Oh“, meinte sie und schaute erstaunt, „Und was muss ich als Regenbogen so machen?“ Wieder lachten die Tröpfchen plätschernd und sie meinte fast, den Wind über ihnen mitlachen zu hören. Da reichte eines der Tröpfchen ihr wieder die Hand, lächelte freundlich und sprach ganz ruhig: „Komm einfach nur mit“ Ein anderes nahm ihre andere Hand und fügte kichernd hinzu: „Und lass nicht los!“ Dann kam das dritte, nahm die anderen beiden bei der Hand und schloss den Kreis und im selben Moment fielen sie durch die Wolken. Und die Tröpfchen zerfielen in den Regen und hielten sie fest, zogen sie auseinander und ließen sie in allen Farben schimmern. Zum ersten Mal sah sie die Welt wieder in all ihren Farben und sie selbst machte sie ein wenig bunter… ein wenig schöner. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)