Splitterwelt von angelneko ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Eigentlich hatte der alte Jacob seine Arbeit immer geliebt. Es war nicht leicht, mit den schweren Metallstücken und der Hitze einer Schmiede umzugehen. Dennoch, er hatte es nie bereut, dieses Handwerk ergriffen zu haben. Leider hatte sich vieles verändert. Zumindest waren seine Frau und seine Tochter in Sicherheit. Weit, weit weg von hier. Wenn er sie wenigstens einmal wieder sehen könnte! Doch das würde sie nur unnötig in Gefahr bringen. Das Geld, dass er ihnen schickte, musste ausreichen. Es war schon schlimm genug, dass er seinen armen Jungen mit hineingezogen hatte. Mit trauriger Miene beobachtete der alte Jacob seinen Sohn, der Wasserkübel und Metallschrott heranschleppte um dann wieder das Feuer der Schmiede zu kontrollieren. Seine Augen hatten jeglichen Glanz verloren. Wann hatten sie beide zum letzten Mal die Sonne gesehen? Den Wind gespürt? Es hätte ein ganz normaler Auftrag werden sollen. Nichts besonderes. Eine Metallarbeit nach vorgegebenen Maßen mit abgerundeten Kanten und vorgegebenen Wölbungen. Sie hätte ein Zierelement sein können oder zu einer größeren Gerätschaft gehören können. Wie im Handwerk üblich, hatte Jacob die letzten Anpassungen direkt vornehmen wollten, um sicherzustellen, dass wirklich alles richtig saß. Normalerweise wäre sein Auftraggeber zu ihm gekommen, doch er hatte mitteilen lassen, dass dies nicht möglich sei. Also hatte sich der alte Jacob auf die Reise begeben. All dies hatte er schrecklich bereut, als er nach seiner Ankunft sein eigenes Schiff hatte in Flammen aufgehen sehen. Jacobs Hand, die den Schmiedehammer hielt, zitterte. Dabei war er selbst sogar noch gut davongekommen, ganz im Gegensatz zum Rest der Besatzung des Schiffes, mit dem er hier hergekommen war. Diejenigen, die nicht mit den flammenden Trümmern in die endlosen Tiefen gestürzt waren, waren zu armen Arbeitern mit ausgezehrten, schmutzigen Körpern und leeren Gesichtern geworden. Dieses Höllenloch hatte sie alle verschlungen. „Großartige Arbeit. Einfach großartig!“, schnarrte die Stimme des Doktors zu ihm herüber, „Alles, was du anfertigst, sitzt perfekt!“ Doktor Isath nickte dem alten Jacob zu. Jacob bekam noch immer eine Gänsehaut, wenn er dem Doktor direkt ins Gesicht sah. Die rechte Hälfte seines Gesichts war ganz gewöhnlich, wenn auch ein seltsames Brillengestell mit einem farbigen Brillenglas hineinragte. Die linke Hälfte Jedoch bestand von der Stirn bis zum Wangenknochen aus Metall. Zwei kleine Schläuche wanden sich von einer Kapsel hinter seinem Ohr zu einer eingefassten Linse, die Dort saß, wo das Auge hätte sein sollen. Eine Kette aus beweglichen Metallplättchen an kleinen Kolben imitierte die Stellung der Augenbraue der gesunden Gesichtshälfte. Dies gab dem Gesicht eine verzerrte Vertrautheit. Wann immer der Mann sein Gesicht verzog, begleitete das leise Surren und Rattern der Bauteile die Änderungen seiner Miene. „Danke, Herr...“, flüsterte Jacob, und wandte sich schnell wieder ab. Der lange, seitlich geknöpfte Kittel des Wissenschaftlers raschelte, als er sich wieder seinem Patienten zuwandte. Der Mann auf der Liege knurrte und wand sich. Er war mit mehreren Ledergurten festgebunden und versuchte sich loszureißen. Große Teile seines Körpers waren mit Narben übersät. Sicher stammte vieles davon von Verbrennungen, wenn auch einige Narben von Kämpfen herrühren mussten. Einige dieser vernarbten Flächen waren bereits mit Metallplatten bedeckt. „Ich dachte, du willst Rache nehmen!“, schimpfte der Wissenschaftler mit dem Mann, wie mit einem ungezogenen Kind, „Glaubst du etwa, dass du in diesem Zustand irgendetwas erreichen könntest?!“ Der Mann auf der Liege war so in Rage, dass er die Worte nicht wahrzunehmen schien. Der Doktor verzog das Gesicht. Das leise Surren jagte dem alten Jacob einen Schauer über den Rücken. „Mir wäre lieber, ich müsste nicht zu solchen Mitteln greifen, mein Lieber...“, seufzte Doktor Isath und schritt hinüber an einer der Maschinen. Er legte einen der Hebel um, was ihn große Kraft zu kosten schien. Ein Summen ertönte und der Mann auf der Liege jaulte auf. Kleine Blitze zuckten über die Metallplatten an seinem Körper. Der alte Jacob krümmte sich unter den Geräuschen zusammen und aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie sein Sohn aus der Halle floh. Er schickte ein Stoßgebet zu den alten Göttern, auf dass sie seine Frau und Tochter beschützen mochten. Nach wenigen Augenblicken drückte der Wissenschaftler den Hebel wieder in die Ausgangsposition zurück. Die Schreie erstarben. Der Mann auf der Liege atmete heftig. „Habe ich nun deine volle Aufmerksamkeit?“, frage der Doktor und schien zufrieden zu sein, als sich die Augen des Mannes starr auf ihn richteten. „Du wirst deine Rache bekommen, keine Angst. Aber in diesem Zustand würdest du es nicht einmal schaffen über eine Reling auf ein Schiff zu klettern. Du musst mir Zeit geben, meine Arbeit und meine Forschung abzuschließen. Wie ich dir schon einmal gesagt habe, ist dieses Metall nahezu Kugelsicher und wird dich um ein vielfaches stärker machen, als du es je warst. Stell dir nur vor, was du damit alles erreichen könntest!“ Der Atem des Mannes wurde ruhiger. „Alles was du tun musst, ist, dich um ein paar meiner Aufträge zu kümmern und vor allem musst du mich meine Arbeit hier abschließen lassen.“ Der Wissenschaftler blickte den Mann auf der Liege streng an. Schließlich nickte dieser langsam und gab ein grunzendes Geräusch von sich. Doktor Isath schnaubte und machte sich wieder an die Arbeit. Mit sorgenvoll verzerrtem Gesicht griff der alte Jakob nach der nächsten Metallplatte und hielt sie mit einer Zange in die Flammen. Die Jägerin stand am Bug eines Schiffes. Ihre Augen waren geschlossen, doch ihr Geist war wach, wie immer. Sie beruhigte ihren Atem. Sie benötigte ihre vollste Konzentration. Dann war es soweit. Ein Windhauch umwirbelte sie. Sie riss die Augen auf und sah einer kleinen Feder nach, die vom Wind davongeblasen wurde. Der Kaufmann, dem das Schiff gehörte, stand verunsichert hinter ihr. Er schrak zusammen, als die dürre Frau mit erstaunlicher Schnelligkeit herumfuhr und ihn am Hemd packte. Die Klinge ihrer Hellebarde lag kalt und unheilvoll an seinem Hals. „Fliegen nach dort.“, zischte die Jägerin und wies mit ihrer Waffe in die Richtung, in der die Feder verschwunden war. Der Kaufmann hob die Hände und nickte schnell. Wie konnte er nur in dieses Dilemma geraten? Als die Frau von ihm abließ, keuchte er und rannte dann zu seiner Besatzung zurück, um die entsprechenden Befehle zu geben. Hoffentlich würde diese Frau sein Schiff verlassen, ohne sie alle umzubringen! Mit klopfendem Herzen floh der Kaufmann ins Innere des Schiffes und warf die Tür hinter sich zu. Als er noch einmal verstohlen durch das kleine Bullauge in der Tür zu der seltsamen Frau am Bug des Schiffes blickte, hatte diese sich bereits wieder abgewandt. Mit kalten Augen starrte sie über die Reling in die Ferne und nur die alten Götter mochten wissen, was in ihr vorging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)